Das Konjunkturpaket II (vollständiger Name: Pakt für Beschäftigung und Stabilität in Deutschland zur Sicherung der Arbeitsplätze, Stärkung der Wachstumskräfte und Modernisierung des Landes) war ein Konjunkturprogramm in Deutschland, das im Januar 2009 von der Bundesregierung beschlossen wurde, um die Auswirkungen der internationalen Finanzkrise auf die Realwirtschaft zu mildern und die schwere Rezession im Winterhalbjahr 2008/09 zu überwinden. Es schloss sich an das frühere Konjunkturpaket vom November 2008 (im Nachhinein als Konjunkturpaket I bezeichnet) an, hatte aber einen größeren fiskalischen Umfang. Die meisten der konjunkturpolitischen Maßnahmen liefen zum Jahresende 2010 aus, vorher begonnene Projekte aus dem Zukunftsinvestitionsgesetz wurden noch bis Ende 2011 gefördert.
Vorgeschichte Bearbeiten
Schon während der Diskussion um das Maßnahmenpaket „Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung“ (sogenanntes Erstes Konjunkturpaket) im November 2008 wurden erste Diskussionen innerhalb der Großen Koalition um ein weiteres Konjunkturprogramm laut. Dabei forderte der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer weitere Steuersenkungen.
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und die Sozialdemokratische Partei Deutschlands lehnten jedoch Steuersenkungen ab und forderten stattdessen eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge, insbesondere eine Senkung der Beiträge zum Gesundheitsfonds.
SPD-Positionen Bearbeiten
Das SPD-Präsidium beschloss seinen Pakt für Wachstum und Stabilität. Dieser sah einen Deutschlandfonds für Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Zukunftstechnologien vor. Die SPD will danach „Arbeit sichern, Menschen stärken, Zukunftsmärkte erschließen und den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft voranbringen“.
Der Eigenanteil von 0,9 Prozent zum Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sollte aus Steuermitteln finanziert werden; dafür hätte der Bund ca. 10 Milliarden Euro jährlich ausgeben müssen. Das SPD-Modell sah ein Finanzvolumen von zirka 40 Milliarden Euro vor.
CDU-Positionen Bearbeiten
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hatte sich am 4. Januar 2009 nach sechsstündigen Verhandlungen im Bundeskanzleramt auf eine gemeinsame Liste verständigt. Diese sah insbesondere eine Steuersenkung zur Abmilderung der Kalten Progression durch eine Erhöhung des steuerlichen Grundfreibetrages von derzeit 7.664 Euro auf künftig 7.834 Euro (ab dem 1. Januar 2009) und ab dem 1. Januar 2010 auf 8.004 Euro im Einkommensteuertarif vor.
Einigung und Beschlüsse Bearbeiten
Am 12. Januar 2009 einigte sich der Koalitionsausschuss im Kanzleramt auf folgende Beschlüsse:
- Beschluss 1: Zukunftsinvestitionen der öffentlichen Hand.
- Beschluss 2: Beschleunigung von Investitionen durch Vereinfachung des Vergaberechts.
- Beschluss 3: Kredit- und Bürgschaftsprogramm.
- Beschluss 4: Ausweitung der bundesgedeckten Exportfinanzierung
- Beschluss 5: Innovationsförderung des Bundes
- Beschluss 6: Breitbandstrategie der Bundesregierung
- Beschluss 7: Stärkung der PKW-Nachfrage
- Beschluss 8: Neuregelung der Kraftfahrzeugsteuer
- Beschluss 9: Förderung anwendungsorientierter Forschung im Bereich Elektromobilität
- Beschluss 10: Beschäftigungssicherung
- Beschluss 11: Senkung der Einkommensteuer
- Beschluss 12: Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung
- Beschluss 13: Familien- und kinderbezogene Leistungen
Die Regelsätze für Kinder im Alter von 6 bis 13 nach SGB II („Hartz IV“) und SGB XII (Sozialhilfe) werden zum 1. Juli 2009 von bis dahin 60 auf 70 % des Eckregelsatzes erhöht.
