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Das Konstruierbarkeitsaxiom ist eine auf Kurt Godel zuruckgehende Aussage der Mengenlehre die eine mogliche Erweiterung der Zermelo Fraenkel Mengenlehre ZFC darstellt Es besagt dass alle Mengen konstruierbar in einem angebbaren Sinn sind und wird meist durch die Gleichung V L displaystyle V L abgekurzt Diese Aussage kann man nicht aus ZFC herleiten aber man kann zeigen dass die zusatzliche Annahme ihrer Richtigkeit nicht zu Widerspruchen fuhren kann die nicht schon allein durch ZFC zu Stande kommen konnten In einem Mengenuniversum welches ZF und das Konstruierbarkeitsaxiom erfullt gelten automatisch das Auswahlaxiom und die verallgemeinerte Kontinuumshypothese wie Godel zeigen konnte Die Grundidee zum Konstruierbarkeitsaxiom besteht darin das Mengenuniversum so klein wie moglich zu machen Dazu beschreibt man Konstruktionsprozesse durch so genannte Fundamentaloperationen und fordert schliesslich dass sich auf diese Weise bereits alle Mengen konstruieren lassen Inhaltsverzeichnis 1 Klassen als Funktionen 2 Acht Fundamentaloperationen 3 Konstruktion von Mengen 4 Die konstruktive Hierarchie und das Konstruierbarkeitsaxiom 5 Weitere Axiome 5 1 Das Auswahlaxiom 5 2 Die verallgemeinerte Kontinuumshypothese 5 3 Die Suslin Hypothese 6 LiteraturKlassen als Funktionen BearbeitenUm nachfolgende Ausfuhrungen leichter formulieren zu konnen dehnen wir in einem ersten Schritt einige fur Funktionen bekannte Definitionen und Schreibweisen auf beliebige Klassen x displaystyle x nbsp aus D x displaystyle D x nbsp ist die Klasse aller y displaystyle y nbsp fur die es ein z displaystyle z nbsp mit y z x displaystyle y z in x nbsp gibt und heisst Definitionsbereich von x displaystyle x nbsp W x displaystyle W x nbsp ist die Klasse aller z displaystyle z nbsp fur die es ein y displaystyle y nbsp mit y z x displaystyle y z in x nbsp gibt und heisst Wertebereich von x displaystyle x nbsp Ist x displaystyle x nbsp eine Funktion so erhalt man die fur Funktionen ublichen Begriffe von Definitions und Wertebereich Fur eine Klasse x displaystyle x nbsp sei weiter x y z displaystyle x y z nbsp falls das Paar y z displaystyle y z nbsp in x displaystyle x nbsp liegt und es keine weiteren Paare y w x displaystyle y w in x nbsp mit z w displaystyle z not w nbsp gibt Anderenfalls sei x y displaystyle x y nbsp als leere Menge displaystyle emptyset nbsp definiert Ist x displaystyle x nbsp eine Funktion so ist x y displaystyle x y nbsp wie gewohnt der Wert der Funktion an der Stelle y displaystyle y nbsp falls y displaystyle y nbsp aus dem Definitionsbereich D x displaystyle D x nbsp ist und gleich displaystyle emptyset nbsp falls y D x displaystyle y notin D x nbsp Obige Definition ist aber viel allgemeiner sie gilt fur jede Klasse x displaystyle x nbsp Acht Fundamentaloperationen BearbeitenEs werden acht Operationen F 1 F 8 displaystyle mathcal F 1 dotsc mathcal F 8 nbsp definiert die aus zwei Mengen a displaystyle a nbsp und b displaystyle b nbsp eine dritte F i a b displaystyle mathcal F i a b nbsp erzeugen F 1 a b a b displaystyle mathcal F 1 a b a b nbsp das ist die