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Otto Sillier 7 November 1857 in Berlin 4 Marz 1925 ebenda war Vorsitzender einer deutschen Facharbeitergewerkschaft und Vorsitzender einer internationalen Gewerkschaftsorganisation Inhaltsverzeichnis 1 Leben und Werk im Kaiserreich 2 Arbeitskampfe und Kriegsausbruch 3 Funktionar auf nationaler und internationaler Ebene 4 Rucktritt Tod Gedenken 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseLeben und Werk im Kaiserreich BearbeitenSillier erlernte nach Absolvierung der Volksschule den Beruf eines Steindruckers und ging 1877 auf Wanderschaft die ihn in mehrere Lander Europas fuhrte 1883 kehrte er in seine Heimatstadt Berlin zuruck Der junge Steindrucker trat zunachst dem Senefelder Bund bei Der Bund war im November 1873 als gewerkschaftliche Kampforganisation gegrundet worden die auf eine Transformation der bestehenden Verhaltnisse zielte Das Sozialistengesetz machte den Organisationsbestrebungen ein jahes Ende Um nicht aufgelost zu werden gab der Bund seinen Kampfcharakter auf und mutierte zu einer unpolitischen Unterstutzungsorganisation Verschiedene Lokalstreiks im Gewerbe ab Mitte der 1880er Jahre gaben den gewerkschaftlichen Gedanken neue Impulse es entstanden zunachst lokale Fachvereine Sillier trat 1885 sofort dem Berliner Fachverein der Lithographen und Steindrucker bei Parallel zu seiner Gewerkschaftsarbeit engagierte sich Sillier in der illegal operierenden deutschen Sozialdemokratie Die diversen Fachvereine in den graphischen Zentren Deutschlands bildeten nach dem Fall des Sozialistengesetzes 1891 die Basis fur die Grundung des Vereins der Lithographen Steindrucker und Berufsgenossen der sich nach diversen Umbenennungen 1904 den Namen gab unter dem er in die Geschichtsbucher einging Verband der Lithographen Steindrucker und Verwandten Berufe Otto Sillier wurde auf dem Grundungskongress 1891 zum 1 Vorsitzenden gewahlt 1893 erfolgte seine hauptamtliche Anstellung als Gewerkschaftsfunktionar Eine Wiederwahl Silliers zum Vorsitzenden erfolgte auf allen Gewerkschaftskongressen bis 1919 durchweg einstimmig Silliers Organisation rekrutierte Lithographen Steindrucker Formenstecher fur Tapetendruck Notenstecher Chemigraphen Lichtdrucker Xylographen Kupferdrucker und Tiefdrucker Ahnlich wie der Verband der Deutschen Buchdrucker rekrutierte Silliers Organisation als Gewerkschaft gelernter Facharbeiter zunachst keine Frauen 1 Frauen wurden erst ab 1907 in die Organisation aufgenommen 1905 umfasste die Gewerkschaft ca 11 500 Mitglieder 1911 bekannten sich 80 der Steindrucker und 65 8 der Lithographen zum Verband Mit diesem Organisationsgrad lagen die Flachdrucker weit uber dem anderer deutscher Facharbeitergewerkschaften 2 Arbeitskampfe und Kriegsausbruch BearbeitenSilliers Gewerkschaft mit hochspezialisierten Facharbeiter deren Lohne an der Spitze der deutschen Lohnskala rangierten war kampferisch ausgerichtet Der Vorsitzende fuhrte seine Organisation in mehrere grossere Arbeitskampfe zur Verbesserung der Lohn und Arbeitsverhaltnisse im Gewerbe Ein grosser Streik im Jahre 1896 endete mit einer desastrosen Niederlage Die grosse Tarifbewegung 1905 1906 mundete in einer zehnwochigen Aussperrung Allerdings konnte Silliers Organisation mit der Erringung des Neunstundentages einen bemerkenswerten Teilerfolg erringen Einen zentralen Durchbruch bei der Erringung des Achtstundentages sollte ein Arbeitskampf bringen der im Spatsommer 1911 von Sillier und seiner Organisation eingeleitet wurde Der Arbeitskampf dauerte 4 Monate die Unternehmerseite sperrte deutschlandweit aus Der Streik gehorte zu den heftigsten in der deutschen Gewerkschaftsgeschichte Der Streik ging vollstandig verloren Zur Streikniederlage hatte eine vorzugliche Organisation der Unternehmer der Zuzug deutschsprachiger Streikbrecher aus Bohmen eine schlechte Kommunikation und eine vollig unbefriedigende Streikabstimmung mit den befreundeten Gewerkschaften im graphischen Gewerbe beigetragen Unterschatzt hatten Sillier und seine Kollegen revolutionare neue technologische Entwicklungen im Gewerbe Die grossen Schnelldruckpressen konnten wahrend des Streiks auch von Hilfskraften bedient werden die die Macht von Silliers hochspezialisierter Facharbeitergewerkschaft aushebelten Das finanzielle Desaster blieb unubersehbar Der Streik hatte 1 762 