Die Rauschzahl, manchmal auch Rauschfaktor genannt, ist in der Nachrichtentechnik eine Kennzahl für das Rauschen eines linearen Zweitors. Ein Zweitor kann in diesem Zusammenhang beispielsweise eine Verstärkerstufe darstellen. Die Rauschzahl gilt nur unter den definierten Bedingungen und kann nicht direkt auf eine reale Schaltung übertragen werden. Zur Rauschzahl gehört die Angabe der Frequenz, für die diese gilt und ermittelt wurde. Ein Wert von 500 MHz ist üblich, da bei dieser Frequenz das 1/f-Rauschen vernachlässigbar ist.
Allgemeines Bearbeiten
Der dem Eingangswiderstand des Zweitors angepasste rauschende Widerstand befindet sich auf einer Rauschtemperatur von 290 K. Dieser Temperaturwert, der ungefähr der Raumtemperatur entspricht, ist willkürlich gewählt und bezeichnet die Standard-Rauschzahl.
Am Eingang wird dem Zweitor eine Signalleistung und eine Rauschleistung zugeführt, deren Verhältnis das Signal-Rausch-Verhältnis (SNR) des Einganges darstellt:
An seinem Ausgang gibt das Zweitor dann eine Signalleistung und eine Rauschleistung an die Impedanz ab. Bei einem ideal angenommenen, rauschfreien Zweitor ist das SNR des Ausgangs
gleich dem SNR des Eingangs .
Bei realen Zweitoren, wie beispielsweise einem elektronischen Verstärker mit dem Verstärkungsfaktor G, weist der Verstärker intern mit dem Generator nicht korrelierte Rauschquellen auf, wodurch das Signal-Rausch-Verhältnis am Ausgang immer geringer als das Signal-Rausch-Verhältnis am Eingang ist:
Die Herausforderung eines Verstärkers besteht in diesem Zusammenhang darin, dem Signal bei gegebener Verstärkung möglichst wenig Eigenrauschen hinzuzufügen, so dass das Nutzsignal S am Ausgang trotz Verschlechterung des Signal-Rausch-Verhältnisses über dem Rauschpegel der nachfolgenden Verarbeitungsstufen liegt. Dies kann nur durch eine Maximierung des Verhältnisses von Verstärkung zu hinzugefügter Rauschleistung erreicht werden. Da viele Maßnahmen, welche auf eine Verringerung der Rauschleistung abzielen, auch die Verstärkung herabsetzen, ist dieser Ansatz meist nicht zielführend. Stattdessen wird versucht, den Verstärkungsfaktor stärker zu erhöhen, als das Rauschen anteilig mitwächst, um so die Rauschzahl näher an Eins zu bringen.
Definition Bearbeiten
Die Rauschzahl F ist gegeben durch das Verhältnis:
mit dem Verstärkungsfaktor G des Verstärkers, für den normalerweise gilt Liegt jedoch eine Dämpfung vor, wie beispielsweise bei einem Kabel, so ist
Häufig wird die Rauschzahl logarithmisch in Dezibel (dB) als Rauschmaß angegeben:
Da die Größen im Allgemeinen von der Frequenz abhängen, wird für die praktische Bestimmung der Rauschzahl im Rahmen der Rauschmessung eine hinreichend kleine Bandbreite gewählt, innerhalb der alle Größen über die Frequenz näherungsweise konstant sind. Damit wird die Rauschzahl zu einer Funktion der Frequenz, die dann auch als spektrale Rauschzahl F(f) bezeichnet wird.
Lineares Zweitor Bearbeiten
Weiter ist es möglich, die Rauschzahl über die im linearen Zweitor zusätzlich erzeugte Rauschleistung zu beschreiben. Die ausgangsseitige Rauschleistung setzt sich zusammen aus der um verstärkten eingangsseitig zugeführten Rauschleistung und der im Zweitor erzeugten Rauschleistung :
Damit kann die Rauschzahl des linearen Zweitors dargestellt werden:
mit der durch das Zweitor zusätzlich eingebrachten Rauschzahl :
Bei idealen, rauschfreien Zweitoren ist
Demzufolge beträgt die Rauschzahl für das ideale, rauschfreie lineare Zweitor (frequenzunabhängig):
Kaskade Bearbeiten
Werden mehrere Zweitore als eine Kaskade in Reihe geschaltet – dies ist beispielsweise bei einer Aneinanderreihung von Verstärkern entlang einer längeren Leitung der Fall – lässt sich die Rauschzahl Fg einer Kaskade mit n Zweitoren verallgemeinern zu:
Diese erweiterte Form der Rauschzahl wird auch als Friis-Formel bezeichnet.
