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Als Glykolwein Skandal wurden im Jahr 1985 Weinverfalschungen in der Offentlichkeit bekannt Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Hergang 3 Aufdeckung 4 Konsequenzen 4 1 Medienecho 4 2 Wirtschaftliche Folgen 4 3 Prozess vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht 4 4 Strafrechtliche Verfahren 4 5 Gesetzgebung 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseVorgeschichte BearbeitenDamals ublich und auch heute noch erlaubt war der Versatz mit Zucker um den Alkoholgehalt durch diese kunstliche Zugabe von Zucker zum garenden Traubensaft um ein bis zwei Prozent zu steigern Chaptalisation Aufzuckern kam nicht nur bei zu wenigen Sonnentagen in Frage sondern wurde generell angewandt um die fruhzeitigere Lese auszugleichen Nahezu unreife Trauben wurden zur Vorbeugung kommender Ernteausfalle durch Schadlingsbefall oder Stare abgelesen und der Mangel an Susse durch Zucker ausgeglichen Hergang BearbeitenEinige osterreichische Winzer hatten Weine entgegen den weingesetzlichen Bestimmungen statt ausschliesslich mit Zucker zusatzlich noch mit Diethylenglykol versetzt die teilweise wiederum von deutschen Weingrossabfullern mit anderen Weinen gemischt und vermarktet wurden Auf diese Weise gepanscht wurden vor allem Spatlese und Trockenbeerenauslese Weine und Eiswein deren Presssafte von Natur aus hohe Zuckergehalte und nach der Garung hohe Restzuckergehalte aufweisen aber wegen des Eintrocknens der Beeren zur rosinenahnlichen Konsistenz nur geringe Mengenertrage liefern und deshalb hohe Preise und gute Gewinne ermoglichen Wegen der Nachfrage nach sussen Weinen bei niedrigsten Preisen 1 wurden billige Massenweine zu diesen Ausleseweinen veredelt und der Profit wesentlich gesteigert Gesundheitliche Schaden oder Beeintrachtigungen von Weinkonsumenten wurden nicht bekannt Der Begriff Glykolwein Skandal wurde von deutschsprachigen Massenmedien gepragt und damit verbunden zum Lebensmittelskandal Das fuhrte unmittelbar zu einem Vertrauensverlust seitens der Verbraucher einem starken Ruckgang des Absatzmarktes fur osterreichische Weine auf nahezu Null beschadigte ihren Ruf weltweit und hatte neben jahrelangen juristischen Auseinandersetzungen mittel und langfristige Auswirkungen auf die osterreichische Weinwirtschaft Aufdeckung BearbeitenEs kam zur Aufdeckung von Weinverfalschungen als ein Winzer auffallig grosse Mengen von Frostschutzmitteln steuerlich geltend machen wollte obwohl er lediglich einen kleinen Traktor besass Vor allem in Osterreich und auch in Deutschland wurde von einzelnen Winzern verfalschter Qualitatswein produziert Als Sussungsmittel und Geschmacksverstarker verwendeten sie Diethylenglykol Der Wein wirkte dadurch sensorisch susser und aromatischer Gleichzeitig wurden aber auch die amtlichen Zuckertests nicht beeinflusst mit denen die amtliche Weinkontrolle pruft ob aus den Trauben des jeweiligen Jahres bei naturlichem Mostzuckergehalt auch eine Alkohol Zucker Proportion ohne das Hinzufugen von Zucker Saure oder Weinbrand moglich ist Im Burgenland wurden infolgedessen zwei Winzer zu mehrjahrigen Haftstrafen verurteilt Den Grossteil des beanstandeten Weins produzierten einige Winzer am Wagram denen der Chemiker Otto Nadrasky beratend zur Seite stand Karl Grill der Inhaber der Firma Gebruder Grill nahm sich nach seiner Verurteilung das Leben Als Nebeneffekt dieses Skandals wurde publik dass grossere deutsche Weinabfuller aus Rheinland Pfalz deutschen Wein mit osterreichischem Glykol Wein gesetzeswidrig verfalscht hatten 2 Diethylenglykol ist wesentlich