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Mathilde Tholuck 18 Januar 1816 in Steinegg Grossherzogtum Baden 8 Mai 1894 in Halle Saale geborene Freiin von Gemmingen Steinegg war eine Anhangerin der pietistischen Erweckungsbewegung Mitgrunderin der Diakonie in Halle Saale und des heutigen evangelischen Studentenkonvikts ebenfalls in Halle Frau Rat Mathilde Tholuck Inhaltsverzeichnis 1 Fruhe Jahre 2 Offentliches Wirken 2 1 Diakonissenanstalt Halle 2 2 Tholuckkonvikt 3 Schriften 4 Literatur 5 EinzelnachweiseFruhe Jahre BearbeitenMathilde Tholuck wurde als achtes von neun Kindern des Schlossherrn auf Steinegg Julius von Gemmingen Steinegg 1774 1842 und seiner Ehefrau Anna Maria 1802 1858 geboren Ihr Vater hatte durch die Mediatisierung von 1803 und 1806 die Eingliederung der bisher reichsunmittelbaren Reichsstande und Adligen in die neuen deutschen Bundesstaaten einen erheblichen Teil seiner Herrschaftsrechte verloren Die Identitatsbildung der jungen Adligen war konfliktreich nahm sie doch die umfassenden gesellschaftlichen Veranderungen und die Kritik am Adel intensiv personlich und aus ihrer Perspektive als tief erlebtes Unrecht wahr 1 Fur Aufsehen hatte ihr Vater durch seinen Konfessionswechsel vom Katholizismus zur evangelischen Kirche im Jahr 1823 gesorgt siehe auch Aloys Henhofer Ihre Erziehung war auf eine engagierte Lebensfuhrung und Verantwortungsbewusstsein gegenuber Untergebenen ausgerichtet Frommigkeit war das geistige Band der Familie Um das Jahr 1835 geriet die Familie in finanzielle Schwierigkeiten und musste ihr Gut verkaufen Bei einer Kur in Bad Kissingen 1835 lernte Mathilde den fast siebzehn Jahre alteren Witwer August Tholuck kennen einen pietistischen Professor aus Halle der schon um diese Zeit einer der fuhrenden Theologen der konservativen Kirchenpolitik Preussens war Einige Zeit spater hielt Tholuck um ihre Hand an Obwohl eine solche Ehe eigentlich nicht standesgemass war betrachtete ihr Vater diese Verbindung letztlich als einen Ratschluss Gottes 2 Das Paar heiratete im Jahr 1838 Die Ehe hatte Bestand blieb aber kinderlos Offentliches Wirken BearbeitenMathilde Tholuck organisierte als Professorengattin in Halle regelmassig offentliche Vortragsabende eine Sonntagsschule zur Alphabetisierung arbeitender Erwachsener und Sonntagsabende fur Dienstmadchen Sie war vielfaltig sozial karitativ tatig nahm einen kranken Grossneffen nach dessen Selbstmordversuch und andere kranke Menschen als Hausgenossen bei sich auf und pflegte sie Ihr soziales Engagement ist typisch fur die Erweckungsbewegung 3 Diakonissenanstalt Halle Bearbeiten Um das Wirken von Mathilde Tholuck einordnen zu konnen zunachst einige Vorbemerkungen zur Zeit und der Stadt in der sie lebte Die Grundung von Diakonissanstalten kann als eine Begleiterscheinung der Industriellen Revolution in Deutschland zwischen den 1830er Jahren und 1873 gesehen werden Die aus dem Boden schiessenden Industriekomplexe fuhrten neben dem wirtschaftlichen Aufschwung zu einer Verschlechterung der Lebensbedingungen in der Nahe der Industriezentren und einem erhohten Krankenstand Das traf sowohl auf die Industriearbeiter selbst als auch auf die in diesen Gebieten lebende Bevolkerung zu Das Gesundheitssystem war auf diese neue Situation nicht vorbereitet Im Zuge der Industrialisierung entstand eine Arbeiterklasse die unter dem Diktat der Maschinen des Kapitals und der Fabrikanten stand 4 Darauf reagierte der deutsche evangelische Pastor Theodor Fliedner der gemeinsam mit seinen Ehefrauen Friederike Munster und Caroline Bertheau als Erneuerer des apostolischen Diakonissenamtes in die Kirchengeschichte eingegangen ist Sie grundeten 1836 die Kaiserswerther Diakonie in einem Stadtteil von Dusseldorf die in der Folgezeit im Sozial Gesundheits und Bildungswesen tatig wurde Seine Arbeit in der Krankenpflege war wegweisend auch fur Florence Nightingale die im Jahr 1850 einige Monate in Kaiserswerth verbrachte Als theologische