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In der Gastrosophie von altgriechisch gasthr gaster Bauch und sofia sophia Weisheit wirken verschiedene natur und geisteswissenschaftliche Facher zusammen Dabei steht die kulturwissenschaftliche Erforschung von Ernahrung und Gesellschaft im Vordergrund 1 Untersucht werden alle Aspekte der Lebensmittelerzeugung der Verarbeitung der Vermarktung bis zum Konsum wobei nicht nur materielle technische Bereiche sondern auch die Bedeutung der Esskulturen verschiedener Epochen ethische und soziologische Aspekte betrachtet werden Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Gastrosophie als Zukunftsthema 3 Literatur 4 Weblinks 5 QuellenGeschichte BearbeitenUrsprunge der Gastrosophie in heutigem Sinne lassen sich schon bei den alten Agyptern aufzeigen etwa im Papyrus Ebers der auf vielschichtige Zusammenhange zwischen Nahrung und Leben hinweist In philosophischer Hinsicht sind die griechischen Schriften zur Diatetik wegweisend insbesondere bei Epikur der den Bauch zur Wurzel des Guten erklart 2 Wichtige Akzentuierungen zum lustbetonten Umgang mit Bauch Geschmack Nahrung und Leben finden sich spater bei Montaigne Aufschlussreich fur Zusammenhange zwischen Nahrung und Denken ist die theologische Debatte um die Transsubstantiation insbesondere bei Descartes Der moderne Begriff Gastrosophie erscheint 1824 bei William Maginn 3 ganz im Sinne der Gastronomie transcendante die Jean Anthelme Brillat Savarin als Teil einer Physiologie des Geschmacks vorstellt Die Menschheit wird hier in Verdauungstypen eingeteilt die Regelmassigen die Zuruckhaltenden und die Erschlafften 4 Im deutschsprachigen Raum erscheint der Begriff bei Baron Eugen von Vaerst in der Gastrosophie oder Lehre von den Freuden der Tafel 1851 Darin wird der Genuss von Speisen zu einer Kunstform erhoben Drei Arten von Essern werden unterschieden der Gourmand der Gourmet und schliesslich der Gastrosoph der beim Essen das Beste auswahle unter Berucksichtigung der Gesundheit und der Sittlichkeit Das traditionelle Interesse an gelehrten Eingeweiden 5 betrifft Sexualitat und Verdauung 6 Oberflachlich lasst sich Gastrosophie als Lehre von den Freuden der Tafel verstehen die sich allerdings nicht auf Lehren von den Freuden von Gaumen und Zunge beschranken kann Der Bauch symbolisiert den ursprunglichen Sitz aller Formen des Appetits Entsprechend bildet das Zusammenspiel verschiedener Luste ein Zentrum gastrosophischer Aufmerksamkeit etwa bei Brillat Saverin Charles Fourrier und Eugen von Vaerst Allerdings wird der Begriff seit Ende des 19 Jahrhunderts auch ganz allgemein fur Literatur verwendet die sich der Zubereitung und Darbietung von Speisen und Genussmitteln widmet das sind im weitesten Sinne Koch und Rezeptbucher aber auch Tranchierbucher Bucher zur Esskunst zu Tischgeraten Besteck Geschirr etc zum Servieren zu Kochgeschirr und Kucheneinrichtungen zum Backen zur Konditorei zum Konservieren und Menukarten konnen dazu gezahlt werden Der unkritische Gebrauch des Begriffs kann allerdings zur Verflachung der gastrosophischen Reflexion beitragen bis hin zu Theorien der Bauchverachtung oder der Gastrophobie 7 Als wissenschaftliches Lehrfach steckt die Gastrosophie noch in den Kinderschuhen Ihr Gegenstandsbereich uberschneidet sich u a mit der Ernahrungssoziologie der Nahrungsforschung der Kulturgeschichte der Anthropologie der Okotrophologie Medizin und der Philosophie Als deutschsprachiger Gastrosoph wurde Karl Friedrich von Rumohr bekannt nach dem auch der Karl Friedrich von Rumohr Ring die hochste Auszeichnung der Gastronomischen Akademie Deutschlands benannt ist In der Gegenwart gehort in Deutschland insbesondere Harald Lemke oder Thomas Mohrs und Ernahrungsethiker wie Hans Werner Ingensiep Franz Theo Gottwald Konrad Ott zu den namhaften Vertretern und Vordenkern des gastrosophischen Denkens Auch zahlreiche Texte von Jurgen Dollase lassen sich mit ihren Uberlegungen zum Stand und der Zukunft von Gastronomie und Esskultur der Gastrosophie zurechnen 8 Gastrosophie als Zukunftsthema BearbeitenDer Direktor des Internationalen Forums Gastrosophie der Philosoph Harald Lemke propagiert seit Jahren in diversen ethischen politischen asthetischen und kulturphilosophischen Schriften die Notwendigkeit einer globalen Ernahrungswende Dabei dient der Begriff Gastrosophie zur Bezeichnung einer zukunftsethischen Bewegung fur Genuss und gute Esskultur Unter dem Motto Good food for all beschaftigen sich Befurworter der Gastrosophie mit ganzheitlichen Fragestellungen und Konzepten fur die globale und lokale Ernahrungswende Die Programmatik der neuen Gastrosophie wird