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Entscheidung des BundesverfassungsgerichtsKlimabeschlussEntscheidungsdatum 24 Marz 2021Spruchkorper Erster SenatAktenzeichen 1 BvR 2656 18 1 BvR 78 20 1 BvR 96 20 1 BvR 288 20Verfahrensart VerfassungsbeschwerdeEntscheidung BeschlussFundstelle BVerfGE 157 30ECLI DE BVerfG 2021 rs20210324 1bvr265618Angewandtes RechtArt 20a GGDer Klimabeschluss auch Klimaschutz Beschluss des deutschen Bundesverfassungsgerichts vom 24 Marz 2021 1 erklarte Bestimmungen des Bundes Klimaschutzgesetzes KSG mit den Grundrechten fur unvereinbar Dieser Klimabeschluss wird als bislang wichtigste Gerichtsentscheidung im deutschen Klimaschutzrecht verstanden Der Klimaschutz erlangte durch die entsprechende Interpretation von Art 20a des Grundgesetzes und den Freiheitsrechten jungerer Generationen Verfassungsrang Inhaltsverzeichnis 1 Verfassungsbeschwerden 2 Begrundung der Entscheidung 3 Kommentierung 4 Ubersetzungen 5 Literatur Auswahl 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseVerfassungsbeschwerden BearbeitenEingereicht worden waren vier Verfassungsbeschwerden von vorwiegend jungen Menschen sowie von den Organisationen BUND und dem Solarenergie Forderverein Deutschland Vorbereitet wurde sie unter anderem von dem Umweltrechtler Felix Ekardt und der Rechtsanwaltin Roda Verheyen unterstutzt wurde sie von weiteren Umweltorganisationen darunter der Deutschen Umwelthilfe Fridays for Future und Greenpeace Die Verfassungsbeschwerden der klagenden inlandischen naturlichen Personen waren teilweise erfolgreich Das Klimaschutzgesetz wurde mit den Grundrechten fur unvereinbar erklart soweit eine Regelung uber die Fortschreibung der nationalen Minderungsziele fur Zeitraume ab dem Jahr 2031 fehlt 2 Der Gesetzgeber wurde verpflichtet spatestens bis zum 31 Dezember 2022 die Fortschreibung der Minderungsziele fur diese Zeitraume zu regeln Konkret wurden 3 Abs 1 Satz 2 und 4 Abs 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 Zulassige Jahresemissionsmengen verworfen 3 Abs 1 Satz 2 und 4 Abs 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 bleiben jedoch anwendbar Das Gericht konnte dagegen nicht erkennen dass die gesetzlichen Bestimmungen derzeit eine grundrechtliche Schutzpflicht verletzten Gegenwartig wurde der durch die grundrechtliche Schutzpflicht belassene Entscheidungsspielraum namlich noch nicht uberschritten Das Gericht gestand Regierung und Gesetzgeber insoweit die Annahme zu dass die Begrenzung des Anstiegs der Durchschnittstemperatur durch Anpassungsmassnahmen im Sinne von 1 Satz 3 KSG die Folgen des Klimawandels in Deutschland soweit lindern konnten dass das durch Art 2 Abs 2 Satz 1 GG gebotene Schutzniveau gewahrt wird Die Verfassungsbeschwerden der klagenden Verbande wurden aufgrund einer fehlenden Klagebefugnis als unzulassig verworfen Die Verfassungsbeschwerden der auslandischen naturlichen Personen wies das Bundesverfassungsgericht als unbegrundet zuruck Begrundung der Entscheidung Bearbeiten nbsp Demonstranten mit einem Transparent zur Schutzpflicht aus Art 20a GGDer einstimmig gefasste Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichtes wurde von der Berichterstatterin Gabriele Britz entworfen 3 Zur Begrundung fuhrte das Gericht aus das Gesetz verschiebe hohe Emissionsminderungslasten unumkehrbar auf Zeitraume nach 2030 Dies gehe zu Lasten der jungeren Generation Die Erwarmung zu begrenzen sei dann nur mit immer dringenderen und kurzfristigeren Massnahmen machbar Davon seien dann praktisch samtliche grundgesetzlichen Freiheitsrechte potenziell betroffen weil derzeit noch immer fast alle Bereiche menschlichen Lebens mit der Emission von Treibhausgasen verbunden und damit nach 2030 von drastischen Einschrankungen bedroht seien Dabei nehme das relative Gewicht des Klimaschutzgebots in der Abwagung bei fortschreitendem Klimawandel weiter zu Mit den naturlichen Lebensgrundlagen musse laut Art 20a GG sorgsam umgegangen werden sie mussten der Nachwelt in einem Zustand hinterlassen werden dass nachfolgende Generationen diese nicht nur um den Preis radikaler eigener Enthaltsamkeit weiter bewahren konnten Es durfe nicht dazu kommen dass einer Generation das Recht zugestanden werde unter vergleichsweise milder Reduktionslast grosse Teile des CO2 Budgets zu verbrauchen wenn damit zugleich den nachfolgenden Generationen eine radikale Reduktionslast uberlassen und deren Leben umfassenden Freiheitseinbussen ausgesetzt wurde Der Gesetzgeber hatte deshalb Vorkehrungen treffen mussen um diese hohen Lasten abzumildern Das Gericht verpflichtete den Gesetzgeber bis Ende 2022 die Reduktionsziele fur Treibhausgasemissionen fur die Zeit nach 2030 naher zu regeln