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Maria Johanna Mathilde Vaerting 10 Januar 1884 in Messingen 6 Mai 1977 in Schonau im Schwarzwald war eine deutsche Padagogin und Soziologin Sie wurde 1923 erste Ordinaria fur Padagogik an der Universitat Jena und war die erste ordentliche Professorin an einer deutschen Universitat Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Positionen 3 Ehrungen 4 Schriften Auswahl 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseLeben BearbeitenMathilde Vaerting wurde als funftes von zehn Kindern wohlhabender katholischer Landwirte in Messingen geboren Nach einer hauslichen Ausbildung besuchte sie drei Jahre lang die Hohere Madchenschule in Mulhausen bei Grefrath und legte 1903 in Munster die Lehrerinnenprufung ab Ab dem 1 April 1903 arbeitete sie als Lehrerin und holte 1907 als Externe in Wetzlar die Reifeprufung nach Von 1907 bis 1911 studierte sie an den Universitaten von Bonn dort zusammen mit ihrer alteren Schwester Marie 1 Munchen Marburg und Giessen die Facher Mathematik Physik Chemie und Philosophie In Munster erfolgte 1910 die Oberlehrerinnenprufung in Mathematik Physik und Chemie Sie wurde am 1 Marz 1911 in Bonn promoviert Der Titel ihrer Dissertation bei Professor Adolf Dyroff lautete Otto Willmanns und Benno Erdmanns Apperceptionsbegriff im Vergleich zu dem von Herbart In ihrer wissenschaftlichen Arbeit verglich die Promovendin die verschiedenen Auspragungen des Apperzeptionsbegriffs und prufte seine Eignung fur die Erklarung psychischer Prozesse beim Lernen Ab 1913 unterrichtete sie als Oberlehrerin in Berlin Neukolln am Stadtischen Oberlyzeum fur Madchen dem heutigen Albert Schweitzer Gymnasium Mathematik Physik und Chemie Zusatzlich zu Lehrtatigkeit und padagogischer Forschung bildete sie sich im medizinischen Bereich weiter indem sie einige Semester Medizin studierte Mathilde Vaerting deren 1919 an der Berliner Universitat eingereichte Habilitationsschrift Neubegrundung der vergleichenden Psychologie der Geschlechter abgelehnt worden war 2 3 wurde am 1 Oktober 1923 im Zuge der Greilschen Schulreform als nichthabilitierte Akademikerin zum ordentlichen Professor fur Padagogik in Jena ernannt 4 Nach Margarete von Wrangell war sie in Deutschland die zweite Frau die einen Lehrstuhl erhielt und die erste an einer traditionellen Volluniversitat Mathilde Vaertings Berufung durch den sozialdemokratischen thuringischen Volksbildungsminister Max Greil entgegen der akademischen Freiheit der Universitat und gegen den Willen der entsprechenden Fakultaten hatte zur Folge dass sie uber die gesamte Zeit ihrer Lehrtatigkeit in Jena als Zwangsprofessorin betrachtet wurde die mit allen Mitteln bekampft wurde Einer ihrer scharfsten Widersacher war Ludwig Plate der 1930 eine Schmahschrift gegen Vaerting mit dem Titel Feminismus unter dem Deckmantel der Wissenschaft veroffentlichte Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten und sofort nach der Verabschiedung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7 April 1933 erfolgte in Jena die erste Sauberung des Lehrkorpers durch das nunmehr nationalsozialistisch besetzte thuringische Volksbildungsministerium Mathilde Vaerting war eine von 18 politisch und rassisch unliebsamen Jenenser Professoren Dozenten und Assistenten die vom Hochschuldienst ausgeschlossen zwangspensioniert oder mit anderen Restriktionen belastet wurden 5 Danach zog sich die erste Ordinaria fur Padagogik der Universitat Jena wahrend der NS Diktatur ins Privatleben zuruck Um zu gewahrleisten dass sie ihre Forschungen nicht fortfuhren konnte und um die Verbreitung ihrer Ideen in Deutschland zu unterbinden erteilte die Regierung ihr ein Publikations und Ausreiseverbot so dass sie einen Ruf in die Niederlande beziehungsweise in die USA nicht annehmen konnte Eine Genehmigung zur Ausubung der Heilkunde wurde ihr ebenfalls nicht erteilt Sie wohnte in Berlin Wilmersdorf und zog nachdem sie gegen Kriegsende ausgebombt wurde nach Darmstadt