www.wikidata.de-de.nina.az
7Q5 ist die Abkurzung fur ein Papyrusfragment das unter den Schriftrollen vom Toten Meer in der siebten von elf Hohlen bei Qumran gefunden wurde Nach Jose O Callaghan 1972 und ihm folgend Carsten Peter Thiede 1984ff soll es sich um die anderthalb Verse Mk 6 52f EU handeln Diese Hypothese sollte eine Fruhdatierung des Markusevangeliums und einen Kontakt der vermuteten Qumran Essener zum Urchristentum begrunden Beides wird von einer Grosszahl von Papyrologen kritisch gesehen Das Papyrusfragment 7Q5 Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Sprachliche Argumentation 3 Exkurs zur angeblichen Vertauschung von d lt d gt und t lt t gt 4 Historische Voraussetzungen 4 1 Bekanntheit der Qumranleute mit den Urchristen 4 2 Datierung vor 68 n Chr 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseInhalt BearbeitenAuf dem einseitig beschriebenen Papyrusfragment sind Reste von 5 Zeilen mit griechischen Buchstaben im so genannten Zierstil erhalten Davon sind hochstens 10 Buchstaben sicher zu lesen fett gedruckt die ubrigen sind zweifelhaft dunn gedruckt oder nicht identifizierbar punktiert Die Erstedition von 1962 nach R P Boismard las sie wie folgt twi a h kai tw nnhs 8hes Um eine Identifizierung mit Mk 6 52f zu ermoglichen musste der Text etwa folgendermassen rekonstruiert werden oy gar synhkan e pi tois ar tois all hn a y twn h kardia pepwrwmen h kai ti aperas antes hl8on eis ge nnhs aret kai proswrmis 8hsa nSprachliche Argumentation BearbeitenAlle Versuche das Fragment einem anderen bekannten griechischen Text zuzuordnen sind bisher fehlgeschlagen Die Identifikation mit Mk 6 52f beruht auf zwei Hauptargumenten Der deutliche Abstand vor dem Wort kai lt kai gt und signalisiere einen Textabsatz der zu dem ublichen Bild in fruhen Markushandschriften passt Denn bei Markus fangen sehr viele Satze und auch Abschnitte mit diesem Wort an Thiede bezeichnete diesen Abstand anfangs sogar als paragraphos was eine Kapitelgliederung des Textes an dieser Stelle bedeutet hatte Die Buchstabenkombination nnhs lt nnes gt in der vierten Zeile sei auffallig und konne auf das Wort Gennhsaret lt Gennesaret gt hindeuten das im Neuen Testament nur dreimal vorkommt Dagegen sprechen eine Reihe von Argumenten Einen Freiraum zwischen zwei Wortern bezeichnet die Papyrologie als Spatium nicht als Paragraphos Das ware ein waagerechter Strich zwischen den Zeilen am linken Rand des Textes Ein Freiraum kann dazu kommen muss aber nicht Vergleichbar breite Freiraume zwischen Buchstaben kommen in Papyri teilweise sogar innerhalb einzelner Worter vor Papyrus Bodmer XXIV Tafel 26 in Qumran beim 4Q122 4QLXXDtn Auch andere griechische Qumranschriften zeigen einen Abstand vor und nach dem kai der in den allermeisten Fallen keine gliedernde Bedeutung hat Das Fragment ist klein und so schlecht erhalten dass eine zuverlassige Identifizierung der Buchstaben schwierig oder unmoglich ist Bis heute ist das Fragment nicht restauriert im rechten Bereich ist es verschoben wahrscheinlich sogar gefaltet Dieser Zustand wird bereits in der Erstedition des Fragmentes beschrieben disloque a droite DJD III S 144 Eine Restaurierung konnte moglicherweise weitere Buchstaben sichtbar machen Die vier Buchstaben nnhs kommen ausser in Gennesaret auch in dem Wort egennhsen lt egennesen gt gebar zeugte vor Bereits in der Erstedition wurde diese Lesart konjiziert und vorgeschlagen es handle sich bei dem Fragment um einen Ausschnitt aus einer Genealogie Diese Moglichkeit wurde bisher nicht ausgeschlossen Um das Fragment mit Mk 6 52f zu identifizieren muss man annehmen dass in der dritten Zeile das d lt d gt durch ein t lt t gt ersetzt wurde Dass dies im palastinischen Umfeld denkbar war wird jedoch bestritten siehe Exkurs Auch die Lesung des auf t folgenden Buchstaben als i ist umstritten Schon die Erstedition hielt ein w fur wahrscheinlicher Das unumstrittene i in Zeile 3 und das wahrscheinliche i in Zeile 