Zu einer Anderung der Reduktionsziele bis 2030 wurde der Gesetzgeber hingegen nicht verpflichtet gegen diese gerichtete Beschwerden wurden zuruckgewiesen 4 5 Das Bundesverfassungsgericht hob in seinen Leitsatzen im Hinblick auf den Umgang mit wissenschaftlichen Unwagbarkeiten heraus dass Art 20a GG den Gesetzgeber auch zugunsten zukunftiger Generationen zu besonderer Sorgfalt verpflichte Er muss schon die Moglichkeit gravierender oder irreversibler Beeintrachtigungen berucksichtigen wenn es belastbare Hinweise darauf gibt Im Hinblick auf den globalen Charakter des Klimaproblems fuhrte das Gericht aus dass die Pflicht zum Klimaschutz vom Staat verlangt im Rahmen internationaler Abstimmung auf Klimaschutz hinzuwirken Zugleich muss der Staat auch um durch eigenes Handeln das internationale Zusammenwirken nicht zu unterlaufen eigene Klimaschutzmassnahmen ergreifen Der Staat konne sich nicht seiner Verantwortung durch den Hinweis auf die Treibhausgasemissionen in anderen Staaten entziehen 4 Kommentierung Bearbeiten Hauptartikel Gerichtsverfahren zum Klimawandel Deutschland Ruckblickend sagte Susanne Baer zu den Motiven des Senats Wir haben gedacht Jugendliche haben Rechte und es ist die Aufgabe des Gerichts dem Gesetzgeber klarzumachen dass er diese Rechte angemessen berucksichtigt 6 Thomas Gross konstatierte im Marz 2023 Wenn man mit dem Abstand von zwei Jahren auf die Entscheidung und ihre Nicht Folgen sieht muss die Bewertung deutlich nuchterner ausfallen Zum einen wird meist ubersehen dass die unmittelbare Wirkung des Beschlusses denkbar gering war Vor allem wird er aber von der Politik von den Verwaltungsgerichten und sogar vom Bundesverfassungsgericht selbst nicht umgesetzt Das Problem wie effektiver Klimaschutz durchgesetzt werden kann ist nach wie vor nicht gelost 7 Ubersetzungen BearbeitenDas Gericht veroffentlichte den Beschluss auf seiner Website auch in Ubersetzungen auf Englisch Franzosisch und Spanisch Literatur Auswahl BearbeitenStephan Rixen Eva Maria Welskop Deffaa Klimasozialpolitik Der Klimaschutz Beschluss des Bundesverfassungsgerichts und seine Folgen Lambertus Verlag Freiburg 2023 ISBN 978 3 7841 3569 4 Martin Eifert Verfassungsauftrag zum freiheitsschonenden Klimaschutz Der Klimaschutz Beschluss des BVerfG In JURA Juristische Ausbildung Band 43 Nr 9 29 Juli 2021 ISSN 1612 7021 S 1085 1098 doi 10 1515 jura 2021 2910 degruyter com abgerufen am 9 Juli 2023 Lara van Leeuwen Klimawandel und Grundgesetz Umfang und Grenzen eines verfassungsrechtlichen Anspruchs auf Klimaschutz In Schriften zum Klimaschutzrecht Nr 2 Nomos Baden Baden 2023 ISBN 978 3 7489 4217 7 doi 10 5771 9783748942177 nomos elibrary de abgerufen am 9 Juli 2023 Michael Sachs Grundrechte Klimawandel In Juristische Schulung JuS Band 2021 S 708 711 Weblinks BearbeitenVolltext des Beschlusses mit Leitsatzen Verfassungsbeschwerden gegen das Klimaschutzgesetz teilweise erfolgreich Pressemitteilung Nr 31 2021 Bundesverfassungsgericht 29 April 2021 abgerufen am 8 Juli 2023 Volltextveroffentlichungen Besprechungen und Nachweise bei dejure orgEinzelnachweise Bearbeiten Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 24 Marz 2021 Az 1 BvR 2656 18 1 BvR 96 20 1 BvR 78 20 1 BvR 288 20 1 BvR 96 20 1 BvR 78 20 ECLI DE BVerfG 2021 rs20210324 1bvr265618 BVerfGE 157 30 177 BVerfG Beschluss vom 24 Marz 2021 1 BvR 2656 18 u a Klimaschutz Siehe Bundesverfassungsgericht Pressemitteilung Nr 42 2023 vom 17 April 2023 Christian Rath bezeichnet die Richterin Gabriele Britz als juristische Mutter des legendaren Karlsruher Klimabeschlusses vom Fruhjahr 2021 vgl Christian Rath Verfassungsrichterin Gabriele Britz geht Eine Juristin die Spuren hinterlasst In Legal Tribune Online 16 April 2023 lto de abgerufen am 17 April 2023 a b Bundesverfassungsgericht Beschluss des Ersten Senats vom 24 Marz 2021 Az 1 BvR 2656 18 1 BvR 78 20 1 BvR 96 20 1 BvR 288 20 24 Marz 2021 abgerufen am 29 April 2021 Suddeutsche Zeitung Klimaschutzgesetz in Teilen verfassungswidrig Abgerufen am 29 April 2021 Heinrich Wefing Erschutternd dramatisch und langweilig Susanne Baer war die erste offen homosexuelle Richterin am Bundesverfassungsgericht Nun ist ihre Amtszeit zu Ende Ein Gesprach uber Feminismus in der Justiz die Corona Urteile und die Rolle des Rechts in der Klimakrise In Die Zeit Nr 10 2 Marz 2023 S 9 zeit de abgerufen am 3 Marz 2023 Thomas Gross Zwei Jahre Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts Eine Zwischenbilanz der weitgehenden Rezeptionsverweigerung In Verfassungsblog 18 Marz 2023 doi 10 17176 20230318 185144 0 verfassungsblog de abgerufen am 10 Juli 2023 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Klimabeschluss amp oldid 239508840