www.wikidata.de-de.nina.az
Der Landesausbau in Sudwestfrankreich bezeichnet die Binnenkolonisation des weitgehend siedlungsfreien Raumes in der heutigen Region Aquitanien die mit dem Sieg der franzosischen Krone am Ende des Hundertjahrigen Krieges 1453 an Frankreich fiel Dieser Prozess vollzog sich in der zweiten Phase des europaischen Landesausbaus ab dem 10 Jahrhundert Karte von Frankreich aus dem Jahr 1030 Inhaltsverzeichnis 1 Ursachen 2 Klima und Bodenbeschaffenheit 3 Siedlungstypen 3 1 Castelnau 3 2 Sauvere 3 3 Bastide 3 4 Casale 4 Push und Pullfaktoren 4 1 Fur die Siedler 4 2 Fur die Grundherren 5 Die Rolle der Kloster 6 Ende der Siedlungsbewegung 7 Literatur 8 EinzelnachweiseUrsachen BearbeitenAls eine Ursache der Kolonisationsbewegung gilt die Zunahme der Bevolkerung zwischen dem 11 und 13 Jahrhundert in Europa Dadurch war es notwendig geworden mehr Land als Anbauflache zu nutzen Das gewonnene Land wurde als Artiga frz artigue frisch angebaut bezeichnet Dieser Begriff findet sich in vielen Ortsnamen wieder Artiga Artigue Artigas Artigat Artigaou Artige Artigues Artigos Artigoeyte Artigolles Artiguemy Artiguedieu Artiguelaube Artiguelongue Artiguelouve Artiguemale Artiguenave Artiguenause Artiguevieille und es lassen sich daraus Ruckschlusse auf die Entstehung einzelner Dorfer und Stadte gewinnen Aus der derzeitigen Forschungsperspektive lassen sich zwei Funktionen des Landesausbaus in Sudwestfrankreich ableiten Die Bewegung hat sowohl die Bevolkerung konzentriert als auch ihre Uberschusse aufgefangen 1 Klima und Bodenbeschaffenheit BearbeitenIn der Region herrscht ein mildes feuchtes Seeklima wobei die jahrliche Niederschlagsmenge lokal unterschiedlich ausfallt Auch die Auspragung der Boden ist sehr verschieden In den Landes de Gascogne zum Beispiel dominiert schwarzer Lehm der wegen seines hohen Tongehalts mit den damaligen Mitteln nur schwer zu bearbeiten war Die Boden in den Hochebenen im Perigord und im Agenais wiederum sind grosstenteils stark eisenhaltig und sauer Mit den grossflachigen Waldrodungen veranderte sich die Naturlandschaft in der Region ein erstes Mal in Richtung Kulturlandschaft Das heutige Aussehen erhielt die Gegend allerdings erst mit den langjahrigen Drainage Projekten ab der Fruhen Neuzeit und der Bodenmelioration im 19 Jahrhundert Die Weidewirtschaft auf saurer Erde liess die Boden rasch degradieren und es entstand eine karge Heidelandschaft Erst mit dem Eintreffen der Eisenbahn konnte Kalk in fast beliebiger Menge herangebracht werden um die Boden zu neutralisieren was dann eine intensive Landwirtschaft ermoglichte Siedlungstypen BearbeitenIn der Zeit vom 11 bis zum 14 Jahrhundert entstanden in Sudwestfrankreich mehr als 600 neue Dorfgemeinschaften und Stadte wobei verschiedene Siedlungstypen Modell standen Castelnau Bearbeiten Der Siedlungstyp Castelnau Plural Castelnaus auch Castelnaux bildete sich um eine Motte oder um eine Burg aus Stein Um zusatzlich Schutz vor Angreifern sowie Fernsicht zu gewinnen wurde die Burg meist erhoht zum Beispiel auf einen Felssporn angelegt Die Hauser wurden entweder konzentrisch als Kreis oder Bogen und terrassenformig um die Burg angelegt wie zum Beispiel in Fources im Departement Gers oder aber gestreckt dem Felsrucken folgend Auch weil viele dieser Siedlungen mit einer Stadtmauer umgeben waren sind sie eng und kompakt gebaut Gegrundet wurden diese Siedlungen typischerweise von einem Lehnsherr der auf der Burg residierte Die Burg ist auch ein Ausdruck