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Als Kriseninitiative wurde im zeitgenossischen Politjargon die Eidgenossische Volksinitiative zur Bekampfung der Wirtschaftskrise die 1934 vom Aktionskomitee zur Bekampfung der Wirtschaftskrise lanciert wurde bezeichnet Die Initiative scheiterte am 2 Juni 1935 in der Volksabstimmung Inhaltsverzeichnis 1 Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise auf die Schweiz 2 Politische Reaktionen auf die Wirtschaftskrise 3 Initiativkomitee 4 Inhalt der Initiative 5 Abstimmungskampf 6 Abstimmungsresultat 7 Folgen 8 Literatur 9 Weblinks 10 AnmerkungenAuswirkungen der Weltwirtschaftskrise auf die Schweiz BearbeitenDie Weltwirtschaftskrise begann sich 1930 auf die schweizerische Volkswirtschaft auszuwirken Zuerst nahmen die Exporte ab und sanken im Herbst 1931 nach der Abwertung des britischen Pfunds bis Mitte 1932 auf einen Tiefpunkt rund 55 unter dem Wert von 1929 Auf die Binnenwirtschaft schlug die Krise wegen der anhaltenden Baukonjunktur erst verzogert durch Die Arbeitslosenzahlen stiegen jedoch als Folge der Krise der Exportindustrie 1933 im Schnitt auf rund 68 000 Auch die Landwirtschaft wurde von der Krise hart getroffen So sank zwischen 1928 und 1934 der Reinertrag pro Hektare von 228 Fr auf 81 Fr Der durchschnittliche Verdienst pro Arbeitstag sank im selben Zeitraum von 5 1 Fr auf 0 9 Fr und auch der Ertrag auf Aktien und Vermogen verminderte sich merklich 1 Nachdem sich die Binnenwirtschaft als Folge der Exportkrise ebenfalls abkuhlte stieg die Zahl der Arbeitslosen 1936 auf rund 94 200 Personen zeitweise erreichte die Arbeitslosenquote rund 10 1928 8380 1930 12 881 1932 54 366 1933 67 867 1935 82 468 2 Das nominelle Volkseinkommen sank auf einen Tiefpunkt mit 7 7 Mia Fr wahrend es 1930 noch 9 7 Mia Fr betragen hatte Erst die Abwertung des Schweizer Frankens 1936 leitete gemeinsam mit Clearingabkommen und der anlaufenden militarischen Aufrustung eine Trendwende ein Allerdings wurden noch 1939 rund 40 000 Arbeitslose gezahlt und das Volkseinkommen hatte sich auch erst wieder auf 8 64 Mia Fr erholt Erst der Beschaftigungsaufschwung wahrend des Krieges brachte die definitive Erholung der Schweizer Wirtschaft 1 Politische Reaktionen auf die Wirtschaftskrise BearbeitenDie beiden Hauptprobleme die sich der Politik stellten waren die steigenden Arbeitslosenzahlen und die zahlreichen Bankenzusammenbruche vor allem derjenige der Schweizerischen Volksbank Von der Arbeitslosigkeit besonders betroffen war die exportorientierte Industrie Da die Arbeitslosenkassen zu dieser Zeit nur wahrend weniger Monate Entschadigungen bezahlten musste die offentliche Fursorge eingreifen was eine steigende Belastung fur den Haushalt der Gemeinden und des Bundes bedeutete Gleichzeitig brachen die Steuereinnahmen ein und die Staatsbetriebe gerieten ebenfalls in eine missliche Finanzlage 3 Da die Bundesverfassung fur einen solchen Krisenfall keine wirksamen Instrumente zur Verfugung stellte musste der Bundesrat durch Ausnahmeverordnungen gestutzt auf Dringlichkeit vorgehen Die Bundesversammlung ermachtigte den Bundesrat am 23 Dezember 1931 Massnahmen zum Schutz der nationalen Produktion zu ergreifen Dieser nutzte diese Vollmachten um die Einfuhr zu kontingentieren und durch Sparmassnahmen den Bundeshaushalt auszugleichen 1933 wurden die Gehalter des Bundespersonals und laufende Subventionen gekurzt und neu eine indirekte und direkte Bundessteuer erhoben Daneben wurde die Aufwertung des Schweizer Frankens gegenuber dem amerikanischen Dollar und dem britischen Pfund als deflationare Massnahme in Kauf genommen und sogar politisch als notwendige Anpassung verteidigt Zeitgenossen sprachen angesichts dieser ausserordentlichen Krisenmassnahmen kritisch von einer Krise des Rechts 4 Gegen diese als unzusammenhangende und auf passive Massnahmen beschrankte bundesratliche Wirtschaftspolitik erwuchs breiter politischer Widerstand Wahrend die Kommunistische Partei der Schweiz und Teile der Sozialdemokratie die Einfuhrung der staatlichen Planwirtschaft und eine Verstaatlichung der Banken fur die richtigere Krisenpolitik hielten verlangten Gewerkschafter und links liberale Krafte eine aktive Krisenbekampfung durch