von dem gesellschaftlichen Anliegen bestimmt analog zur Energiewende und parallel zu den UN Zielen einer nachhaltigen Entwicklung eine umfassende Transformation der globalen Ernahrungsverhaltnisse zu fordern Der Grundgedanke ist dass die Art und Weise wie zurzeit weltweit Nahrung produziert vermarktet und konsumiert wird als eine der folgenreichsten Hauptursachen der zivilisatorischen Krise erkannt werden muss Gleichzeitig existieren Alternativen und Gegenbewegungen in der Zivilgesellschaft der Politik der Wirtschaft sowie im Bildungsbereich der Medizin der Gastronomie des Tourismus oder im Bereich von Kunst Kultur und Wissenschaft die bereits die transformativen Krafte eines fur alle besseren Essens wahrnehmen Die international tatige Nichtregierungsorganisation Slow Food ware als ein Beispiel der zivilgesellschaftlichen Akteure zu nennen In Kooperation mit der Universitat Salzburg und dem dortigen Zentrum fur Gastrosophie angesiedelt am Institut fur Geschichtswissenschaft bietet das Studienzentrum Saalfelden seit 2009 den ersten universitaren Master Lehrgang zu Gastrosophischen Wissenschaften an Seit 2015 ist ausserdem das Internationale Forum Gastrosophie IFG als ausseruniversitarer Thinktank aktiv Neben Forschung Beratung und Bildung veranstaltet das Forum mit dem eigens entwickelten Veranstaltungsformat Gastrosophicum regelmassig philosophisch kulinarische Symposien zu wechselnden Thematiken Literatur BearbeitenJean Anthelme Brillat Savarin Physiologie du gout Meditations de gastronomie transcendante Santelet Paris 1826 ISBN 978 1 4212 1839 7 dt Physiologie des Geschmacks oder physiologische Anleitung zum Studium der Tafelgenusse ubersetzt und mit Anmerkungen versehen von Carl Vogt 1 Auflage Vieweg Braunschweig 1865 Daniele Dell Agli Hrsg Essen als ob nicht Gastrosophische Modelle Suhrkamp Frankfurt am Main 2009 ISBN 978 3 518 12518 2 Christian Denker Vom Geist des Bauches Fur eine Philosophie der Verdauung transcript Bielefeld 2015 ISBN 978 3 8394 3071 2 Klaus Ebenhoh Wolfgang Popp Der Philosoph im Topf Denkende Esser essende Denker Residenz Verlag St Polten Salzburg 2008 ISBN 978 3 7017 3099 5 Gisele Harrus Revidi Die Kunst des Geniessens Esskultur und Lebenslust Verlag Artemis amp Winkler Dusseldorf 1996 ISBN 3 538 06643 4 Christian Hoffstadt u a Hrsg Gastrosophical Turn Essen zwischen Medizin und Offentlichkeit Projektverlag Freiburg 2010 ISBN 978 3 89733 202 7 Jean Claude Kaufmann Kochende Leidenschaft Soziologie vom Kochen und Essen UVK Konstanz 2006 ISBN 978 3 89669 558 1 Harald Lemke Die Kunst des Essens Eine Asthetik des kulinarischen Geschmacks Transcript Verlag Bielefeld 2007 ISBN 978 3 89942 686 1 Harald Lemke Ethik des Essens Eine Einfuhrung in die Gastrosophie Akademie Verlag Berlin 2007 ISBN 978 3 05 004301 2 William Maginn Sir Morgan O Doherty Maxims Blackwood s Edinburgh Magazine Vol 15 William Blackwood Edinburgh London 1824 Franz Xavier Mayr Schonheit und Verdauung Die Verjungung des Menschen nur durch sachgemasse Wartung des Darmes Verlag Neues Leben Thuringerberg 2005 ISBN 3 85335 063 1 Michel Onfray Le Ventre des philosophes Critique de la raison dietetique Grasset Paris 1989 ISBN 978 2 253 05382 8 Papyrus Ebers Das alteste Buch uber Heilkunde aus dem Aegyptischen zum erstenmal vollstandig ubersetzt Heinrich Joachim Georg Reimer Berlin 1890 Peter Peter Kulturgeschichte der deutschen Kuche C H Beck Verlag Munchen 2008 ISBN 978 3 406 57224 1 Carl Friedrich von Rumohr Geist der Kochkunst Cotta Stuttgardt Tubingen 1822 Neuausgabe 1978 mit einem Vorwort von Wolfgang Koeppen Insel Verlag Berlin Frankfurt am Main 2010 ISBN 978 3 458 35333 1 Eugen F C Baron von Vaerst Gastrosophie oder die Lehre von den Freuden der Tafel Avenarius amp Mendelssohn Leipzig 1851 ISBN 3 8077 0042 0 Weblinks BearbeitenAufsatz Harald Lemke 2001 Asthetik des guten Geschmacks Vorstudien zu einer Gastrosophie PDF 121 kB Website des interdisziplinaren Journal Culinaire Epikur Journal fur Gastrosophie Tartuffel Buchbesprechungen Reportagen Interviews und Berichte rund um die Gastrosophie Internationales Forum fur Gastrosophie Quellen Bearbeiten Gastrosophie Lehrgang Universitatslehrgang Studium fur gastrosophische Wissenschaften Abgerufen am 8 November 2020 Epikur U409 Athenaeus Deipnosophists Maxims Part II S 223 Brillat Savarin Physiologie des Geschmacks 82 Lichtenberg Aphorismen Sudelbuch G 1779 1783 Denker Vom Geist des Bauches S 470 Denker Vom Geist des Bauches S 16 Jurgen Dollase EAT DRINK THINK Abgerufen am 15 Februar 2022 Normdaten Sachbegriff GND 4344017 4 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gastrosophie amp oldid 226967917