Paarmenge mit den Elementen a displaystyle a nbsp und b displaystyle b nbsp F 2 a b a displaystyle mathcal F 2 a b a cap in nbsp Dabei steht displaystyle in nbsp fur die Elementrelation Das Resultat besteht also aus allen Paaren x y displaystyle x y nbsp in a displaystyle a nbsp mit x y displaystyle x in y nbsp unabhangig von b displaystyle b nbsp F 3 a b a b displaystyle mathcal F 3 a b a setminus b nbsp die Differenzmenge F 4 a b a b displaystyle mathcal F 4 a b a b nbsp das ist die Menge aller Paare x y displaystyle x y nbsp aus a displaystyle a nbsp mit x b displaystyle x in b nbsp Ist speziell a displaystyle a nbsp eine Funktion so ist dies die Einschrankung dieser Funktion auf die Menge b displaystyle b nbsp F 5 a b a D b displaystyle mathcal F 5 a b a cap D b nbsp Dabei ist D b displaystyle D b nbsp der Definitionsbereich von b displaystyle b nbsp F 6 a b a b 1 displaystyle mathcal F 6 a b a cap b 1 nbsp Dabei ist b 1 displaystyle b 1 nbsp die Menge aller Paare y x displaystyle y x nbsp fur die x y displaystyle x y nbsp in b displaystyle b nbsp liegt F 7 a b a c n v 2 b displaystyle mathcal F 7 a b a cap rm cnv 2 b nbsp Dabei ist c n v 2 b displaystyle rm cnv 2 b nbsp die Menge aller Tripel z x y displaystyle z x y nbsp fur die x y z displaystyle x y z nbsp in b displaystyle b nbsp liegt F 8 a b a c n v 3 b displaystyle mathcal F 8 a b a cap rm cnv 3 b nbsp Dabei ist c n v 3 b displaystyle rm cnv 3 b nbsp die Menge aller Tripel x z y displaystyle x z y nbsp fur die x y z displaystyle x y z nbsp in b displaystyle b nbsp liegt Konstruktion von Mengen BearbeitenIm folgenden Schritt werden die acht Fundamentaloperationen zu einer einzigen auf O n displaystyle On nbsp der Klasse aller Ordinalzahlen definierten Funktion F displaystyle F nbsp zusammengefasst Die Idee besteht darin den Ausdruck F i a b displaystyle mathcal F i a b nbsp als Funktion von a b i displaystyle a b i nbsp zu betrachten wobei i displaystyle i nbsp die Zahlen von 1 bis 8 durchlauft und dies mittels eines Isomorphismus O n O n 0 8 O n displaystyle On times On times 0 dotsc 8 rightarrow On nbsp als Funktion auf O n displaystyle On nbsp zu konstruieren Auf der Klasse O n O n 0 8 displaystyle On times On times 0 dotsc 8 nbsp erklare man die folgende Ordnung a b m lt g d n displaystyle alpha beta m lt gamma delta n Leftrightarrow nbsp max a b lt max g d displaystyle max alpha beta lt max gamma delta nbsp oder max a b max g d displaystyle max alpha beta max gamma delta nbsp und a lt g displaystyle alpha lt gamma nbsp oder max a b max g d displaystyle max alpha beta max gamma delta nbsp und a g displaystyle alpha gamma nbsp und b lt d displaystyle beta lt delta nbsp oder a g displaystyle alpha gamma nbsp und b d displaystyle beta delta nbsp und m lt n displaystyle m lt n nbsp Man kann zeigen dass dies eine fundierte Wohlordnung auf O n O n 0 8 displaystyle On times On times 0 dotsc 8 nbsp definiert Deshalb gibt es genau einen Ordnungsisomorphismus J O n O n 0 8 O n displaystyle J colon On times On times 0 dotsc 8 rightarrow On nbsp Weiter sei K j x displaystyle K j x nbsp die j displaystyle j nbsp te Komponente von