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Perpendicular Style senkrechter Stil oder auch Rectilinear Style geradliniger Stil ist ein fur England und angrenzende Gebiete typischer Architekturstil der Spatgotik Bei vielen Sakral und Profanbauten des Historismus fand er im 19 und 20 Jahrhundert in weiten Teilen des Britischen Weltreichs erneut Verwendung Abteikirche Bath Inhaltsverzeichnis 1 Begriff 2 Charakterisierung 3 Perpendicular Style im Gewolbebau 4 Literatur 5 Weblinks 6 Beispiele 7 Siehe auch 8 QuellenBegriff BearbeitenDer Begriff leitet sich von dem lateinischen Wort perpendiculum Lot Richtschnur her und wurde zum ersten Mal im Jahr 1817 von Thomas Rickman verwendet der in seinem Buch An Attempt to Discriminate the Styles of English Architecture from the Conquest to the Reformation Ein Versuch die Stile der englischen Architektur von der Eroberung bis zur Reformation zu unterscheiden nach Bezeichnungen fur die Epochen mittelalterlicher Architektur zwischen dem Jahr 1066 und den Anfangen der Reformation suchte Charakterisierung BearbeitenDer Perpendicular Style schliesst sich an das Early English und den Decorated Style an und ist damit der dritte englische Stil der gotischen Architektur Er wurde hauptsachlich im Zeitraum von 1330 bis 1520 entwickelt und angewendet Der Name bezieht sich auf die dominanten geraden Linien des Stabwerks mit dem die hohen Fenster und Wande gegliedert sind Typisch fur diesen Stil ist auch das Fachergewolbe wie es sich in seiner Reinform in der Abteikirche Bath zeigt Perpendicular Style im Gewolbebau Bearbeiten nbsp Westminster HallNachdem der dekorative Uberschwang mit der Anwendung freier Rippen und willkurlicher Lierne Muster einen gewissen naturlichen Endpunkt erreicht hatte setzte eine Gegenbewegung ein die sich mit einer strengen und rechteckig steifen Linienfuhrung vom Decorated deutlich absetzen wollte Betrachtet man allerdings die Gewolbe einiger Raume und Kreuzgange des Perpendicular ohne historische Voreingenommenheit lasst sich vielleicht der Satz rechtfertigen dass es sich hier um eine dekorative Steigerung mit anderen Mitteln handelt Nichtsdestoweniger oder gerade deswegen wird der Perpendicular Style als englischer Nationalstil angesehen der unumstritten uber zweihundert Jahre herrschte ohne auf den Kontinent uberzugreifen Seine Grundformen bestimmt durch die Betonung von horizontalen und vertikalen Linien von schlanken Stutzen in den Masswerkfenstern liess sich auf den Gewolbebau in dieser Art nicht ubertragen Vollig neue Gewolbeformen wurden eigentlich nicht entwickelt Aber man veranderte die gewohnten Muster in einer Art die eher auf ausgefeilte Raffinesse und verfeinertes Raumgefuhl schliessen lassen als auf abstrakte Abkehr vom dekorativen Ubermass Das gilt allerdings nur fur das Mittelschiff Die Seitenschiffe werden oft durch Masswerk in den Arkadenbogen deutlich abgetrennt Im Mittelschiff werden Wand und Gewolbe optisch stark zusammengezogen die Gestaltung des Gewolbes orientiert sich an den Gliederungselementen der Fenster Wahrend der Decorated Stil die Vereinheitlichung aller Raume zum Ziel hatte meint der Perpendicular nur einen einzigen Raum meistens das Mittelschiff Wir haben uns hier mit spezifischen Ausformungen der bereits in ihren Grundformen bestehenden Netz und Sterngewolbe und spater mit den reifen Fachergewolben die auf diesem Gebiet die plastischste Errungenschaft des Perpendicular darstellen zu beschaftigen Beispiele nbsp Chor und Ostfenster der Kathedrale von GloucesterIn Gloucester lassen sich alle fur den Perpendicular Stil typischen Elemente finden Fur Martin Hurlimann ist diese Kathedrale eines der wichtigsten und ratselhaftesten Baudenkmaler der ganzen Kunstgeschichte 1 Hier sei auf einen Schlag eine neue Formenwelt entstanden Der Perpendicular Stil der um das Jahr 1330 mit dem Bau des Kapitelhauses der beim grossen Brand von London im Jahr 1666 zerstorten Kathedrale Old Saint Paul s in London begann findet im Chor von Gloucester 1337 1367 seinen ersten Hohepunkt Das hier benutzte Netzgewolbe zeigt allerdings keinen prinzipiellen Unterschied zu denen des Decorated Neben der Scheitelrippe verlaufen auf jeder Seite eine aus Liernen gebildete Nebenscheitelrippe Die ganze Gewolbeflache ist von einem kaum zu durchschauenden Netz verschiedenartiger Rippen und einer Vielzahl von Schlusssteinen uberzogen Die Diagonalrippen laufen zum jeweils ubernachsten Pfeiler Ganz ahnlich das Netzgewolbe der Lady Chapel 1472 1499 das eigentlich ein normannisches Spitztonnengewolbe mit Stichkappen ist ohne tragende Funktion des Rippennetzes Der Ostflugel des aus honigfarbenen Steinen erbauten Kreuzganges 1351 1377 besitzt neben dem Chapter House von Hereford um 1350 60 die fruhesten voll entwickelten Facher Gewolbe mit denen nicht nur der ganze ubrige Kreuzgang ausgestattet wurde sondern die fur den gesamten Gewolbebau Englands bis in das 17 Jahrhundert hinein richtunggebend wirkte Die Facherrippen dieser oft mit einer sich spreizenden Trompetenblute verglichenen Form enden nicht an einer Scheitelrippe sondern