www.wikidata.de-de.nina.az
Moralische Wochenschriften sind ein Typ von Zeitschriften der in der ersten Halfte des 18 Jahrhunderts in Umlauf war den Zeitschriftenmarkt damals beherrschte und wesentlich zur Verbreitung der Ideen der Aufklarung beigetragen hat Inhaltsverzeichnis 1 Anliegen und Inhalte 2 Entstehungsgeschichte 3 Bedeutende deutschsprachige Zeitschriftentitel 4 Siehe auch 5 Literatur 6 WeblinksAnliegen und Inhalte BearbeitenDie moralischen Wochenschriften sollten neben der Information und Belehrung des Publikums zusatzlich auch zur Meinungsbildung und Verbreitung aufklarerischer Wertvorstellungen beitragen Die Herausgeber suchten das Publikum anstelle der unreflektierten Ubernahme von Gedankengut tradierter Autoritaten zu rational begrundeten Urteilen zu bewegen So wurden die moralischen Wochenschriften ein wichtiges Sprachrohr aufklarerischer Bemuhungen und erhohten die moralische Urteilsfahigkeit der Leserschaft In ihnen wurde propagiert dass es nicht nur wichtig sei ein guter Christ zu sein sondern sich auch in der Gesellschaft zu engagieren Die Zeitschriften waren fur eine breite und burgerliche Leserschicht Gelehrte Theologen Arzte Kaufleute Wissenschaftler Juristen und so weiter sowie fur Frauen konzipiert Neben der Information und Erziehung sollten sie auch der Unterhaltung dienen Unter Moral wurde Tugendhaftigkeit Ethik Sinn und Sittsamkeit Sittenlehre verstanden Themen waren neben der Politik die Familie Erziehung zur Sittlichkeit Toleranz Tugendhaftigkeit und zur Moral das Zusammenleben in der Gesellschaft und am Hof und die Kritik an diesem Der Hof und der Adel wurden verspottet aber eine neue Staatsform oder Gesellschaftsform wurde nicht propagiert Der Mensch sollte vernunftgeleitet handeln Tugend und Vernunft hatten den hochsten Stellenwert dagegen wurde irrationaler Aberglaube der Verachtung preisgegeben Die moralischen Wochenschriften richteten sich an ein gebildetes burgerliches Publikum Inhaltlich ging es in den Schriften oft auch um eine Kritik an Kultur und Lebensstil der Aristokratie Typische Angriffsobjekte der meist satirisch vorgetragenen Kritik waren etwa der konservative Schulmeister der lebensfremde Gelehrte oder der dunkelhafte Adlige Aufklarerische Anschauungen wurden in einer Vielzahl unterschiedlicher Textformen prasentiert unter anderem fingierte Gesprache Briefe Fabeln Lieder und Geschichten Oft bedienten sich die Herausgeber fiktiver Verfasserfiguren denen die Meinungsausserungen und Erfahrungsberichte in den Mund gelegt wurden So plauderten in Die vernunftigen Tadlerinnen die burgerlichen Damen Phyllis Calliste und Iris als angebliche Verfasserinnen in der Ich Form in Der Biedermann stellte der angebliche Verfasser Ernst Wahrlieb Biedermann moralische Betrachtungen an Die Titel der Publikationen waren meist sehr ausgefallen und originell Der Greis Der Trotzkopf Der Zerstreuer Der Vernunfftler Die Titel wiesen ebenfalls falschlicherweise auf schreibende Individuen hin Die Leser wurden zum Teil zur Einsendung eigener Beitrage und Leserbriefe ermutigt Daraus entstand eine neue literarische Offentlichkeit in der die Burger sich uber moralische und weltanschauliche Fragen aussern konnten In nicht unerheblichem Mass wurden aber auch fiktive Leserbriefe veroffentlicht in denen die vorgeblichen Leser ihre Begeisterung uber die