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Der Begriff musico theologia bzw eingedeutscht Musicotheologie ist in Verbindung der Begriffe Musik und Theologie gebildet worden Er erscheint 1738 bei Lorenz Christoph Mizler moglicherweise angeregt durch Andreas Werckmeister 1 Zum Verstandnis dieses Begriffs ist der geistesgeschichtliche Kontext von Bedeutung Das Fach Theologie war zu dieser Zeit noch nicht abgegrenzt von dem des sich erst spater etablierenden Faches Religionswissenschaft Die musica theologia Mizlers wird vielmehr im Rahmen der Physikotheologie und in der deutschen Aufklarung insbesondere der theologia naturalis 2 des Philosophen Christian Wolff verstandlich Mizlers musica theologia bzw musico theologia entstand ebenfalls im Zusammenhang mit dem Buch von William Derham 1657 1735 Astrotheology or A demonstration of the being and attributes of God from the survey of the heavens London 1715 Dieses Werk erschien in der Ubersetzung von Johann Albert Fabricius mit dem Titel Astro Theologie oder himmlisches Vergnugen in Gott Hamburg 1732 Ebenso wie hier Gottesbeweise im Rahmen naturlicher Erscheinungen aufgefuhrt sind wollte auch Mizler diese im Kontext der Musik aufzeigen Auch in seinem Vorlesungskonzept beschrieb Mizler sein auf der naturlichen Theologie basierendes Konzept 3 Zwar erschien der von Mizler gepragte Theologie Begriff hier nicht mehr explizit aber der Gedanke Musik mit naturlicher Theologie zu verbinden wurde beibehalten Demnach konnen die Quellen fur gottliche Offenbarungen auch non verbaler Natur sein Dabei betonte Mizler den Zahlencharakter der Musik und berief sich auf die pythagoreisch platonische Tradition die sein ganzes musiktheoretisches Werk durchzieht Die Verbreitung dieser Philosophie empfand man als Konkurrenz zur traditionellen biblischen Offenbarungstheologie und so wurde im Universallexikon Zedlers die Befurchtung geaussert dass Anhanger des heydnischen Pythagoras ihrem alten Lehrmeister eine solche Gottlichkeit in ihrem Ursprung Qualitaten Eigenschaften Verrichtungen und Lehren beylegten welche sie unserem theuersten Heyland entgegensetzen und dadurch den Grundstein der Christlichen Religion uber einen Hauffen werffen konnten 4 Der vernehmbare Klang der Musik sei allerdings nach Mizlers Vorstellung nicht als direktes Abbild der gottlichen Herrlichkeit aufzufassen sondern vermittele nichts Geringeres als ein Schattenbild denn im Himmel existiere eine unaussprechliche Musik 5 Ahnliche Gedanken erscheinen in dem mittelalterlichen Werk speculum musicae des Jakobus von Luttich In einer geistreichen Analyse spricht Aertsen von einer Metamusik des Jakobus von Luttich die sich auf die Gottesschau und die Trinitat bezieht 6 Im Gegensatz zu dem Gott der Philosophen dem seit Blaise Pascal der Geschmack der lediglich rationalen Gotteserkenntnis anhaftet sind die gottlichen Offenbarungen der Musik auch emotional wahrnehmbar Einige Jahre nach Mizlers Ausfuhrungen veroffentlichte Johann Michael Schmidt 1754 in Leipzig das Buch Musico theologia oder Erbauliche Anwendung musicalischer Wahrheiten Musico theologia Oder Anleitung zur Erkanntniss Gottes und seines Willens aus der Music 7 Er zitierte mehrfach aus Mizlers Musikalische Bibliothek die er offensichtlich gut kannte Schmidt setzt allerdings andere Akzente als Mizler denn fur jenen hat die pythagoreisch platonische Tradition eine geringere Bedeutung denn man konne beispielsweise die Spharenharmonie