Millionen Mark gekostet und die Hauptkasse vollig geleert Die Gewerkschaft blieb nur mit einem Darlehen von 600 000 Mark uberhaupt handlungsfahig 3 Als Vorsitzender hatte Sillier den Streik angeleitet und mit seinem Vorstand die Verhandlungen mit der Unternehmerseite gefuhrt Unmittelbar nach Streikende erlitt Sillier 1912 einen Nervenzusammenbruch von dem er sich nur langsam erholte 4 Fur Silliers Gesundheit kam es noch schlimmer Die Trauerjahre 1914 1918 in denen er seine Hoffnung auf den Menschheitsfrieden zerrinnen sah gaben ihm regelrecht den Rest Die Gesundheit des hochangesehenen Gewerkschafters war dermassen zerruttet dass an eine Besserung nicht zu denken war 5 De facto ging die Leitung der Gewerkschaft seit 1913 auf das Vorstandsmitglied Johannes Hass den spateren Stadtverordnetenvorsteher Berlins uber ohne dass die Mitgliedschaft die gravierende Veranderung auf der Leitungsebene bemerkt hatte Denn Sillier publizierte weiterhin im Verbandsblatt Graphische Presse und war fur die Herausgabe aller Publikationen im Eigenverlag Otto Sillier verantwortlich Funktionar auf nationaler und internationaler Ebene BearbeitenSeit 1891 erhielt Otto Sillier Mandate fur alle Gewerkschaftstage der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands Ab 1903 fullte die sogenannte Vorstandekonferenz das Vakuum zwischen dem Dachverband und den Einzelgewerkschaften als dem eigentlichen Trager gewerkschaftlicher Aktionen 1914 sanktionierte der Munchener Gewerkschaftstag das real existierende Kontrollgremium und verankerte es auch statuarisch Bis 1919 gehorte Sillier dem Gremium an und beteiligte sich bis zu seiner psychischen Erkrankung intensiv an den Diskussionen Eine geachtete Rolle als Gewerkschaftsfuhrer nahm Sillier alsbald nach seiner Anstellung als hauptamtlicher Funktionar auf internationaler Buhne ein Die ersten Bemuhungen zu einer internationalen Zusammenarbeit der gewerkschaftlich organisierten Flachdrucker datieren aus den 1890er Jahren denn die internationalen Kontakte der Arbeiterkunstler ubertrafen die anderer Berufsgruppen betrachtlich Zu jener Zeit war Europa ein einziger grosser Arbeitsmarkt und Facharbeiter konnten ohne Pass alle Grenzen uberschreiten Ein Gutteil der Lithographen und Steindrucker und die mit ihnen verwandten Berufe hatten in fremden Landern gearbeitet Im August 1896 hob Sillier mit 13 Verbanden aus sieben Landern das Internationale Berufssekretariat der Lithographen und Buchdrucker aus der Taufe Internationaler Bund der Lithographen Steindrucker und verwandten Berufe Die Leitung ubernahm zunachst der englische Gewerkschaftsvorsitzende Charles Harrap 6 Sillier nahm als Delegierter auf allen internationalen Kongressen teil Auf dem Kongress 1907 wurden Stimmen laut den Sitz der Gewerkschaftsinternationale von England auf den Kontinent zu verlegen Die Unzufriedenheit ging von der einflussreichen Schweizer Gewerkschaft aus die Deutschland als neuen Sitz ins Spiel brachte Die Sitzverlegung nach Deutschland war hochumstritten Fast einstimmig erfolgte dann allerdings die Wahl Otto Silliers zum neuen Sekretar Sillier setzte zunachst den Beschluss um ein dreisprachiges internationales Mitteilungsblatt herauszubringen Mit dem Bulletin beschritt der Berliner den klassischen Weg deutscher Gewerkschaftsvorsitzender die fast durchgangig im Nebenamt die Internationalen Berufssekretariate anfuhrten Auch das Bulletin des Internationalen Bundes der Lithographen Steindrucker und verwandten Berufe diente landerubergreifend als Informations und Dokumentationsorgan und brachte Informationen zu Arbeitsbedingungen und Lohnfragen und informierte uber Streiks und Aussperrungen Trotz einer USA Reise im Herbst 1909 gelang es Sillier nicht die amerikanischen Gewerkschaften im Flachdruckgewerbe zur internationalen Mitgliedschaft zu gewinnen Allerdings kam es zu Absprachen mit dem Ziel transatlantische Schmutzkonkurrenz zu vermeiden 7 Sehr erfolgreich gelang es allerdings Sillier in den Niederlanden isoliert agierende Gewerkschaften im Lithographie und Steindruckgewerbe zur Fusion eines einheitlichen Verbandes zu bewegen Wahrend des Krieges versuchten Otto Sillier und Johannes Hass den schwierigen Spagat Einerseits suchten sie die Burgfriedenspolitik der deutschen Gewerkschaften gerecht zu werden andererseits taten beide alles Erdenkliche um das internationale