Eberstadt nbsp Mathilde Vaerting Strasse in JenaAls sich nach 1945 die Padagogik neu gestaltete erinnerte man sich nicht an sie Ihre Bewerbungen an diversen Hochschulen blieben unberucksichtigt Vaerting wandte sich daraufhin der Staatssoziologie zu Gemeinsam mit dem Padagogen Edwin Elmerich grundete sie das Internationale Institut fur Politik und Staatssoziologie welches jedoch nicht lange bestand Sie war ferner eine Herausgeberin der Zeitschrift fur Staatssoziologie 1953 1971 Ihr Institut und ihre Fachzeitschrift waren seinerzeit eine Plattform von der aus das politische gesellschaftliche und wirtschaftliche Zeitgeschehen kritisch kommentiert und analysiert wurde Ihr letzter Wohnsitz war Freiburg i Br Sie verstarb am 6 Mai 1977 in Schonau im Schwarzwald Der umfangreiche Nachlass befindet sich im Universitatsarchiv Bielefeld Positionen BearbeitenIm Jahr 1913 wurde ihre provokative padagogische Arbeit Die Vernichtung der Intelligenz durch Gedachtnisarbeit veroffentlicht Darin klagte sie die Schule an durch Gedachtniszwang die Produktivitat und Selbststandigkeit der Schuler zu verhindern Immer wieder stellte sie in ihren Veroffentlichungen die tradierten Lehr und Lernmethoden in Frage und forderte den Abbau von Herrschaft in schulischen Bezugen und die Gleichberechtigung zwischen den am Lernprozess beteiligten Gruppen Einer ihrer weiteren Forschungsschwerpunkte war Lernen und Begabung Diesbezuglich lehnte sie einen statischen Begabungsbegriff ebenso ab wie die Behauptung geschlechtsspezifischer Begabung Sie vertrat die Ansicht Jede Berucksichtigung des Geschlechts bedeutet Verkurzung des Individuums 6 Ferner befasste sich Mathilde Vaerting intensiv mit Fragen zum Geschlechterverhaltnis Sie fuhrte die sichtbaren Unterschiede von Frauen und Mannern auf deren geschichtlich bedingte soziale Stellung zuruck Demzufolge definiert die gesellschaftlich vermittelte Geschlechterhierarchie das Verhalten von Mannern und Frauen und nicht etwa eine angeborene Verschiedenheit der Geschlechter 1929 pladierte Vaerting in der renommierten Vossischen Zeitung dafur der Pazifistin Helene Stocker den Friedensnobelpreis zu verleihen 7 Ehrungen BearbeitenIn Berlin Jena und Lingen wurden Strassen nach ihr benannt Am 1 Marz 2019 wurde vom Landesfrauenrat Niedersachsen in Messingen der frauenORT Mathilde Vaerting eroffnet 8 Schriften Auswahl BearbeitenOtto Williams und Benno Erdmanns Apperceptionsbegriff im Vergleich zu dem von Herbart Ludwig Bonn 1911 Bonn Univ Philos Fak Diss 1911 Die Vernichtung der Intelligenz durch Gedachtnisarbeit Reinhardt Munchen 1913 Das gunstigste elterliche Zeugungsalter fur die geistigen Fahigkeiten der Nachkommen Kabitzsch Wurzburg 1913 Mutterpflichten gegen die Ungeborenen Eine Mahnung zur Bevolkerungserneuerung nach dem Kriege Concordia Berlin 1915 Wie ersetzt Deutschland am schnellsten die Kriegsverluste durch gesunden Nachwuchs Verlag der Aerztlichen Rundschau Otto Gmelin Munchen 1916 Der Arzt als Erzieher 38 Der Mannermangel nach dem Kriege seine Gefahren und seine Bekampfung Verlag der Aerztlichen Rundschau Otto Gmelin Munchen 1917 Der Arzt als Erzieher 40 Angstlichkeit oder Vorsicht In Frauenbildung Jg 16 1917 Heft 11 12 S 303 307 Die fremden Sprachen in der neuen deutschen Schule Klinkhardt Leipzig 1920 Neue Wege im mathematischen Unterricht zugleich eine Anleitung zur Forderung und Auslese mathematischer und technischer Begabungen Die Lebensschule Schriftenfolge des Bundes Entschiedener Schulreformer Heft 6 Schwetschke Berlin 1921 online dnb Die Neubegrundung der Psychologie von Mann und Weib Band 1 Die weibliche Eigenart im Mannerstaat und die mannliche Eigenart im Frauenstaat Band 2 Wahrheit und Irrtum in der Geschlechterpsychologie Karlsruhe 1921 u 1923 Band 1 bei archive org englische Ubersetzung von Band 1 Mathilde und Mathias Vaerting The Dominant Sex online bei archive org Physiologische Ursachen geistiger Hochstleistungen bei Mann und Weib Marcus amp Weber Bonn 1922 Abhandlungen aus dem