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Der Gefahrtarif ist eine Satzung einer deutschen gewerblichen Berufsgenossenschaft Sie dient zur Berechnung des Unfallversicherungsbeitrags fur einzelne Unternehmen fur die die Berufsgenossenschaft zustandig ist Inhaltsverzeichnis 1 Zweck des Gefahrtarifs 2 Rechtsnatur Festsetzung und Geltungsdauer des Gefahrtarifs 3 Gliederung des Gefahrtarifs 3 1 Tarifstellen 3 2 Gefahrklassen 4 Rechtsschutz gegen den Gefahrtarif 5 Streitigkeiten um Gefahrtarife 5 1 Profisportvereine 5 2 Zeitarbeitsfirmen 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseZweck des Gefahrtarifs BearbeitenDie Bemessung des Beitrags zur Unfallversicherung nach der Unfallgefahr anhand des Gefahrtarifs dient zur Pravention von Arbeitsunfallen und Berufskrankheiten Sie soll diejenigen Unternehmer begunstigen die langfristig fur moglichst wenig gefahrliche Arbeitsbedingungen sorgen Uber eine Begunstigung beim Beitrag kann der Praventionsgedanke in die unternehmerische Kalkulation einfliessen und sich auch so fur den Unternehmer lohnen der ansonsten durch die Unfallversicherung von seiner Haftung im Arbeitsverhaltnis freigestellt ist 1 Rechtsnatur Festsetzung und Geltungsdauer des Gefahrtarifs BearbeitenDer Gefahrtarif wird von der Vertreterversammlung der Berufsgenossenschaft als autonomes Satzungsrecht beschlossen In der Praxis wird der Beschluss allerdings von der Verwaltung der Berufsgenossenschaft vorbereitet Beitragsabteilung Der Gefahrtarif selbst und jede Anderung bedurfen der Genehmigung durch die Aufsichtsbehorde Bundesamt fur Soziale Sicherung 158 Abs 1 SGB VII Wird der Gefahrtarif nicht rechtzeitig alle sechs Jahre neu festgesetzt Geltungshochstdauer nach 157 Abs 5 SGB VII so stellt ihn die Aufsichtsbehorde in Ersatzvornahme auf 158 Abs 2 SGB VII 89 SGB IV Gliederung des Gefahrtarifs BearbeitenDer Gefahrtarif wird gemeinhin in zwei Teile gegliedert 2 Teil I enthalt in tabellarischer Form einen Uberblick uber die Gewerbezweige fur die die Berufsgenossenschaft zustandig ist und uber die Gefahrklassen die ihnen jeweils zugewiesen sind wahrend Teil II besondere Bestimmungen fur das Veranlagungsverfahren trifft Ein Beispiel fur Teil I des Gefahrtarifs der damaligen Zucker Berufsgenossenschaft der ab dem 1 Januar 1999 in Kraft war 3 Gefahrtarifstellen Gewerbezweige Gefahrklassen1 Zuckerfabriken Zuckerraffinerien 5 02 Herstellung von Kandis Sirup Kunsthonig und ahnlichem ohne Vorderbetrieb sowie Herstellung von Instantzucker 5 03 kaufmannischer und verwaltender Teil der Unternehmen 0 8Tarifstellen Bearbeiten Die Tarifstellen fassen die Unternehmer zu Gefahrengemeinschaften zusammen 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII Diese Unternehmer haben ahnliche Unfalllasten Andererseits spielen hier aber auch versicherungsmathematische Gesichtspunkte eine Rolle Die Unfallgefahr muss sich in einer Tarifstelle zufallig verteilen sonst kommt es nicht zu dem versicherungsmassigen Risikoausgleich den das Gesetz fordert So wird das Versicherungsprinzip bei der Finanzierung der Unfallversicherung umgesetzt Es liegt im Ermessen der Vertreterversammlung welche und wie viele Tarifstellen sie im Gefahrtarif vorsieht 4 Die Belastungsziffern der Gewerbezweige