Grundlage der Diakonie gilt das Gebot der Nachstenliebe Sie zielt also darauf Menschen in ihrer Not beizustehen und ihnen die Hilfe zukommen zu lassen derer sie bedurfen 5 nbsp Mathilde Tholuck Haus ein nach der Grunderin benannter Gebaudekomplex des Diakoniewerks HalleUm diese Zeit hatte auch die Stadt Halle unter den Folgen der Industriellen Revolution und grassierenden Krankheiten zu leiden In einer Chronik zur Geschichte der Stadt Halle veroffentlicht im Jahr 1867 wird von Cholera Nervenfieber Typhus Scharlach Keuchhusten Masern Pocken und Ruhr in Halle berichtet Insbesondere Cholera war zwischen 1830 und 1852 immer wieder aufgetreten 6 Auf diese desastrose Situation und unzureichende Krankenpflege in der Stadt reagierend veroffentlichte das Hallische Tagblatt am 4 April 1856 einen von Mathilde Tholuck initiierten Aufruf zur Grundung eines Diaconissenhauses in Halle der von dutzenden bekannten Personlichkeiten der Stadt unterzeichnet worden war Der Aufruf beginnt mit Die schreckliche Epidemie von welcher unsere Stadt und Gegend im vorigen Jahr aufs neue heimgesucht worden ist hat es abermals auf schmerzliche Weise fuhlbar gemacht dass es in Halle bei anerkannter Trefflichkeit der arztlichen Hilfe und medicinischen Institute doch an einer berufsmassigen und ausgebildeten Krankenpflege im hohen Grade fehlt Die Zahl der Pflegerinnen ist so gering dass selbst die offentlichen Anstalten nur nothdurftig damit versehen werden konnen sie ist fur die Privatpflege noch weniger ausreichend und wenn durch allgemein verbreitete Krankheiten das Bedurfniss besonders gesteigert ist bleibt nichts ubrig als zu ganz ungeeigneten Zuflucht zu nehmen Ware aber auch eine hinlangliche Zahl vorhanden so wurden ihre Leistungen doch nicht das ersetzen was evangelische Diaconissen bieten welche nicht um des Lohnes willen sondern aus christlicher Liebe den aufopfernden Dienst am Krankenbette ubernehmen und in steter Ubung und unter arztlicher Leitung ihre Einsicht und Fertigkeiten ausbilden Sie haben sich in den grossartigen Anstalten von Kaiserswerth und Berlin in Konigsberg Stettin Stuttgardt an allen Orten wo man sie eingefuhrt hat durch ihre anspruchslosen Wohltaten in einem solchen Grade bewahrt dass Viele ihnen zu Dank verpflichtet und selbst die Vorurtheile zerstreut sind die ihnen bei anderen anfanglich entgegenstanden 7 nbsp Grab von Mathilde Tholuck Stadtgottesacker Halle Saale 1997Der Aufruf den auch August Tholuck unterzeichnet hatte schloss mit den Worten Beitrage zur Unterstutzung seien es Vorschusse zu niedrigen Zinsen oder ganz ohne Zinsen seien es einmalige Geschenke oder jahrliche Beitrage sind Frau Consistorialratin Tholuck Herr Stadtrath Colberg Herr Rittergutsbesitzer Sachse und die Muhlmannsche Buchhandlung in Empfang zu nehmen bereit 1857 wurde Mathilde Tholuck mit den organisatorischen Vorbereitungen einer solchen Grundung betraut Das Fliednersche Modell aufgreifend der seine Ehefrauen einbezogen hatte lag es nahe dass Ratin Tholuck zumindest in der ersten Zeit eine fuhrende Position bekleiden wurde Bereits im Januar 1856 hatte sich Mathilde Tholuck in einem ersten Brief an Theodor Fliedner gewandt und ihn von den Halleschen Planen zur Grundung eines Diakonissenhauses informiert dem viele Briefe folgen sollten Im Herbst 1860 wurde mit Pauline Niemeyer die erste Hallesche Diakonisse eingesegnet Das sicher herkunftsbedingte herrschaftliche Auftreten von Mathilde Tholuck fuhrte zu Konflikten die Fliedner brieflich zu schlichten half Dennoch kann ihr Anteil an der Grundung der Diakonissenanstalt Halle nicht hoch genug bewertet werden 1863 schied sie aus dem Vorstand aus 8 Im Jahr 1869 war die Anzahl der Schwestern auf zehn Diakonissen und 15 Probeschwestern angestiegen Mathilde Tholuck wurde wie ihr Mann August Tholuck auf dem Stadtgottesacker in Halle beigesetzt Die Grabstatte ist bis heute erhalten Die Wertschatzung von Mathilde Tholuck unter den Diakonissen und