weniger toxisch als das in Kuhlerfrostschutzmitteln verwendete Monoethylenglykol In der im Wein meist nachgewiesenen Konzentration kann Diethylenglykol Leber Niere und Gehirn gesundheitlich langfristig nicht schadigen Ein gesunder Mensch ware selbst bei reichlichem Weingenuss nicht unmittelbar vergiftet worden so die Verteidigung Als Hochstwert wurden 48 g Diethylenglykol in einem Liter Wein gefunden 3 Betroffen war eine Welschriesling Beerenauslese des Jahres 1981 aus dem Haus Sautner aus Gols im Burgenland 4 In der Bundesrepublik Deutschland wurde der Fall zum Medienereignis als bekannt wurde dass deutsche Firmen unter Mithilfe von Landesministerien involviert waren Insbesondere das Unternehmen Pieroth geriet dabei ins Visier der Ermittlungsbehorden 5 So wurde in Weinen des Unternehmens an dem der Berliner Wirtschaftssenator Elmar Pieroth zusammen mit anderen Gesellschaftern beteiligt war Diethylenglykol nachgewiesen 6 Pieroth sagte damals aus er habe davon nichts gewusst 5 Er hatte keine operative Funktion in der Firma inne und ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wurde nach kurzer Zeit eingestellt Mehrere ehemalige Manager seines Unternehmens widersprachen ihm jedoch und behaupteten er habe diskrete Absprachen sowohl mit dem rheinland pfalzischen Landwirtschafts und Weinbauministerium wie auch mit den Managern getroffen um den Namen Pieroth aus der ganzen Angelegenheit herauszuhalten 7 Von Seiten der rheinland pfalzischen Landesregierung soll Druck auf die Strafverfolgungsbehorden ausgeubt worden sein den Fall niederzuschlagen 7 Ein im rheinland pfalzischen Landtag eingesetzter Untersuchungsausschuss konnte der Familie Pieroth keine Mitwisserschaft nachweisen 8 Konsequenzen BearbeitenMedienecho Bearbeiten nbsp Die nummerierte Banderole ist seit 1985 obligatorisch fur alle osterreichischen QualitatsweineDie Weinverfalschungen waren wochenlang Thema in den Medien und fugten dem Ruf des osterreichischen und deutschen Weinbaus schweren Schaden zu In der Folge kam der Weinexport aus Osterreich fast zum Erliegen Millionen von Flaschen mussten vom Markt genommen werden In der Bundesrepublik Deutschland trat das Bundesgesundheitsministerium am 9 Juli 1985 mit der Warnung osterreichische Weine seien zum Teil mit dem Frostschutzmittel Diethylenglycol verunreinigt worden an die Offentlichkeit In der Folge wurden da deutsche Weinabfuller einheimischen Wein mit dem beanstandeten osterreichischen Wein versetzt hatten auch in Deutschland verunreinigte Weine entdeckt Vier Millionen Liter Wein wurden insgesamt beschlagnahmt In Belgien wurden alle osterreichischen Weine vom Markt genommen 9 10 Wirtschaftliche Folgen Bearbeiten Als unmittelbare Folge brach die Vermarktung des osterreichischen Weins ein Vor allem viele kleine unbeteiligte Winzer gerieten in wirtschaftliche Schwierigkeiten und mussten aufgeben Prozess vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht Bearbeiten Gegen die Veroffentlichung der Warnung die in Form einer Liste DEG haltiger Weine erfolgte zog eine deutsche Weinkellerei bis vor das deutsche Bundesverfassungsgericht Die Verfassungsbeschwerde wurde in einer Grundsatzentscheidung zuruckgewiesen die deutsche Bundesregierung konne aufgrund ihrer Aufgabe der Staatsleitung Art 65 GG bei gesamtstaatlicher Verantwortung Informationsarbeit durchfuhren 11 Eine Verletzung von Art 12 Abs 1 GG liege nicht vor sofern die marktbezogenen Informationen richtig und sachlich sowie Vorgaben fur staatliches Informationshandeln insbesondere das Vorliegen einer staatlichen Aufgabe und die Einhaltung der