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Mit Notorietat einem Begriff aus dem Recht ist eine juristische Gewissheit gemeint die keines besonderen Beweises mehr bedarf Dazu gehoren sowohl allgemein bekannte Tatsachen wie beispielsweise Naturereignisse oder geschichtliche Begebenheiten als auch einem Gericht von Amts wegen bekannte Tatsachen die durch Inaugenscheinnahme entstanden sind Gerichtskundigkeit 1 Notorietat spielt vor allem auch im Markenrecht eine Rolle wenn festgestellt werden soll inwieweit eine Marke die Voraussetzung der Notorietat erfullt 2 Inhaltsverzeichnis 1 Mittelalterliche Jurisprudenz 1 1 Ursprungliche Definition Gratians 1 2 Motivation fur die Begriffsbildung 1 3 Rezeption und Wirkungsgeschichte 1 4 Erklarungsansatz aus dem germanischen Recht 2 Siehe auch 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseMittelalterliche Jurisprudenz BearbeitenNotorium est quod omnes sciunt notorisch ist eine Tatsache die allen bekannt ist lautet eine der Definitionsmoglichkeiten des Mittelalters An die Bezeichnung eines Faktums als notorisch knupfen sich zahlreiche Prozesserleichterungen nach mancher Auffassung sogar eine ganzliche Vermeidung eines regularen Prozesses Ursprungliche Definition Gratians Bearbeiten Gratian fuhrt zumindest gemass moderner Auffassung wie sie Mathias Schmoeckel aussert in seiner Concordantia discordantium canonum den Begriff notorium ein Er ubernimmt damit einen Begriff der antiken juristischen Fachsprache ohne seine ursprungliche Bedeutung die Anzeige eines Verbrechens beim Magistrat zu beachten moglicherweise absichtlich Ziel ist die Beseitigung der Doppelbedeutung von manifestum das bis dato auf zwei Weisen verwendet worden war Zum einen waren Tatsachen manifest die jedermann bekannt waren und fur die deshalb kein Beweisverfahren mehr notwendig war zum anderen bezeichnete man auch die Kenntnis uber eine Tatsache die nach Beendigung des Beweisverfahrens vorlag als manifesta scientia Gratian setzte nun notorium fur die erste Bedeutung ein und ubertrug die Rechtsfolgen die bisher in diesem Fall galten auf den neuen Begriff Motivation fur die Begriffsbildung Bearbeiten Die Idee bei offentlich bekannten Straftaten anders zu verfahren als gewohnlich wird vor allem mit den Schwachstellen des normalen kanonischen Prozesses begrundet Ein Prozess konnte vom Beschuldigten sehr wohl in die Lange gezogen werden er konnte Gelegenheiten nutzen seine Schuld zu verschleiern und vor allem bei politisch einflussreichen Angeklagten Unterstutzung in der Fuhrungsschicht finden Tatsachlich ist eine nennenswerte Unterstutzung der Notorietatsidee erst zu finden nachdem Nikolaus I zwei Erzbischofe die zur Unterstutzung Lothars II in seiner Ehescheidungsangelegenheit nach Rom kamen kurzerhand der Beihilfe zur Unzucht beschuldigte und im gleichen Atemzug deswegen verurteilte Immer wieder hatten zuvor Rechtsgelehrte so auch Hinkmar von Reims gegen die ganzliche Fortlassung des Prozesses und fur einen ordentlichen Prozess nur ohne Beweisverfahren gestimmt Einzig die angeblichen Paulus Kommentare des Kirchenvaters Ambrosius zu 1 Kor 5 3 dienten Nikolaus als Rechtfertigung Gratian vereinte Nikolaus Entscheidung und Hinkmars vorherige Gegenargumentation scholastisch geschickt indem er die Nichtnotwendigkeit eines Gerichtsverfahrens strengen Bedingungen unterwarf Eine genaue Darstellung seiner Unterscheidungen liefert Levy vgl Literatur Rezeption und Wirkungsgeschichte Bearbeiten Gratians Glossatoren differenzierten seine Unterteilung der Falle in denen Prozesserleichterungen statthaft seien noch einmal gewaltig aus und gipfelten in