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Lackmus ist ein aus Flechten meist der Gattung Roccella gewonnener blauvioletter Farbstoff Die wassrige Losung besitzt die Eigenschaft ihre Farbe zu andern abhangig davon ob sie mit sauren oder basischen Stoffen zusammengebracht wird also je nach pH Wert Sie dient deshalb als Saure Base Indikator in der Chemie Lackmus ist ein tiefblaues Stoffgemisch mit der CAS Nummer 1393 92 6 LackmuspulverpH Reihe mit dem Indikator Lackmuslosung Inhaltsverzeichnis 1 Name und Geschichte 2 Naturliches Vorkommen 3 Herstellung 3 1 Heutige technische Herstellung 4 Verwendung und Struktur 4 1 Fruher und heute 4 2 Lackmustest 4 3 Lackmusmilch 4 4 Strukturermittlung 4 5 Erklarung zur Indikatorwirkung von Lackmus 4 6 Enthaltene Stoffe 4 6 1 Orceine 4 6 2 Azolitmin und Leucazolitmin 5 Sicherheitshinweise 6 Siehe auch 7 Literatur 8 Einzelnachweise 9 WeblinksName und Geschichte BearbeitenDas Wort ist seit etwa 1500 bezeugt und stammt aus dem Mittelniederlandischen le e cmoes 1 von lekken tropfeln moes vermutlich von Brei Mus und nicht von der Pflanze Moos 2 Bereits im Niederlandischen wird le e c an lak Lack in der Bedeutung Farbe angeglichen 3 Der Name geht auf die historische Herstellung von Lackmus zuruck das aus einem Brei von Flechten und Wasser gewonnen wurde den man abtropfen liess Lackmus wurde erstmals um 1300 von dem Arzt und Alchemisten Arnaldus de Villanova als chemisches Reagenz verwendet d h als ein Stoff der zum Nachweis und zur Identifikation eines anderen Stoffes benutzt wird 4 Seit dem 16 Jahrhundert gewann man den blauen Farbstoff in grosserem Massstab vorwiegend in den Niederlanden als Lakmoes aus verschiedenen Flechtenarten Nachdem das Geheimnis der Herstellung von Lackmus aus Flechten geluftet war wurden die grau gefarbten Flechten Lecanora tartarea und Roccella tinctoria unter den Namen Bergmoos und Klippmoos als Exportartikel aus den Niederlanden in andere Industriestaaten ausgefuhrt Naturliches Vorkommen Bearbeiten nbsp Roccella fuciformisLackmus kommt in der Natur wie der mit ihm verwandte Farbstoff Orcein in verschiedenen Flechtenarten vor Fur die Farbstoffgewinnung verwendet wurden fruher meist Roccella tinctoria wachst auf Felsen Makaronesiens Kap Verde Kanarische Inseln Madeira Azoren und der Westkuste Sudamerikas Roccella fuciformis Herkunft meist Angola und Madagaskar Roccella pygmaea Algerien Roccella phycopsis Lecanora tartarea Norwegen Schweden Variolaria dealbata Pyrenaen und Auvergne Ochrolechia parella gesamte Atlantikkuste Nordwesteuropas Parmotrema tinctorum ebenfalls Kanaren und verschiedene Parmelia Arten weite Verbreitung auf vielen Laubbaumen Hauptquellen sind heutzutage Roccella montagnei Mosambik und Dendrographa leucophoea Kalifornien Herstellung BearbeitenEs wurde lange Zeit versucht die Details des Herstellungsprozesses aus wirtschaftlichen Grunden geheim zu halten um damit ein Monopol zu schaffen Die gepulverten Flechten werden fur mehrere Wochen in einer mit Soda Natriumcarbonat oder Pottasche Kaliumcarbonat und Ammoniak alkalisch eingestellten Losung bei gelegentlichem Umruhren stehen gelassen Da fruher Ammoniak nicht als Chemikalie zur Verfugung stand erhielt man den notwendigen Ammoniakanteil durch Zugabe von Urin Der im Urin enthaltene Harnstoff wird durch Enzyme als Katalysatoren in Ammoniak umgewandelt Wahrend die pulverisierten Flechten in der Losung stehen andert sich allmahlich ihre Farbe von Rot nach Blau Die am Ende des Umsetzungsprozesses blaue Mixtur wird getrocknet und zu Pulver zermahlen In dieser Stufe des Herstellungsprozesses enthalt das Pulver teilweise Lackmus und teilweise Orcein Farbpigmente Mit Alkohol wird der auf Orcein entfallende karminrote Farbanteil herausgelost zuruck bleibt das tiefblaue Lackmus Gepresst und teilweise mit Gips und Kreide versetzt kommt es als leicht krumelnde Pressmasse in den Handel Aus Lackmus wird auch eine spezielle Farbkomponente das Azolitmin hergestellt und