- Beschluss 14: Beschluss zur Einführung einer neuen Schuldenbegrenzungsregel
Kredit- und Bürgschaftsprogramm für die Wirtschaft Bearbeiten
Beschluss 3 sah ein Kredit- und Bürgschaftsprogramm für die Wirtschaft vor, das zwischenzeitlich im 2011 ausgelaufenen Wirtschaftsfonds Deutschland umgesetzt war. Aufgrund der Finanzkrise ab 2007 hatten mittlere und große Unternehmen zunehmende Finanzierungsprobleme, die jedoch inzwischen wieder abgeflaut sind.
Dazu wurde das Bürgschaftsvolumen von 15 Milliarden Euro aus dem Konjunkturpaket I vom 5. November 2008 um 100 Milliarden Euro aus dem Konjunkturpaket II – Beschluss 3 ausgeweitet. Es wurden neue Bürgschaftsinstrumente für Leasing- und Factoringgesellschaften eingeführt.
Es war eine Flexibilisierung der Bedingungen des mittelstandsorientierten KfW-Sonderprogrammes vorgesehen. Ein KfW-Sonderkreditprogramm über 25 Milliarden Euro sollte auch großen Unternehmen (Umsatz über 500 Mio. Euro) bereitgestellt werden.
Das Kredit- und Bürgschaftsprogramm war am 19. Februar 2009 von der EU-Kommission genehmigt worden. Federführend war das Bundeswirtschaftsministerium.
Finanzvolumen Bearbeiten
Der Internationale Währungsfonds bezifferte die von der Bundesregierung gesetzten Impulse für das Jahr 2008 mit 4 Mrd. Euro oder 0,1 % des Bruttoinlandsprodukts, für 2009 mit 40 Mrd. Euro (1,6 %) und für 2010 mit 24 Mrd. Euro (0,9 %). Er selbst empfahl für 2009 ein Volumen in Höhe von 1 ½ % bis 2 % des Bruttoinlandsprodukts. Das Konjunkturpaket selbst wurde mit zusätzlicher Schuldenaufnahme in Höhe von 36,8 Mrd. Euro finanziert.
Gesetzgebungsverfahren Bearbeiten
Die Große Koalition einigte sich in einer zweiten Verhandlungsrunde am 12. Januar 2009 auf das zweite Konjunkturpaket. Am 13. Januar wurde es in den Fraktionen beraten und am 14. Januar im Bundeskabinett beschlossen. Das Konjunkturpaket beinhaltete vier Gesetze:
- Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 106, 106b, 107, 108),
- Gesetz zur Neuregelung der Kraftfahrzeugsteuer und Änderung anderer Gesetze,
- Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland und das
- Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2009 (Nachtragshaushaltsgesetz 2009)
Die Beratung im Haushaltsausschuss des Bundestages erfolgte am 9. Februar und die Verabschiedung durch den Bundestag am 13. Februar. Am 20. Februar 2009 hat der Bundesrat dem Konjunkturpaket II zugestimmt, am 6. März 2009 ist es in Kraft getreten.
Prüfung Bearbeiten
Am 6. Oktober 2009 kündigten mehrere Bundesländer an vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das dem Bundesrechnungshof eingeräumte Prüfrecht zu klagen. Die Finanzminister sprechen dem Bund das Recht ab, die Verwendung von Geldern aus dem Konjunkturprogramm in Ländern und Kommunen durch den Bundesrechnungshof zu überprüfen. Dies soll durch die Landesparlamente und Landesrechnungshöfe geschehen.
Effekte und Bewertung Bearbeiten
Die Zeitschrift Wirtschaftsdienst hat anhand einer Simulation auf Grundlage des RWI-Konjunkturmodells die Effekte des Konjunkturpakets II berechnet. Im Februar 2009 ging man davon aus, dass sich die Zuwachsrate des Bruttoinlandprodukts 0,5 % für das Jahr 2009 und 0,3 % für das Jahr 2010 erhöhen würde. Gegenüber der ursprünglich geplanten Umsetzung änderten sich jedoch zwei Entscheidende Punkte: Erstens wurden die Mittel der Abwrackprämie schon im Laufe des Jahres 2009 zu 80 % ausgeschöpft und das Gesamtvolumen von 1,5 auf 5 Mrd. Euro erhöht. Zweitens wurden die Bestimmungen für Maßnahmen, die gefördert werden sollten gelockert. Ein weiteres Problem gab es bei der Umsetzung. So lief das Investitionsprogramm nur schleppend an und bis Ende 2009 waren erst 13 % der zur Verfügung stehenden Summe abgerufen. Ursprünglich sollten bis Ende 2009 aber schon 50 % der Mittel ausgegeben worden sein. Mit einer aktualisierten Simulation kommt Wirtschaftsdienst 2011 auf stärkere Auswirkungen des Programms zu Beginn. Im Jahr 2009 habe das Konjunkturpaket den Anstieg des realen BIPs um 0,7 % erhöht. 2010 habe das Programm den Anstieg des BIPs dagegen um 0,2 % gedämpft.