Mitarbeitern des Diakoniewerks Halle halt bis heute an was sich auch darin widerspiegelt dass ein Neubau im Diakoniewerk von 2003 ihren Namen erhalten hat Das Mathilde Tholuck Haus ist ein Altenpflegeheim das in den oberen Etagen 15 Wohnungen enthalt vorzugsweise fur pensionierte Schwestern 9 Im Mutterhaus des Diakoniewerks ist ein Olgemalde zu sehen das Mathilde Tholuck darstellt Tholuckkonvikt Bearbeiten nbsp Gedenktafel von 1999 zur Erinnerung an August Tholuck und seine Frau Mathilde am heutigen Haus in der Mittelstrasse 10 Das originale Haus steht nicht mehrBereits 1839 trug sich August Tholuck mit dem Wunsch ein Studenten Convict in der Mittelstrasse 10 wo das Paar eingezogen war zu eroffnen Soziales Engagement fur Studenten in dieser oder anderer Form gehorte traditionsgemass zu dem Aufgabenbereich einer Professorengattin Konvikt nennt man eine dem Klosterleben nachempfundene meist auf Stiftungen beruhende oder aus offentlichen Mitteln unterhaltene Institution fur Schuler oder Studenten im kirchlichen Bereich mit Wohnmoglichkeit und einer gemeinsamen Hausordnung Sie unterscheiden sich von profanen Heimen insbesondere durch die im Konvikt angebotene Seelsorge Erst ein Jahr nach dem funfzigjahrigen Jubilaum der Ernennung August Tholucks zum Lizentiaten der Theologie im Jahr 1870 kam es zur Grundung des Tholuckskonvikts oder Tholuckschen Konvikts durch Mathilde und ihren Mann Ein Jahr nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1877 wurde das bis dahin private Konvikt in eine offentliche Stiftung umgewandelt Auch danach fuhrte sie das Konvikt als Inspektorin gemeinsam mit dem Theologen Martin Kahler 1835 1912 weiter Nachdem auch Mathilde gestorben war wurde gemass ihrer testamentarischen Verfugung das gesamte Erbe der Tholucks in eine offentliche Stiftung uberfuhrt die heute in das Evangelische Konvikt integriert ist Schriften BearbeitenMathilde Tholuck Kurzes Lebensbild des seligen Reichs Freiherrn Julius von Gemmingen Steinegg Hagenschies Halle an der Saale 1886 264 S Wilhelm Herrmann Briefe an August und Mathilde Tholuck nebst anderen Quellen aus seiner Jugend Hansel Hohenhausen Egelsbach Frankfurt am Main Munchen New York 1999 ISBN 978 3 8267 1166 4 XXIV 87 S Joachim Weinhardt Hrsg Nicht ausgewertet Literatur BearbeitenChristoph Radbruch Elisabeth Koch Hrsg Von der Diakonissenanstalt zum Diakoniewerk Halle Biografie einer kirchlichen Institution in Halle an der Saale Eigenverlag Halle Saale 2011 247 S Kathrin Moeller Tholuck Mathilde 1816 1894 In Eva Labouvie Hrsg Frauen in Sachsen Anhalt 2 Ein biographisch bibliographisches Lexikon vom 19 Jahrhundert bis 1945 Bohlau Verlag Wien Koln Weimar 2019 ISBN 978 3 412 51420 4 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Einzelnachweise Bearbeiten Kathrin Moeller 2019 S 433 Kathrin Moeller 2019 S 434 Kathrin Moeller 2019 S 435 Matthias Tullner Geschichte der Landes Sachsen Anhalt 3 uberarbeitete und erweiterte Auflage Magdeburg und Opladen 2001 S 97 Pieter Johan Roscam Abbing Diakonie II Theologische Grundprobleme der Diakonie In Theologische Realenzyklopadie TRE Band 8 de Gruyter Berlin New York 1981 ISBN 3 11 008563 1 S 644 Carl Hugo vom Hagen Die Stadt Halle nach amtlichen Quellen historisch topographisch statistisch dargestellt Zugleich Erganzung und Fortsetzung der Deyhaupt schen Chronik G E Barthel Halle 1867 S 286 ff S 294 S 463 f S 478 Der Aufruf ist abgedruckt in Christoph Radbruch Elisabeth Koch 2011 S 11 ff Christoph Radbruch Elisabeth Koch 2011 S 16 ff Mathilde Tholuck Haus Diakoniewerk Halle abgerufen am 7 Dezember 2022 Normdaten Person GND 117343676 lobid OGND AKS VIAF 62323681 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Tholuck MathildeKURZBESCHREIBUNG deutsche protestantische Mitgrunderin der Diakonie in HalleGEBURTSDATUM 18 Januar 1816GEBURTSORT SteineggSTERBEDATUM 8 Mai 1894STERBEORT Halle Saale Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Mathilde Tholuck amp oldid 236345035