J 1 x displaystyle J 1 x nbsp falls x displaystyle x nbsp eine Ordinalzahl ist und sonst die leere Menge Dadurch sind Funktionen K 1 K 2 displaystyle K 1 K 2 nbsp und K 3 displaystyle K 3 nbsp definiert Dabei hat K 3 displaystyle K 3 nbsp Werte in 0 8 displaystyle 0 dotsc 8 nbsp man beachte dazu dass 0 displaystyle emptyset 0 nbsp Nun definiert man eine Funktion G displaystyle G nbsp fur alle Mengen x displaystyle x nbsp wie folgt G x W x falls K 3 D x 0 F i x K 1 D x x K 2 D x falls K 3 D x i gt 0 displaystyle G x begin cases W x amp mbox falls K 3 D x 0 mathcal F i x K 1 D x x K 2 D x amp mbox falls K 3 D x i gt 0 end cases nbsp Schliesslich lasst sich mittels transfiniter Induktion aus G displaystyle G nbsp die Konstruktionsfunktion F displaystyle F nbsp definieren F displaystyle F nbsp ist die auf O n displaystyle On nbsp definierte Funktion mit F a G F a displaystyle F alpha G F alpha nbsp fur alle Ordinalzahlen a O n displaystyle alpha in On nbsp Eine Menge x displaystyle x nbsp heisst nun konstruierbar falls es eine Ordinalzahl a displaystyle alpha nbsp gibt mit x F a displaystyle x F alpha nbsp Die ersten Beispiele konstruierbarer Mengen sind F 0 0 displaystyle F 0 0 emptyset nbsp F 1 1 0 displaystyle F 1 1 0 nbsp F 2 0 displaystyle F 2 0 nbsp F 3 0 displaystyle F 3 0 nbsp F 4 0 displaystyle F 4 0 nbsp F 5 0 displaystyle F 5 0 nbsp F 6 0 displaystyle F 6 0 nbsp F 7 0 displaystyle F 7 0 nbsp F 8 0 displaystyle F 8 0 nbsp F 9 2 0 1 displaystyle F 9 2 0 1 dotsc nbsp Die konstruktive Hierarchie und das Konstruierbarkeitsaxiom BearbeitenUblicherweise bezeichnet man mit V displaystyle V nbsp das Mengenuniversum das heisst die Klasse aller Mengen oder kurz V x x x displaystyle V x x x nbsp Mit L displaystyle L nbsp bezeichnet man die Klasse aller konstruierbaren Mengen und es gilt L V displaystyle L subseteq V nbsp Durch die Konstruktion der Elemente von L displaystyle L nbsp mit Hilfe der Ordinalzahlen kann man auf L displaystyle L nbsp in einfacher Weise eine Hierarchie definieren die Konstruktible Hierarchie von Klassen L a displaystyle L alpha nbsp mit a lt b L a L b displaystyle alpha lt beta implies L alpha subseteq L beta nbsp und L a O r d L a displaystyle L bigcup alpha in Ord L alpha nbsp Die sich hier stellende Frage ob jede Menge konstruierbar ist das heisst ob das so genannte Konstruierbarkeitsaxiom V L displaystyle V L nbsp gilt erweist sich als nicht entscheidbar Ersetzt man in den ZF Axiomen alle Quantoren x displaystyle forall x nbsp bzw x displaystyle exists x nbsp die man ja als x V displaystyle forall x in V nbsp bzw x V displaystyle exists x in V nbsp lesen kann durch die eingeschrankten Quantoren x L displaystyle forall x in L nbsp bzw x L displaystyle exists x in L nbsp so kann man nachweisen dass auch dann eingeschrankt auf L displaystyle L nbsp alle ZF Axiome gelten In diesem Sinne ist L displaystyle L nbsp ein Modell fur ZF Man muss hier sehr sorgfaltig zwischen ZF und dem Modell L displaystyle L nbsp fur ZF das mittels ZF konstruiert wurde unterscheiden Im Modell L displaystyle L nbsp sind alle Mengen konstruierbar das heisst es gilt hier das Konstruierbarkeitsaxiom