Schlussendlich sei die Umsetzung des Konjunkturpakets zu langsam angelaufen und habe damit eine langfristige Stabilisierung der Wirtschaft erschwert. Vielmehr habe es nur ein Einbrechen der Wirtschaftsleistung nach dem Auslaufen kurzfristiger Maßnahmen wie der Abwrackprämie verhindert.
Einzelnachweise Bearbeiten
- ↑ (Memento vom 30. Januar 2012 im Internet Archive), S. 8
- (Memento vom 20. Dezember 2008 im Internet Archive)
- (Memento vom 27. Januar 2009 im Internet Archive)
- (Memento vom 19. Dezember 2008 im Internet Archive)
- (Memento vom 19. Dezember 2008 im Internet Archive)
- Pakt für Wachstum und Stabilität. SPD-Stadtverband Sendenhorst, 5. Januar 2009, abgerufen am 18. März 2018.
- SPD fordert 40-Milliarden-Konjunkturprogramm. Bild, 21. April 2010, abgerufen am 18. März 2018.
- Koalitionsrunde: SPD prescht mit 40-Milliarden-Konjunkturprogramm vor. Spiegel Online, 4. Januar 2009, abgerufen am 18. März 2018.
- (Memento vom 26. März 2009 im Internet Archive)
- (Memento vom 27. Januar 2009 im Internet Archive)
- Single-Eltern – Kinderbonus lohnt nur bis 1800 Euro
- (Memento des vom 8. August 2014 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- (Memento vom 27. März 2009 im Internet Archive)
- (Memento vom 27. März 2009 im Internet Archive)
- (Memento vom 27. März 2009 im Internet Archive)
- (Memento vom 21. Februar 2009 im Internet Archive)
- Pdf-File Germany: 2008 Article IV Consultation—Staff Report; Staff Supplement; Public Information Notice on the Executive Board Discussion; and Statement by the Executive Director for Germany, Januar 2009. S. 25.
- Länder machen Weg frei: Zweites Konjunkturpaket verabschiedet. In: FAZ. 20. Februar 2009, abgerufen am 17. März 2018.
- (Memento vom 30. Januar 2012 im Internet Archive) vom 19. März 2009, BGBl. I, S. 606
- (Memento des vom 30. Januar 2012 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. – Kraftfahrzeugsteueränderungsgesetz – KraftStÄndG vom 29. Mai 2009, BGBl. I, S. 1170
- Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland vom 2. März 2009, BGBl. I, S. 416
- Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2009 (Nachtragshaushaltsgesetz 2009) vom 27. Februar 2009, BGBl I, S. 406
- (Memento vom 17. April 2010 im Internet Archive)
- Länder bestreiten Prüfkompetenz des Bundes bei Konjunkturprogramm
- György Barabas, Roland Döhrn, Heinz Gebhardt: Was brachte das Konjunkturpaket II? In: Wirtschaftsdienst 2011, Heft 7, S. 496–498. Juli 2011, abgerufen am 17. März 2018.
Weblinks Bearbeiten
- general-anzeiger-bonn.de: Beschlüsse der Koalition zum Download
- Höheres Tempo erforderlich – Zu den Wirkungen des Konjunkturpakets II (PDF; 130 kB) (PDF; 130 kB) Gustav Horn, Peter Hohlfeld, Achim Truger, Rudolf Zwiener: „Höheres Tempo erforderlich – Zu den Wirkungen des Konjunkturpakets II“, Policy Brief des IMK, Düsseldorf, Januar 2009
- (Memento vom 22. April 2009 im Internet Archive)