Rauschtemperatur Bearbeiten
Die Rauschzahl eines Zweitors lässt sich auch mit Hilfe der Rauschtemperatur Te ausdrücken:
Dabei ist T0 die Bezugstemperatur, die für die Standard-Rauschzahl mit 290 K festgelegt ist.
Ein idealer, rauschfreier Verstärker weist eine Rauschtemperatur von Te=0 K auf, was einer Rauschzahl von 1 entspricht. Ein realer Verstärker, der sich beispielsweise auf einer Rauschtemperatur von Te=290 K befindet, weist eine Rauschzahl von 2 auf, was bedeutet, dass sich das SNR am Ausgang des Verstärkers um 3 dB verschlechtert. Insbesondere für Eingangsverstärker und zur Erzielung eines hohen SNR ist es daher nötig, die Rauschtemperatur des Verstärkers möglichst niedrig zu halten.
Nichtlineares Zweitor Bearbeiten
Nichtlineare Zweitore können die Spektren von Nutzleistung und Rauschleistung am Zweitoreingang so verändern, dass durch Filtermaßnahmen in günstigen Fällen Rauschzahlen kleiner als 1 entstehen können. Ein typisches Beispiel ist ein Demodulator für frequenzmodulierte Nutzsignale, der für Signal-Rausch-Verhältnisse am Eingang oberhalb eines Schwellenwerts ein verbessertes Signal-Rausch-Verhältnis am Demodulatorausgang produziert.
Traditionelle optische Rauschzahl Bearbeiten
Die Rauschzahl beschreibt hier die Abnahme des Signal- zu Rauschverhältnisses eines kohärenten optischen Signals beim Durchgang durch einen optischen Verstärker. Dazu werden die Signal- zu Rauschverhältnisse des elektrischen Stroms betrachtet, den ein idealer Photodetektor mit der Quanteneffizienz 1 vor oder hinter dem optischen Verstärker liefern würde. Die in die S/N-Verhältnisse eingehenden elektrischen Leistungen sind also proportional zum Quadrat der entsprechenden optischen Leistungen.
Obwohl das Eingangssignal als ideal angenommen wird, ist seine Leistung infolge der Quantennatur der Photonen nicht völlig konstant, sondern variiert infolge des Schrotrauschens.
Zu dem bereits im Eingangssignal enthaltenen und im optischen Verstärker verstärkten Rauschen kommen weitere Rauschanteile hinzu, die im Verstärker entstehen. Meist dominiert dabei das Mischprodukt aus Signal und Superlumineszenz (ASE: Amplified spontaneous emission). Vernachlässigt man die weiteren Rauschanteile, so erhält man für den optischen Verstärker (EDFA) die Rauschzahl
mit
- Leistungsdichte des ASE-Rauschens in W/Hz, gemessen als Summe von beiden Polarisationen
- Verstärkungsfaktor
- Plancksches Wirkungsquantum
- Frequenz des optischen Eingangssignals in Hz
Für Raman-Verstärker gilt eine andere Formel, da entlang der Faser gleichzeitig Verstärkung und Dämpfung stattfindet.