Wochenschriften artikulierten vor allem aber betonten die aufklarerischen Inhalte tatsachlich nur auf allgemeine Lebensfragen nicht aber auf aktuelle politische oder religiose Fragen zu beziehen Der Sinn dieser Beschrankungformeln durfte neben der Eigenwerbung massgeblich im vorbeugenden Schutz vor Zensurmassnahmen bestanden haben Trotzdem gab es tatsachlich enge Leserbindungen an das jeweilige Blatt und damit feste Leserkreise Die Wochenschriften erschienen zumeist einmal wochentlich einige Titel auch zweimal in der Woche oder nur alle 14 Tage Da sie wie erwahnt nie hochaktuelle Themen oder Ereignisse behandelten sondern grundsatzliche politische und religiose Themen konnten sie ohne weiteres spater wieder aufgelegt werden Entstehungsgeschichte Bearbeiten nbsp The Spectator Titelseite von 1711Die in Deutschland erschienenen moralischen Wochenschriften entstanden Anfang des 18 Jahrhunderts in Anlehnung an Vorbilder aus England die von Joseph Addison der Verfasser und Richard Steele der Herausgeber herausgegebenen moral weeklies The Tatler 1708 1711 The Spectator 1711 1712 1714 The Guardian 1712 1713 Auch in Frankreich gab es einen Vorreiter dieser neuen Gattung Mercure Galant Zunachst wurden diese Originale als Ubersetzungen und Nachahmungen in Deutschland herausgegeben Hier ist vor allem die fruhe Wochenschrift Der Vernunftler Teutscher Auszug aus den Engellandischen Moral Schriften Des Tatler Und Spectator zu nennen die von Johann Mattheson herausgegeben wurde und 1713 bis 1714 erschien Neben englischen Vorbildern gab es aber auch in Deutschland fruhe Ansatze von kritischen Wochen und Monatsschriften die sich an ein burgerliches Publikum wandten Dazu zahlen vor allem die von Christian Thomasius in Leipzig herausgegebenen Monatsgesprache erschienen 1688 bis 1690 mit denen erfolgreich die deutsche Sprache als Mediensprache etabliert wurde und in denen ein unterhaltsamer ironischer bis satirischer Sprachstil gepflegt wurde der im Gegensatz zu den bis dahin vorherrschenden gelehrten Abhandlungen der Barockzeit stand Ein weiterer Vertreter der neuen fruhaufklarerischen Literaturtradition waren die von Johann Frisch herausgebrachten Erbauliche Ruhstunden die bereits seit 1676 wochentlich in Hamburg erschienen Es waren Zeitschriften von belehrendem und zugleich unterhaltendem Charakter Die deutschen Moralischen Wochenschriften konnen daher als eine Synthese aus den englischen moral weeklies und neuen Tendenzen im deutschsprachigen Journalismus angesehen werden Viele deutsche Gelehrte und Literaten waren Autoren von Moralischen Wochenschriften darunter Gotthold Ephraim Lessing und Friedrich Gottlieb Klopstock In Deutschland gab es wohl uber 500 Moralische Wochenschriften in England dem Ursprungsland circa 200 Jedoch existierten viele von ihnen nur einige Monate oder ein Jahr Zentren in Deutschland waren Hamburg und Leipzig Aus dem Vorbild der Moralischen Wochenschriften entstanden die ersten Frauenzeitschriften wie zum Beispiel Die vernunftigen Tadlerinnen 1725 1726 herausgegeben von Johann Christoph Gottsched sie wurden spater noch mehrmals aufgelegt Bedeutende deutschsprachige Zeitschriftentitel Bearbeiten nbsp Die Discourse der Mahlern Titelseite der Buchausgabe von 1721 nbsp Der Biedermann Titelseite vom 19 April 1728Discourse der Mahlern herausgegeben von Johann Jakob