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Die Polstofffiltration engl Pile Cloth Media Filtration ist ein mechanisches Verfahren zur Abscheidung organischer und anorganischer Feststoffe aus Flussigkeiten und gehort im weitesten Sinne zu den Verfahren der Oberflachenfiltration Kuchen oder Anschwemmfiltration mit fixiertem Hilfsmittel wobei neben dem Siebeffekt echte Filtrationseffekte uber die Tiefe der Polfaserschicht wirken 1 2 3 Die Polstofffiltration stellt ein wichtiges Teilgebiet der Tuchfiltration dar und wird zur Wasser und Abwasseraufbereitung eingesetzt 4 5 Bei der Polstofffiltration werden dreidimensionale Gewebe der sogenannte Polstoff als Filtermedium eingesetzt Wahrend der Filterreinigung des Polstoffes wird der Prozess der Filtration nicht unterbrochen 4 Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte und Entwicklung 2 Filtermedium 3 Funktionsweise und Ausfuhrungsformen 4 Verfahrensauslegung 5 Anwendungen 6 EinzelnachweiseGeschichte und Entwicklung BearbeitenMit Nadelfilzen begann Ende der 1970er Jahre die Entwicklung der Tuchfiltration bei der Mecana S A 6 in der Schweiz und hat sich durch den Einsatz von Polstoffen als Filtermedium 5 grundlegend verandert Nadelfilze 5 7 8 mit einem Stutzgewebe vernadelte Wirrfaservliese bestehend aus einer Vielzahl kleiner Fasern wurden sukzessive durch gewebte Polstoffe ersetzt 9 10 Aus dem ursprunglich aus Farbrollermaterial entwickelten dreidimensionalen Gewebe 4 ist heute ein technisch designtes Filtermedium der sogenannte Polstoff entstanden Der Unterschied zu den Nadelfilzen besteht massgeblich im flexiblen Aufbau sodass bei Polstoffen die Entfernung der zuruckgehaltenen Stoffe bei der Filterreinigung deutlich effektiver erfolgt 4 Zunachst wurde die Forschung an der Leibniz Universitat Hannover vorangetrieben 4 und resultierte schliesslich in der Patentanmeldung der Polstofffiltration 1996 durch Dr Ing Ulrich Grabbe und Prof Dr Ing Carl Franz Seyfried 11 Die weltweit ersten Polstofffilteranlagen wurden 1997 von der Mecana Umwelttechnik GmbH in Weinfelden Schweiz als Scheibenfilter zur Behandlung von Abwasser in der Papierherstellung sowie bei der Wismut AG in Schlema Hartenstein in Betrieb genommen Filtermedium Bearbeiten nbsp Polstoffgewebe zum Einsatz in der Polstofffiltration fur die Wasser und AbwasserreinigungAls Filtermedium werden Polstoffgewebe kurz Polstoff eingesetzt woraus die Namensgebung des Verfahrens resultiert 4 5 Gewebte Polstoffe besitzen einen mehrdimensionalen Aufbau aus einer filteraktiven fluidisierbaren Polstofffaserschicht sowie einem Ruckengewebe 5 Das Ruckengewebe aus Endlosfilamenten mit grossen nicht filteraktiven Poren dient als Trager fur die Polfaserschicht die aus in das Stutzgewebe eingewebten mehrfach ubereinanderliegenden Filamenten oder Fasern zusammengesetzt ist 1 Der Feststoffruckhalt des Polstoffes wird nur durch die Polfaserschicht bestimmt 4 Je feiner die Einzelfilamente der Polfaserschicht desto hoher ist der Feststoffruckhalt respektive kleinere Partikel konnen abgeschieden werden 5 Der Polstoff lasst sich unter anderem durch die Hohe der aufgerichteten Polfasern mm den Durchmesser der Einzelfilamente µm die spezifische Oberflache der Polfasern m m das Flachengewicht des Polstoffgewebes g m und die Grosse der stromungsrelevanten Poren mm des Ruckengewebes definieren 4 12 Eine definierte Porengrosse fur Polstoffe beziehungsweise die Polfaserschicht existiert per Definition nicht 13 14 Essenziell fur einen storungsfreien Dauerbetrieb ist die effektive Absaugung der Polfaserschicht 9 15 Abhangig von der Anwendung kommen herkommliche