Zustandigkeitsordnung erfullt sind 12 In der juristischen Literatur ist die Argumentation des deutschen Bundesverfassungsgerichts nicht unumstritten geblieben Mit der Formulierung die rechtlichen Grenzen des Informationshandels seien gewahrt 13 wurden Eingriffs und Rechtfertigungsprufung vermischt 14 Strafrechtliche Verfahren Bearbeiten Es wurden jahrelange Prozesse gefuhrt in denen einige der Verurteilten bis zu acht Jahre Haft erhielten Der Schaden dem diese Prozesse zu Grunde lagen wurde mit bis zu 124 Millionen Schilling 9 Millionen Euro beziffert Der grosste Schaden entstand jedoch durch die mediale Prasenz mittelfristig auf der Imageebene da das Vertrauen der Verbraucher beschadigt war Gesetzgebung Bearbeiten In der direkten Folge fuhrte der Glykolwein Skandal in Osterreich 1999 zu einem der strengsten Weingesetze der Welt und zu den scharfsten Kontrollen in ganz Europa So muss z B jede Flasche mit einer staatlichen Banderole gekennzeichnet sein bevor sie verkauft werden darf Der Begriff des Haustrunkes bei dem das Zusetzen von Zucker Wasser und von Wein und Zitronensaure noch zulassig war wurde aus dem Weingesetz genommen und der Uhudler verboten 15 Eine neue Generation an Winzern brach auch mit der traditionellen Aufzuckerung und liess die Trauben langer reifen damit sie selbst genugend Zucker enthielten sodass auch nach der Garung noch ausreichend Restzucker vorhanden war Literatur BearbeitenWalter Bruders Der Weinskandal Das Ende einer unseligen Wirtschaftsentwicklung Denkmayr Linz 1999 ISBN 978 3 901 83845 3 Klaus Postmann Der Weinskandal Genesis und Folgen In Willi Klinger und Karl Vocelka Hg Wein in Osterreich Die Geschichte Christian Brandstatter Verlag 2 Auflage Wien 2020 ISBN 978 3 7106 0350 1 S 234 242 Johann Werfring Wir hatten den Weinskandal nicht gebraucht Interview mit Josef Pleil In Wiener Zeitung vom 20 Juli 2010 S 21 Johann Werfring Der zahe osterreichische Mythos vom segensreichen Weinskandal In Wiener Zeitung vom 20 Juli 2010 S 10 Weblinks BearbeitenDer Weinskandal vor 20 Jahren auf O1 mit Audiobeitrag vom 26 April 2005 Der Weinskandal 1985 auf APA historisch 30 Jahre Weinskandal Na dann Prost auf derstandard at vom 4 April 2015 Audiobeitrage zum Weinskandal im Onlinearchiv der Osterreichischen Mediathek Zeitwort vom SWR2Einzelnachweise Bearbeiten Gunter Vollmer Gunter Josst Dieter Schenker Wolfgang Sturm Norbert Vreden Lebensmittelfuhrer ISBN 978 3 527 62587 1 S 225 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Die Tricks der Weinmischer Die Zeit 34 1985 16 August 1985 G F Fuhrmann Toxikologie fur Naturwissenschaftler Vieweg Teubner Verlag 2006 ISBN 3 8351 0024 6 Saure Trauben susse Sunden Zeit Online 2 August 1985 a b Sachfremde Einflusse In Der Spiegel Nr 14 1990 online Mutter aller Panschereien Welt online 9 Juli 2010 a b Botschaft vom Krankenbett In Der Spiegel Nr 11 1990 online AFFAREN Kaum vermittelbar DER SPIEGEL 37 1998 Abgerufen am 19 Juni 2020 Frostschutz Auslese in deutschen Kellern In Der Spiegel Nr 29 1985 online Gift Wein macht die Handelswege sichtbar In Der Spiegel Nr 32 1985 online BVerfGE 105 252 Leitsatz 2 und Rn 49 f Urteil auf amtlicher Website BVerfGE 105 252 Leitsatz 1 Urteil auf amtlicher Website BVerfGE 105 252 Rn 62 Urteil auf amtlicher Website Schwabe Winfried Finkel Bastian Allgemeines Verwaltungsrecht und Verwaltungsprozessrecht 9 Aufl Stuttgart 2017 S 229 Andrea Pfeiffer Uhudler Bundesministerium fur Land und Forstwirtschaft Regionen und Wasserwirtschaft abgerufen am 20 Oktober 2023 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Glykolwein Skandal amp oldid 238326615