die in einer Tarifstelle zusammengefasst werden durfen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts allerdings nicht auffallig statistisch signifikant von der durchschnittlichen Belastungsziffer der Tarifstelle abweichen 5 Gefahrklassen Bearbeiten In den Gefahrklassen kommt die unterschiedliche Unfallbelastung der jeweiligen Branche und Tatigkeit im Verhaltnis zu den anderen Gewerbezweigen zum Ausdruck Die Gefahrklassen bestimmen neben dem Umlagesoll und der Lohnsumme die Hohe der Beitrage zur Unfallversicherung Die Gefahrklassen werden gemass 157 Abs 3 SGB VII aus dem Verhaltnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet Andere Moglichkeiten ihres Zustandekommens Aushandeln zwischen Unternehmern und Versichertenvertretern in der Vertreterversammlung vergleichsweise Einigung im Verwaltungsverfahren oder im sozialgerichtlichen Verfahren sind deshalb nach dem Wortlaut des Gesetzes ausgeschlossen Die Rechtsprechung betont aber dass die Gefahrklasse nicht nachrechenbar wohl aber nachvollziehbar sein musse 6 Die letztlich festgesetzte Gefahrklasse kann daher von der rechnerischen sogenannten Belastungsziffer abweichen Rechtsstreitigkeiten drehen sich daher haufig um die Frage aus welchen Grunden die Gefahrklasse vom rechnerischen Wert der Belastungsziffer abweichend festgesetzt werden darf Im Wesentlichen sind insoweit das Ubermassverbot und der Vertrauensschutz einschlagig die dem Anstieg der Beitrage eine obere Grenze setzen Beitragsanstiege sollen sich in massvollen Grenzen halten 7 In die Berechnung sollen moglichst aktuelle Daten einfliessen Neulasttarif die Gewichtung von Neu zu Altlasten liegt aber im Ermessen der Vertreterversammlung 8 Rechtsschutz gegen den Gefahrtarif BearbeitenGegen die Festsetzungen des Gefahrtarifs kann der Unternehmer nur indirekt vorgehen indem er sich gegen den Veranlagungs oder gegen den Beitragsbescheid wendet Beide Bescheide werden auf den Gefahrtarif gestutzt Das Sozialgericht kann den Gefahrtarif als materielles Gesetz bei der Prufung der Bescheide verwerfen Dies jedoch nur hinsichtlich derjenigen Tarifstelle die fur den Klager einschlagig ist denn nur insoweit ist er beschwert und in seinen Rechten verletzt Das Gericht kann also nicht den Gefahrtarif im ganzen fur unwirksam erklaren Streitigkeiten um Gefahrtarife BearbeitenBekanntgeworden sind in neuerer Zeit vor allem zwei Konflikte bei der Verwaltungs Berufsgenossenschaft die zu einer Reihe von Streitigkeiten vor den Sozialgerichten und zu einer schlechten Presse fur die gesetzliche Unfallversicherung gefuhrt hatten Profisportvereine Bearbeiten Die Festsetzung der Tarifstellen und der Gefahrklassen fur Sportvereine die Berufssportler beschaftigen in den Gefahrtarifen 1995 und 2001 war hochstreitig weil die Profifussballvereine dadurch unvermittelt zur Zahlung eines Vielfachen ihres vorherigen Beitrags verpflichtet gewesen waren 9 Die Querelen wurden schliesslich in einem Vergleich der Berufsgenossenschaft mit dem Deutschen Fussball Bund beigelegt in dem den Vereinen ruckwirkend erhebliche Beitragsnachlasse zugestanden worden waren Hintergrund war erheblicher politischer und finanzieller Druck auf die Berufsgenossenschaft 10 Merkliche Beitragserhohungen fur die