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Kulturelle Hegemonie bezeichnet nach dem marxistischen Intellektuellen Antonio Gramsci die Produktion zustimmungsfahiger Ideen Inhaltsverzeichnis 1 Herrschaftsbegriff 1 1 Rechtsextreme Rezeption 2 Literatur 3 Weblinks 4 EinzelnachweiseHerrschaftsbegriff BearbeitenIn der burgerlichen Gesellschaft werde Herrschaft nicht allein durch blossen Zwang erzeugt sondern die Menschen wurden uberzeugt dass sie in der besten aller moglichen Welten lebten Die stabilen Formen kapitalistischer Herrschaftssysteme wurden durch Konsens durch Hegemonie in der Zivilgesellschaft societas civilis vermittelt sowie durch deren Hegemonieapparate in der Arbeitswelt oder in Institutionen der Erziehungs Integrations und Bildungssysteme wie etwa in Schulen Kirchen Wohlfahrtsverbanden oder Massenmedien Hegemonie heisst fur Gramsci dass die herrschende Gruppe sich auf konkrete Weise mit den allgemeinen Interessen der untergeordneten Gruppen abstimmen wird und das Staatsleben als ein andauerndes Formieren und Uberwinden von instabilen Gleichgewichten zu fassen ist von Gleichgewichten in denen die Interessen der herrschenden Gruppen uberwiegen aber nur bis zu einem gewissen Punkt d h nicht bis zu einem engen okonomisch korporativen Interesse 1 Gramsci formulierte sein Konzept von Hegemonie zunachst anhand von Entwicklungen in der italienischen Geschichte insbesondere des Risorgimento Demnach hatte das Risorgimento einen revolutionaren Charakter annehmen konnen wenn es ihm gelungen ware die Unterstutzung der breiten Massen insbesondere der Bauern die damals die Mehrheit der Bevolkerung bildeten zu gewinnen Die Grenzen der burgerlichen Revolution lagen darin dass sie nicht von einer radikalen Partei angefuhrt wurde dies im Unterschied zu Frankreich wo die Landbevolkerung die die Revolution unterstutzte entscheidend war fur die Niederlage der aristokratischen Krafte Die fortschrittlichste italienische Partei war damals die Partito Sardo d Azione Diese hatte jedoch nicht die Fahigkeit die fortschrittlichen burgerlichen Krafte mit den Bauern zu verbunden und reprasentierte so nicht die fuhrende Kraft denn diese Position nahmen die moderaten Krafte ein Dadurch war es den Cavouranern moglich sich an die Spitze der burgerlichen Revolution zu setzen und die radikalen Krafte zu absorbieren Dies gelang weil die moderaten Cavouraner eine organische Beziehung zu ihren Intellektuellen hatten die wie auch die Politiker Landbesitzer und Industriemagnaten waren Der grosste Teil der Bevolkerung blieb somit passiv und es kam zum Kompromiss zwischen den Kapitalisten Norditaliens und den Grossgrundbesitzern Suditaliens Die Vorherrschaft einer sozialen Gruppe zeigt sich auf zwei Arten als Beherrschung und als intellektuelle sowie moralische Fuhrung Eine soziale Gruppe ist dominant wenn sie die gegnerischen Gruppen unterwirft und die verbundeten Gruppen anfuhrt Eine soziale Gruppe kann ja muss sogar vor der Machtubernahme die Fuhrung ubernommen haben wenn sie dann an der Macht ist wird sie dominant aber sie muss weiterhin fuhrend bleiben Aus der Sicht von Gramsci muss jede Gruppe die nach der Herrschaft in einer modernen Gesellschaft strebt bereit sein Abstriche bei ihren okonomischen und gesellschaftlichen Interessen zu machen mit einer Vielzahl von politischen Kraften den Kompromiss zu suchen und mit diesen Allianzen zu bilden Gramsci bezeichnet diese Allianzen als Historischen Block ein Terminus der von Georges Sorel gepragt worden ist Dieser Block bildet die Basis fur eine gesellschaftliche Ordnung durch welche die Hegemonie der dominanten Klasse mit Hilfe einer Verknupfung von Institutionen sozialen Beziehungen und Ideen gebildet und sichergestellt wird In Italien wurde dieser Historische Block von den Industriellen den Landbesitzern der Mittelklasse und Teilen des Kleinburgertums gebildet Gramsci bemerkte dass im Westen die kulturellen Werte der Bourgeoisie mit dem Christentum verknupft sind Deshalb richtet sich ein Teil seiner Kritik an der vorherrschenden Kultur auch gegen religiose Normen und Werte Er war beeindruckt von der Macht die die Katholische Kirche uber die Glaubigen hat