als Saure Base Indikator mit dem Lackmus ahnlichen Eigenschaften vertrieben Heutige technische Herstellung Bearbeiten Im Jahr 1758 patentierten die beiden britischen Chemiker G Gordon und Cuthbert Gordon die industrielle Herstellung von Cudbear englische Bezeichnung fur Orcein und Lackmus aus Flechten 5 es dauerte jedoch bis zum Jahr 1940 ehe die britische Firma Johnsons of Hendon spater Johnsons Photopia Ltd die Fertigung begann Bei der Herstellung werden Flechten zunachst gemahlen mit Wasser unter Zugabe von Kalk Pottasche und Ammoniumcarbonat Losung NH4 2CO3 verruhrt und unter Luftzufuhr garen gelassen Die Losung verfarbt sich uber braun und violett nach etwa drei Wochen zu einem tiefen Blau Der Brei wird durch ein Sieb geruhrt und mit Kreide und Gips versetzt zu kleinen Wurfeln geformt Nach Trocknung konnen diese direkt weiterverarbeitet werden sie enthalten grosse Mengen Orcein und nur etwa 5 bis 8 der Lackmus Farbstoffe Das Orcein kann aufgrund seiner guten Alkoholloslichkeit leicht mit Ethanol abgetrennt werden 6 Verwendung und Struktur Bearbeiten nbsp Struktur von Lackmus mit dunkelblau Orcinchinonrest schwarz Orceinrest hellblau Orcinrest und n 3 5 nbsp Phenol Phenolat Gleichgewicht nbsp Oxazin Protonierung DeprotonierungFruher und heute Bearbeiten Lackmus fand fruher besonders in den Niederlanden zum sogenannten Blauen von Wasche und zum Farben von Genussmitteln Weine Backwerk Likor Kase Schminke und Zuckerpapier Verwendung Durch leichte Blaufarbung wird das Vergilben an der Luft ausgeglichen Fur die Textilfarberei ist Lackmus wegen seiner Farbumschlage in Sauren und Laugen ungeeignet Lackmustest Bearbeiten Hauptartikel Lackmustest Heute wird Lackmus ausschliesslich als Saure Base Indikator in der Chemie und Biologie genutzt Bei pH Werten kleiner als 4 5 erscheint Lackmus rot bei Werten grosser als 8 3 blau und dazwischen violett Es wird hauptsachlich in zwei Formen verwendet in einer wassrigen Losung als Lackmus Tinktur und als Lackmus Papier Bei letzterem handelt es sich um Papierstreifen die mit schwach saurer oder alkalischer Lackmus Tinktur getrankt sind Reagenzpapier Der Hauptbestandteil des Lackmus ist polymer aus mehreren Bausteinen aus 7 Hydroxy 2 phenoxazin Chromophoren aufgebaut was seine Verwandtschaft mit dem karminroten Farbstoff Orcein erklart Lackmusmilch Bearbeiten Mit zwischen 2 5 und 7 Lackmustinktur versetzte 10 ige Magermilch oder Magermilchpulver und Wasser in entsprechender Konzentration dient in der Mikrobiologie als Lackmusmilch 7 Diese wird zur Bestimmung ob Bakterien Milchzucker Lactose verwerten konnen verwendet Dazu wird die Lackmusmilch mit dem Bakterium beimpft Bei Farbumschlag durch Saurebildung von Blau alkalisch nach Rot sauer ist erwiesen dass das Bakterium Lactose vergaren kann Zur besseren Handhabung wird die Milch oft mit Agar geliert 8 Strukturermittlung Bearbeiten Der deutsche Chemiker Hans Musso 1925 1988 untersuchte in den Jahren 1955 bis 1965 die Struktur der Flechtenfarbstoffe Orseille Orcein im Englischen auch Cudbear und der Lackmus Farbstoffe und veroffentlichte daruber etwa 25 Artikel 9 10 Mit saulenchromatographischen Trennungsmethoden konnte er die meisten der Farbstoffe abtrennen und ihre Struktur ermitteln 11 12 13 Erklarung zur Indikatorwirkung von Lackmus Bearbeiten Die Ursache der Farbveranderung des Lackmus von Blau uber Violett nach Rot bei Anderung des pH Wertes ist ausserst komplex und setzt sich aus verschiedenen Faktoren zusammen 14 Hauptursache der Farbveranderung bei Aufnahme oder Abgabe von Protonen Halochromie ist die reversible also umkehrbare Bildung von roten Phenolen aus blauen Phenolaten Weiterhin kann das Oxazinsystem hier eine cyclische Anordnung mit gegenuberstehendem Sauerstoff und Stickstoffatom protoniert bzw deprotoniert werden d h es konnen sich Protonen an die Verbindung anlagern oder wieder abspalten Zusatzlich andert sich auch noch die Tonung der fur Lackmus charakteristischen Farben Rot und Blau