Konjunkturpakete und Kaufkraftverbesserung Als Vorbild dazu diente die amerikanische Wirtschaftspolitik des New Deal und die wirtschaftstheoretischen Ansatze des britischen Okonomen John Maynard Keynes In Konkurrenz zum sozialdemokratischen Plan der Arbeit der auf dem De Man Plan aufbaute lancierte 1934 der Schweizerische Gewerkschaftsbund SGB mit Unterstutzung weiterer Arbeitnehmerorganisationen und der Jungbauernbewegung die sogenannte Kriseninitiative um den Bundesrat zu einer aktiven Krisenbekampfung zu zwingen Die Katholisch Konservative Partei wie auch die Fronten verlangten dagegen eine autoritare Umformung des Staates um diktatorische Massnahmen zur Krisenbekampfung durchzusetzen wie dies im faschistischen Italien oder im nationalsozialistischen Deutschland nach 1933 geschehen war Im Bundesrat wurden die zwei Lager durch Edmund Schulthess Vorsteher des Eidgenossischen Volkswirtschaftsdepartements und Jean Marie Musy Vorsteher des Eidgenossischen Finanz und Zolldepartements vertreten Wahrend ersterer den Anliegen der Bauernbewegung und der Gewerkschaften entgegenkommen wollte und den Gedanken einer aktiven Sozialpolitik vertrat forderte letzterer energische Sparmassnahmen um den Bundeshaushalt auszugleichen Beide scheiterten jedoch mit ihren Planen 1931 wurde die von Schulthess betriebene Schaffung einer Alters und Hinterbliebenenversicherung vom Volk verworfen 5 1933 ebenso die von Musy verlangte Senkung der Gehalter des Bundespersonals 6 Initiativkomitee BearbeitenDas Initiativkomitee bildete sich im Mai 1934 als Aktionskomitee zur Bekampfung der Wirtschaftskrise aus Vertretern einer Reihe von politischen Organisationen Schweizerischer Gewerkschaftsbund SGB Foderativverband Personal offentlicher Verwaltungen und Betriebe Nationale Aktionsgemeinschaft Verbande der Angestellten und Beamten Schweizerische BauernheimatbewegungInhalt der Initiative BearbeitenDie Bundesverfassung von 1874 sollte gemass der Initiative mit folgendem Text erganzt werden 7 1 Der Bund trifft umfassende Massnahmen zur Bekampfung der Wirtschaftskrise und ihrer Folgen Diese Massnahmen haben zum Ziel die Sicherung einer ausreichenden Existenz fur alle Schweizer Burger 2 Der Bund sorgt zu diesem Zweck fur a Gewahrung eines Lohn und Preisschutzes zur Sicherung eines genugenden Arbeitseinkommens b Erhaltung der Konsumkraft des Volkes durch Bekampfung des allg Abbaues der Lohne der landw und gewerbl Produktenpreise c planmassige Beschaffung von Arbeit und zweckmassige Ordnung des Arbeitsnachweises d Erhaltung tuchtiger Bauern und Pachterfamilien auf ihren Heimwesen durch Entlastung uberschuldeter Betriebe und durch Erleichterung des Zinsendienstes e Entlastung unverschuldet in Not geratener Betriebe im Gewerbe f Gewahrleistung einer ausreichenden Arbeitslosenversicherung und Krisenhilfe g Ausnutzung der Kaufkraft und der Kapitalkraft des Landes zur Forderung des industr und landw Exportes sowie des Fremdenverkehrs h Regulierung des Kapitalmarktes und Kontrolle des Kapitalexportes i Kontrolle der Kartelle und Trusts 3 Der Bund kann zur Erfullung dieser Aufgaben die Kantone und Wirtschaftsverbande heranziehen 4 Der Bund kann soweit es die Durchfuhrung dieser Massnahme erfordert von der Handels und Gewerbefreiheit abweichen Die Initiative wurde von 334 699 Stimmberechtigten unterzeichnet Die Initianten planten im Wesentlichen durch die Stutzung der Einkommen im Inland die Nachfrage zu stimulieren und dadurch den Wegfall der Exporteinnahmen auszugleichen Aus diesem Grund sollte der Bund weiteren Lohnsenkungen und dem Einbruch der Preise entgegentreten Durch planmassige offentliche Investitionen sollten Arbeitsplatze geschaffen werden wodurch auch die Ausgaben der Arbeitslosenversicherung gesunken waren Den verbleibenden Arbeitslosen sollte ein ausreichendes Einkommen garantiert werden um den Konsum anzukurbeln Im Bereich der Aussenwirtschaft war geplant die Importe zunehmend dort zu beziehen wo gleichzeitig Exporte abgesetzt werden konnten Ausserdem sollte der Kapitalverkehr dahingehend kontrolliert werden dass nicht ubermassig Kapital aus der Schweiz abfloss Grosse Unternehmen und Monopole sollten in Zukunft staatlich kontrolliert werden um Kapitalverkehr und