und er sah mit welcher Sorgfalt die Kirche verhinderte dass die Religion der Intellektuellen sich zu stark von der Religion der Ungebildeten entfernen konnte Gramsci glaubte dass es die Aufgabe des Marxismus sei die in der Renaissance durch den Humanismus geubte Kritik an der Religion mit den wichtigsten Elementen der Reformation zu vereinen Nach Gramsci kann der Marxismus erst dann die Religion ablosen wenn er die spirituellen Bedurfnisse der Menschen befriedigen kann und damit dies der Fall ist mussen sie ihn als einen Ausdruck ihrer eigenen Erfahrungen wahrnehmen Fur Gramsci waren die Erfahrungen der russischen Revolution nur begrenzt auf Westeuropa ubertragbar Sollte es zu einer grundlegenden Veranderung der gesellschaftlichen Verhaltnisse in den Industrielandern kommen so werde diese eher den Charakter eines Stellungskrieges als den eines Bewegungskrieges um die vorherrschenden Ideen haben Es komme nicht nur auf das okonomische Krafteverhaltnis an sondern auch auf das in der Politik und in den Massenmedien Hier erforschte Gramsci besonders die Geschichte und Theorie der Intellektuellen mit einem sehr weit gefassten Intellektuellenbegriff Jeder sei ein Intellektueller weil jeder die Fahigkeit zu denken habe aber nicht jeder habe die Funktion eines Intellektuellen Gramsci spricht hier von organischen Intellektuellen die ihre Erkenntnisse in den Hegemonieapparaten dominierend verbreiten konnen und durfen Im Laufe seiner Rezeptionsgeschichte hat der Hegemoniebegriff Eingang in viele Felder der Sozialwissenschaften gefunden Gramscis Konzept der kulturellen Hegemonie wird beispielsweise zunehmend auch in der feministischen Diskussion aufgegriffen um damit die Funktionsweisen geschlechtsspezifischer Unterordnungsverhaltnisse zu erklaren So wurden sich die komplexen Strukturen die durch geschlechtsspezifische Herrschaftsverhaltnisse aufrechterhalten werden mit Gramscis Vorstellung von Herrschaft durch Konsens d h durch die Verinnerlichung der Herrschaftsverhaltnisse weitaus glaubwurdiger erklaren lassen als mit der Theorie von Gewalt und Zwang als Ursache dieser kulturellen Hegemonie Daher wird hier auch von hegemonialen Geschlechterverhaltnissen gesprochen Gramscis Hegemoniekonzept wurde vor allem durch Ernesto Laclau und Chantal Mouffe in die postmarxistische Diskussion eingebracht Besonders seiner Kritik an dem in der marxistischen Diskussion seinerzeit vorherrschenden extremen Dualismus zwischen materieller Basis und ideellem Uberbau welchen er mit seiner Betonung der Bedeutung von Ideologie uberwinden half ist dies zu verdanken Im Bereich der internationalen Beziehungen hat der spezifisch gramscianisch gepragte Hegemoniebegriff in Abgrenzung zum gangigen eher politisch militarischen spatestens seit Beginn der 1990er einen festen Platz gefunden Eine Reformulierung und weitere Ausarbeitung des Hegemoniekonzepts finden wir in Pierre Bourdieus Arbeiten uber die Symbolische Gewalt Rechtsextreme Rezeption Bearbeiten Hauptartikel Neue Rechte Gramscismus Die Neue Rechte beruft sich ebenfalls auf Antonio Gramsci Da fur einen angestrebten Umschwung zurzeit keine historischen Gegebenheiten wie eine Massenbewegung vorhanden sind besteht der wichtigste taktische Ansatz der Neuen Rechten in dem Anspruch Diskurshoheit in gesellschaftlichen Debatten und kulturelle Hegemonie zu erringen Auch die Identitare Bewegung beruft sich auf Gramsci Literatur BearbeitenBrigitte Rauschenbach Kulturelle Hegemonie und Geschlecht als Herausforderung im europaischen Einigungsprozess Eine Einfuhrung 2005 online Stephen Gill Hg Gramsci Historical Materialism and International Relations Cambridge University Press 1993 Ernesto Laclau Chantal Mouffe Hegemony and Socialist Strategy Towards a Radical Democratic Politics Verso London 1985 Hegemonie und radikale Demokratie Zur Dekonstruktion des Marxismus Wien 1991Weblinks Bearbeiten Konsens und Kampf Ulrich Brand in Jungle World 2 Marz 2005Einzelnachweise Bearbeiten Gefangnishefte 7 1584 zit n Mario Candeias Schlusskapitel der Dissertation Memento vom 11 Marz 2006 im Internet Archive Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kulturelle Hegemonie amp oldid 229130111