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Mit dem Maastricht Urteil vom 12 Oktober 1993 bestatigte das deutsche Bundesverfassungsgericht die Vereinbarkeit des EU Vertrags von Maastricht mit dem deutschen Grundgesetz 1 Es entschied dass die von den Beschwerdefuhrern gerugte Verlagerung bestimmter Kompetenzen an die Europaische Union vor allem mit der Einfuhrung der Wirtschafts und Wahrungsunion das vom Grundgesetz garantierte Demokratieprinzip Art 20 Abs 1 und 2 GG nicht verletze und mit ihr auch keine ins Gewicht fallende Minderung des Grundrechtsschutzes verbunden sei Logo auf den Entscheidungen des Verfassungsgerichts Inhaltsverzeichnis 1 Hintergrund 2 Das Urteil 2 1 Grundrechtsschutz 2 2 Demokratieprinzip 3 Literatur 4 EinzelnachweiseHintergrund BearbeitenMit dem Vertrag von Maastricht der am 7 Februar 1992 unterzeichnet wurde wurde die Europaische Union gegrundet die die bis dahin existierenden Europaischen Gemeinschaften uberwolben sollte Ausserdem sah der Vertrag eine Abtretung bestimmter nationaler Souveranitatsrechte an die europaische Ebene vor Dies betraf insbesondere die Wahrungspolitik da im Vertrag von Maastricht die Grundung der Europaischen Wirtschafts und Wahrungsunion beschlossen wurde die spater zur Einfuhrung des Euro fuhrte In Deutschland wurde der EU Vertrag durch den Bundestag am 2 Dezember 1992 ratifiziert Ausserdem beschlossen Bundestag und Bundesrat am 21 Dezember 1992 eine Grundgesetzanderung durch die insbesondere Art 23 GG neu gefasst wurde Darin hiess es nun u a Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Europaischen Union mit die demokratischen rechtsstaatlichen sozialen und foderativen Grundsatzen und dem Grundsatz der Subsidiaritat verpflichtet ist und einen diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewahrleistet Der Bund kann hierzu durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates Hoheitsrechte ubertragen Art 23 GG Gegen das Ratifikationsgesetz und gegen die Verfassungsanderung erhoben daraufhin verschiedene Personen Manfred Brunner vertreten durch Karl Albrecht Schachtschneider sowie eine Gruppe anderer Beschwerdefuhrer vertreten durch Hans Christian Strobele und Ulrich K Preuss Verfassungsbeschwerden vor dem Bundesverfassungsgericht Die Beschwerdefuhrer beriefen sich unter anderem darauf dass durch die Ubertragung von Souveranitatsrechten an die supranationale Europaische Union der Deutsche Bundestag entmachtet und damit das Demokratieprinzip unterhohlt werde Ausserdem wurden durch die Verlagerung bestimmter Kompetenzen die deutschen Grundrechte verletzt da uber grundrechtsrelevante Themen nun auf europaischer nicht auf deutscher Ebene entschieden werde Die Anderung von Art 23 GG die den EU Vertrag legitimiere sei daher selbst grundgesetzwidrig da sie gegen wesentliche nicht abanderbare Verfassungsprinzipien verstosse Das Urteil BearbeitenDas Bundesverfassungsgericht wies die Verfassungsbeschwerden zuruck bzw verwarf sie Das Gericht sah nur die Verfassungsbeschwerde eines Beschwerdefuhrers als zulassig an soweit sie sich gegen das deutsche Zustimmungsgesetz zu dem Vertrag von Maastricht richtete und mit ihr eine Verletzung der Rechte aus Art 38 GG gerugt wurde Grundrechtsschutz Bearbeiten Das Bundesverfassungsgericht wiederholte in Anlehnung an seinen Solange II Beschluss dass auf europaischer Ebene ein hinreichender Grundrechtsschutz gewahrleistet sei der auch nicht dadurch beschnitten werde dass nun weitere Kompetenzen an die EU ubertragen wurden Das Gericht bestatigte dass die im Grundgesetz garantierten Grundrechtsstandards auch fur das EU Gemeinschaftsrecht gelten und es sich daher ein Letztentscheidungsrecht vorbehalte Im Normalfall sei fur die Einhaltung des Grundrechtsschutzes im Gemeinschaftsrecht jedoch der Europaische Gerichtshof zustandig Allerdings ubt das Bundesverfassungsgericht seine Gerichtsbarkeit uber die Anwendbarkeit von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht in Deutschland in einem Kooperationsverhaltnis zum Europaischen Gerichtshof aus in dem der Europaische Gerichtshof den Grundrechtsschutz in jedem Einzelfall fur das gesamte Gebiet der Europaischen Gemeinschaften garantiert das Bundesverfassungsgericht sich deshalb auf eine generelle Gewahrleistung der unabdingbaren Grundrechtsstandards beschranken kann BVerfGE 89 155 Demokratieprinzip Bearbeiten Das Bundesverfassungsgericht stellte fest dass die Teilnahme an einer supranationalen Union nicht grundsatzlich gegen das Demokratieprinzip