Gebiete der Sexualforschung 4 1 zusammen mit Mathias Vaerting The dominant sex a study in the sociology of sex differentiation Allen amp Unwin 1923 Soziologie und Psychologie der Macht Berlin Friedenau Pfeiffer Bd 1 Die Macht der Massen 1928 Bd 2 Die Macht der Massen in der Erziehung 1929 Lehrer und Schuler Ihr gegenseitiges Verhalten als Grundlage der Charaktererziehung Barth Leipzig 1931 Die heutige Rolle der Virginitat im Seelenleben des jungen Madchens In Der Querschnitt Bd 12 1932 Heft 4 S 246 249 Digitalisat Literatur BearbeitenRenate Tobies Vaerting Mathilde In Neue Deutsche Biographie NDB Band 26 Duncker amp Humblot Berlin 2016 ISBN 978 3 428 11207 4 S 686 Digitalisat Hanna Meuter Erziehung zum Mitmenschen Das Erziehungswerk Mathilde Vaertings Pfeiffer Berlin 1932 Theresa Wobbe Ein Streit um die akademische Gelehrsamkeit Die Berufung Mathilde Vaertings im politischen Konfliktfeld der Weimarer Republik Zentraleinrichtung zur Forderung von Frauenstudien und Frauenforschung an der Freien Universitat Berlin 1991 Berliner Wissenschaftlerinnen stellen sich vor 8 Theresa Wobbe Mathilde Vaerting 1884 1977 Eine Intellektuelle im Koordinatensystem dieses Jahrhunderts In Carsten Klingemann Michael Neumann und Karl Siegbert Rehberg Hrsg Jahrbuch fur Soziologiegeschichte 1991 Leske amp Budrich Opladen 1997 S 27 68 Imbke Behnken amp Theodor Schulze Tatort Biographie Spuren Zugange Orte Ereignisse Leske amp Budrich Opladen 1997 ISBN 3 8100 0950 4 Theresa Wobbe Mathilde Vaerting 1884 1977 Die Macht des Unterschieds In Theresa Wobbe amp Claudia Honegger Hrsg Frauen in der Soziologie Neun Portraits C H Beck Munchen 1998 Beck sche Reihe 1198 ISBN 3 406 39298 9 S 178 202 Maria und Franz Kottebernds Hans Gerd Johring Mathilde Vaerting und ihre Familie Eine Hofgeschichte aus Messingen Selbstverlag Hans Gerd Johring Muhlhausen 2014 ISBN 978 3 00 045684 8 Andreas Braune Jena Manche mussen die Ersten Sein Johanna Stirnemann und Mathilde Vaerting In Moderne und Provinz Weimarer Republik in Thuringen 1918 1933 Mitteldeutscher Verlag Halle 2022 ISBN 978 3 96311 627 8 S 190 195 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Mathilde Vaerting im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Elske Bechthold Wissenschaft als Beruf fur Frauen Geschlechterdifferente Teilhabechancen im Wissenschaftsbetrieb Magister Arbeit Univ Hamburg 2004 Zu M V S 5 8 ISSN 1868 5005 Informationen zum Nachlass im Universitatsarchiv Bielefeld Mathilde Vaerting bei frauenORTE NiedersachsenEinzelnachweise Bearbeiten Renate Tobies Aller Mannerkultur zum Trotz Frauen in Mathematik und Naturwissenschaften Frankfurt M 1997 ISBN 978 3 593 35749 2 S 131 in der Google Buchsuche Renate Tobies Aller Mannerkultur zum Trotz Frauen in Mathematik und Naturwissenschaften Frankfurt M 1997 ISBN 978 3 593 35749 2 S 48 in der Google Buchsuche Heinz Elmar Tenorth Hrsg Geschichte der Universitat Unter den Linden Band 6 Berlin 2010 ISBN 978 3 05 004671 6 S 313 in der Google Buchsuche Tom Brauer Christian Faludi Die Universitat Jena in der Weimarer Republik 1918 1933 Steiner Stuttgart 2013 S 375 382 Uwe Hossfeld Rassenkunde und Rassenhygiene im Mustergau 1930 1945 in Blatter zur Landeskunde Nr 41 2004 Thuringer Landeszentrale fur Politische Bildung Erfurt S 2f Mathilde Vaerting Neue Wege im mathematischen Unterricht zugleich eine Anleitung zur Forderung und Auslese mathematischer und technischer Begabungen Berlin 1921 S 38 Mathilde Vaerting Helene Stocker zu ihrem 60 Geburtstag In Vossische Zeitung 13 November 1929 S 18 frauenORTE Niedersachsen abgerufen am 2 Marz 2019 Normdaten Person GND 119074923 lobid OGND AKS LCCN n80060851 VIAF 680149296183080670004 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Vaerting MathildeKURZBESCHREIBUNG deutsche Psychologin und PadagoginGEBURTSDATUM 10 Januar 1884GEBURTSORT MessingenSTERBEDATUM 6 Mai 1977STERBEORT Schonau im Schwarzwald Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Mathilde Vaerting amp oldid 238776167