V L displaystyle V L nbsp Daher kann man auf Basis ZF die Existenz nicht konstruierbarer Mengen nicht herleiten denn dieselbe Herleitung musste auch im Modell L displaystyle L nbsp gelten Insbesondere ist die Annahme V L displaystyle V L nbsp als zusatzliches Axiom zu ZF nicht widerspruchlich unter der Annahme dass ZF widerspruchsfrei ist man spricht von relativer Konsistenz Mittels Modelltheorie kann man auch zeigen dass V L displaystyle V L nbsp nicht aus ZF ja nicht einmal aus Z F C G C H displaystyle ZFC GCH nbsp herleitbar ist Weitere Axiome BearbeitenAus dem Konstruierbarkeitsaxiom V L displaystyle V L nbsp lassen sich einige weitere in ZF allein nicht beweisbare Aussagen herleiten diese sind dann ebenfalls relativ konsistent Das Auswahlaxiom Bearbeiten Zu jeder konstruierbaren Menge x L displaystyle x in L nbsp gibt es eine Ordinalzahl a displaystyle alpha nbsp mit x F a displaystyle x F alpha nbsp es sei O d x displaystyle rm Od x nbsp die kleinste Ordinalzahl a displaystyle alpha nbsp mit x F a displaystyle x F alpha nbsp Setze A x y x y L y x z x O d y O d z displaystyle A x y x y in L y in x forall z in x rm Od y leq mathrm Od z nbsp Dann kann man zeigen dass A displaystyle A nbsp eine Funktion ist mit A x x displaystyle A x in x nbsp fur alle nicht leeren x L displaystyle x in L nbsp Damit gilt in ZF unter der zusatzlichen Annahme des Konstruierbarkeitsaxioms das Auswahlaxiom mehr noch es gibt sogar eine universelle Auswahlfunktion namlich obiges A displaystyle A nbsp Man schreibt kurz V L A C displaystyle V L rightarrow AC nbsp Das Auswahlaxiom AC erweist sich also als relativ konsistent In einem Mengenuniversum mit Konstruierbarkeitsaxiom ist das Auswahlaxiom entbehrlich denn es lasst sich herleiten Die verallgemeinerte Kontinuumshypothese Bearbeiten Godel hat ebenfalls gezeigt dass in L displaystyle L nbsp die verallgemeinerte Kontinuumshypothese GCH gilt In ZF kann also aus dem Konstruierbarkeitsaxiom auf GCH geschlossen werden kurz V L G C H displaystyle V L rightarrow GCH nbsp Es ist plausibel dass man zur Gultigkeit der verallgemeinerten Kontinuumshypothese moglichst wenige Mengen im Mengenuniversum haben sollte denn zwischen der Machtigkeit einer unendlichen Menge und der Machtigkeit ihrer Potenzmenge soll es ja keine weiteren Machtigkeiten geben Dies war Godels ursprungliche Motivation fur die Untersuchung der Konstruierbarkeit Die Suslin Hypothese Bearbeiten Die Suslin Hypothese ist in L displaystyle L nbsp falsch wie Ronald Jensen 1968 zeigen konnte Literatur BearbeitenKurt Godel The Consistency of the Axiom of Choice and of the generalized Continuum Hypothesis with the Axioms of Set Theory Annals of Mathematics Studies Bd 3 Princeton University Press Princeton NJ u a 1940 Ronald Jensen Souslin s hypothesis is incompatible with V L In Notices of the American Mathematical Society Bd 15 1968 ISSN 0002 9920 S 935 Gaisi Takeuti Wilson M Zaring Introduction to Axiomatic Set Theory Graduate Texts in Mathematics Bd 1 ZDB ID 2156806 6 Springer New York NY u a 1971 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Konstruierbarkeitsaxiom amp oldid 221399979