2 zeigen einen senkrechten Abstrich der nicht ganz bis zur gedachten Grundlinie gezogen ist Stattdessen wird am Fuss des i ein kleiner diagonaler Strich gesetzt von links unten zum Abstrich nach rechts oben Diese ganz typische Auspragung fehlt dem auf das t folgenden Buchstaben in Zeile 4 Stattdessen weisen die dort erhaltenen Tintenspuren eine sehr grosse Ubereinstimmung mit dem tw in Zeile 2 auf Da die Zeilen einer Kolumne stets in etwa gleich lang sind Stichometrie musste man davon ausgehen dass nach tiaperasantes lt tiaperasantes gt eigentlich diaperasantes lt diaperasantes gt hinubergefahren Zeilen 3 und 4 die Worte epi thn ghn lt epi ten gen gt an Land ausgelassen wurden Diese Textvariante ist jedoch nirgends sonst belegt Sollte ein spaterer Textzuwachs an dieser Stelle erfolgt sein so ware eine Anpassung an den parallelen Matthaustext zu erwarten Das ist aber nicht der Fall stattdessen ist die Textform des Markusevangeliums an dieser Stelle deutlich schwieriger lectio difficilior Johann Maier resumierte den Befund der fehlenden Buchstaben wie folgt Der Markustext passe nur in die letzten beiden Zeilen wenn man eine kurzere Fassung davon annehme Fur deren Existenz gebe es in neutestamentlichen Handschriften keine Indizien 1 Die Lesart des auf Omega folgenden Buchstabens in Zeile 2 als Ny wird ebenfalls bestritten da er deutliche Abweichungen von dem Schreibmuster aufweist wie es etwa in Zeile 4 deutlich zu erkennen ist Die Behauptung hier liege ein sogenanntes rising type Ny vor wie man es aus anderen Handschriften kenne scheitert daran dass das unstrittige Ny in Zeile 4 ohne Zweifel ein falling type Ny ist Die Befurworter der Identifizierung konnten keinen Text anfuhren in dem die beiden verschiedenen Ny Typen nebeneinander benutzt worden sind Andere Forscher verfechten die Lesart als Iota Alpha so schon in der Erstedition Die Befurworter der Lesart Ny machen Restspuren des fehlenden diagonalen Schragstrich geltend Diese lassen sich problemlos als Schattenwurf der unebenen Papyrusoberflache erklaren Rechts vom senkrechten Strich in Zeile 2 dem angeblichen linken senkrechten Strich des Ny ist ein eindeutiger Neueinsatz des Schreibers zu erkennen Nichts spricht dagegen hier den Anfang eines Alpha zu rekonstruieren Exkurs zur angeblichen Vertauschung von d lt d gt und t lt t gt BearbeitenIn Zeile 3 des Fragmentes ist unbestritten ein Tau zu erkennen Die Rekonstruktion des Markustextes setzt an dieser Stelle eigentlich ein Delta voraus da im Text das Wort diaperasantes lt diaperasantes gt folgen musste Die Vertreter der neutestamentlichen Identifizierung behaupten an dieser Stelle man konne stattdessen tiaperasantes lt tiaperasantes gt rekonstruieren und behaupten hier eine fur Palastina ubliche Verwechslung der Laute Delta und Tau C P Thiede und F Rohrhirsch sprechen sogar von Lautverschiebung im Zusammenhang mit den beobachteten Vertauschungen passt die Bezeichnung jedoch nicht weil ein systematischer und dauerhafter Wandel der Sprache nicht vorliegt 1 Schon J O Callaghan fuhrte einige Belege aus agyptischen Papyri an in denen in verschiedenen Wortern tatsachlich die Laute Delta und Tau verwechselt worden sind C P Thiede hat dieser Liste einige weitere agyptische Belege hinzugefugt Der argumentative Wert der agyptischen Belege fur den Fall des Papyrus 7Q5 wird bestritten weil sie aus einem anderen Sprachraum stammen als dem der fur die Entstehung von 7Q5 angenommen werden muss Die Lautvertauschungen in griechischen Papyri aus Agypten hangen mit der koptischen Muttersprache der Schreiber zusammen Die verschiedenen Dialekte des Koptischen kennen keine Unterscheidung von harten und weichen Dentalen vergleichbar mit einigen deutschen Dialekten die ebenfalls keinen horbaren Unterschied zwischen Dusche und Tusche kennen z B das Sachsische Diese muttersprachliche Eigenheit ubertragt sich in die Schreibung des Griechischen Dabei fallt auf dass einer der angefuhrten