Preispolitik in den Dienst der Binnenwirtschaft zu stellen Zur Finanzierung dieser Massnahmen waren im Prinzip keine neuen Steuern geplant obwohl die Ausgaben zwangslaufig kurzfristig steigen mussten Da von einer antizyklischen Budgetpolitik des Bundes ausgegangen wurde waren die entstehenden Schulden in einer kunftigen Phase des Aufschwunges auszugleichen gewesen Abstimmungskampf Bearbeiten nbsp Abstimmungsplakat der Gegner der Kriseninitiative gestaltet von Charles L EplattenierDie burgerlichen Parteien und der Bundesrat wandten sich entschieden gegen die sozialistische Kriseninitiative Auch die Kommunisten und Teile der SPS lehnten die Vorlage ab da sie ihnen nicht weit genug ging Die burgerlichen Parteien beschuldigten die Initianten die Kriseninitiative sei eine gross angelegte Offensive fur die Durchbruchsschlacht zum Sozialismus Die Initianten propagierten die Initiative durch die sogenannte Front der Arbeit und die Zeitung Die Nation wobei Gegner in fast schon faschistischer Manier als Volksfeinde etikettiert wurden Burgerliche Kreise begannen einen heftig gefuhrten Abwehrkampf gegen die Initiative in dessen Verlauf sogar Bankkunden beim Schalterverkehr auf die Gefahren der Initiative hingewiesen wurden Der zentrale Vorwurf im Abstimmungskampf war dass die Kriseninitiative der erste Schritt hin zur Einfuhrung der sozialistischen Diktatur sei und dass das Recht auf Eigentum und die Wirtschaftsfreiheit in Gefahr seien 8 Beide Seiten operierten mit einer Flut von Plakaten Flugblattern und Zeitungsartikeln in der jeweiligen Parteipresse Der Abstimmungkampf erreichte eine fur schweizerische Verhaltnisse ungewohnte Scharfe Der Kampf um die Kriseninitiative wurde viel intensiver gefuhrt als spater der Kampf um die Fronteninitiative und erreichte auch eine deutlich hohere Stimmbeteiligung Abstimmungsresultat BearbeitenDie Stimmbeteiligung war mit 84 4 an der Abstimmung vom 2 Juni 1935 vergleichsweise hoch 425 242 Stimmburger 42 8 nahmen die Initiative an wahrend 567 425 57 2 sie verwarfen Das Volksmehr wurde also klar verfehlt Auch das notige Standemehr wurde mit vier annehmenden gegen 18 ablehnende Kantone deutlich nicht erreicht 9 Folgen BearbeitenTrotz ihres Scheiterns brachte die Kriseninitiative die Parteien links der Mitte enger zusammen und legte den Grundstein fur die Richtlinienbewegung die eine Sammlung dieser Gruppierungen und die Schaffung einer neuen demokratischen Mehrheit links der Mitte zum Ziel hatte Andererseits legte die Einigung der Arbeitnehmer und Arbeitgeberorganisationen in der Metall und Uhrenindustrie 1937 den Grundstein fur einen Burgfrieden und die auf der politischen Konkordanz beruhende Sozialpolitik der Schweiz nach dem Zweiten Weltkrieg Literatur BearbeitenHans Simmler Bauer und Arbeiter in der Schweiz in verbandlicher politischer und ideologischer Sicht P G Keller Winterthur 1966 Peter Durrenmatt Schweizer Geschichte Bd 2 Neue Schweizer Bibliothek Zurich 1976 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Kriseninitiative Sammlung von Bildern Videos und AudiodateienAnmerkungen Bearbeiten a b Simmler Bauer und Arbeiter S 75 Durrenmatt Schweizer Geschichte Bd 2 S 822 Durrenmatt Schweizer Geschichte Bd 2 S 822f Durrenmatt Schweizer Geschichte Bd 2 S 823 Abstimmung uber das Bundesgesetz uber die Alters und Hinterlassenenversicherung auf Swissvotes Memento des Originals vom 8 Dezember 2015 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www swissvotes ch Abstimmung uber das Bundesgesetz uber die vorubergehende Herabsetzung der Besoldungen Gehalter und Lohne der im Dienste des Bundes stehenden Personen auf Swissvotes Memento des Originals vom 4 Marz 2016 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www swissvotes ch Zit nach Simmler Bauer und Arbeiter S 76f Willy Bretscher Der Kampf In Im Sturm von Krise und Krieg Neue Zurcher Zeitung 1933 1944 Siebzig Leitartikel von Willy Bretscher NZZ Zurich 1987 Informationen zur Abstimmung vom 2 Juni 1935 auf Swissvotes Memento des Originals vom 4 Marz 2016 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www swissvotes ch Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kriseninitiative amp 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