Standardfasern Mikrofasern oder Ultrafasern zur Anwendung 4 10 Gangige Materialien fur die Polfasern sind Polyester PES und Polyamid PA Polstoffe unterliegen einer systembedingten mechanischen Beanspruchung hervorgerufen durch die Filterreinigung Ein messbarer Verschleiss der Polfaserschicht liegt hierbei nicht vor 10 16 Die Standzeit der Polstoffe wird durch die Anwendung und dem daraus resultierenden Foulingverhalten des Ruckengewebes beeinflusst 5 Durch das Absaugen der Polfaserschicht lasst sich ein bakterieller Bewuchs oder mineralische Ablagerungen auf dem Ruckengewebe nicht verhindern die sich in einem allmahlichen Anstieg des Tuchwiderstandes respektive kurzeren Spulintervallen aussern 5 Je weniger Reinigungszyklen desto hoher ist die Standzeit des Polstoffes bis zur Wartung oder dem Austausch Die Ablaufqualitat wird durch den Alterungsprozess des Polstoffes nicht beeintrachtigt 4 Funktionsweise und Ausfuhrungsformen Bearbeiten nbsp Ausfuhrung als Scheibenfilter mit mehreren pendelnd gelagerten Kunststoffabsaugbalken nbsp Ausfuhrung als Trommelfilter mit einem pendelnd gelagerten Edelstahlabsaugbalken nbsp Ausfuhrung als Diamondfilter mit rautenformigen SegmentenIm Filtrationsbetrieb lagern sich Feststoffe in der Polfaserschicht an Mit zunehmendem Feststoffruckhalt durch den Polstoff nimmt der hydraulische Widerstand zu woraus ein Anstieg des Wasserspiegels respektive des Differenzdruckes resultiert 4 Der Polstoff ist wahrend der Filtration und Filterreinigung permanent und vollstandig getaucht sodass 100 der Filterflache genutzt werden 17 Ein regelmassiger Austrag der angelagerten Feststoffe ist notwendig Uberschreitet der Rohwasserspiegel ein bestimmtes Niveau respektive Differenzdruck wird die Filterreinigung ausgelost 4 Dabei wird die auf der Aussenseite gebildete Feststoffschicht mittels Filterreinigungspumpe n bzw Differenzdruck uber Absaugbalken in umgekehrter Fliessrichtung durch angesaugtes Filtrat vom Filtermedium entfernt Inside Out Reinigung 4 Die Abreinigung erfolgt von der drehenden Scheibe Trommel oder durch einen statischen Filtertrager mit beweglicher Reinigungseinheit Durch den Unterdruck stellen sich die Polstofffasern auf Fluidisierung sodass die Feststoffe des Filterkuchens gut abgesaugt werden konnen 5 Im anschliessenden Normalbetrieb legen sich die Fasern wieder auf dem Stutzgewebe ab sodass sich erneut ein Filterkuchen bildet 4 Durch biologische oder mineralische Ablagerungen auf dem Ruckengewebe des Filtermediums kann zudem eine manuelle oder chemische Reinigung der Polstoffe notwendig sein 5 Wahrend der Filterreinigung wird die Filtration nicht unterbrochen 4 Fur die Filterreinigung wird im Vergleich zu Sandfiltern oder Mikrosieben kein extern zugefuhrtes Spulwasser benotigt 4 Ein Spulabwasserspeicher ist nicht erforderlich Polstofffilter werden in Freispiegelsystemen und geschlossenen Drucksystemen eingesetzt 5 Der Polstoff ist entweder auf einer Scheibe oder Trommel montiert woraus sich die verschiedenen Bauformen Scheiben und Trommelfilter ergeben Sonderbauformen stellen der Drucktrommelfilter Diamondfilter Gittertrager mit rautenformigem Querschnitt und Plattenfilter dar 5 Scheibenfilter sind mit demontierbaren Filtersegmenten ausgestattet die auf einem Zentralrohr angeordnet sind Das Reinigungssystem bestehend aus Absaugbalken und einer Filterreinigungspumpe kann auch mehrere Scheiben gleichzeitig reinigen 5 Die Absaugung ist auch mittels einer zentralen Pumpe und einem Ventil je Reinigungssystem moglich Die Freispiegelsysteme bestehen aus einer Filtereinheit mit Zulauf und Ablaufwehr die die eigentliche Filtermaschine