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Das Graberfeld von Gross Timmendorf ist ein Urnenfriedhof in der Gemeinde Timmendorfer Strand Kreis Ostholstein und liegt am westlichen Ortsrand von Gross Timmendorf auf der Derbergschen Koppel und grenzt an die Dorfstrasse die nach Pansdorf fuhrt 1 Seit den 1960er Jahren wurde das Graberfeld abschnittsweise von Einfamilienhausern uberbaut Bis zu seiner Zerstorung war es 1993 die grosste Nekropole der Eisenzeit in Norddeutschland Sie wurde in den Jahren 1960 1976 und 1993 durch das Landesdenkmalamt Schleswig Holstein wissenschaftlich untersucht Am Timmendorfer Waldfriedhof befindet sich ein weiteres Urnengrab mit der Kartierung LA 13 und in dessen unmittelbarer Nahe liegt ein Megalithgrab aus der Steinzeit LA 14 1 Inhaltsverzeichnis 1 Bedeutung der Graberfelder in Norddeutschland 2 Entdeckung und Erschliessung des Graberfeldes von Gross Timmendorf 3 Ergebnisse der archaologischen Analyse 4 Heutiger Zustand des Graberfeldes 5 Literatur 6 EinzelnachweiseBedeutung der Graberfelder in Norddeutschland BearbeitenZentrale Fragen der archaologischen Analyse von Graberfeldern sind neben der chronologischen Einordnung der Graber die sozialen Strukturen in denen die vor und fruhgeschichtlichen Gesellschaften gelebt haben Aufschluss daruber geben die Bestattungssitten wie Grabbeigaben der Grabbau und die Belegungsstruktur der Graberfelder 2 Der Ubergang von der Bronze zur Eisenzeit um 500 wird durch mehrere Umstande gekennzeichnet Klimaverschlechterung die Verwendung des einheimischen Raseneisens und die keltische Expansion welche zu einer Umlenkung der Warenstrome zwischen Nord und Sud fuhrte wie auch die metallische Eigenproduktion forderte Die Vielzahl der Graberfelder im norddeutschen Raum aus der jungeren Bronzezeit 800 bis 500 v Chr und in der gesamten vorromischen Eisenzeit zeigen trotz der geschichtlichen Umbruche eine erstaunliche Siedlungskontinuitat 3 Die Siedlungen werden der Jastorf Kultur zugeordnet benannt nach dem Urnenfriedhof von Jastorf bei Uelzen Die Herstellung der Urnengefasse aus Keramik in einheitlichen Grossen in den jeweiligen Altersklassen der Verstorbenen deutet auf bereits bestehende sozio kulturelle Regeln dieser Gesellschaften hin Dieses betrifft auch den Umgang mit Grabbeigaben Alle vorgefundenen Fibeln Gewandschliessungen entstammen Grabinventaren Da fast alle Fibeln Brandspuren aufweisen wird angenommen dass sie Teil der Totentracht waren Sie befanden sich auf den Brandschuttungen in den Urnen wo sie offenbar bewusst hingelegt wurden Aus Siedlungen sind keine Fibeln uberliefert 2 4 Die Analysen der Gesellschaftsstrukturen Sozialstruktur der Siedlungsgemeinschaften der Jastorf Kultur lassen auf segmentare Gesellschaften schliessen flache Sozialstruktur Eine Form der Hauptlings oder Kleinkonigtumer konnte dagegen nicht festgestellt werden Das Graberfeld von Gross Timmendorf weist entsprechend der Grosse und Belegungsdauer der Grabfelder auf eine kleinregionale Gemeinde sowie auf eine solide Sesshaftigkeit mit Viehhaltung und Landwirtschaft hin Die Gemeinden bildeten aber noch keine geschlossenen Siedlungsgebiete 5 Im Unterschied zur vorromischen Eisenzeit haben die folgenden 1000 Jahre im Norden kaum archaologisch auswertbare Spuren hinterlassen Es war die Zeit der Jahrhunderte andauernden Volkerwanderungen und der damit verbundenen Wirren Entdeckung und Erschliessung des Graberfeldes von Gross Timmendorf BearbeitenDas Graberfeld von Gross Timmendorf wurde bereits 1892 von einem Bauern auf seiner Koppel entdeckt 6 Uber die Fundstelle des Graberfeldes von Gross Timmendorf wurde auch im Lubecker Generalanzeiger von 1892 berichtet In Gross Timmendorf befindet sich ein grosses Graberfeld Die Graber sind von kreisformig angelegten Felssteinen bedeckt In der Mitte ca Meter unter der Oberflache befinden sich schwarze Urnen mit Uberresten menschlicher Gebeine und verschiedenen Beigaben wie Ketten