der Unsicherheit die damals im Suden von Frankreich herrschte Sie bot Schutz vor dem Zugriff rivalisierender Dynastien und vor marodierenden Banden Zudem entsprach dieser Siedlungstyp in idealerweise der Vorstellung der Feudalherren Laut dem Historiker Charles Higounet fand die Blutezeit der Castelnaus zwischen 1100 und 1175 statt Als Hohepunkt und gleichzeitiger Niedergang bezeichnet er die Erbauung von Lauzerte im Quercy Das Siedlungsmodell findet sich heute in viele Ortsnamen in Sudwestaquitanien wieder Orte wie Castelnau de Montratier Castelnau de Montmirail und Castelnau Magnoac zeugen davon 2 Sauvere Bearbeiten Im Gegensatz zu den Castelnaux bildeten sich die Sauveres vornehmlich auf Gebieten die unter der Schirmherrschaft von Geistlichen standen rund um Kirchen Abteien und Kloster Besonders zwischen 1030 und 1144 1150 wurden viele Sauveres gegrundet Charles Higounet bezeichnet die sauveres als eine andauernde Verlangerung der Treuga Dei sie bot der Bevolkerung Schutz ihren Gutern und Landarbeit die securitas Sicherheit indem sie mit dem Bann belegte wer sie brach 2 Die Neusiedler bekamen von ihren Grundherren so viel Land zugeteilt wie sie mit zwei Ochsen bearbeiten konnten Die genaue Grosse des Landes konnte daher schwanken Die Neusiedler konnten von ihren Grundherren zu einer Kopfsteuer verpflichtet werden Einige wenige Orte bekamen daruber hinaus ein Marktrecht Das jeweilige Gebiet der Sauveres wurde durch Kreuze begrenzt die symbolisierten dass diese Gebiete unter dem Schutz des Gottesfriedens standen Durch die Ortsnamen und durch die Urkundenbucher der Abteien und Kloster ist es moglich die Herkunft der Dorfer und Stadte zu identifizieren 3 Das umfangreichste kolonisatorische Unternehmen dieser Art wurde von den Johannitern im Comminges durchgefuhrt Die Kommende von Saint Clar grundeten in den ersten Jahrzehnten des 12 Jahrhunderts uber 40 Sauvetes auf einer Flache von ca 800 Quadratkilometern 3 Bastide Bearbeiten nbsp Beispiel fur eine Bastide Sauveterre de RouergueDer Begriff Bastide occitanisch bastir bauen ist die Bezeichnung eines Siedlungsmodells im Mittelalter in Sudwestfrankreich Dabei handelt es sich um Dorfgemeinschaften welche zumeist einen zentralen Marktplatz und rechtwinklig angelegte Strassen aufweisen Die Bastiden wurden entweder neu angelegt oder bereits bestehende Siedlungen erhielten den juristischen Status einer Bastide Ihren Hohepunkt hatten die Bastiden in der zweiten Halfte des 13 Jahrhunderts Casale Bearbeiten Bei den casales handelt es sich um sorgfaltig geplante und strukturierte Dorfgemeinschaften Die Siedlungen werden in kleinen rechteckigen oder quadratischen Hauserblocken angelegt die ein System geometrischer Strassen zur Folge hat 2 Push und Pullfaktoren BearbeitenFur die Siedler Bearbeiten Der Landesausbau brachte viele Vorteile fur die Neusiedler Zum einen standen sie unter dem Schutz des Grundherren zum anderen bedeutete es fur sie Freiheit und einen bauerlichen Betrieb 4 So entstand ein neuer gesellschaftlicher Mittelstand der eine Uberbruckung zwischen der unfreien Landbevolkerung und dem Adel bildete Viele Grundherren gewahrten den Neusiedlern Privilegien wie beispielsweise die Milderung der Frondienste oder die Abgabenfreiheit Fur die Grundherren Bearbeiten Die Grundherren erhofften sich ihrerseits feste und dauerhafte Einkunfte durch die Neusiedler Des Weiteren konnten durch die Neubesiedlung bzw Wiederbesiedlung Landesteile wieder nutzbar gemacht werden die durch Kriege