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Die Ernahrungssoziologie oder Soziologie des Essens Soziologie der Ernahrung ist eine spezielle Konsumsoziologie die sich mit der gesellschaftlichen Komponente von Ernahrung beschaftigt Forschungsfelder sind Unterschiede in den Kulturen Veranderungen von Essgewohnheiten in der Geschichte und deren Grunde Prognosen und Empfehlungen fur die Politik was die Ernahrung betrifft Inhaltsverzeichnis 1 Grundansatz 2 Soziologische Klassiker zur Ernahrungssoziologie 3 Komplexitat der Ernahrung in der Gegenwart 4 Ernahrungsarmut 5 Extremsituationen 6 Materielle Kultur der Ernahrung 7 Siehe auch 8 Literatur 9 EinzelnachweiseGrundansatz BearbeitenWas Menschen essen und was nicht in welchen Zubereitungsformen und zu welchen Mahlzeiten ist gesellschaftlich bedingt und in verschiedenen Kulturen unterschiedlich Da der Stoffwechsel des menschlichen Organismus prinzipiell omnivor funktioniert kann daruber entschieden werden welche Nahrungsmittel produziert oder aus einem bestehenden Angebot er konsumiert werden sollen Dabei konnen in einzelnen Situationen sowohl bewusste als auch sozialstrukturell unbewusste Grunde eine Rolle spielen Verschiedene kognitive und psychosoziale Faktoren spielen in der konkreten Entscheidungssituation womit sich wie ernahrt wird ebenso eine Rolle wie okonomische und gesundheitliche Variablen Gewohnheiten personlicher Geschmack und emotionale Befindlichkeit Eine wichtige Rolle spielen auch Bezugspersonen und soziales Umfeld zum Beispiel durch Vermittlung eines bestimmten Schonheitsideals Auch der Geltungskonsum erlesener Speisen und Getranke gehort hierzu Das aus subjektiven Praferenzen resultierende Konsumverhalten muss aus objektiver ernahrungsphysiologischer Sicht nicht optimal sein Ernahrungsverhalten kann erfasst statistisch ausgewertet und in Modelle umgesetzt werden Daraus ablesbare Konsummuster konnen soziologisch analysiert und gedeutet werden Auch die Ethnologie wie etwa Audrey Richards hat hier einschlagige Beitrage erarbeitet wobei es mehrfache Uberschneidungen zur Ernahrungssoziologie gibt wie das deutschsprachige Einfuhrungswerk Kulinarische Ethnologie Beitrage zur Wissenschaft von eigenen fremden und globalisierten Ernahrungskulturen belegt in dem Ethnologen und Soziologen gemeinsam den aktuellen Forschungsstand 2018 publizierten Der Terminus Kulinarische Ethnologie wiederum leitet sich aus einem Werk des auch in der Soziologie stark rezipierten Ethnologen Claude Levi Strauss ab der 1968 ein Buchkapitel mit dem Titel Petit traite d ethnologie culinaire dt Eine kleine Abhandlung in kulinarischer Ethnologie veroffentlichte Soziologische Klassiker zur Ernahrungssoziologie BearbeitenErnahrung ist in der Soziologie von Anfang an und wiederkehrend ein Thema gewesen wenngleich keines das herausragend ausgearbeitet worden ware Als wegweisend gilt der Aufsatz von Georg Simmel Soziologie der Mahlzeit von 1910 in dem er vergemeinschaftende Aspekte des gemeinsamen Essen und Trinkens herausarbeitet 1 Norbert Elias beschreibt in Uber den Prozess der Zivilisation wie sich Tischsitten und die Verwendung von Esswerkzeugen Besteck sukzessive uber die Jahrhunderte entwickelte und auch Pierre Bourdieu fuhrt in seinem Hauptwerk Die feinen Unterschiede aus wie Ernahrungshandeln und Ernahrungsverhalten als kulturelles Kapital habitualisiert zum Einsatz kommt Komplexitat der Ernahrung in der Gegenwart BearbeitenDie Gesellschaft in der Gegenwart ist eine globalisierte Gesellschaft in der es nicht mehr nur eine einzige Ernahrungskultur gibt oder raumlich strikt voneinander getrennte Regionalkuchen Stattdessen so der Ernahrungssoziologe Daniel Kofahl ist eine Situation eingetreten in der unterschiedlichste Ernahrungskulturen uberall miteinander in Kontakt treten und kein einheitliches Ernahrungsparadigma mehr identifiziert werden kann Es konkurrieren nun verschiedene Ernahrungskulturen und Ernahrungsstile miteinander versuchen sich gegenseitig zu verdrangen oder bilden Hybridformen Eine eindeutig beste Form der Ernahrung ist nicht mehr zu bestimmen da beispielsweise das Gesundeste selten das Wohlschmeckendste ist und umgekehrt Die Menschen mussen sich in der Folge mit auf Komplexitat ausgerichteten