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Der Mollisoldiapirismus Mollisol Auftauboden diapeirein diapeirein gr fur durchdringen teilweise auch Kohlediapirismus genannt ist ein Vorgang im bodennahen Untergrund der durch langer wirkendes Gefrieren und anschliessendes Auftauen von Wasser wahrend der letzten Eiszeiten hervorgerufen wurde Bekannt ist er vor allem aus mehreren Tagebauaufschlussen in Sachsen Sachsen Anhalt und Thuringen Hierbei bildet die Braunkohle diapir bis domartige Aufwolbungen die durch Wassersattigung der Kohle und anschliessendem Aufstieg entstanden Die Eigenschaften des Mollisoldiapirismus ahneln weitgehend jener der Halokinese der Bewegung von Salz im Untergrund Inhaltsverzeichnis 1 Vorkommen und Forschungsgeschichte 2 Vorgang 3 Bedeutung 4 EinzelnachweiseVorkommen und Forschungsgeschichte BearbeitenDer Mollisoldiapirismus ist eine Erscheinung kryoturbat das heisst durch Gefrier und Auftauprozesse unter Einfluss kaltzeitlicher Bedingungen entstandener Veranderungen im bodennahen Untergrund Er tritt in Gebieten mit flachiger Verbreitung von Kohle auf die einerseits in relativ geringer Tiefe unter der heutigen Oberflache rund 20 m liegt die aber auch andererseits von mehrfach wechselnden Sedimentauflasten uberlagert ist Vor allem in Sachsen und Sachsen Anhalt aber auch in Thuringen sind diese Bedingungen teilweise gegeben Ein grosser Teil dieser Region war zudem in jungerer geologischer Vergangenheit im Pleistozan mehrfach von Gletschern uberdeckt Erstmals beobachtet wurden derartige Bildungen im Untergrund hier Anfang des 20 Jahrhunderts in Braunkohletagebauaufschlussen in der Leipziger Tieflandsbucht vor allem im Weisselsterbecken und im Geiseltal 1 Erste genauere Beschreibungen in Form meist vergenzloser statischer Kohleaufpressungen erfolgten in der Mitte der 1950er Jahre durch Otfried Wagenbreth anhand von Beobachtungen im Tagebau Profen bei Zeitz im heutigen Sachsen Anhalt 2 Eine umfassende Erklarung zur Entstehung dieser Aufpressungen konnte 1978 von Lothar Eissmann erbracht werden 3 Vorgang Bearbeiten nbsp Schematische Darstellung des Ablaufes des MollisoldiapirismusUnter normalen Umstanden besitzt Braunkohle die vor allem in den Lagerstatten in Mitteldeutschland ansteht eine spezifische Dichte von 1 15 g cm Diese ist damit geringfugig leichter als bei klastischen Sedimenten wie Kies Sand Schluff oder Ton wo sie zwischen 1 8 und 2 1 g cm variiert Der Belastungsdruck der durch die auf der Kohle auflagernden Decklagen meist bestehend aus klastischen Sedimenten der letzten Kaltzeiten reicht aber nicht aus um zu einer plastischen Verformung der festen Kohlebanke zu fuhren ebenso nicht der hohe Wassergehalt von teils 50 bis 60 der unter anderem sowohl fur das Geiseltal als auch fur den Tagebau Profen gegeben ist 3 4 5 Wahrend der Kaltzeiten des Pleistozans vor 2 5 Millionen bis 11 000 Jahren kam es zu mehrfachen Vorstossen von Inlandeis aus Richtung Nord nach Suden wahrend derer sich langerfristige glaziale und periglaziale Bedingungen auch im heutigen Mitteldeutschland einstellten Im Periglazial Eisvorland bestanden Dauerfrostboden die bis zu 400 m tief reichten bei direkter Eisbedeckung noch immer mehrere Dekameter Dabei bildete sich in den ursprunglich festen Kohleflozen nicht nur Poreneis sondern auch Eisadern und bander bis hin zu Massiveiskorpern was aufgrund der Durchlassigkeit der Braunkohle auch einen Abzug einer hohen Menge an Wasser aus der Umgebung mit sich brachte Das Gefrieren des Wassers in der Kohle hatte ein Zerbrechen des ursprunglichen Korngefuges zur Folge Dies fuhrte zu einer umfassenden Uberpragung der Kohle so dass aus einem ehemals festen bis stuckigen Kohlefloz ein eher kleinkorniges Substrat aus durchschnittlich nur etwa 1 mm grossen Partikeln entstand Die Herabsetzung der Kohle von einer Stuckigkeit zu einer Kornigkeit ubertraf dabei im Verhaltnis zueinander teilweise den Faktor 10 Im nachfolgenden Auftauprozess zum Ende der Kaltzeit und im Zusammenhang mit dem Ruckzug der Gletscher nach Norden kam es auch zur Auflosung der Permafrostgebiete Hierbei entstand eine hohe Wassersattigung der Kohle im Auftauboden Mollisol hervorgerufen durch das Schmelzen des Eises in der Kohle und durch Grundwasser aus dem Abschmelzen der Gletscher die diese aufgrund des vorangegangenen Zerbrechens Zerfrierens des Korngefuges in einen flussigen mulmigen Zustand versetzte was die vollstandigen Zerstorung des Gefuges der Kohle durch Verlust des inneren Reibungswinkel und der Scherfestigkeit