Konsistente optische Rauschzahl Bearbeiten
Die obige traditionelle optische Rauschzahl wurde in den 1990ern definiert. Sie kann auch genannt werden für photon number fluctuations. Die Leistungen, die für SNR- und Rauschfaktorberechnung benötigt werden, sind die elektrischen Leistungen, welche durch den Strom in einer Photodiode verursacht werden. Das SNR ist das Quadrat des mittleren Photostroms geteilt durch die Varianz des Photostroms. Monochromatisches oder ausreichend abgeschwächtes Licht hat eine Poissonverteilung detektierter Photonen. Wenn während eines Detektionszeitraums der Erwartungswert detektierter Photonen gleich ist, so ist die Varianz ebenfalls gleich und man erhält = = . Hinter einem optischen Verstärker mit Leistungsverstärkung erhält man einen Erwartungswert von detektierten Signalphotonen. Im Grenzfall von großen ist die Varianz detektierter Photonen , wobei der spontane Emissionsfaktor ist. Man erhält = = . Der resultierende optische Rauschfaktor ist = = .
ist in konzeptionellem oder Definitionskonflikt mit dem elektrischen Rauschfaktor, der jetzt genannt wird:
Der Photostrom ist proportional zur optischen Leistung. Die optische Leistung ist proportional zu Quadraten einer Feldamplitude (elektrisch oder magnetisch). Der Empfänger ist bezüglich Amplitude also nichtlinear. Die Leistungen, welche für die Berechnung von benötigt werden, sind proprortional zur 4. Potenz der Signalamplitude. Doch für im elektrischen Bereich ist die Leistung proportional zum Quadrat der Signalamplitude.
Bei einer beliebigen elektrischen Frequenz gibt es Rauschen in Phase (I) und in Quadratur (Q) mit dem Signal. Diese beiden Quadraturen sind hinter dem elektrischen Verstärker verfügbar. Dasselbe gilt für einen optischen Verstärker. Aber der optische Direktempfänger, welcher für die Bestimmung von herangezogen wird, reagiert hauptsächlich aufs In-Phase-Rauschen, während das Quadraturrauschen für hohe vernachlässigt werden kann. Außerdem liefert der Empfängerausgang nur eine Quadratur. Eine von ursprünglich zwei Quadraturen geht also verloren.
In einem optischen Verstärker mit großem gilt ≥ 2, während für einen elektrischen Verstärker ≥ 1 gilt.
Der heutige faseroptische Weitverkehr wird durch kohärente optische I&Q-Empfänger dominiert, doch ist nicht der SNR-Verschlechterungsfaktor in diesen.
Eine weitere optische Rauschzahl für amplified spontaneous emission wurde definiert. Doch der Rauschfaktor ist nicht der SNR-Verschlechterungsfaktor in jeglichem optischem Empfänger.
Die obigen Konflikte werden gelöst durch optische In-Phase-und-Quadratur-Rauschfaktor und -Rauschzahl . Sie kann mit kohärenten optischen I&Q-Empfängern gemessen werden. In diesen ist die Leistung des Ausgangssignals proportional zum Quadrat einer optischen Feldamplitude, weil sie amplitudenlinear sind. Sie übertragen beide Quadraturen. Für einen optischen Verstärker gilt = ≥ 1. Die Größe ist die eingangsbezogene Anzahl hinzugefügter Rauschphotonen pro Mode.
und können leicht ineinander umgerechnet werden. Für große gilt = oder, in dB ausgedrückt, ist 3 dB kleiner als . Die ideale in dB ist 0 dB. Dies beschreibt die bekannte Tatsache, dass die Empfindlichkeit eines idealen optischen I&Q-Empfängers durch einen optischen Vorverstärker nicht geändert wird.
Allgemeingültige Rauschzahl Bearbeiten
Elektrische Quellen erzeugen Rauschen mit einer spektralen Leistungsdichte gleich , wobei die Boltzmannkonstante und die absolute Temperatur ist. Es gibt auch optisches Rauschen. Doch optische Quellen haben kein fundamentales Rauschen. Stattdessen verursacht die Energiequantelung merkliches Schrotrauschen im Detektor, entsprechend einer spektralen Leistungsdichte . Die gesamte Rauschleistungsdichte pro Mode ist . Im elektrischen Bereich kann vernachlässigt werden. Im optischen Bereich kann vernachlässigt werden. Dazwischen, sagen wir im niedrigen THz- oder thermischen Bereich oder bei hohen elektrischen Frequenzen und Kryotemperaturen, ist beides zu berücksichtigen. Es ist möglich, zwischen elektrischem und optischem Bereich überzublenden, sodass man eine allgemeingültige Rauschzahl erhält.