Belege von einem Schreiber sehr niedrigen Bildungsstandes kommt der Name ist im Papyrus Amh 111 aus dem Jahr 132 n Chr uberliefert Pakusis Dieser Pakusis schreibt in einem kurzen Text von 15 Wortern 10 Fehler Fur den Berufsschreiber der im gleichen Papyrus den zu beurkundenden Vorgang bestatigt notiert der Herausgeber des Papyrus nur 2 Abweichungen auf ca 200 Worter Der Koptologe Francis Thomas Gignac fuhrt daher solche Lautvertauschungen in agyptischen Papyri auf bilingual interferences zwischen der koptischen Muttersprache und der griechischen Schriftsprache zuruck Anders als in Agypten lasst sich diesen Phanomen jedoch in samtlichen bisher veroffentlichten Papyri aus dem Raum Israel Palastina nicht ein einziges Mal belegen Dazu ist noch zu beachten dass im Wort diaperasantes das Wort dia anklingt eines der haufigsten Worter der griechischen Sprache Eine Verschreibung bei diesem besonders haufigen und gelaufigen Wort ist in besonderem Masse unwahrscheinlich 2 Weiterhin wird ein epigraphischer Beleg behauptet die Warninschrift vom Herodianischen Tempel in der das Wort dryphakton Schranke tryphakton geschrieben wurde Dieser Beleg fur eine angeblich lokalspezifische Aussprache tragt nicht Auf griechischen Inschriften aus dem gesamten Mittelmeerraum ist sowohl die Schreibung dryphakton als auch die Schreibung tryphakton belegt tryphakton neben Jerusalem auch aus Delos Oropos Mylasa Kyrene Eine derart verbreitete Schreibung kann aber unmoglich als lokalspezifisch bezeichnet werden Stattdessen ist es in der Altphilologie unumstritten dass es im gesamten griechischen Sprachraum zwei mogliche und auch richtige Schreibungen des Wortes fur Schranke gab sowohl dryphakton als auch tryphakton Eine allgemein akzeptierte Erklarung fur dieses Phanomen ist bisher noch nicht gefunden worden das Phanomen selbst ist aber unbestritten Fazit Es gibt keinen papyrologischen und erst recht keinen epigraphischen Hinweis auf eine sprachliche Besonderheit im Raum Jerusalem die die Verwechslung der Laute Delta und Tau erklaren konnte Historische Voraussetzungen Bearbeiten nbsp 7 Hohle Waddy Qumran Totes MeerBekanntheit der Qumranleute mit den Urchristen Bearbeiten Die These dass dieses Fragment aus dem Markusevangelium stammt und Mk 6 52f zitiert vertrat zuerst Jose O Callaghan in seinem Aufsatz Papiros neotestamentarios en la cueva 7 de Qumran 1972 Er fand damit keine Anerkennung und die These wurde bald vergessen Carsten Peter Thiede griff sie 1984 in seinem Aufsatz 7Q Eine Ruckkehr zu den neutestamentlichen Papyrusfragmenten in der siebten Hohle von Qumran wieder auf und vertrat sie bis zu seinem Tod 2004 Dies fuhrte zu einer engagierten Debatte vorwiegend unter Neutestamentlern Die These setzt voraus dass die vermutete Gemeinschaft von Qumran die bis 68 n Chr bestand zu fruhen Christen Kontakte oder zumindest Interesse an ihren Schriften hatte so dass sie das Markusevangelium zusammen mit eigenen Schriften in einer ihrer Hohlen deponierte Dagegen wurde eingewandt dass die Gemeinschaft von Qumran falls es Essener waren eine besonders gesetzestreue Gruppe gewesen waren die sich von anderen judischen Sekten abgesondert hatten Das Markusevangelium hier besonders das der Stelle Mk 6 52f folgende Kapitel Mk 7 wiederum zeigt die Abgrenzung palastinischer Urchristen vom Pharisaismus so dass die Bewahrung gerade dieser Schrift durch gesetzestreue Juden unwahrscheinlich ist Datierung vor 68 n Chr Bearbeiten Unter der Annahme dass die Bewohner Qumrans auch die Schriftrollen in den nahe gelegenen Hohlen besassen hatten sie sie spatestens im Jahr 68 n Chr dort deponieren mussen weil ihre Siedlung beim Angriff der Romer 68 n zerstort wurde Daraus liesse sich eine Abfassung des Evangeliums vor 68 folgern Aber auch wenn die Bewohner Qumrans nicht diejenigen waren die die Schriften in den Hohlen ablegten so sind alle Fragmente aus den Hohlen die mit der C 14 Methode untersucht wurden auf vor 70 n Chr