Die Goslarer Unruhen von 1527 waren ein politisch-sozial und religiös bedingter Konflikt in der Reichsstadt Goslar, der zur Verwüstung mehrerer Kirchen und Klöster führte.
Vorgeschichte Bearbeiten
Wie in vielen Städten des Reichs gab es auch in Goslar einen eingewurzelten Groll der Handwerkergilden gegen den vom Patriziat dominierten Stadtrat und gegen die gerichts- und abgabenfreien Klöster und Stifte. Die Unzufriedenheit, verstärkt durch Verarmung und Not beträchtlicher Bevölkerungsteile, verband sich nach 1517 mit den Anliegen der Reformation. Als der Dechant des Domstifts Diedrich Rorbeck 1524 wegen der umstrittenen Neubesetzung der Stiftspfarrei St. Thomas an den Papst appellierte, sammelte sich am 25. Februar eine wütende Volksmenge, stürmte und plünderte den Dechantenhof, entführte den Dechanten in den Harz und ermordete ihn dort. St. Jakobi, die Kirche der Handwerker, wurde in den frühen 1520er Jahren Zentrum der reformatorischen Ideen. In ihrem Umkreis entstand 1525 eine Zusammenstellung von Gravamina an den Rat. Darin wurden die freie Wahl evangelisch lehrender Prediger, aber auch eine gewisse Selbstverwaltung der Handwerkerschaft sowie eine große Zahl konkreter wirtschaftlicher Schutzregelungen gefordert.
Die Spannungen in der Stadt wurden explosiv durch den Druck, den der Braunschweiger Herzog Heinrich II. zur Wiedergewinnung des Rammelsberger Erzbergbaus ausübte. Dieser befand sich seit Jahrhunderten im Pfandbesitz der Stadt und war ihre Haupteinnahmequelle. Heinrich strebte die Rückgewinnung an und veranlasste die Inbesitznahme der Bergwerksanlagen, was dort zu blutigen Auseinandersetzungen führte.
Verlauf Bearbeiten
Für die aufgebrachte Volksmenge war das reiche St.-Georgs-Stift auf dem Georgenberg vor dem Rosentor ein Hauptanstoß des Ärgernisses. Es stand unter herzoglicher Oberhoheit, hielt – wie der Herzog – am katholischen Gottesdienst fest und konnte bei einem Angriff gegen die Stadt als Stützpunkt genutzt werden. Eine zeitgenössische Quelle, die Carl Wolff wiedergibt, schildert die Ereignisse so:
In der Folge wurden auch das St.-Peters-Stift auf dem Petersberg, die Johanniterkommende Zum Heiligen Grab vor dem Vititor und die Pfarrkirche St. Johannes am Hang des Rammelsbergs geplündert und niedergebrannt. Im Dom, in der Thomaskirche und im Kloster Neuwerk wurden Kirchenschätze geraubt und Kreuze und Bilder zerstört.
Folgen Bearbeiten
Herzog Heinrich II. nahm die Ereignisse zum Anlass, die Stadt Goslar wegen Landfriedensbruchs beim Reichskammergericht zu verklagen. Nach 13-jährigem Prozess wurde 1540 die Reichsacht über Goslar verhängt und der Herzog mit der Vollstreckung beauftragt; das Urteil wurde jedoch schon 1541 wieder aufgehoben. Bereits 1531 war Goslar dem Schmalkaldischen Bund beigetreten.
Weblinks Bearbeiten
- Thomas Gunkel: Reformation in Goslar (2017)
- Carl Wolff (Hrsg.): Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover. II. Regierungsbezirk Hildesheim. 1. und 2. Stadt Goslar. Hannover 1901, S. 79–82
Einzelnachweise Bearbeiten
- Uvo Hölscher: Die Geschichte der Reformation in Goslar. Hannover/Leipzig 1902, S. 14
- Kunstdenkmäler S. 80
- Transkription des frühneuhochdeutschen Textes mit niederdeutschen Einsprengseln
- Über Weidemann und Wegener schreibt Uvo Hölscher: „Über die Persönlichkeit Weidemanns ist aus den Akten zu ersehen, daß er als ›gemeiner Betrüger‹ schon 1516 vom braunschweigischen Gerichte verfolgt war. Darnach 1533 wegen Diebstahls und Unterschlagung gefänglich eingezogen, wurde er als ›alter kranker Mann‹, ›dem Goslar für viele Dienstleistungen sehr dankbar sei‹, auf Verwendung seiner Freunde, auch von Adeligen, und zuletzt auf Fürsprache des Landgrafen Philipp, durch Ratsbeschluß zwar seiner Haft entlassen, aber aller Ehren entkleidet. Wir werden ihm bei der frevelhaften Zerstörung der Klöster im Jahre 1527 nochmals als deren Anstifter begegnen, zusammen mit seinem würdigen Kollegen im Amte Joachim Wegener, der 1535 wegen Untreue und leichtfertigen Schuldenmachens gerichtlich verfolgt, fliehend seine Ehre in Goslar zurückließ. Solche Männer waren es, denen das Schicksal Goslars in jenen entscheidenden Jahren preisgegeben war“ (Die Geschichte der Reformation in Goslar, 1902, S. 18).