nicht nachweisen Auch in Johann Sebastian Bachs Anmerkungen in den drei Banden seiner Calov Bibel deutet sich ein sakramentales Verstandnis der Musik im Sinne einer Musico Theologie an Bachs oft zitierte dortige Anmerkung zu 2 Chronik 5 13 bezieht sich nicht nur auf die Vokalmusik sondern ganz im Sinne der zeitgenossischen Konzepte einer Naturlichen Theologie auch auf Instrumentalmusik NB Bey einer andachtigen Musique ist Gott allezeit mit seiner Gnaden Gegenwart 8 Die oben genannten Autoren Mizler und Schmidt wirkten im unmittelbaren Umfeld Bachs in Leipzig Nach Dammann konne man mit Sicherheit annehmen dass die Traktate Werckmeisters bei ihrer grossen Verbreitung auch zum Bestande der Bibliothek J S Bachs gehort haben oder dass ihm zumindest deren Inhalt vertraut gewesen ist 9 Der Gedanke Musik als eigenstandige Offenbarungsquelle zu betrachten fuhrte um 1800 zum Begriff der Kunstreligion wobei nachfolgend die deutsche romantische Musik von dem Gedanken getragen wurde die Musik sei die heilige unter den Kunsten Hugo von Hoffmansthal 10 Einzelnachweise Bearbeiten Er schreibt in meiner musico theologia Gemeint ist damit der Ablativ Theologie mit Hilfe oder auf der Basis von Musik Musikalische Bibliothek I 5 1738 S 69 Quelle online Lorenz Christoph Mizler De usu atque praestantia Philosophiae in Theologia Iurisprudentia Medicina breviter disserit simulque Recitationes suas privatas indicat M agister Laurentius Mizlerus Leipzig 1736 S 16 Quelle online recitationes suas mathematicas philosophicas musicas de novo futur in Mizlers De natura syllogismi Leipzig 1742 Quelle online Zedler 1732 1754 Bd 29 1741 Sp 1866 Vgl Siegfried Oechsle Bernd Sponheuer Kunstreligion und Musik Kassel 2015 S 19 Musikalische Bibliothek III 3 1747 S 583 Quelle online Aertsen 1998 S 307ff 318f l Jakobus von Luttich bezieht sich mit seinem erweiterten Musikbegriff und mit dem Titel seines Werkes auf die Bibelstelle aus dem ersten Korinther Brief des Paulus 13 12 videmus nunc per speculum et in aenigmate tunc autem facie ad faciem Wir sehen uns jetzt durch einen Spiegel in einem Ratsel dann aber von Angesicht zu Angesicht vgl die fast wortliche Zitierung die sich dann auf die musica coelestis bezieht in Speculum musicae Edition Bragard 1955 I 12 S 41 Diese Gottesschau bezieht sich auf die Engel und die homines sancti die Gott von Angesicht zu Angesicht sehen konnten Quelle online vgl Jochen Arnold Von Gott poetisch musikalisch reden Gottes verborgenes und offenbares Handeln in Bachs Kantaten Gottingen 2009 S 60 Rolf Dammann Zur Musiklehre des Andreas Werckmeister in Archiv fur Musikwissenschaft 9 1954 S 206 Zitiert nach Oechsle Sponheuer 2015 S 9 Literatur BearbeitenLutz Felbick Lorenz Christoph Mizler de Kolof Schuler Bachs und pythagoreischer Apostel der Wolffischen Philosophie Hochschule fur Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy Leipzig Schriften Band 5 Georg Olms Verlag Hildesheim 2012 ISBN 978 3 487 14675 1 pdf Online Version Siegfried Oechsle Bernd Sponheuer Hrsg Kunstreligion und Musik Kieler Schriften zur Musikwissenschaft Bd LIII Kassel 2015 Jan A Aertsen Speculum musicae als Spiegel der Philosophie in Musik und die Geschichte der Philosophie und Naturwissenschaften im Mittelalter hrsg von Frank Hentschel Koln 1998 S 305 321 Weblinks Bearbeitenweitere Informationen zu Mizler auf web archive org Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Musicotheologie amp oldid 233104070