wenn man starke oder schwache Sauren bzw Basen zum Lackmus gibt Das resultiert aus der schrittweisen Anlagerung bzw Entfernung weiterer Protonen Durch die Grosse des Molekuls stehen mehrere Phenolgruppen sowie Oxazin Stickstoffatome fur diese Anlagerung oder Abgabe von Protonen zur Verfugung Zusatzlich entstehen daher im pH Bereich 5 6 bis 8 Mischsysteme mit gelb oranger bis blaugruner Farbe Enthaltene Stoffe Bearbeiten Das Stoffgemisch Lackmus enthalt ca 10 15 verschiedene Substanzen Erfolgreich extrahiert wurden neben Orcein Erythrolein auch Erythrolitmin Azolitmin Spaniolitmin Leucoorcein und Leucazolitmin Azolitmin als Reinsubstanz besitzt annahernd dieselbe Indikatorwirkung wie das Gemisch 15 Orceine Bearbeiten Im Lackmusgemisch sind hauptsachlich die beiden Orceine a Hydroxyorcein C18H17O5N und a Aminoorcein C18H18O4N2 enthalten 16 Diese entstehen neben mehr als 10 anderen Orceinen aus den Farbstoffen der Flechten durch Behandlung in Ammoniak haltiger alkalischer Losung unter Oxidation Bei der Lackmusherstellung wird der Grossteil des Orceins abgetrennt Azolitmin und Leucazolitmin Bearbeiten Azolitmin ist der hauptsachlich fur den Farbumschlag verantwortliche Farbstoff mit der Summenformel C18H10O10N Es entsteht aus Orceinen durch Oxidation Leucazolitmin ist ein farbloses Derivat des Azolitmins und aus diesem durch Reduktion erhaltlich Sicherheitshinweise BearbeitenIn englischsprachigen Quellen wird Lackmus als reizend fur Schleim Haut und Augen klassifiziert 17 sowie als wahrscheinlich bei hoheren Temperaturen brennbar EU oder deutsche Richtlinien liegen nicht vor Siehe auch BearbeitenLackmustestLiteratur BearbeitenEintrag zu Lackmus In Rompp Online Georg Thieme Verlag abgerufen am 13 Juni 2014 Einzelnachweise Bearbeiten Lackmus bei duden de abgerufen am 26 April 2015 Kluge Seebold Etymologisches Worterbuch der Deutschen Sprache De Gruyter Berlin Boston 2011 ISBN 978 3 11 022364 4 Artikel Lackmus Wolfgang Pfeiffer Etymologisches Worterbuch des Deutschen Rhenanina Lahnstein Edition Kramer 2018 ISBN 978 3 941960 03 9 Artikel Lackmus Wissenschaft Online Lexika Eintrag zu Lackmus im Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen abgerufen am 18 Februar 2013 Gordon G and Gordon C Manufacture of Dye Colours British patent 727 1758 H H J Hager F v Bruchhausen Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis S 3 Springer Verlag ISBN 3 540 62646 8 Mikrobiologisches Praktikum fur Biologie und Lebensmittelchemie Script SS 2011 TU Munchen Wissenschaft Online Lexika Eintrag zu Lackmusmilch im Lexikon der Biologie H Musso Zur Kenntuis der Orseille Farbstoffe Naturwissenschaften 1955 42 513 H Musso C Rajtjen Uber Orceinfarbstoffe X Lichtabsorption und Chromophor des Lackmus Chemische Berichte 1959 92 751 753 H Musso Die Trennung des Orceins in seine Komponenten II Mitteilung uber Orceinfarbstoffe Chemische Berichte 1956 89 1659 1673 H Musso Orcein and litmus pigments constitutional elucidation and constitutional proof by synthesis In Planta Medica 1960 8 431 446 H Musso H Beecken Uber Orceinfarbstoffe IV Craig Verteilung und Verteilungschromatographie Chemische Berichte 1957 90 1808 1814 Was ist eigentlich Lackmus Wiechoczek D 1999 2009 In Blume R amp Wiechoczek D Professor Blumes Bildungsserver fur Chemie E T Wolf Vollstandige Ubersicht der Elementar analytischen Untersuchungen organischer Substanzen S 450 453 veroffentlicht 1846 Verlag E Anton Lichen purple Orcein structures Memento des Originals vom 6 Juli 2008 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www chriscooksey demon co uk Litmus Powder auf Sciencelab Memento des Originals vom 27 September 2007 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www sciencelab com engl abgerufen 29 Marz 2007 Weblinks Bearbeiten3D Darstellung des Lackmuspolymers Lackmus ein Farbstoff aus Flechten chemie master de mit Fotos entsprechender Flechtenarten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Lackmus amp oldid 234160864