Sportvereine waren erneut im Jahr 2010 abgewendet worden diesmal durch eine Intervention des Deutschen Olympischen Sportbunds beim Bundesarbeitsministerium 11 Die Unsicherheit in diesem Bereich besteht fort weil im Profisport dauerhaft sehr hohe Unfalllasten entstehen vor allem beim Eishockey und im Fussball 12 13 Die Berufsgenossenschaft reagierte darauf im Jahr 2014 mit einer Praventionskampagne die sich an die Sportvereine und die Berufssportler richtet 12 Die ubrigen bei der Verwaltungs Berufsgenossenschaft versicherten Unternehmenszweige monieren sie wurden zu Unrecht die Lasten der Sportvereine mitfinanzieren wenn diese nicht zu Beitragen herangezogen werden die ihrem Unfallrisiko entsprechen Gegen diese mittelbare Betroffenheit wenden sich insbesondere die Zeitarbeitsfirmen 14 wahrend die Steuerberater gegen Beitragsanstiege im Ubrigen durch eine neue Tarifstellenbildung vorgegangen waren allerdings erfolglos 15 16 Zeitarbeitsfirmen Bearbeiten Ein weiterer Streitpunkt waren die Gefahrklassen fur Unternehmen der gewerblichen Arbeitnehmeruberlassung Sie verlangten so gestellt zu werden wie die Branchen in die sie jeweils Mitarbeiter entleihen hatten damit aber bei den Gerichten keinen Erfolg 17 18 Literatur BearbeitenVolker Eckhoff Anreizsysteme bei der Beitragsgestaltung in der gesetzlichen Unfallversicherung Zugl Kiel Univ Diss 2009 Lit Verlag Berlin Munster 2010 ISBN 978 3 643 10582 0 Jurgen Fenn Verfassungsfragen der Beitragsgestaltung in der gewerblichen Unfallversicherung Gefahrtarif und DDR Altlasten als Gleichheitsproblem Zugl Frankfurt Main Univ Diss 2005 Lang Frankfurt am Main u a 2006 ISBN 3 631 54536 3 Jurgen Fenn Effektiver Rechtsschutz gegen Gefahrtarife SGb 2004 94 Wolfgang Gitter Die Festsetzung von Gefahrtarifen in der gesetzlichen Unfallversicherung im Hinblick auf den Fussballsport In NZS 1996 247 David Heldmann Die Beitrage zur gesetzlichen Unfallversicherung Solidaritat und Aquivalenz im Finanzierungssystem der gewerblichen Berufsgenossenschaften Zugl Munster Univ Diss 2006 Nomos Verlag Baden Baden 2006 ISBN 3 8329 2184 2 Hans Jurgen Papier Johannes Moller Verfassungsrechtliche Fragen der Festsetzung der Beitrage in der Unfallversicherung In SGb 1998 337 Hans Jurgen Papier Johannes Moller Die Rolle des Solidarausgleichs in der gesetzlichen Unfallversicherung In NZS 1998 353 Anna Rink Der Praventionsauftrag der gesetzlichen Unfallversicherung Verfassungs und europarechtliche Vorgaben fur Praventionsmassnahmen Zugl Trier Univ Diss 2009 2010 Duncker amp Humbloth Berlin 2010 ISBN 9783428133529 Udo Schulz Der Gefahrtarif der gewerblichen Berufsgenossenschaften HVBG Sankt Augustin 1999 ISBN 3 88383 505 6 Weblinks BearbeitenKein Buch mit sieben Siegeln Die Beitragsberechnung Knappe Einfuhrung ins Beitragsrecht auf der Website der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung Einzelne Gefahrtarife findet man auf den Webseiten der jeweiligen Berufsgenossenschaften unter Mitgliedschaft oder Beitrag z B die Gefahrtarife der Verwaltungs Berufsgenossenschaft Sei kein Dummy Praventionskampagne der VBG gegen Arbeitsunfalle von BerufssportlernEinzelnachweise Bearbeiten Udo Schulz Risikogerechte Finanzierung als Gestaltungsfaktor in der Pravention der