datiert worden Diese Altersbestimmungsmethode war jedoch auf die oft nur Millimeter grossen Bruchstucke aus Hohle 7 nicht anwendbar Ware 7Q5 ein Markustext ware dies das alteste bekannte Fragment eines neutestamentlichen Textes einige Jahrzehnte alter als der Papyrus P52 Dies wurde sowohl eine fruhere Entstehung der von Markus abhangigen Synoptiker als auch eine engere Bekanntschaft der Essener mit den Schriften der Urchristen nahelegen Die Debatte um die Datierung wurde in theologische Frontkampfe hineingezogen so dass Thiedes These vielfach kaum unbefangen erortert wurde Daniel P Wallace zufolge ubernahmen konservative Theologen die These oft unkritisch wahrend viele liberale und historisch kritische Theologen sie ebenso ungepruft ablehnten 2 Dabei wurde die historische Glaubwurdigkeit aller Evangelien oft von der Fruhdatierung des altesten Evangeliums abhangig gemacht nachdem sich die altkirchlichen Postulate die Evangelisten seien Apostel oder deren Mitarbeiter gewesen nicht mehr halten liessen Die grosse Mehrheit der Forscher nimmt an dass das Markusevangelium nach der Zerstorung des Jerusalemer Tempels 70 n Chr verfasst wurde da sie glauben einige Markusstellen wurden deutlich darauf anspielen Gleichwohl gehen auch diese Forscher oft von alteren zwischen 40 und 70 schriftlichen Quellen oder Vorformen aus die der Verfasser oder Endredaktor kannte und in sein Evangelium integrierte Klaus Berger gab 1998 zu bedenken dass das Fragment selbst im Falle seiner Identitat mit dem Markustext nichts beweisen wurde Denn es lasse sich keinesfalls ausschliessen dass palastinische Juden oder Christen auch nach 70 noch Schriften in Hohlen bei Qumran deponierten Dies zeigten die Schriftfunde in anderen Hohlen bei Wadi Murabba at die auf etwa 135 n Chr datiert werden Auch dass Hohle 7 nur griechische Fragmente enthielt sei ein Indiz dass sie isoliert fur spater entstandene Schriften benutzt wurde Auch wenn einige davon vor 70 dort hingelangten wurde dies die bisherige Evangeliendatierung nicht verandern da man schon lange von alteren schriftlichen Quellen des Markus ausgehe zu denen Mk 6 52f gehort haben konne Da man den Tod des Simon Petrus und Paulus von Tarsus ebenfalls auf einige Jahre vor 70 n Chr datiere konnten urchristliche Schriften bald darauf in Umlauf gelangt sein Diese Erwagungen seien jedoch mussig da die Textbasis von 7Q5 auf jeden Fall zu schmal fur solche Annahmen sei 3 Literatur BearbeitenStefan Enste Kein Markustext in Qumran Eine Untersuchung der These Qumran Fragment 7Q5 Mk 6 52 53 Universitatsverlag Freiburg 2000 ISBN 3 7278 1286 9 Bernhard Mayer Hrsg Christen und Christliches in Qumran Friedrich Pustet Regensburg 1992 ISBN 3 7917 1346 9 Carsten Peter Thiede Die alteste Evangelien Handschrift Das Markusfragment von Qumran und die Anfange der schriftlichen Uberlieferung des Neuen Testaments 2 Auflage R Brockhaus Wuppertal 1990 ISBN 3 417 29518 1 Carsten Peter Thiede 7Q Eine Ruckkehr zu den neutestamentlichen Papyrusfragmenten in der siebten Hohle von Qumran In Biblica 65 1984 S 538 559 Errata Biblica 66 1985 S 261 Jose O Callaghan Papiros neotestamentarios en la cueva 7 de Qumran In Biblica 53 1972 S 91 100Weblinks BearbeitenC P Thiede Qumran Fragment 7Q5 Possibilities and Impossibilities Memento vom 21 November 2007 im Internet Archive Stefan Enste Verschiedene kritische Beitrage zu 7Q5 7Q5 7Q5 Neutestamentliche Texte in Qumran fur C P Thiedes Argumentation 7Q5 The Earliest NT Papyrus Einzelnachweise Bearbeiten Johann Maier Die Qumran Essener Band I S 322 Daniel P Wallace 7Q5 The Earliest NT Papyrus Review of Carsten Peter Thiede The Earliest Gospel Manuscript The Qumran Fragment 7Q5 and its Significance for New Testament Studies Klaus Berger Qumran Funde Texte Geschichte Reclam Stuttgart 1998 S 32f Normdaten Werk GND 4241163 4 lobid OGND AKS LCCN n88065956 VIAF 185143919 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Papyrus 7Q5 amp oldid 238939451