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Die Promotion A Doktor eines Wissenschaftszweiges war eine akademische Qualifizierungsform in der DDR Sie wurde im Rahmen der III Hochschulreform mit der Verordnung uber die akademischen Grade vom 6 November 1968 eingefuhrt und durch die Promotionsordnungen vom 21 Januar 1969 geregelt Sie setzte die Anfertigung einer akademischen Qualifikationsschrift in der Form einer Dissertation voraus Wahrend an den Fakultaten der Universitaten und Hochschulen der Bundesrepublik Deutschland jeweils eigene Promotions und Habilitationsordnungen existieren war dies in der DDR einheitlich durch die Promotionsordnung A geregelt Das Promotionsrecht war den Wissenschaftlichen Raten der Hochschulen erteilt Zugleich wurde nach sowjetischem Vorbild die Promotion B Doctor scientiae eingefuhrt welche die Habilitation abloste In der DDR wurden spezielle Studien und Qualifizierungsmassnahmen geschaffen um den akademischen Nachwuchs systematisch planmassig und bedarfsgerecht steuern zu konnen Voraussetzung der Promotion A waren der Besitz eines akademischen Grades an einer Universitat oder Hochschule der DDR systematische Vertiefung der Kenntnisse der theoretischen Grundlagen des betreffenden Wissenschaftszweiges und auf dem Gebiet des Marxismus Leninismus sowie aktive Mitarbeit bei der Gestaltung der sozialistischen Gesellschaft 1 Die Promotion A wurde dabei uber die Assistenz das Forschungsstudium sowie die planmassige und ausserplanmassige Aspirantur erlangt Die Assistenz an Hochschulen der DDR war eine berufliche Tatigkeit die sich zumeist direkt an das Studium anschloss und in der Regel auf vier Jahre befristet war Das Forschungsstudium setzte dagegen den Studiengang direkt fort und dauerte ublicherweise drei Jahre Es diente ausschliesslich der Vorbereitung der Promotion und war mit einem Stipendium verbunden Die wissenschaftliche Aspirantur wurde 1951 im Rahmen der zweiten Studienreform eingefuhrt Als postgraduale Weiterbildung von Akademikern aus der Praxis sollte dadurch vor allem der Bedarf an promovierten Kadern in der Wirtschaft gedeckt werden Die planmassige Aspirantur dauerte drei Jahre und stellte den Doktoranden zu Gunsten eines Stipendiums von seiner beruflichen Tatigkeit frei Zum beschleunigten Abschluss von Dissertationen konnten einjahrige Teilaspiranturen mit Stipendien fur wissenschaftliche Mitarbeiter oder Praxiskader vergeben werden Nach einer positiven Bewertung der Dissertation und ihrer erfolgreichen Verteidigung die auch erlassen werden konnte wurde der Doktorgrad der Promotion A vergeben Die Dissertationen wurden dabei nicht nur nach fachlichen Kriterien bewertet sondern auch nach ihrem theoretischen Gehalt und ihrem gesellschaftlichen Nutzen 2 Sie waren also nicht nur der Fachwissenschaft verpflichtet sondern unter gesellschaftlichem Nutzen verstand man sowohl die unterstellte Verwertbarkeit der wissenschaftlichen Erkenntnisse fur die Praxis als auch den Beitrag fur die Fortentwicklung des Marxismus Leninismus 2 Die ideologischen Kriterien konnten dabei durch eine Reihe von Konventionen erfullt werden etwa einem Hinweis auf die Klassiker des Marxismus Leninismus in der Einleitung und die Berucksichtigung im Literaturverzeichnis durch ein Zitat aus einer Rede des SED Generalsekretars oder aus einem Beschluss des SED Parteitags Da die politischen und ideologischen Erwartungen an die Doktoranden schon in anderen Bestandteilen des Promotionsverfahrens zum Tragen kamen etwa durch den wenngleich oft nur formal erbrachten Nachweis der Teilnahme an Doktorandenseminaren in Teilgebieten des Marxismus Leninismus konzentrierten sich die Gutachter bei der Bewertung von Promotionsschriften ausserhalb der ideologischen Kernfachern wie Marxismus Leninismus Geschichtswissenschaft oder Philosophie mehr auf wissenschaftsimmanente Kriterien 3 Auf der anderen Seite wurden Ergebnisse die den offiziellen Sprachregelungen