verwustet worden waren Dies bedeutete fur die Grundherren einen wirtschaftlich finanziellen Zugewinn sowie die Starkung ihrer Machtposition und die Vergrosserung ihres Herrschaftsgebietes Charles Higounet vertritt die These dass Grundherren auch militarisch strategische Grunde fur die Neusiedlung hatten Er beobachtete eine Haufung von Bastiden innerhalb der englisch franzosischen Grenzgebiete Die Motive der Grundherren sind derzeit in der Forschung umstritten 5 Die Rolle der Kloster BearbeitenEine wichtige Rolle innerhalb des Landesausbaus sowohl in Frankreich als auch wahrend der Deutschen Ostsiedlung nahmen die Kloster und Ordensgemeinschaften ein Bis zum Ende des 12 Jahrhunderts wurden circa 50 neue Ordenshauser gegrundet Besonders der Zisterzienserorden war fur die Neubesiedlung und Kultivierung von landwirtschaftlichen Flachen bedeutend Die Zisterzienser verbanden das geistliche Leben mit praktischer Arbeit in der Landwirtschaft Innerhalb von Frankreich wurde der Bau von neuen Klostern und Stiftungen vom Konig gefordert Eines der bekanntesten Zisterzienserkloster ist die Abtei Fontenay die 1118 gegrundet wurde 6 Die Reformkloster der Zisterzienser beteiligten sich im 12 und 13 Jahrhundert ebenfalls in einem unterschiedlichen Masse an der Landerschliessung und errichteten einen Teil ihrer Wirtschaftshofe Grangien auf neuen Weide und Ackerflachen 7 Ende der Siedlungsbewegung BearbeitenAb dem Jahr 1320 konnte ein Ruckgang in der aquitanischen Siedlungsbewegung festgestellt werden Viele Bastiden und Sauveres scheiterten bei ihrer Grundung da nicht genugend Neusiedler gefunden werden konnten Somit verebbte die Siedlungsbewegung trotz zahlreicher Versuche neue Gebiete zu erschliessen Auch von Seiten des Konigs wurde versucht die Expansionen weiter zu betreiben jedoch mit massigem Erfolg Literatur BearbeitenPeter Erlen Europaischer Landesausbau und mittelalterliche deutsche Ostsiedlung Ein struktureller Vergleich zwischen Sudwestfrankreich den Niederlanden und dem Ordensland Preussen Herder Institut Marburg Lahn 1992 ISBN 3 87969 224 6 Zugleich Diss Univ Bochum 1986 Einzelnachweise Bearbeiten Charles Higounet Zur Siedlungsgeschichte Sudwestfrankreichs vom 11 bis zum 14 Jahrhundert In Walter Schlesinger Hrsg Die deutsche Ostsiedlung des Mittelalters als Problem der europaischen Geschichte Reichenau Vortrage 1970 1972 Thorbecke Sigmaringen 1975 ISBN 3 7995 6618 X S 693 a b c Charles Higounet Zur Siedlungsgeschichte Sudwestfrankreichs vom 11 bis zum 14 Jahrhundert In Walter Schlesinger Hrsg Die deutsche Ostsiedlung des Mittelalters als Problem der europaischen Geschichte Reichenau Vortrage 1970 1972 1975 S 668 a b Peter Erlen Europaischer Landesausbau und mittelalterliche deutsche Ostsiedlung ein struktureller Vergleich zwischen Sudwestfrankreich den Niederlanden und dem Ordensland Preussen 1992 S 136 Charles Higounet Zur Siedlungsgeschichte Sudwestfrankreichs vom 11 bis zum 14 Jahrhundert In Walter Schlesinger Hrsg Die deutsche Ostsiedlung des Mittelalters als Problem der europaischen Geschichte Reichenau Vortrage 1970 1972 1975 S 675 Peter Erlen Europaischer Landesausbau und mittelalterliche deutsche Ostsiedlung ein struktureller Vergleich zwischen Sudwestfrankreich den Niederlanden und dem Ordensland Preussen 1992 S 155 Duden Basiswissen Geschichte Schule 2003 Seite Lexikon des Mittelalters Verfasser Artikel Band Seite Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Landesausbau in Sudwestfrankreich amp oldid 235216232