Das wurde versucht durch eine Rauschzahl , wobei der Index für fluctuations of amplitude squares steht. Bei optischen Frequenzen ist gleich und betrifft die Detektion von nur 1 Quadratur. Aber der konzeptionelle Unterschied zu kann nicht überwunden werden: Es erscheint unmöglich, dass für steigende Frequenz (von elektrisch zu thermisch zu optisch) 2 Quadraturen (in elektrischen Empfängern) allmählich zu 1 Quadratur werden (in optischen Empfängern, welche oder bestimmen). Der ideale Rauschfaktor müsste von 1 (elektrisch) nach 2 (optisch) gehen, was nicht intuitiv ist. Zur Vereinheitlichung von mit müssten Quadrate von Signalamplituden (Leistungen im elektrischen Bereich) graduell in 4. Potenzen von Signalamplituden (elektrische Ausgangsleistungen von optischen Direktempfängern) übergehen, was unmöglich erscheint.
wurde ebenfalls verallgemeinert. Dafür gibt es aber keinen Anlass, weil der Rauschfaktor ja in keinem optischen Empfänger der SNR-Verschlechterungsfaktor ist.
Eine konsistente Vereinheitlichung von optischer und elektrischer Rauschzahl erhält man mit and . Es gibt keine Widersprüche, weil beide konzeptionell in Einklang sind (Leistungen proportional zu Amplitudenquadraten, linear, 2 verfügbare Quadraturen, idealer Rauschfaktor gleich 1). Thermisches Rauschen und fundamentales Quantenrauschen werden berücksichtigt. Die vereinheitlichte, allgemeingültige Rauschzahl ist = . Dabei ist die Zusatzrauschtemperatur.
Literatur Bearbeiten
- Rudolf Müller: Rauschen. 2. Auflage. Band 15. Springer Verlag, 1989, ISBN 3-540-51145-8.
- Curt Rint: Handbuch für Hochfrequenz- und Elektro-Techniker. 12. Auflage. Hüthig und Pflaum Verlag GmbH, 1979, ISBN 3-8101-0044-7.
- Jürgen Detlefsen, Uwe Siart: Grundlagen der Hochfrequenztechnik. 2. Auflage. Oldenbourg Verlag, München Wien 2006, ISBN 3-486-57866-9.
- Anders Bjarklev: Optical Fiber Amplifiers: Design and System Applications. Artech House, Norwood 1993, ISBN 0-89006-659-0.
- Keysight: Fundamentals of RF and Microwave Noise Figure Measurements. (pdf) Application Note 57-1, 5952-8255E. 2010, abgerufen am 4. November 2022 (englisch).
Einzelnachweise Bearbeiten
- H.W. König: Die Rauschzahl linearer Zweitore und Verstärkerröhren. Tagungsband Frequenz, 1955, S. 3–11.
- E. Desurvire, „Erbium doped fiber amplifiers: Principles and Applications“, Wiley, New York, 1994
- ↑ H. A. Haus, "The noise figure of optical amplifiers," in IEEE Photonics Technology Letters, vol. 10, no. 11, pp. 1602-1604, Nov. 1998, doi:10.1109/68.726763
- ↑ R. Noe, "Consistent Optical and Electrical Noise Figure," in Journal of Lightwave Technology, 2022, doi:10.1109/JLT.2022.3212936, https://ieeexplore.ieee.org/document/9915356
- ↑ R. Noe, "Noise Figure and Homodyne Noise Figure" Photonic Networks; 24th ITG-Symposium, Leipzig, Germany, 09-10 May 2023, pp. 85-91, https://ieeexplore.ieee.org/abstract/document/10173081, presentation https://www.vde.com/resource/blob/2264664/dc0e3c85c8e0cb386cbfa215fe499c4c/noise-figure-and-homodyne-noise-figure-data.pdf
- ↑ H. A. Haus, "Noise Figure Definition Valid From RF to Optical Frequencies", in IEEE JOURNAL OF SELECTED TOPICS IN QUANTUM ELECTRONICS, VOL. 6, NO. 2, March/April 2000, pp. 240–247