herbeifuhrte 3 4 Die gravierenden Veranderungen innerhalb der oberflachennahen Braunkohle wahrend und im Ausgang der Kaltzeiten unter Einfluss des Dauerfrostes und anschliessend des flussigen Wassers fuhrten zu einer stufenweisen Aktivierung des Mollisoldiapirismus Anfanglich bildeten sich kleine Kohleaufwolbungen die wahrend des Glazials durch die Eisbildung in den Flozen und der damit verbundenen Ausdehnung des Volumens entstanden Diese glichen moglicherweise den Palsas aus Moor und Torflandschaften heutiger dauergefrorener Gebiete Der eigentliche Mollisoldiapirismus setzte erst mit dem Auftauprozess und dem Zerfall des Permafrostes ein Durch die nun deutlich hohere Dichte der auflagernden Sedimente sackten diese im Auftauboden Mollisol nach unten ab und verdrangten die leichtere und auf Grund der Wassersattigung nun breiige Kohle die seitlich abfliessen musste Der leichtere Kohlebrei stieg dann in Schwachezonen auf und bildete diapir bis domartige Kohleaufwolbungen die in manchen Fallen auch Hangendschichten durchstiessen oder durch spatere erosive Prozesse teilweise oberflachlich frei gelegt wurden Weiterhin bewirkte das Einsacken der schwereren Decksedimente die Bildung von manchmal sehr ausgedehnten Randsenken die seitlich von den Kohlediapiren begrenzt sind Abgeschlossen war der Kohleaufstieg mit dem Ende der Setzungsbewegung der aufliegenden Sedimente Isostatischer Ausgleich oder mit dem Versiegen des Kohlenachschubs im Untergrund Da der Mollisoldiapirismus in einem grosseren Teil des oberflachennahen Kohleflozes stattfand bildeten sich dadurch in diversen Regionen etwa dem Geiseltal seitlich gestaffelte Aufwolbungen und fuhrten so zur Entstehung charakteristischer Kohlerippeln mit dazwischen liegenden Senken In einigen Aufschlussen etwa in Profen wurde allerdings beobachtet dass einzelne Kohlediapire wahrend mehrerer aufeinanderfolgender Kaltphasen aktiviert worden waren Insgesamt ahnelt dieser autoplastisch gravitativ hervorgerufene Prozess den Salzbewegungen im Untergrund Halokinese 3 4 5 Er weicht aber im Entstehungsprozess deutlich von ahnlichen jedoch durch Eisauflast und Eisvorschub entstandenen diapirartigen Kohleverformungen im Untergrund ab wie sie aus dem nordlicher angrenzenden Raum etwa dem Muskauer Faltenbogen bekannt geworden sind 6 Bedeutung BearbeitenDie durch den Einfluss der Eiszeiten diagentisch veranderte Kohle hat keine wirtschaftliche Bedeutung da das pulverige Substrat sich nicht zur Brikettierung eignet Aufgrund ihrer Beschaffenheit wird sie von Bergleuten deshalb auch Kaffeesatzkohle genannt 4 Die durch den Mollisoldiapirismus entstandenen Randsenken haben aber eine hohe wissenschaftliche Bedeutung In diesen lagerten sich wahrend der zwischen den Kaltzeiten auftretenden Warmzeiten Sedimente ab Da diese Sedimentfallen wahrend der nachfolgenden Kaltzeiten nicht vollstandig erodierten haben sich haufig fossile Reste der Pflanzen und Tierwelt des Pleistozans erhalten Diese Beckenstrukturen stellen somit wichtige geologische und palaontologische Informationsspeicher dar 5 7 Einzelnachweise Bearbeiten Johannes Weigelt Die Kohlenaufpressungen in den Geiseltal Gruben Leonhardt Pfannerhall und Rheinland Jahrbuch des Halleschen Verbandes N F 7 1928 S 68 97 Otfried Wagenbreth Quartargeologische Beobachtungen im Gebiet des Tagebaues Profen bei Zeitz Freiberger Forschungshefte C 21 1955 S 40 92 a b c d Lothar Eissmann Mollisoldiapirismus Zeitschrift fur Angewandte Geologie 24 3 1978 S 130 138 a b c d Matthias Thomae und Carsten Sommerwerk Zur Entstehung der Fundstatte Neumark Nord Geiseltal In Harald Meller Hrsg Elefantenreich Eine Fossilwelt in Europa Halle Saale 2010 S 39 44 a b c Matthias Thomae Mollisoldiapirismus Ursache fur die Erhaltung der Fundstatte Neumark Nord Geiseltal In Jan Michail Burdukiewicz Lutz Fiedler Wolf Dieter Heinrich Antje Justus und Enrico Bruhl Hrsg Erkenntnisjager Festschrift fur Dietrich Mania Halle Saale 2003 S 601 605 Manfred Kupetz Geologischer Bau und Genese der Strauchendmorane Muskauer Faltenbogen Brandenburgische Geowissenschaftliche Beitrage 4 2 1997 S 1 20 Jaqueline Strahl Matthias R Krbetschek Joachim Luckert Bjorn Machalett Stefan Meng Eric A Oches Ivo Rappsilber Stefan Wansa und Ludwig Zoller Geologie Palaontologie und Geochronologie des Eem Beckens Neumark Nord 2 und Vergleich mit dem Becken Neumark Nord 1 Geiseltal Sachsen Anhalt Quaternary Science Journal 59 1 2 2010 S 120 167 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Mollisoldiapirismus amp oldid 187922541