gewerblichen Berufsgenossenschaften in Festschrift Watermann 1996 S 149 149 Jurgen Fenn Verfassungsfragen der Beitragsgestaltung in der gewerblichen Unfallversicherung Gefahrtarif und DDR Altlasten als Gleichheitsproblem 2006 ISBN 3 631 54536 3 S 53ff Die Zucker BG fusionierte zum 1 Januar 2010 mit der Steinbruchs BG der Bergbau BG der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie der Papiermacher Berufsgenossenschaft sowie der Lederindustrie Berufsgenossenschaft zur Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie Gefahrtarif 1999 der Zucker BG nach Jurgen Fenn Verfassungsfragen der Beitragsgestaltung in der gewerblichen Unfallversicherung Gefahrtarif und DDR Altlasten als Gleichheitsproblem 2006 ISBN 3 631 54536 3 S 54 Tabelle 1 5 BSG B 2 U 4 12 R Urteil vom 11 April 2013 Rn 18 Backereien Konditoreien in einer Tarifstelle BSG Urteil vom 11 April 2013 B 2 U 4 12 R Rn 28 Urteil vom 11 April 2013 B 2 U 8 12 R Rn 28 Dazu kritisch Ralf Moller Jungste Rechtsprechung des Bundessozialgerichts BSG zur Gestaltung des Gefahrtarifs der gewerblichen Berufsgenossenschaften BG In SGb 2014 435 441 440 BSG SGb 1995 253 255 BVerfGE 13 274 278 BSG SGb 1974 384 387 BSG SozR 3 2200 725 Nr 2 LSG Rheinland Pfalz Breith 1983 970 BSGE 43 289 291 SozR 2200 731 RVO Nr 1 S 3 Barfuss aber mit Rustung In Der Spiegel Nr 38 1995 S 192 online Jurgen Fenn Verfassungsfragen der Beitragsgestaltung in der gewerblichen Unfallversicherung Gefahrtarif und DDR Altlasten als Gleichheitsproblem 2006 ISBN 3 631 54536 3 S 13 20 m w N Losung im Beitragsstreit In Der Spiegel Nr 51 2010 S 115 online a b Profisport Fussballer und Eishockeyspieler verletzen sich am haufigsten In Spiegel online 18 November 2013 Abgerufen am 12 Februar 2014 In kaum einer Profisportart kommt es in Deutschland zu mehr Unfallen als im Fussball Pro 100 Spieler summieren sich die Verletzungen nach Angaben der Verwaltungs Berufsgenossenschaft VBG auf durchschnittlich 206 Stuck pro Jahr Nur bei Profispielern im Eishockey kommt es zu mehr Unfallen Dort registrierten die Experten durchschnittlich 260 Verletzungen pro 100 Spieler und Jahr Ein solches Verhaltnis gibt es in der gesamten Wirtschaft nicht sagte VBG Geschaftsfuhrer Bernd Petri bei der Vorstellung einer Praventionskampagne Michael Reinsch Teure Tritte In Frankfurter Allgemeine Zeitung 19 November 2013 Abgerufen am 12 Februar 2014 Beitrage zur Unfallversicherung Zeitarbeitsfirmen rebellieren gegen Sportsponsoring In Spiegel online 15 August 2012 Abgerufen am 12 Februar 2014 LSG Berlin Brandenburg Urteil 27 November 2014 L 3 U 134 13 VBG Gefahrtarif 2011 rechtmassig Pressemitteilung des Deutschen Steuerberaterverbands 9 Februar 2015 Abgerufen am 22 Februar 2015 Jurgen Fenn Verfassungsfragen der Beitragsgestaltung in der gewerblichen Unfallversicherung Gefahrtarif und DDR Altlasten als Gleichheitsproblem 2006 ISBN 3 631 54536 3 S 8 13 m w N BSG B 2 U 21 02 R Urteil vom 24 Juni 2003 Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg BVerfG 1 BvR 1696 03 Beschluss vom 3 Juli 2007 Abgerufen am 12 Februar 2014 Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Normdaten Sachbegriff GND 4303163 8 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gefahrtarif amp oldid 202321025