hydraulisch von den vor und nachgelagerten Prozessen entkoppelt 5 Die Filtermaschine ist in einem Filterbehalter montiert der neben dem Zulauf mit optionalem Zulaufschutz und Ablaufwehr uber einen Notuberlauf sowie eine Niveaumessung verfugt Das dem Filterbehalter zugefuhrte Wasser stromt durch die vollstandig getauchte Filterkonstruktion von aussen nach innen Outside In Filtration durch den Polstoff in die Filterkonstruktion wobei die Feststoffe zuruckgehalten werden Das Filtrat passiert anschliessend den Steigschacht und das Ablaufwehr Der Nullwasserspiegel dient als Referenz zur Anlagensteuerung In geschlossenen Systemen werden Drucktrommelfilter eingesetzt wobei das zugefuhrte Wasser ebenfalls von aussen nach innen durch den Polstoff stromt 5 Die Anlagensteuerung erfolgt hierbei uber den Behalterdruck Wahrend bei Freispiegelsystemen der Differenzdruck von bis zu 60 mbar genutzt wird liegt dieser bei Drucktrommelfiltern gegebenenfalls uber 1 bar Verfahrensauslegung BearbeitenDie Auslegung basiert auf der polstoff und fluidspezifischen Feststoffbeladung s g m der Feststoffflachenbelastung engl Solids Surface Loading Rate SLR g m h der Filtergeschwindigkeit vF m h sowie dem Feststoffgehalt bei durchschnittlicher und maximaler Belastung 5 Je nach Ablaufanforderung und Feststoffgehalt im Zulauf erfolgt die Auswahl des Polstoffes Die Eigenschaften des Polstoffes sowie die Effizienz des Absaugsystems bestimmen die SLR 5 Polstofffilter sind durch die hohen moglichen SLR von bis zu 800 g m h besonders platzsparend gegenuber vielen anderen Fest Flussig Trennverfahren wie Sedimentation Flotation Sandfilter und weisen somit einen geringen Flachenfussabdruck auf Speziell Scheibenfilter haben eine hohe spezifische Filterflache pro Grundflache von bis zu gt 9 m m Durch die geringen hydraulischen Verluste max ca 50 cm konnen Polstofffilter sehr energieeffizient und kostengunstig betrieben werden je nach Anwendung Feststoffbelastung und Anzahl Reinigungsintervalle mit ca 0 3 bis 20 Wh pro m behandeltem Abwasser 5 Die maximale Filtergeschwindigkeit wird durch die Filterkonstruktion bestimmt und ist nicht durch das Filtermedium beschrankt In Freispiegelsystemen betragt die maximale Filtergeschwindigkeit etwa 8 16 20 m h Drucktrommelfilter konnen hingegen mit einer maximalen Filtergeschwindigkeit von bis zu 60 m h betrieben werden Die Filtergeschwindigkeit hat keinen direkten Einfluss auf die Ablaufqualitat 4 10 Polstofffilter sind unempfindlich gegenuber stofflichen Stossbelastungen 5 Der Schlammwasseranfall ist direkt proportional zur Haufigkeit der Reinigungszyklen und hangt von dem eingesetzten Polstoff der aktuellen Feststofffracht und dem Verhalten der abfiltrierten Stoffe ab Der Schlammwasseranfall lasst sich mittels Filteranzahl flache Reinigungsdauer und haufigkeit ermitteln Die Beschaffenheit des Schlammwassers ist von der Spulhaufigkeit Art und Menge der zuruckgehaltenen Feststoffe abhangig Anwendungen BearbeitenPolstofffilter finden vor allem in der kommunalen und industriellen Abwasseraufbereitung Wasserwiederverwendung Strassen und Mischwasserbehandlung Trinkwasseraufbereitung sowie Meerwasserentsalzung Anwendung Hierbei fuhrt die anwendungsspezifische Feststoffentnahme unter anderem zum Ruckhalt von Schwebstoffen Algen Helmintheneiern Mikroplastik Reifenabrieb Phosphor oder Pulveraktivkohle sowie zur Reduktion der Trubung Nachfolgend werden einige Anwendungsgebiete aufgefuhrt Industrieabwasserreinigung Behandlung von Mischwasser bzw Regenuberlauf Oberflachenwasser und Trinkwasseraufbereitung Ersatz fur die Nachklarung bei Biofilmverfahren Schlussfiltration