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Gebt dem Kaiser was des Kaisers ist und Gott was Gottes ist ist eine Jesus von Nazareth zugeschriebene Sentenz im Wortlaut der Lutherbibel Matthaus 22 21 Im griechischen Original ἀpodote oὖn tὰ Kaisaros Kaisari kaὶ tὰ toῦ 8eoῦ tῷ 8eῷ 1 Dieser Satz ist der Hohepunkt eines als Apophtegma geformten Schulgesprachs 2 Der Zinsgroschen Tizian 15 Da gingen die Pharisaer hin und hielten Rat dass sie ihn fingen in seinen Worten 16 und sandten zu ihm ihre Junger samt den Anhangern des Herodes Die sprachen Meister wir wissen dass du wahrhaftig bist und lehrst den Weg Gottes recht und fragst nach niemand denn du achtest nicht das Ansehen der Menschen 17 Darum sage uns was meinst du Ist s recht dass man dem Kaiser Steuern zahlt oder nicht 18 Da nun Jesus ihre Bosheit merkte sprach er Ihr Heuchler was versucht ihr mich 19 Zeigt mir die Steuermunze Und sie reichten ihm einen Silbergroschen 20 Und er sprach zu ihnen Wessen Bild und Aufschrift ist das 21 Sie sprachen zu ihm Des Kaisers Da sprach er zu ihnen So gebt dem Kaiser was des Kaisers ist und Gott was Gottes ist 22 Als sie das horten wunderten sie sich liessen von ihm ab und gingen davon Mt 22 15 22 LUT Inhaltsverzeichnis 1 Parallelstellen 2 Auslegung des Jesusworts durch den Evangelisten Matthaus 2 1 Zeitgeschichtliches Kolorit 2 2 Mogliche Bedeutung bei Jesus von Nazareth 2 2 1 Eschatologische Deutung 2 2 2 Jesus nimmt eine vermittelnde Position ein 2 2 3 Jesus sympathisiert mit der Sache der Zeloten 3 Auslegung in der Alten Kirche 3 1 Tertullian 3 2 Gnostische Neuinterpretation 4 Auslegung in der Reformationszeit 5 Politische Theologie 5 1 Im Deutschen Kaiserreich 5 2 Die Erfahrung des Nationalsozialismus 6 Rezeption 7 Siehe auch 8 Literatur 9 Weblinks 10 EinzelnachweiseParallelstellen BearbeitenMatthaus ubernahm diesen Stoff aus dem Markusevangelium Mk 12 13 17 LUT und uberarbeitete ihn stilistisch Auch Lukas ubernahm den Stoff von Markus Lukas 20 20 26 LUT Er setzte folgende Akzente Die Fragesteller sind Leute die sich stellen sollten als waren sie gerecht V 20 sie werden vorgeschickt von den Schriftgelehrten und Hohepriestern mit dem hier explizit genannten Plan damit man ihn Jesus uberantworten konnte der Obrigkeit und Gewalt des Statthalters ebd Da das Matthausevangelium sich schnell zum Hauptevangelium der romischen Kirche entwickelt hat ist die Perikope vom Zinsgroschen vor allem in der Matthaus Fassung rezipiert worden Auslegung des Jesusworts durch den Evangelisten Matthaus BearbeitenAls Gegner Jesu treten die Pharisaer auf die Matthaus dem Leser als geschlossene Gruppe prasentiert zusammen mit den Herodianern einer Gruppe uber die in der Forschung viel geratselt wurde Ihre Anrede ist betont hoflich soll aber nur dazu dienen Jesus eine Falle zu stellen Entweder stellt sich Jesus gegen die romische Besatzungsmacht und liefert selbst den Grund ihn zu verhaften oder er verliert Sympathien in der Bevolkerung Jesus durchschaut ihren Plan und seine verbluffende Antwort sichert ihm den Sieg in diesem Rededuell die Gegner ziehen sich furs erste zuruck nbsp Silberner Denar des Tiberius 3 Meist nimmt man an dass das Streitgesprach um eine solche Munze gefuhrt wurde Entsprechend uberhoht sind die Preise die Sammler fur einen Zinsgroschen tribute penny zu zahlen bereit sind 4 Die Aussageabsicht des Matthaus ist also zu erzahlen wie die Pharisaer eine Schlinge um Jesus ziehen und wie sie damit scheitern Heutige Leser innen der Perikope mochten dagegen in erster Linie wissen welche Bedeutung der Text fur die Frage nach dem Verhaltnis der christlichen Gemeinde zum Staat hat 5 Zeitgeschichtliches Kolorit Bearbeiten Als die Ethnarchie des Archelaos in eine romische Provinz umgewandelt wurde 6 n Chr begannen die Romer