verstosse solange innerhalb der Union selbst demokratische Prinzipien gewahrt blieben In dem entscheidenden Satz des Urteils fuhrte das Bundesverfassungsgericht dabei den Begriff Staatenverbund ein um die besondere Gestalt der Europaischen Union zu kennzeichnen die einerseits hoheitliche Rechte besitzt und darum kein reiner Staatenbund ist sich andererseits aber nicht auf ein einheitlich verfasstes Staatsvolk stutzt und darum auch nicht als Bundesstaat gelten kann Das Demokratieprinzip hindert mithin die Bundesrepublik Deutschland nicht an einer Mitgliedschaft in einer supranational organisierten zwischenstaatlichen Gemeinschaft Voraussetzung der Mitgliedschaft ist aber dass eine vom Volk ausgehende Legitimation und Einflussnahme auch innerhalb eines Staatenverbundes gesichert ist BVerfGE 89 155 In Bezug auf das behauptete Demokratiedefizit der Europaischen Union betonte das Verfassungsgericht die Mitspracherechte der nationalen Parlamente und des Europaparlaments Im Staatenverbund der Europaischen Union erfolgt mithin demokratische Legitimation notwendig durch die Ruckkoppelung des Handelns europaischer Organe an die Parlamente der Mitgliedstaaten hinzutritt im Masse des Zusammenwachsens der europaischen Nationen zunehmend innerhalb des institutionellen Gefuges der Europaischen Union die Vermittlung demokratischer Legitimation durch das von den Burgern der Mitgliedstaaten gewahlte Europaische Parlament Bereits in der gegenwartigen Phase der Entwicklung kommt der Legitimation durch das Europaische Parlament eine stutzende Funktion zu die sich verstarken liesse wenn es nach einem in allen Mitgliedstaaten ubereinstimmenden Wahlrecht gemass Art 138 Abs 3 EGV gewahlt wurde und sein Einfluss auf die Politik und Rechtsetzung der Europaischen Gemeinschaften wuchse Entscheidend ist dass die demokratischen Grundlagen der Union schritthaltend mit der Integration ausgebaut werden und auch im Fortgang der Integration in den Mitgliedstaaten eine lebendige Demokratie erhalten bleibt BVerfGE 89 155 Allerdings durfe eine Ubertragung von Kompetenzen auf die EU auch weiterhin nur auf bestimmte Bereiche begrenzt und nur durch ausdruckliche Ermachtigung des deutschen Gesetzgebers erfolgen die EU konne also ihre Zustandigkeiten nicht einseitig uber den Text des EU Vertrags hinaus ausdehnen Das Bundesverfassungsgericht behalt sich daher vor im Einzelfall zu prufen ob kunftige Rechtsakte von EU Organen uber die im Vertrag eingeraumten Hoheitsrechte hinausgehen ultra vires Kontrolle Der Vertrag selbst raume den europaischen Organen jedoch keine solche Kompetenzkompetenz ein sondern garantiere weiterhin die Ermachtigungsbefugnis der nationalen Parlamente Er verstosse daher nicht gegen das Demokratieprinzip Der letzte Satz des Urteils schliesslich betont noch einmal die Notwendigkeit im Zuge der fortschreitenden europaischen Integration auch die Demokratie auf EU Ebene etwa durch weitere Kompetenzen fur das Europaische Parlament zu starken und zugleich die demokratischen Prinzipien in den einzelnen Mitgliedstaaten zu erhalten Entscheidend ist somit sowohl aus vertraglicher wie aus verfassungsrechtlicher Sicht dass die demokratischen Grundlagen der Union schritthaltend mit der Integration ausgebaut werden und auch im Fortgang der Integration in den Mitgliedstaaten eine lebendige Demokratie erhalten bleibt BVerfGE 89 155Literatur BearbeitenBrun Otto Bryde Das Maastricht Urteil des Bundesverfassungsgerichts Konsequenzen fur die weitere Entwicklung der europaischen Integration uberarbeitete Fassung eines am 9 November 1993 im Graduiertenkolleg Vertiefung der Europaischen Integration gehaltenen Vortrags Graduiertenkolleg Vertiefung der Europaischen Integration Tubingen 1993 ISBN 3 9803328 2 9 Franz C Mayer Kompetenzuberschreitung und Letztentscheidung Das Maastricht Urteil des Bundesverfassungsgerichts und die Letztentscheidung uber Ultra vires Akte in Mehrebenensystemen eine rechtsvergleichende Betrachtung von Konflikten zwischen Gerichten am Beispiel der EU und der USA Beck Munchen 2000 ISBN 3 406 46702 4 Zugl Univ Diss Berlin 2000 Volltext online Ingo Winkelmann Hg Das Maastricht Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12 Oktober 1993 Dokumentation des Verfahrens mit Einfuhrung Duncker und Humblot Berlin 1994 ISBN 3 428 08116 1 Einzelnachweise Bearbeiten BVerfG Urteil vom 12 Oktober 1993 Az 2 BvR 2134 2159 92 BVerfGE 89 155Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Maastricht Urteil amp oldid 228606843