Bodmer und Johann Jakob Breitinger in der Schweiz 1721 bis 1723 Folgeblatt Maler der Sitten 1746 Der Patriot erscheint 1724 bis 1726 in Hamburg markiert den Durchbruch der moralischen Wochenschriften in Deutschland Gesprache in dem Reiche derer Todten herausgegeben von David Fassmann 1718 bis 1739 bis zu Auflagen von 3 000 Exemplaren Nachdrucke sogar bis zu 15 000 Exemplaren Die Abbildungen der Begebenheiten und Personen wodurch der Zustand jetziger Zeiten monatlich vorgestellt und ihn dazu dienlichen Kopffern gezeigt wird erscheinen 1725 in Augsburg beim Verleger Augustus Sturm ist die erste Zeitschrift mit kleinen Illustrationen Die vernunftigen Tadlerinnen herausgegeben von Johann Christoph Gottsched in Leipzig 1725 bis 1727 richtet sich an die Zielgruppe Frauen Der Biedermann herausgegeben von Johann Christoph Gottsched in Leipzig 1727 bis 1729 Der Vernunfftler herausgegeben von Johann Mattheson in Hamburg 1713 1714 zweimal wochentlich erschienen Die Matrone herausgegeben von Johann Georg Hamann Hamburg 1728 1730 als eine der ersten deutschsprachigen padagogischen Zeitschriften Der Menschenfreund Hamburg 1737 1739 Der Freymaurer Leipzig 1738 Der Weltburger Berlin 1741 1742 Der Freydenker Danzig 1741 1743 Der Fremde Kopenhagen Leipzig 1751 1756 Der Gesellige Halle 1748 1750 Der Mensch Halle 1751 1756 Der Freund Ansbach 1754 1756 Der Nordische Aufseher Kopenhagen Leipzig 1758 1760 Der Hypochondrist Schleswig 1762 Der Mann ohne Vorurtheil Wien 1765 1767 Siehe auch BearbeitenIntelligenzblatt Pressegeschichte Liste fruhmoderner ZeitschriftenLiteratur BearbeitenHolger Boning Michael Nagel Johannes Weber Hrsg Welteroberung durch ein neues Publikum Die deutsche Presse und der Weg zur Aufklarung Hamburg und Altona als Beispiel Edition Lumiere Bremen 2002 Helga Brandes Moralische Wochenschriften In Ernst Fischer Wilhelm Haefs York Gothart Mix Hrsg Von Almanach bis Zeitung Ein Handbuch der Medien in Deutschland 1700 1800 Beck Munchen 1999 ISBN 3406454763 Klaus Dieter Ertler Moralische Wochenschriften in Spanien El Pensador von Jose Clavijo y Fajardo Tubingen Gunter Narr Verlag ISBN 3823360191 Klaus Dieter Ertler Moralische Wochenschriften in Europaische Geschichte Online hrsg vom Institut fur Europaische Geschichte Mainz 2012 Zugriff am 29 Februar 2012 Elke Maar Bildung durch Unterhaltung Die Entdeckung des Infotainment in der Aufklarung Hallenser und Wiener Moralische Wochenschriften in der Blutezeit des Moraljournalismus 1748 1782 Centaurus Pfaffenweiler 1995 Wolfgang Martens Die Botschaft der Tugend Die Aufklarung im Spiegel der deutschen Moralischen Wochenschriften Metzler Stuttgart 1971 Ernst Milberg Die deutschen moralischen Wochenschriften des 18 Jahrhunderts Klinkicht Meissen 1880 Rudolf Stober Deutsche Pressegeschichte UVK Konstanz 2005 ISBN 3825227162 Jurgen Wilke Grundzuge der Medien und Kommunikationsgeschichte Von den Anfangen bis ins 20 Jahrhundert Bohlau Koln Weimar Wien 2000 Weblinks BearbeitenDatenbank deutschsprachiger moralischer Wochenschriften an der Heinrich Heine Universitat Dusseldorf Publikationsprojekt zu den moralischen Wochenschriften der Romania an der Karl Franzens Universitat Graz Interview mit dem Historiker Holger Boning Die ZEIT 26 Mai 2013 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Moralische Wochenschrift amp oldid 233003228