mit der Registrierung der Bevolkerung zwecks Eintreibung der Grund und Kopfsteuer Alle mannlichen Mitglieder eines Haushaltes ab 14 Jahren und alle weiblichen ab 12 Jahren waren tributpflichtig wobei wohl pro Kopf ein Denar jahrlich zu entrichten war 6 Die Registrierung war von brutalen Verhoren begleitet als Reaktion auf diese Zwangsmassnahmen gab es z B einen Aufstand unter Judas dem Galilaer Bei Unruhen in der einheimischen Bevolkerung war es romische Praxis die lokale Oberschicht fur die Eintreibung der Steuern in die Verantwortung zu nehmen Aus Bemerkungen bei Flavius Josephus kann man schliessen dass das in Judaa kurz vor dem Ausbruch des Judischen Krieges auch so war Doch ist ungewiss ob diese Regelung schon zur Zeit des Jesus von Nazareth bestand 7 Mogliche Bedeutung bei Jesus von Nazareth Bearbeiten Man kann die Perikope daraufhin befragen ob hier eine Erinnerung an die politische Positionierung des Jesus von Nazareth bewahrt wird Es war eine explosive politische Lage die letztlich in den judischen Aufstand gegen die romische Besatzung mundete Da ἀpodidwmi apodidomi im Zitat als Imperativ ἀpodote apodote ein terminus technicus fur das Steuerzahlen ist kann dem Wort im Munde Jesu kein tieferer Sinn beigelegt werden als sei seine Meinung die Steuer sei eine Ruckerstattung dessen was dem Kaiser gehort 8 Eschatologische Deutung BearbeitenJesus hat nach Albert Schweitzers Deutung mit dem baldigen Anbrechen der Gottesherrschaft gerechnet der romische Staat gehore zu den widergottlichen Machten die dann sowieso entmachtet sein werden Daher versteht er die Antwort Jesu ironisch 9 Dieser Jesus ist politisch desinteressiert Was er Jesus uber den Staat denkt liegt klar ausgesprochen in seiner Antwort auf die Frage nach dem Zinsgroschen da die Pharisaer ihn fangen wollten Mark 12 Gebt dem Kaiser was des Kaisers ist und Gott was Gottes ist das heisst Religion und Staat haben nichts miteinander zu tun Wie wollt ihr gottliche Macht und irdische Gewalt zusammenspannen 10 Ahnlich versteht Klaus Wengst die Haltung Jesu als armer Wanderradikaler stellt sich fur ihn die Geldfrage gar nicht mehr 9 Jesus nimmt eine vermittelnde Position ein Bearbeiten Nach dieser Deutung distanziert sich Jesus von der Zelotenbewegung ohne sich aber mit der Sache Roms gemein zu machen Er steuert einen Mittelweg indem er durch seine Gesprachsfuhrung die Fragesteller auf ihre eigene Inkonsequenz hinweist sie partizipieren ja am romischen Wirtschaftssystem da sie romische Munzen in der Tasche haben 11 Jesus sympathisiert mit der Sache der Zeloten Bearbeiten Indem im griechischen Text kai nicht als und sondern als aber gelesen wird treten die Anspruche des Staates und Gottes in einen Gegensatz da Gott den ganzen Menschen fordert hat der Kaiser keine Anspruche mehr zu stellen 12 Diesem Satz hatte jeder Zelot zustimmen konnen 13 Die Perikope sei von den Synoptikern apologetisch entscharft worden aber der schlichte Sinn den die Zeitgenossen herausgehort hatten sei jede Steuerleistung an den Kaiser sei ein Akt der Illoyalitat gegenuber JHWH genau das habe Jesus auch gemeint 14 Einer Ubersetzung mit aber stimmt Ulrich Luz grundsatzlich zu Es gibt zwar sprachlich keine Indizien die erlaubten kai anders als in seiner normalsten und verbreitetsten Bedeutung als und zu verstehen Aber aus inhaltlichen Grunden ist kai nicht einfach additiv anreihend denn es verbindet inhaltlich vollig unvergleichliche Forderungen 15 Diesem Textverstandnis folgt unter den deutschen Bibelubersetzungen nur die Gute Nachricht Bibel Dann gebt dem Kaiser was dem Kaiser gehort aber gebt Gott was Gott gehort Auslegung in der Alten Kirche Bearbeiten nbsp Jesus und der Zinsgroschen Fresko 1744 von Paul Troger Stiftsbibliothek Altenburg NO Tertullian BearbeitenEine noch heute