haben runde Begrenzungslinien so dass deutlich abgesetzte halbkelchformige Fachereinheiten entstehen die ihr gegenuberliegendes oder seitliches Pendant tangential nur in einem Punkt bzw in einer kurzen Linie beruhren Die an der Scheitelflache freibleibende waagrechte Sternfigur wird mit Passformen versehen wahrend zwischen den Rippen ebenfalls Masswerk eingeschrieben ist Die Profilstarke der Rippen ist deutlich zuruckgenommen und einander angeglichen so dass das Gewolbe wie eine weite in Wellen dahingehende feingewebte Flache wirkt und in seiner Binnenstruktur wie ein Zellensystem das sich organisch standig neue Zellen entstehen lasst Die beruhmtesten Ausformungen dieser Facherform finden sich in Peterborough im Kapellenanbau hinter dem romanischen Chor 1483 1500 im Engelsturm der westlichen Vierung von Canterbury 1495 1503 in der Kapelle Heinrichs VII in der Westminster Abbey London 1503 1519 und in der King s College Chapel in Cambridge 1446 1515 Hier findet sich einer der schonsten Perpendicular Raume uberhaupt mit einer faszinierenden Harmonie der gesamten Architektur In Erweiterung einer Bezeichnung von Nikolaus Pevsner konnte man von einem goldenen Kafig sprechen Die gedruckten Gurtbogen sind deutlich hervorgehoben weshalb trotz der riesigen Facher eine dem Wandaufriss entsprechende Jochteilung stattfindet Die Facher konnen sich im Gegensatz zum Kreuzgang von Gloucester seitlich nicht frei entfalten sondern stossen in einer langen Querscheitelrippe aneinander Sie haben neben der ausseren runden Begrenzungslinie zwei weitere abstandsgleiche Ringlinien entsprechend der Masswerkeinteilung der Fenster von denen die untere fast einen Halbkreis bildet Die Kontinuitat des Gewolbes wird durch die konzentrischen Ringe der Facher gewahrleistet die die ganze Flache mit einer Wellenform uberziehen die nirgendwo gestort wird Die Kapelle Heinrichs VII in London weist eine sehr seltene Variation des Fachergewolbes auf Hier entspringt der Wand kein Halbkelch sondern dessen Mittelpunkt ist in den Raum gezogen und bildet so ein Hangegewolbe siehe auch Abhangling das oberhalb des unteren Auslaufers von einem Gurtbogen gekreuzt und getragen wird der sich als freier Bogen von der Wand lost in den Kelch eindringt und oberhalb der sichtbaren Gewolbeflache weitergeht fast wie ein Schirmgewolbe Eine ahnliche Konstruktion in diesem Ausmass wurde zuerst 1480 1483 in der Divinity School in Oxford angewendet wo der Gurtbogen aber in voller Lange sichtbar blieb Die Londoner Kapelle weist wohl das prunkvollste Fachergewolbe auf Jede Einzelflache ist mit Masswerkformen geschmuckt auch der Raum zwischen dem unteren Teil des Gurtbogen und dem Wandpfeiler ein wahrlich konigliches Gewolbe also Eine ahnlich abenteuerliche Gewolbelosung findet sich im Eingang zum Nordquerhaus in Gloucester 1337 1377 gotisch umgebaut Von der Form her den Hangegewolben ahnlich ist es jedoch zum grossen Teil mit der Wand verbunden und wird an der schmal in den Raum auslaufenden unteren Spitze von einem Bogen aufgenommen dessen oberer Teil die Portaloffnung uberkreuzt Hurlimann spricht von einem stalaktitartigen Gewolbe S 32 Literatur BearbeitenJames H Acland Medieval Structure The Gothic Vault University Press Toronto 1972 ISBN 0 8020 1886 6 Issam Eldin Abdou Badr Vom Gewolbe zum raumlichen Tragwerk Dielsdorf 1962 zugl Dissertation ETH Zurich Henning Bock Der Decorated Style Untersuchungen zur englischen Kathedralarchitektur der ersten Halfte des 14 Jahrhunderts Heidelberger kunstgeschichtliche Abhandlungen NF Bd 6 Winter Heidelberg 1962 zugl Dissertation Universitat Heidelberg 1962 Johann Josef Boker Englische Sakralarchitektur des Mittelalters Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1984 ISBN 978 3 534 09542 1 Franz Hart Kunst und Technik der Wolbung Callwey Munchen 1965 John H Harvey The Perpendicular Style 1330 1485 London 1978 Martin Hurlimann Englische Kathedralen 3 Aufl Atlantis Verlag Zurich 1956 Walter C Leedy Fan Vaulting A Study of Form Technology and Meaning London 1978 Nikolaus Pevsner Europaische Architektur Von den Anfangen bis zur Gegenwart 9 Aufl Prestel Munchen 2008 ISBN 978 3 7913 3927 6 Wim Swaan Kunst und Kultur der Spatgotik die europaische Bildkunst und Architektur Von 1350 bis zum Beginn der Renaissance The late Middle Ages Herder Freiburg B 1978 ISBN 3 451 17928 8 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Perpendicular Gothic Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Perpendicular Style im BeyArs KunstlexikonBeispiele BearbeitenAbteikirche Bath King s College Chapel in Cambridge Kathedrale von Canterbury Kathedrale von Gloucester Kathedrale von Manchester New College in Oxford Magdalen College in Oxford Kathedrale von Winchester York Minster Braunschweiger Dom Seitenschiff Kloster Bebenhausen Sommerrefektorium Siehe auch BearbeitenAngelsachsische Architektur Norman Style Early English Decorated Style TudorstilQuellen Bearbeiten Hurlimann Martin Englische Kathedralen Zurich 1948 S 31 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Perpendicular Style amp oldid 234374474