Armspangen Broschen 1 Eine grossere Anzahl von Urnen mit Grabbeigaben wurde ausgegraben und verkauft 1893 bis 1894 wurden erste Ausgrabungen vom Kieler Museum fur vaterlandische Altertumer durchgefuhrt Wegen hoher Schadensanspruche des Besitzers der Landflache des Graberfeldes wurden die Untersuchungen abgebrochen In den 1920er Jahren wurden weitere Urnen geborgen die z T in Privatsammlungen und in die Museen von Oldenburg und Berlin gingen Wegen der fehlenden Zuordnung der Urnen und der Grabbeigaben zum Graberfeld und die nicht mehr vorhandenen Leichenbrandschuttungen war deren wissenschaftliche Bedeutung gering Erste grossflachige Ausgrabungen wurden 1959 1960 von Hans Hingst vom Landesamt fur Vor und Fruhgeschichte durchgefuhrt bei denen 437 Einzelfundstellen und Grabanlagen freigelegt und dokumentiert wurden 2 Es zeigte sich auch dass der eisenzeitliche Urnenfriedhof eine Siedlung aus der Bronzezeit uberlagerte In den tieferen Schichten fand man Flintabschlage und Gerate wie Loffelschaber herzformige Pfeilspitzen und Feuerschlagsteine Pfostenspuren lassen Hausgrundrisse vermuten Das gesamte Graberfeld ist in verschiedene Bestattungskomplexe in Form von Mulden mit 40 bis 80 Meter Durchmesser unterteilt die sich klar voneinander abgrenzen In den Mulden befinden sich die Graber die von kreisformig angelegten Steinpackungen uberdeckt sind Die Steinpackungen in Grossen von 0 5 bis 4 Meter Durchmesser liegen in einer grosseren Anzahl dicht nebeneinander und bilden so einen Steinpflasterfriedhof siehe photographische Abbildung in 1 Im Zentrum dieser Steinkreise befinden sich die Urnen die von doppelt faustgrossen Rollsteinen umschlossen waren Es fanden sich auch Grabgruben aus Steinplatten mit Ascheresten ohne Behaltnis Die Fullerde der Graber bestand im Gegensatz zum vorhandenen Lehm aus humus durchsetztem Sand Die aus feinem Ton hergestellten Gefasse waren weitbauchig wie auch als zweigliedrige Flaschen geformt und mit Beigaben wie Plattenfibeln Gurtelschliessungen und Nadel versehen 1976 1977 erfolgten weitere Ausgrabungen von 160 Grabern nachdem zuvor durch Bauarbeiten grossere Teile des Grabfeldes zerstort wurden Die Erschliessung der Graberfelder fand parallel zu den Bauprojekten statt 1993 wurden der verbleibende Teil des Grabfeldes untersucht und weitere 479 Graber freigelegt und dokumentiert 6 Die folgenden Belegungsdauern der Grabfelder wurden ermittelt 2 Gross Timmendorf 1 von 1960 550 200 v Chr Gross Timmendorf 2 von 1976 550 50 v Chr Gross Timmendorf 3 von 1993 550 150 v Chr Insgesamt wurden ein Feld von 6150 m freigelegt und 1058 Bestattungen dokumentiert Ca 200 bis 250 Graber wurden zerstort und bleiben daher undokumentiert Mit ca 1300 Bestattungen gehort es zum grossten Graberfeld im Gebiet der Jastorf Kultur Ergebnisse der archaologischen Analyse BearbeitenIm Unterschied zur Korperbestattung in der fruheren Jungsteinzeit und dem fruhen Mittelalter fanden in der Eisenzeit uberwiegend Brandbestattungen statt Die Diagnostizierung des Leichenbrandes ist daher deutlich schwieriger Die Lebensalterbestimmungen erfolgten uberwiegend histo morphometrisch am Knochen Dunnschliff was verhaltnismassig gute Altersbestimmungen zulasst Auch der Entwicklungsstand des Gebisses ist insbesondere bei Jungeren ein verlasslicher Altersindikator 7 Die Untersuchungen der Urnenfelder zeigen geschlechtsspezifische Unterschiede in Form von so einer Uberzahl von weiblichen Individuen was jedoch den normalen demografischen Verhaltnissen nicht entspricht Auffallig sind auch Unterschiede in der Anzahl der Grabbeigaben die bei Frauen und Kindern in der Regel grosser ist was auf die kulturelle Bedeutung des Geschlechts hinweist 2 Die unterschiedlichen Grossen der Urnen das Fassungsvermogen der Urnen fur die Leichenbrandmengen von Kindern Jugendlichen und Erwachsenen lassen eine grobe Unterscheidung der Sterbealter dieser drei Altersgruppen zu Die Untersuchungen des Sterbealters zeigen eine