und Darstellungen der DDR widersprachen mitunter unterdruckt So wurde die 1975 eingereichte Dissertation A Schrift des Soziologen Rudolf Bahro von den Gutachtern zwar ursprunglich positiv bewertet aber auf Druck des Ministeriums fur Staatssicherheit welches das Gegengutachten organisiert hatte von der Fakultat der TH Leuna Merseburg 1977 abgelehnt Teile von Bahros Dissertation Interviews mit wissenschaftlich ausgebildeten Kadern in Volkseigenen Betrieben uber ihren Arbeitsalltag wurden als Vertrauliche Verschlusssache eingestuft und samtliche Exemplare der Dissertation eingezogen 4 Auf den Druckzwang wie er im deutschen Promotionswesen vor dem Zweiten Weltkrieg ublich gewesen war wurde in der DDR verzichtet und die Zahl der Pflichtexemplare mit der Promotionsordnung von 1969 auf sechs reduziert was die Zuganglichkeit in den Universitatsbibliotheken erschwerte 5 Schatzungen gehen davon aus dass in der DDR zwischen 1951 und 1985 insgesamt 101 654 Promotionen A angenommen wurden also durchschnittlich 2904 A Promotionen pro Jahr verglichen mit 9420 pro Jahr in der Bundesrepublik von 1950 bis 1982 Darunter fallen auch die sogenannten Geheimarbeiten die aus politischen Grunden nicht verzeichnet wurden Der Anteil der Geheimdissertationen wird in den Gesellschaftswissenschaften auf 30 und in den Naturwissenschaften auf 10 geschatzt 6 Literatur BearbeitenWilhelm Bleek u Lothar Mertens DDR Dissertationen Promotionspraxis und Geheimhaltung von Doktorarbeiten im SED Staat Westdeutscher Verlag Opladen 1994 ISBN 3 531 12614 8 Dieter Voigt u a Zur Fragwurdigkeit akademischer Grade und Titel in der DDR Der Primat der kommunistischen Ideologie von der Wissenschaft Eine Analyse von Doktorarbeiten und Habilitationsschriften der Jahre 1950 bis 1990 In Heiner Timmermann Hrsg DDR Forschung Bilanz und Perspektiven Duncker amp Humblot Berlin 1995 ISBN 3 428 08462 4 Weblinks BearbeitenVerordnung uber die akademischen Grade vom 6 November 1968 bei documentarchiv de Anordnung zur Verleihung des akademischen Grades Doktor der Wissenschaften Promotionsordnung A vom 21 Januar 1969 bei documentarchiv deEinzelnachweise Bearbeiten Zit nach Dieter Voigt u a Zur Fragwurdigkeit akademischer Grade und Titel in der DDR Der Primat der kommunistischen Ideologie von der Wissenschaft Eine Analyse von Doktorarbeiten und Habilitationsschriften der Jahre 1950 bis 1990 In Heiner Timmermann Hrsg DDR Forschung Bilanz und Perspektiven Duncker amp Humblot Berlin 1995 ISBN 3 428 08462 4 S 236 a b Zit nach Dieter Voigt u a Zur Fragwurdigkeit akademischer Grade und Titel in der DDR Der Primat der kommunistischen Ideologie von der Wissenschaft Eine Analyse von Doktorarbeiten und Habilitationsschriften der Jahre 1950 bis 1990 In Heiner Timmermann Hrsg DDR Forschung Bilanz und Perspektiven Duncker amp Humblot Berlin 1995 ISBN 3 428 08462 4 S 243 Wilhelm Bleek u Lothar Mertens DDR Dissertationen Promotionspraxis und Geheimhaltung von Doktorarbeiten im SED Staat Westdeutscher Verlag Opladen 1994 ISBN 3 531 12614 8 S 48 52 Bahros Dissertation erschien 1980 unter dem Titel Pladoyer fur schopferische Initiative Zur Kritik von Arbeitsbedingungen im real existierenden Sozialismus im Westen Peer Pasternack Politik und Soziologie in der DDR Die Hallesche Bahro Affare 1977 In Berliner Debatte Initial 25 2014 S 106 118 hier S 107 111 Wilhelm Bleek u Lothar Mertens DDR Dissertationen Promotionspraxis und Geheimhaltung von Doktorarbeiten im SED Staat Westdeutscher Verlag Opladen 1994 ISBN 3 531 12614 8 S 59 62 Dieter Voigt Zum wissenschaftlichen Standard von Doktorarbeiten und Habilitationsschriften in der DDR In Dieter Voigt Lothar Mertens Hrsg DDR Wissenschaft im Zwiespalt zwischen Forschung und Staatssicherheit Schriftenreihe der Gesellschaft fur Deutschlandforschung 45 Duncker und Humblot Berlin 1995 ISBN 3 428 08342 3 S 56 f Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Promotion A amp oldid 217340436