Johannes Teutonicus notorium triplex est est enim notorium faci notorium iuris amp notorium praesumptionis notorietas facti bestand wenn die Sache allen oder wenigstens einem Grossteil der Bevolkerung bekannt war Fur den Fall dass zwischen Tat und Verfahren ein langerer Zeitraum lag in dem diese Bekanntheit zuruckgegangen sein konnte bemerkt Huguccio lapidar Ego autem dico ex quo quod semel est notorium semper est notorium einmal notorisch immer notorisch Man schloss sich ihm nicht an sondern differenzierte in diesem Punkte noch weiter aus notorietas iuris Was in einem fruheren Gerichtsverfahren bereits als Wahrheit erkannt worden ist gilt in spateren Verfahren als unbezweifelbare Tatsache notorietas praesumptionis Gewisse Vermutungen konnen den Wahrheitsgehalt offensichtlicher Tatsachen besitzen beispielsweise die biologische Vaterschaft eines Mannes an einem wahrend der Ehe geborenen und bei ihm aufgezogenen Kind Gerade im Verlauf der Gregorianischen Erneuerung der Kirche wurde von der Notorietatsregelung weitreichender oftmals wohl sogar deutlich uber das von Gratian und seinen Glossatoren Erlaubte hinausgehend Gebrauch gemacht Erklarungsansatz aus dem germanischen Recht Bearbeiten Recht uberzeugend hat Schmoeckel nachgewiesen dass die Idee der Notorietat deutlich einfacher zu erklaren ist wenn man sie als gedankliche Ubernahme aus dem germanischen Recht ansieht Dort hatte sowieso nur diejenige Partei das Beweisrecht die naher zum Beweis stand und ein Urteil besagte stets nur dass einer Partei das Beweisrecht zuerkannt wurde Verlief dann der Beweis z B ein Gottesurteil wunschgemass war der Prozess automatisch gewonnen Hier ist es naturlich klar dass bei offenkundigen Verbrechen dieser Beweis schon vor Beginn des Verfahrens als gefuhrt angesehen werden kann und auf die Form eines Verfahrens ganzlich verzichtet werden kann Beim Import dieser Regelung in das romisch kanonische Rechtssystem haben sich die genannten Probleme erst ergeben Siehe auch BearbeitenNotorisch bekannte MarkenLiteratur BearbeitenAdalbert Erler Notorietat Handbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte HRG III Berlin 1984 Decretum Gratiani Causa 2 questio 1 c 15 21 Insbesondere werden zitiert Hinkmar de divortio c 17 Ambrosiaster Kommentar zum ersten Korintherbrief c 15 Nikolaus Brief uber die Absetzung der beiden Bischofe c 21 Carlo Ghisalberti La teoria del notorio nel diritto commune In Annali di storia del diritto 1 1958 pp 403 451 Jean Philippe Levy La hierarchie des preuves dans le droit savant du Moyen Age depuis la Renaissance du Droit Romain jusqu a la fin du XIVe siecle Paris 1939 pp 32 53 Uwe Kornblum Beweis HRG I Berlin 1971 Sp 401 408 Helmuth Pree Notorietat Lexikon fur Theologie und Kirche VII dritte Auflage Freiburg 1998 Mathias Schmoeckel Nemindem damnes antequam inquiras veritatem Die Entwicklung eines hohen Beweisstandards als Vorgeschichte der Verdachtsstrafe ZRG Kan Abteilung 118 2001 pp 191 225 Derselbe Excessus notorius examinatione non indiget Die Entstehung der Lehre der Notorietat In Orazio Condorelli ed Panta rei Studi dedicati a Manlio Bellomo Catania 2004 vol 5 pp 113 163 Rivista internationale di diritto commune 14 2005 pp 155 188 Weblinks BearbeitenZur dunklen Geschichte der Notorietat Zur Gerichtsnotorietat von Internet InformationenEinzelnachweise Bearbeiten http www retrobibliothek de retrobib seite html id 132042 Gerichtsurteil als Beispiel 1 2 Vorlage Toter Link www gomezacebo pombo com Seite nicht mehr abrufbar festgestellt im Mai 2019 Suche in Webarchiven Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Notorietat amp oldid 237058323