Entscheidungen bezuglich ihrer Ernahrungsweisen auseinandersetzen was unter anderem auch fur die professionalisierte Ernahrungslehre und Ernahrungsberatung nicht folgenlos bleibt Ernahrungsarmut BearbeitenEin zentrales Thema ernahrungssoziologischer Forschung ist die Ernahrungsarmut Hierbei wird zwischen absoluter Ernahrungsarmut und relativer Ernahrungsarmut unterschieden Absolute Ernahrungsarmut ist vor allem ein Problem welches dauerhaft fast nur in Landern des globalen Sudens auftritt Allerdings wird auch in Landern des globalen Nordens zunehmend ofters eine temporar auftretende absolute Ernahrungsarmut diagnostiziert Die Soziologen Stefan Selke und Sabine Pfeiffer weisen hierbei auf sich etablierte Institutionen wie Die Tafeln oder Suppenkuchen hin Die beiden Soziologen zeigen aber auch am Beispiel Deutschland wie die relative Ernahrungsarmut zunimmt Hierbei geht es primar um alimentare Teilhabe also die Moglichkeit durch eine entsprechende finanzielle Kaufkraft an der kulinarischen und gastronomischen Kultur der Gegenwartsgesellschaft selbstbestimmt teilhaben zu konnen Extremsituationen BearbeitenAuch Katastrophen wie eine Hungersnot sind stark sozial bedingt Es sind dies immer auch akute Verteilungskampfe in Zeiten der Knappheit bei denen die Verhungernden unterliegen vgl auch Wucher Materielle Kultur der Ernahrung BearbeitenDie Benutzung von bestimmtem Essbesteck ist nicht physiologisch zwingend ausser um die Nahrung mundgerecht vor dem Verzehr zu verkleinern In Norbert Elias Uber den Prozess der Zivilisation findet sich eine aufschlussreiche Erorterung zum Bedeutungswandel des Messers und der Einfuhrung der Gabel Den Einfluss sozialkultureller Faktoren auf die Verwendung von Essbesteck lasst sich unter anderem daran erkennen dass weltweit nur eine Minderheit der Menschen uberhaupt Esswerkzeuge Gabel Loffel Messer Stabchen verwendet Der Grossteil der Esskulturen beinhaltet keinerlei Esswerkzeuge oder Reglements solches zu benutzen Stattdessen wurde die meiste Zeit der Menschheitsgeschichte und auch noch heute wird weltweit gesehen uberwiegend mit der Hand gegessen Siehe auch BearbeitenEngelsches Gesetz Trinkkultur Esskultur Tischsitten Hunger Hungersnot Alkoholkrankheit Vegetarismus Veganismus TrendlebensmittelLiteratur BearbeitenEva Barlosius Soziologie des Essens Eine sozial und kulturwissenschaftliche Einfuhrung in die Ernahrungsforschung Verlag Juventa Munchen 1999 ISBN 3 7799 1464 6 Jean Claude Kaufmann Kochende Leidenschaft Soziologie vom Kochen und Essen Uvk Konstanz 2006 Daniel Kofahl Die Komplexitat der Ernahrung in der Gegenwartsgesellschaft Kassel University Press Kassel 2015 ISBN 978 3 86219 553 4 Daniel Kofahl Sebastian Schellhaas Kulinarische Ethnologie Beitrage zur Wissenschaft von eigenen fremden und globalisierten Ernahrungskulturen Transcript Bielefeld 2018 ISBN 978 3 8376 3539 3 Claude Levi Strauss Petit traite d ethnologie culinaire dt Eine kleine Abhandlung in kulinarischer Ethnologie In Mythologica III Der Ursprung der Tischsitten Suhrkamp Frankfurt am Main 1986 ISBN 3 518 27769 3 Sabine Pfeiffer Die verdrangte Realitat Ernahrungsarmut in Deutschland Hunger in der Uberflussgesellschaft Springer Berlin New York 2014 ISBN 978 3 658 04664 4 Simon Reitmeier Warum wir mogen was wir essen Eine Studie zur Sozialisation der Ernahrung transcript Verlag Bielefeld 2013 ISBN 978 3 8376 2335 2 Stefan Selke Hrsg Tafeln In Deutschland Aspekte einer sozialen Bewegung zwischen Nahrungsmittelumverteilung und Armutsintervention VS Verlag Wiesbaden 2011 ISBN 978 3 531 18005 2 Monika Setzwein Zur Soziologie des Essens Tabu Verbot Meidung VS Verlag 1997 ISBN 3 8100 1797 3 Monika Setzwein Ernahrung Korper Geschlecht Zur sozialen Konstruktion von Geschlecht im kulinarischen Kontext VS Verlag Wiesbaden 2004 Hans Jurgen Teuteberg Hrsg Die Revolution am Esstisch Neue Studien zur Nahrungskultur im 19 20 Jahrhundert Verlag Steiner Stuttgart 2004 ISBN 3 515 08447 9 Einzelnachweise Bearbeiten Georg Simmel Soziologie der Mahlzeit In Der Zeitgeist Beiblatt zum Berliner Tageblatt Nr 41 Festnummer zum hundertjahrigen Jubilaum der Berliner Universitat Berlin 1910 S 1 2 online Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ernahrungssoziologie amp oldid 237004462