Fallungs und Flockungsfiltration z B zur Phosphorentfernung Rohwasser und Rohabwasserfiltration Strassenabwasserbehandlung Verfahren zur Spurenstoffentfernung Abscheidung von Pulveraktivkohle Vorfiltration vor Ozonierung oder Aktivkohleadsorbern Vor und Nachfiltration fur granulierte Aktivkohle im Schwebebettverfahren Vorfiltration vor einer Desinfektionsstufe z B UV oder Ozon Wasserwiederverwendung z B als Prozesswasser Betriebswasser oder fur Bewasserung Vorfiltration fur Entsalzungsanlagen Vorfiltration fur Kuhlwasser oder Warmetauscher z B Warmeruckgewinnung aus Abwasser oder Oberflachenwasser Ernte von AlgenbiomasseEinzelnachweise Bearbeiten a b Grabbe U Untersuchungen zur weitergehenden Abwasserreinigung mit Hilfe textiler Filtermedien Korrespondenz Abwasser 2000 12 p 1773 1781 Tchobanoglou G F L Burton and H D Stensel Wastewater Engineering Treatment and Reuse ed M H S i C a E Engineering Vol Fourth Edition 2003 McGraw Hill Education Tchobanoglous G et al Wastewater engineering Treatment and Resource recovery Vol Fifth Edition 2014 New York McGraw Hill Education a b c d e f g h i j k l m n o p q Grabbe U Untersuchungen zur weitergehenden Abwasserreinigung mit Hilfe textiler Filtermedien Tuchfiltration und Mikrosiebung in Institut fur Siedlungswasserwirtschaft und Abfalltechnik 1998 Leibniz Universitat Hannover Hannover a b c d e f g h i j k l m n o p q r s Fundneider T A Hernandez and U Grabbe Polstofffiltration zur Wasseraufbereitung Etablierung einer Technologie gwf Wasser Abwasser 2022 5 p 105 110 ATV Abwasserfiltration Arbeitsbericht des ATV Fachausschusses 2 8 Verfahren der weitergehenden Abwasserreinigung nach biologischer Behandlung Korrespondenz Abwasser 1997 44 3 p 524 544 Loy H Erfahrungen aus dem Versuchsbetrieb einer Tuchfilteranlage zur Abwasserfiltration GWF Wasser Abwasser 1993 134 5 p 269 74 Nyhuis G Suspensaentnahme mittels Tuchfiltration Korrespondenz Abwasser 1990 37 10 p 1268 1272 a b Grabbe U and C F Seyfried Analysis of filtration solids loading capacity using cloth media fabrics Proceedings of the Water Environment Federation 2002 2002 10 p 374 388 a b c d Fundneider T Filtration und Aktivkohleadsorption zur weitergehenden Aufbereitung von kommunalem Abwasser Phosphor und Spurenstoffentfernung Schriftenreihe IWAR Vol 259 2020 Darmstadt Verein zur Forderung des Instituts IWAR der Technischen Universitat Darmstadt e V Seyfried C F and U Grabbe Filter cloth filter method and filtering device for liquid filtration PCT Editor 1997 Germany Reid T K D Norton and M C Castillo Case Study A Full Scale Evaluation of Ultra fine Microfiber Cloth Medium to Achieve a 0 1 mg L Total Phosphorus Limit Proceedings of the Water Environment Federation 2014 2014 20 p 2405 2416 Lin H M Castillo and L W Johnson A comparative performance study of two types of cloth filter media applied in municipal wastewater treatment 2008 Aqua Aerobic Systems Tooker N B and J L Darby Cloth Media Filtration and Membrane Microfiltration Serial Operation Water Environment Research 2007 79 2 p 125 130 Seyfried C F and U Grabbe Filter cloth filter method and filtering device for liquid filtration PCT Editor 1997 Germany Bitter H et al Semi crystalline microplastics in wastewater plant effluents and removal efficiencies of post treatment filtration systems Water Research X 2022 17 p 100156 Grabbe U C F Seyfried and K H Rosenwinkel Upgrading of waste water treatment plants by cloth filtration using an improved type of filter cloth Water Science and Technology 1998 37 9 p 143 150 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Polstofffiltration amp oldid 238619410