ansprechende Deutung verdankt der Bibelleser Tertullian Die Munze tragt das Ebenbild des Kaisers darum gehort sie dem Kaiser der Mensch ist das Ebenbild Gottes 1 Mose 1 27 LUT darum gehort der Mensch Gott Man muss aber dem Kaiser geben was des Kaisers ist Zum Gluck steht dabei Und Gott was Gottes ist Also was gebuhrt dem Kaiser Naturlich das um was es sich damals bei Stellung der Frage handelte ob man dem Kaiser Tribut geben durfe oder nicht Deshalb verlangte der Herr auch man solle ihm eine Munze zeigen und fragte wessen Bild das sei und da er die Antwort bekam Des Kaisers sagte er Also gebt dem Kaiser was des Kaisers ist und Gott was Gottes ist d h das Bild des Kaisers welches sich auf der Munze findet dem Kaiser und das Ebenbild Gottes das sich im Menschen findet Gott so dass du dem Kaiser dein Geld gibst Gott aber deine Person Andernfalls aber wenn dem Kaiser alles gehort was wird fur Gott ubrig bleiben 16 Dass dies die Christen in den Gegensatz zum Staat bringen konnte bis hin zum Martyrium war fur Tertullian und seine Zeitgenossen offensichtlich Gnostische Neuinterpretation BearbeitenDas Thomasevangelium ThomEv bietet in Logion 100 eine abweichende Fassung der Erzahlung Sie zeigten Jesus eine Goldmunze und sprachen zu ihm Caesars Leute verlangen Steuern von uns Er sprach zu ihnen Gebt was Caesars ist Caesar Gebt was Gottes ist Gott Und was mein ist gebt mir 17 Die Situation ist neutral gehalten die Fragesteller werden nicht als hinterlistig charakterisiert Die vorgezeigte Munze spielt fur den Ablauf des Gesprachs keine Rolle Anachronistisch ist die Bezeichnung als Goldmunze denn die Personalsteuern wurden von den Romern in Form von Silberdenaren eingezogen 18 Daraus ergibt sich dass die Fassung des ThomEv gegenuber den Synoptikern sekundar ist und entsprechend muss die Antwort Jesu interpretiert werden die im ThomEv dreigliedrig ist wobei das Gewicht auf dem Zusatz liegt Und was mein ist gebt mir Es werden also von drei Seiten Anspruche an den Menschen gestellt vom Staat von Gott und von Jesus Dahinter steht eine Neuinterpretation des Stoffes durch die valentinianische Gnosis 19 Eine Aufschlusselung verdanken wir Clemens von Alexandria Eclogae 24 1 3 der Kaiser wird identifiziert mit dem Schopfergott der als Demiurg im Gegensatz steht zu Christus dem Erloser 20 Um dieser Aussage willen sind die historischen zeitgeschichtlichen Implikationen des Steuernzahlens im Leben des Jesus von Nazareth ausgeblendet worden Auslegung in der Reformationszeit BearbeitenEine staatstragende Deutung der Perikope war schon in der Alten Kirche verbreitet 21 Fur die Reformatoren ist die Perikope ein Anwendungsfall der Zwei Reiche Lehre Da sie Predigttext am 23 Sonntag nach Trinitatis war hatte Martin Luther ofter Gelegenheit sie auszulegen und die Quintessenz seiner Predigten zum Thema war den Gehorsam gegenuber der Obrigkeit einzuscharfen In der Haustafel zum Kleinen Katechismus wird Matthaus 22 21 gelistet unter der Uberschrift Was die Untertan der Obrigkeit zu tun schuldig sind 22 Johannes Calvin betont dass keine ausserliche Unterwerfung uns hindern kann dass innerlich unser Gewissen frei ist vor Gott 23 Der zweite Teil der Sentenz Jesu gebt Gott was Gottes ist blieb bei den Reformatoren zwar in Geltung aber alles Gewicht lag auf dem Einscharfen des Untertanengehorsams Politische Theologie BearbeitenIm Deutschen Kaiserreich Bearbeiten Im Ersten Weltkrieg war die Perikope bei Feldpredigern beider Konfessionen beliebt Das Bild des Kaisers auf dem Denar wurde zum Bild des friedfertigsten Herrschers das im Herzen aller deutschen Soldaten lebt so zitiert Joachim Gnilka einen Feldprediger 24 Die Erfahrung des Nationalsozialismus Bearbeiten Wenn die Vertreter der Zwei Reiche Lehre die Verbindung von Kaiserdienst und Gottesdienst