hohe Sterberate im Kindes wie Jugendalter die im Verlauf von der alteren zur jungeren vorromischen Eisenzeit tendenziell abnimmt Gross Timmendorf 1 zu Gross Timmendorf 2 Aufschlusse uber die Sozialstrukturen der Menschen sind durch die Grabbeigaben bedingt moglich die bei etwas weniger als der Halfte der Graber vorliegen Es handelt sich hierbei im Wesentlichen um kleinere metallene Beigaben wie Gewandschnallen und nadeln die eine Unterscheidung in arme und reiche Graber zulassen Gross Timmendorf 3 Die Verteilungsmuster der Graber Gross Timmendorf 1 zeigen Belegungsgruppen aus allen Altersstrukturen und beiden Geschlechtern was auf Verwandtschafts und Haushaltsverbande hinweist Aus diesen Untersuchungen wird geschlossen dass in den weitgehend autonomen Siedlungsgemeinschaften nur geringe soziale Unterschiede vorherrschten dass sie also eine segmentare Gesellschaftsform besassen 2 Heutiger Zustand des Graberfeldes BearbeitenNach der Untersuchung des Graberfeldes wurden die Leichenbehalter geborgen und befinden sich seitdem beim Archaologischen Landesamt Schleswig Holstein in Schleswig in Verwahrung Die Reste des Graberfeldes wurden abgetragen und das Gelande verfullt In der Folgezeit entstanden dort Einfamilienhauser Damit ist der grosste Teil des Graberfeldes zerstort Lediglich unter der Dorfstrasse befinden sich vermutlich noch einige Auslaufer des Graberfeldes und konnten eventuell die Zeit uberdauert haben 21 archaologische Funde in der Gemeinde Timmendorfer Strand zu denen auch die zwei Urnengraberfelder Gross Timmendorf LA 17 und am Timmendorfer Waldfriedhof LA 13 zahlen sind vom Landesamt fur Vor und Fruhgeschichte von Schleswig Holstein LVF in der Kartei der Archaologischen Landesaufnahme LA erfasst vgl zugehorige Karte Standorte der Fundorte mit ihren Kartierungsnummern in 1 Literatur BearbeitenHans Hingst Urnenfriedhofe der vorromischen Eisenzeit aus Sudholstein Ebd 67 Neumunster 1989 Hans Hingst u a Urnenfriedhofe aus Schleswig Holstein Leichenbranduntersuchungen und kulturelle Analyse Germania 68 1990 S 167 222 Lars Fischer Andres Dobat Schmieden reparieren und recyceln Techniken der Eisenverarbeitung in der vorromischen Eisenzeit Norddeutschlands am Beispiel des Graberfeldes von Gross Timmendorf Kreis Ostholstein In Offa Bd 57 2000 ISSN 0078 3714 S 117 143 Lars Fischer Das Graberfeld der vorromischen Eisenzeit von Gross Timmendorf Kr Ostholstein Untersuchungen zu Chronologie raumlicher Struktur und gesellschaftlichem Wandel Kiel 2001 Kiel Universitat Dissertation 2000 Einzelnachweise Bearbeiten a b c d e Wolfgang Bauch Archaologische Funde in der Gemeinde Timmendorfer Strand Chronik Timmendorfer Strand 2 Auflage 1979 a b c d e f Steffen Knopke Horizontale Sozialstrukturen auf den Urnenfriedhofen der vorromischen Eisenzeit Tagung Bamberg 2004 S 127 136 abgerufen am 28 Februar 2018 1 Thomas Riis Wirtschafts und Sozialgeschichte Schleswig Holsteins Leben und Arbeiten in Schleswig Holstein vor 1800 Verlag Ludwig 2009 2 Jochen Brand Auf der Suche nach der Jastorf Fibel Die altereisenzeitlichen Plattenfibeln Norddeutschlands Archaologisches Museum 2011 Georg Schipporeit Timmendorfer Strand und Niendorf Verlag Gronenberg 2002 a b Rimtautas Dapschauskas Die Westgruppe des Jastorf Graberfeldes von Muhlen Eichsen Untersuchungen zu Keramiktypologie und Grabbau 1 2 Vorlage Toter Link www academia edu Seite nicht mehr abrufbar festgestellt im November 2022 Suche in Webarchiven nbsp Info Der Link wurde automatisch als defekt markiert Bitte prufe den Link gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis Jena 9 November 2012 3 Wolf Rudiger Teegen Homo sapiens in der Eisenzeit in Nordwest und Mitteldeutschland in Studien zur Lebenswelt der Eisenzeit Festschrift fur Rosemarie Muller 1 Januar 2006 670 Seiten 53 988519 10 742078 Koordinaten 53 59 18 7 N 10 44 31 5 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Graberfeld von Gross Timmendorf amp oldid 227838748