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Als Rhetorenedikt wird das am 17 Juni 362 n Chr vom romischen Kaiser Julian erlassene Gesetz bezeichnet das christlichen Lehrern faktisch untersagte an offentlichen Schulen zu unterrichten Es ist im Codex Theodosianus C Th XIII 3 5 fragmentarisch festgehalten und offiziell nie ausser Kraft gesetzt worden Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Zeitgenossische Reaktionen 3 Interpretation in der Forschung 4 LiteraturInhalt BearbeitenDer Text des Edikts klingt zunachst relativ harmlos da geregelt wird dass die Einstellung eines Lehrers von der Curia und dem Kaiser zu beurteilen sei Bedingung fur eine Lehrerlaubnis war dass die Aspiranten sich durch tadellose sittliche Haltung auszeichneten Die Definition dafur oblag offensichtlich dem Kaiser denn das Edikt fuhrt dazu nichts auf Die Lehramtstatigkeit sollte hohes Ansehen erfahren Der formale Wortlaut des Ediktes war zunachst einer religiosen Parteinahme unverdachtig denn es war weder ein Hinweis auf das Christentum noch auf Religion uberhaupt enthalten Bereits vormals griff der Kaiser in die Anstellungen von Lehrern ein obgleich die Aufgabe den Magistraten oblag Aus diesen Grunden sahen sich auch die christlichen Nachfolger Julians nie veranlasst das Edikt zuruckzunehmen Kaiser Julian konkretisierte in einem parallelen Schreiben den Zweck des Edikts in welchem er die erwartete sittliche Eignung der Lehrer und Professorenschaft konkretisierte korrekte und authentische Erziehungs Gesinnungs und Verhaltensanspruche die die korrekten Anschauungen uber Gut und Bose schon und hasslich nach sich zogen um einer Vorbildfunktion gerecht werden zu konnen Fur die klassischen Dichter seien die Gotter der Anfang aller Kultur also sei es widerspruchlich wenn Lehrer die Werke der alten Schriftsteller zwar studierten gleichzeitig aber die von ihnen verehrten Gotter verachteten Hiermit waren zweifellos die Christen gemeint Fur sie waren die alten Klassiker zwar Grundlage ihrer Bildung paideia den Gotterglauben aber verdammten sie Julian verlangt von keinem Lehrer seine Gesinnung zu andern sondern lasst ihnen die freie Wahl Entweder sie verzichten auf den Schuldienst oder sie lehren durch die Tat Das Schreiben enthalt aber kein Verbot fur christliche Kinder die Schule zu besuchen wie lange behauptet wurde Die Unverstandigen sollten belehrt nicht bestraft werden schliesst Julian das Schreiben Er warnt dass man den Christen keine Gewalt antun sondern sie mit Argumenten uberzeugen solle Mit diesen Ausfuhrungsbestimmungen wandelt sich das unspektakular wirkende Rhetorenedikt zu einem eindeutig gegen die sich im Aufschwung befindenden Christen gerichtetes Gesetz Es war vor allem ein Angriff auf die christliche Kultur die sich bis zum 4 Jahrhundert ausgebildet hatte und deren Grundlage die heidnischen Klassiker waren Der innere Widerspruch zur christlichen Gegenwart blieb weitgehend unerwahnt seit Jahrhunderten hatte man das hellenistische Weltbild der heidnischen Autoren im Sinne der jeweiligen Zeitstromung umgedeutet Fur die christlichen Rhetoren erwies sich dieses als existentielles Problem Sie waren vor die Wahl gestellt ihren Glauben oder ihren Beruf aufzugeben Ein genaues Zahlenverhaltnis kann man nicht angeben aber die Zahl derer die ihre Amter aufgaben waren wohl die grosse Mehrheit Zeitgenossische Reaktionen BearbeitenDas Edikt vor allem dessen Begleitschreiben losten auf christlicher Seite einen Sturm der Entrustung aus Der Zorn der Christen wird verstandlich wenn man bedenkt dass die gesamte hohere Bildung auf den heidnischen Klassikern beruhte Diese wurden zwar gelehrt sozusagen als geistige Grundlage gleichzeitig polemisierten die christlichen Autoren gegen den dort vorzufindenden Gotterglauben Unter den vielen Stimmen die sich gegen das Schulgesetz erhoben war die von Gregor von Nazianz wohl die lauteste Er machte Julian erfullt von leidenschaftlichem Hass die heftigsten Vorwurfe und bediente sich dazu der ubelsten Beschimpfungen Julian sei der schlimmste und gottloseste aller Menschen und trete in die Fussstapfen des Verfolgers Herodes des Verraters Judas und des Christusmorders Pilatus Diese Kritik hatte hohen Anteil an der Ausbildung des negativen Julian Bildes bei den Christen Diese christliche Sichtweise wurde in spateren Jahrhunderten weitgehend ubernommen so dass Julian als religioser Eiferer erschien der die Christen ausrotten wollte was wohl wenigstens teilweise