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Dieser Artikel behandelt Moralitat als lehrhaftes Schauspiel zum philosophischen Begriff siehe Sittlichkeit Die Moralitat bezeichnet eine Schauspielform mit moralischem oder religios lehrhaftem Charakter die im Mittelalter nach dem Niedergang der Mysterienspiele in Europa beliebt war Vor allem in England morality und in Frankreich moralite waren sie ausserst popular doch auch in Deutschland waren sie verbreitet Es waren allegorische Stucke in denen die einzelnen Figuren Laster oder Tugenden reprasentierten zum Beispiel Wollust Geiz aber auch Nachstenliebe oder Barmherzigkeit Das zugrundeliegende allegorischen Verfahren der Moralitat die sogenannte Psychomachia diente dabei der Verdeutlichung und Dramatisierung innerseelischer Vorgange Die unterschiedlichen seelischen Krafte oder Beweggrunde die das Verhalten oder die Entscheidungen und Handlungsweisen des Menschen nach dem damaligen christlich gepragten Verstandnis bestimmten werden in den Moralitaten durch die verschiedenen Einzelfiguren dargestellt Insofern es thematisch letztlich um das ewige Seelenheil des Menschen ging werden diese in gute und bose eingeteilt So kampfen Engelsgestalten gegen Teufel Tugendfiguren gegen Vertreter des Lasters oder Verkorperungen der Reue und Busse des Glaubens und der Gnade gegen solche Figuren die die sieben Todsunden und ein den Sinnesgenussen verfallenes Dasein reprasentieren In ihrer dramatischen Auseinandersetzung drangen sie die jeweils im Mittelpunkt stehende Zentralgestalt die fur die menschliche Seele den Menschen schlechthin oder ein bestimmtes Lebensstadium des Menschen steht zur Entscheidung und Parteinahme Der Handlungsablauf der mittelalterlichen Moralitaten folgt einem einheitlichen Muster Zu Beginn wird die Zentralgestalt vorgestellt die zunachst im Zustand der Gnade das heisst auf der Buhne vereint mit den guten Kraften gezeigt wird In der nachfolgenden Episode unterliegt die Zentralgestalt dann dem Einfluss boser Krafte verfallt in Sunde und fuhrt ein ausschweifendes einzig auf irdische Genusse ausgerichtetes Leben In der dritten Episode gewinnen wiederum die Krafte des Guten die Oberhand Es gelingt ihnen die Zentralgestalt zu Reue und Umkehr zu bewegen und endgultig zu christlichen Werten bzw zu einer christlichen Lebensfuhrung zu bekehren Der am Ende stehende Tod stellt schliesslich im Sinne der Heilsgewissheit den jeweiligen Eintritt in das ewige Leben dar Die Moralitaten gehorten zum festen Repertoire kleiner Wander Schauspieltruppen Daher mussten die Auftritte so organisiert werden dass die verschiedenen Einzelfiguren mithilfe eines doubling durch das zahlenmassig begrenzte Schauspielpersonal auf die Buhne gebracht werden konnten Mit Ausnahme des fuhrenden Schauspielers der als Zentralgestalt standig auf der Buhne prasent sein musste stellten die ubrigen Schauspieler alle guten Figuren in der ersten und dritten Episode sowie alle bosen Machte in der zweiten Episode abwechselnd dar Daraus ergab sich in den Auffuhrungen ein fur das volkstumliche Theater des 16 Jahrhunderts durchaus charakteristischer Episodenwechsel 1 Die Moralitaten waren keine trockenen Lehrstucke sondern durchaus unterhaltsame teils recht deftige Darstellungen in denen vor allem die Laster gern als komische Typen dargestellt wurden denen auf der Buhne zur Freude der Zuschauer allerlei Unbill widerfuhr und die von den Tugenden am Schluss besiegt wurden Ein auch in Deutschland weit verbreitetes Motiv war das des Menschen der plotzlich vor dem Tod steht und der nun von seinen Knechten Hilfe erwartet Aber weder Freundschaft noch Geld konnen ihm helfen lediglich der Glaube und seine guten Taten wollen ihn begleiten Im Englischen heisst das Stuck Everyman im Deutschen Jedermann Es wird in der modernisierten Fassung von Hugo von Hofmannsthal seit 1920 alljahrlich an den Salzburger Festspielen aufgefuhrt wird Die Moralitaten entwickelten sich im Zuge der Sakularisierung des Dramas im 15 und 16 Jahrhundert aus den christlich religiosen Mysterienspielen die im 14 Jahrhundert entstanden waren Im Unterschied zu den Mysterienspielen die als heilsgeschichtliche Ausgestaltung biblischer Episoden nur ein begrenztes Spektrum von thematischen Variationsmoglichkeiten zuliessen waren die Moralitaten aufgrund der nun nicht mehr starr festgelegten Inhalte wesentlich flexibler Ihre erhalten gebliebene didaktische Grundkonzeption ermoglichte zudem die gleichzeitige Nutzung fur mehrere Zwecke und Interessen da die Moralitat gleichermassen mit religiosen wie auch mit weltlichen Inhalten gefullt werden konnte und somit ebenso fur die lehrhafte Behandlung zeitgenossischer politischer oder padagogischer Probleme eingesetzt werden konnte 2 Literatur BearbeitenPamela M King Morality Plays In The Cambridge Companion to Medieval English Theatre Hrsg von Richard Beadle and Alan J Fletcher 2 Auflage Cambridge University Press Cambridge 2008 S 235 262Siehe auch BearbeitenAbelespel Auto sacramental Farce Theater Sottie Octave Mirbeau Farces et moralites 1904 Einzelnachweise Bearbeiten Vgl Wolfgang Weiss Das Drama der Shakespeare Zeit Versuch einer Beschreibung Kohlhammer Verlag Stuttgart et al 1979 ISBN 3 17 004697 7 S 73 75 Siehe auch Pamela M King Morality Plays In The Cambridge Companion to Medieval English Theatre Hrsg von Richard Beadle and Alan J Fletcher Cambridge University Press Cambridge 1994 S 240 ff Vgl ebenfalls Dorothy Wertz Mankind as a Type Figure on the Popular Religious Stage An Analysis of the Fifteenth Century English Morality Plays In Comparative Studies in Society and History Volume 12 Issue 1 Januar 1970 S 83 91 Vgl Wolfgang Weiss Das Drama der Shakespeare Zeit Versuch einer Beschreibung Kohlhammer Verlag Stuttgart et al 1979 ISBN 3 17 004697 7 S 73 Siehe auch Robert Weimann Shakespeare and the Popular Tradition in the Theatre Studies in the Social Dimension of Dramatic Form and Function Hrsg von Robert Schwartz Johns Hopkins University Press Baltimore und London 1987 Erstauflage 1978 S 98 120 Normdaten Sachbegriff GND 4170539 7 lobid OGND AKS Anmerkung Ansetzungsform GND Moralitat lt Literatur gt Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Moralitat Literaturwissenschaft amp oldid 233257782