recht unproblematisch als Sowohl als auch verstanden sahen einige Exegeten nach 1945 hier eine radikale Alternative Der Gehorsam gegenuber Gott kann im Gegensatz zu den Pflichten als Untertan stehen 25 Politische Theologie findet in Matthaus 22 21 einen Hinweis auf die Praxis des Jesus von Nazareth Die Forderung des Staates kann nur ein begrenztes Recht und eine relative Bedeutung fur den Christen haben so z B Wolfgang Schrage 26 Rezeption BearbeitenHenrik Ibsen wahlte das Jesuswort Gebt dem Kaiser was des Kaisers ist als Leitmotiv in seinem Drama Kaiser und Galilaer Kejser og Galilaeer 1873 Siehe auch BearbeitenDina de malchuta dinaLiteratur BearbeitenJoachim Gnilka Das Evangelium nach Markus Mk 8 27 16 20 EKK II 2 Neukirchener Verlag 1979 ISBN 3 7887 0591 4 Ulrich Luz Das Evangelium nach Matthaus Mt 18 25 EKK I 3 Neukirchener Verlag 1997 ISBN 3 7887 1580 4 Niclas Forster Jesus und die Steuerfrage Die Zinsgroschenperikope auf dem religiosen und politischen Hintergrund ihrer Zeit mit einer Edition von Pseudo Hieronymus De haeresibus Judaeorum Mohr Siebeck Tubingen 2012 ISBN 978 3 16 151841 6 Werner Stenger Gebt dem Kaiser was des Kaisers ist Eine sozialgeschichtliche Untersuchung zur Besteuerung Palastinas in neutestamentlicher Zeit Konigstein 1988 ISBN 3 610 09104 5 Samuel George Frederick Brandon Jesus and the Zealots A Study of the Political Factor in Primitive Christianity Manchester 1967 Richard Faber Helge Hoibraaten Ibsens Kaiser und Galilaer Quellen Interpretationen Rezeptionen Wurzburg 2011 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Gebt dem Kaiser was des Kaisers ist Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Salomon Mauricio Ebert Die Frage nach der Steuer der Zinsgroschen Letzte Aktualisierung 04 08 2010 Memento vom 15 April 2016 im Internet Archive 27 Einzelnachweise Bearbeiten KATA MA88AION Deutsche Bibelgesellschaft abgerufen am 17 April 2019 Joachim Gnilka Markus 1979 S 151 Kennzeichen des Schulgesprachs sind Frage Gegenfrage mit Demonstration endgultige Antwort Objekte aus dem Bibelhaus Der Tiberius Denar Abgerufen am 23 Dezember 2017 Ursula Kampmann Die Munzen der romischen Kaiserzeit 2 Auflage Battenberg Regenstauf 2011 S 50 Ulrich Luz Matthaus 1997 S 254 Ekkehard W Stegemann Wolfgang Stegemann Urchristliche Sozialgeschichte Stuttgart Berlin Koln 1995 S 112 Ekkehard W Stegemann Wolfgang Stegemann Urchristliche Sozialgeschichte 1995 S 112 113 Joachim Gnilka Markus 1979 S 153 a b Ulrich Luz Matthaus 1997 S 259 Albert Schweitzer Gesprache uber das Neue Testament C H Beck 2017 S 149 Niclas Forster Jesus und die Steuerfrage 2012 S 3 4 Niclas Forster Jesus und die Steuerfrage 2012 S 4 5 Samuel George Frederick Brandon Jesus and the Zealots 1967 S 347 Samuel George Frederick Brandon Jesus and the Zealots 1967 S 348 Ulrich Luz Matthaus 1997 S 260 Tertullian Kapitel 15 Das Illuminieren und Bekranzen der Hauser und Turpfosten bei politischen Anlassen ist unerlaubt In Uber den Gotzendienst aus dem Lateinischen ubersetzt von Dr K A Heinrich Kellner Tertullian private und katechetische Schriften Bibliothek der Kirchenvater 1 Reihe Band 7 Munchen 1912 137 174 Translation Deutsch Abgerufen am 23 Dezember 2017 Das Evangelium nach Thomas PDF Abgerufen am 24 Dezember 2017 Niclas Forster Jesus und die Steuerfrage 2012 S 266 Niclas Forster Jesus und die Steuerfrage 2012 S 267 Niclas Forster Jesus und die Steuerfrage 2012 S 267 269 Joachim Gnilka Markus 1979 S 155 BSLK S 525 Ulrich Luz Matthaus 1997 S 255 Joachim Gnilka Markus 1979 S 155 Ulrich Luz Matthaus 1997 S 257 Ulrich Luz Matthaus 1997 S 256 257 Zum Online Bibelkommentar siehe Hinweis hier abgerufen am 25 Oktober 2023 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gebt dem Kaiser was des Kaisers ist amp oldid 238529509