Mitteilungsblatt bis August 1918 erscheinen zu lassen damit die internationalen Verbindungen nicht ganz abreissen sollten Im Bulletin herrschte meist ein neutraler unpolitischer Ton vor um die Gefuhle keines der Mitglieder zu verletzen Gleichwohl stellten die franzosischen Kollegen schon 1915 den Antrag das Sekretariat in ein neutrales Land zu verlegen was die Deutschen aus Satzungsgrunden ablehnten und sich mit diesem Standpunkt auch durchsetzen konnten 8 Rucktritt Tod Gedenken BearbeitenDer erste Nachkriegsverbandstag der gewerkschaftlich organisierten Flachdrucker verabschiedete den alten Vorsitzenden im November 1919 in Magdeburg ehrenvoll Viele Delegierte nahmen jetzt erst Silliers schwere Erkrankung wahr 9 Im Mai 1920 gab Sillier sein letztes offizielles Mandat ab Der Internationale Bund der Lithographen Steindrucker und verwandten Berufe tagte nach dem Weltkrieg erstmals vom 13 bis 15 Mai in der schweizerischen Hauptstadt und verlegte den Sitz der Gewerkschaftsinternationale nach Belgien Schwer gezeichnet konnte der noch amtierende internationale Gewerkschaftssekretar seinen Rechenschaftsbericht abgeben Sein Auftritt trug viel dazu bei dass auf der Konferenz den Deutschen gegenuber eine versohnliche Stimmung herrschte Der deutsche Verband setzte fur seinen demissionierten Vorsitzenden eine lebenslange Rente aus Als Invalide durfte Sillier noch erleben dass seine Gewerkschaft mit etwa 20 000 Mitgliedern weit uber 90 der im Gewerbe Beschaftigten organisieren konnte Otto Sillier starb am 4 Marz 1925 in Berlin Die Bestattung erfolgte als grosse Demonstration auf dem Friedhof der freireligiosen Gemeinde Berlins 10 Sein nationaler Verband und viele internationale Organisationen wurdigten seine gewerkschaftliche Pionierarbeit Spatere Standardwerke zur Geschichte der Gewerkschaften im graphischen Gewerbe stellten in der Regel die Geschichte der Buchdrucker in den Mittelpunkt und strichen Silliers Lebensleistung nur knapp heraus 11 Literatur BearbeitenHermann Muller Die Organisationen der Lithographen Steindrucker und verwandten Berufe Mit einer Einleitung zum Nachdruck von Willy Albrecht 2 Aufl Nachdruck der 1917 erschienenen 1 Aufl Verl J H W Dietz Berlin Bonn 1978 ISBN 3 8012 2078 8 Reprints zur Sozialgeschichte Weblinks BearbeitenGraphische Presse1889 1925 Abgerufen am 15 Januar 2016 Einzelnachweise Bearbeiten Rudiger Zimmermann Senefelder Feste der Arbeiter In 1971 2011 Geschichte der Lithographie und Steindrucktechnik 40 Jahre Senefelder Stiftung in Offenbach Internationale Senefelder Stiftung Offenbach 2011 ISBN 978 3 00 035653 7 S 135 Hanns Ronger Verband der Lithographen Steindrucker und verwandten Berufe In Internationales Handworterbuch des Gewerkschaftswesens Verlag Werk und Wirtschafts Verlagsaktiengesellschaft Berlin 1932 S 1849 f Die Geschichte des Lohnkampfes 1911 1912 im Lithographie und Steindruckgewerbe Sillier Berlin 1916 S 90 f Du fielst Wir halten das Banner In Graphische Presse Jg 38 13 Marz 1925 Nr 11 Otto Sillier 1857 1925 In Bulletin des Internationalen Bundes der Lithographen Steindrucker und verwandten Berufe Jg 18 April 1925 Nr 64 C Harrap Beitrag zur Geschichte der Lithographen Internationale In Bulletin des Internationalen Bundes der Lithographen Steindrucker und verwandten Berufe Jg 23 1 August 1930 Nr 76 Rechenschaftsberichte des Verbandes der Lithographen Steindrucker und verwandten Berufe vom Jahr 1909 Sillier Berlin 1909 S 9 Die Internationale der Lithographen Steindrucker und verwandten Berufe In Graphische Presse Jg 28 29 Oktober 1915 Nr 44 Rechenschafts Berichte und Protokoll des Verbandstages in Magdeburg Hass Berlin 1920 S 228 Otto Silliers Heimgang In Graphische Presse Jg 38 20 Marz 1925 Nr 12 Gerhard Beier Schwarze Kunst und Klassenkampf Bd 1 Vom Geheimbund zum konigliche preussischen Gewerkverein 1830 1890 Buchergilde Gutenberg Frankfurt am Main 1966 S 79 Geschichte der Industriegewerkschaft Druck und Papier und ihrer Vorlauferorganisationen seit dem Beginn der modernen Arbeiterbewegung Bd 1 PersonendatenNAME Sillier OttoKURZBESCHREIBUNG deutscher Gewerkschaftsvorsitzender und Vorsitzender einer internationalen GewerkschaftsorganisationGEBURTSDATUM 7 November 1857GEBURTSORT BerlinSTERBEDATUM 4 Marz 1925STERBEORT Berlin Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Otto Sillier amp oldid 211692486