nicht unzutreffend sein durfte Eine pragmatischere Reaktion seitens der Christen war die Bibel in Verse zu bringen um sie fur den Unterricht verwendbar zu machen Aufgrund des Edikts traten unter anderem der Rhetor Marius Victorinus der 355 unter Aufsehen vom Heidentum zum Christentum konvertiert war in Rom sowie Julians Lehrer in Athen Prohairesios von ihren Amtern zuruck Im letzten Fall versuchte Julian zu intervenieren und wollte fur seinen Lehrer eine Ausnahme machen dies lehnte Prohairesios jedoch enttauscht ab Die Reaktion der heidnischen Autoren fiel ebenso wenig zu Julians Gunsten aus obwohl man Gegenteiliges hatte vermuten konnen Explizit geht nur Ammianus Marcellinus auf das Rhetorenedikt ein Dabei legt er eine undogmatische Sichtweise an den Tag Er fordert Toleranz von Heiden und Christen da diese zum inneren Frieden im Reich fuhrt Er nennt es unvereinbar mit Julians Milde und wurde es am liebsten mit ewigem Schweigen bedeckt sehen XXII 10 7 An einer anderen Stelle bezeichnet er es als zu hart XXV 4 20 Bei anderen heidnischen Autoren lasst sich nur indirekt auf ihre Einstellung zum Edikt schliessen da sie keine direkten Ausserungen dazu machen Interpretation in der Forschung BearbeitenDas Rhetorenedikt war und ist auch in der Forschung bis ins 20 Jahrhundert hinein der zentrale und am deutlichsten missbilligte Zug an Julians Herrschaft Dabei wurde bis ins 19 Jahrhundert hinein das christlich gepragte Bild vom Christenverfolger und Tyrannen Julian ubernommen Das Edikt wurde als Akt der Intoleranz gebrandmarkt der zu nichts anderem als der Christenausrottung unternommen wurde Die Bewertung dieses Erlasses steht im Gegensatz zur Beurteilung von Julians ubriger Regierungsarbeit Seine Reformen wurden von Zeitgenossen teils auch christlichen gelobt und in der neueren Forschung werden sie als konstruktive und mit innerer Logik ausgefuhrte Massnahmen charakterisiert Allerdings ubten bereits Heiden wie Ammianus Marcellinus der ansonsten Julian sehr gewogen war Kritik am Edikt Erst seit kurzem wird auch das Rhetorenedikt teils anders bewertet indem es als Teil der gesamten Reformbestrebungen gesehen und damit in einen grosseren Zusammenhang gestellt wird Hier wird der Kaiser als Utopist und Romantiker dargestellt Julians konservative politische Vision war die politische und religiose Wiederherstellung des Augusteischen Zeitalters Diese hatte er mit seinen Reformen in Finanzen Heer und Verwaltung bereits eingeleitet Darum erscheint es nur konsequent wenn er diese Reformen auch auf das Schulwesen ausdehnte Es war ein Versuch die Schulen zu ihren traditionellen Aufgaben zuruckzufuhren Dieser war breit angelegt und umfasste weit mehr als nur den christlichen Lehrern ihre Stellen wegzunehmen Es wurden offentliche Vorlesungen veranstaltet Unterkunfte und Gymnasien wieder aufgebaut und neue Lehrstuhle eingerichtet Allerdings war die Vorstellung Julians wieder zur Zeit vor Konstantin zuruckkehren zu konnen eher illusorisch Das Edikt an dem auch von Teilen der modernen Forschung noch Kritik geubt wird wurde von den christlichen Kaisern jedoch nicht wieder aufgehoben da es ihnen Zugriff auf das Bildungswesen erlaubte Literatur BearbeitenThomas M Banchich Julian s School Laws Cod Theod 13 5 5 and Ep 42 In Ancient World Nr 24 1993 S 5 14 Carsten Colpe Civilitas Graeca und Eupistia Hellenike Ein lateinisches und ein griechisches Kennwort fur das Paganisierungsprogramm des Kaisers Julian In Georg Schollgen Clemens Scholten Hrsg Stimuli Exegese und ihre Hermeneutik in Antike und Christentum Festschrift fur Ernst Dassmann Jahrbuch fur Antike und Christentum Erganzungsband 23 Aschendorff Verlag Munster 1996 ISBN 3 402 08107 5 S 308 328 Glanville Downey Julian and the Schools In The Classical Journal Nr 53 1957 58 ISSN 0009 8353 S 97 103 B Carmon Hardy Kaiser Julian und sein Schulgesetz In Richard Klein Hrsg Julian Apostata Wege der Forschung Bd 509 Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1978 ISBN 3 534 07315 0 S 387 408 engl Orig The Emperor Julian and His School Law In Church History 37 1968 S 131 143 Richard Klein Kaiser Julians Rhetoren und Unterrichtsgesetz In Ders Roma versa per aevum Ausgewahlte Schriften zur heidnischen und christlichen Spatantike Spudasmata Bd 74 Herausgegeben von Raban von Haehling und Klaus Scherberich Olms Hildesheim u a 1999 ISBN 3 487 11032 6 S 128 155 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Rhetorenedikt amp oldid 225433615