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Franz Gunther Ritter von Stockert 9 Januar 1899 in Wien 25 Februar 1967 in Frankfurt am Main war ein Psychiater mit osterreichischer und ab 1928 deutscher Staatsburgerschaft 1 Er war Professor an den Universitaten Halle Saale Frankfurt und Rostock und gilt als Mitbegrunder der Kinder und Jugendpsychiatrie in Deutschland Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Familie 1 2 Fruhe Jahre Ausbildung und Beginn der akademischen Laufbahn 1 3 Zeit des Nationalsozialismus und Nachkriegszeit 1 4 Tatigkeit in der DDR Die Rostocker Jahre 1 5 Spate Karriere in der Bundesrepublik Deutschland Nachwirkung 2 Wirken 3 Veroffentlichungen Auswahl 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseLeben BearbeitenFamilie Bearbeiten Franz Gunther Ritter von Stockert war der Sohn des osterreichischen Regierungsrates Leopold Ritter von Stockert 1860 1938 und dessen Frau der Schriftstellerin Dora von Stockert Meynert 1870 1947 Das Paar hatte zudem drei Tochter Sein Grossvater mutterlicherseits war der Psychiater und Neuroanatom Theodor Meynert 1833 1892 Franz Gunther Ritter von Stockert war mit Lisette Anton 1907 1977 Tochter des Psychiaters Gabriel Anton 1858 1933 verheiratet Das Paar hatte vier Kinder 2 Fruhe Jahre Ausbildung und Beginn der akademischen Laufbahn Bearbeiten Von Stockert legte 1917 am Stiftsgymnasium Kremsmunster seine Matura ab und trat anschliessend in den Militardienst ein Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges 1918 nahm er an der Universitat Wien ein Medizinstudium auf das er 1924 mit der Promotion beendete Ab Februar 1923 war Stockert in der Wiener Heil und Pflegeanstalt fur Psychiatrie Am Steinhof tatig Im Herbst 1924 trat er eine Stelle an Nervenklinik der Universitat Wien an 1926 wechselte er an die von Gabriel Anton geleitete Nervenklinik der Universitat Halle In Halle habilitierte er sich 1928 mit der Schrift Uber Umbau und Abbau der Sprache bei Geistesstorung und wurde 1935 zum ausserordentlichen Professor berufen 1935 1936 war er in der neurochirurgischen Abteilung der Universitat Wurzburg tatig 1937 ging von Stockert an die Universitat Frankfurt wo er fur einige Monate die Kinderabteilung der Universitatsnervenklinik leitete Im Juni 1937 liess er sich in nervenarztlicher Praxis in Frankfurt nieder 3 Zeit des Nationalsozialismus und Nachkriegszeit Bearbeiten Uber Stockerts Werdegang wahrend der Zeit des Nationalsozialismus und den ersten Nachkriegsjahren liegen zum Teil abweichende biographische Aussagen vor Diese beruhen unter anderem auf unterschiedlichen Angaben Stockerts zum einen aus dem DDR Gerichtsverfahren zum anderen aus seiner westdeutschen Personalakte 4 Stockert wurde 1933 Mitglied der SA und des Nationalsozialistischen Lehrerbundes NSLB 5 Am 30 Juli 1937 beantragte er die Aufnahme in die NSDAP und wurde ruckwirkend zum 1 Mai aufgenommen Mitgliedsnummer 5 116 037 6 7 8 Am Zweiten Weltkrieg nahm Stockert von 1939 an als Militararzt teil Von Juli 1940 bis 1942 war er Beratender Psychiater der 1 Armee anschliessend gehorte er bis Dezember 1944 der Heeresgruppe Mitte an Er hatte ab 1942 den Rang eines Oberstabsarztes inne ab 1944 den eines Oberfeldarztes 9 Von 1939 bis 1945 hatte er zudem die Position eines ausserplanmassigen Professors an der Frankfurter Universitat inne 10 Nach kurzer amerikanischer Gefangenschaft kehrte Stockert im Juli 1945 nach Frankfurt am Main zuruck wo er wegen seiner NSDAP Mitgliedschaft zunachst entlassen wurde 11 Er praktizierte bis Ende 1948 in eigener Niederlassung und hatte anschliessend eine Stelle als Dozent fur Kinderpsychiatrie an der Universitat inne Im Rahmen der Entnazifizierung wurde Stockert als entlastet eingestuft 12 Tatigkeit in der DDR Die Rostocker Jahre Bearbeiten Aufgrund der zunehmenden zentralistischen Einflussnahme auf die Universitaten und Politisierung der Wissenschaft Zweiten Hochschulreform 1951 52 durch die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands SED verliess 1953 Hans Heygster 1905 1961 Lehrstuhlinhaber fur Psychiatrie und Neurologie an der Universitat Rostock das Land Aufgrund des Fach und Lehrkraftemangel in der DDR war eine Besetzung des Lehrstuhls mit einem ideologisch wie fachlich gleichermassen geeigneten Nachfolger nicht moglich Erst am 1 September 1954 wurde nach langen Verhandlungen Stockert nach Rostock berufen Die Klinik war zwischenzeitlich von Gerhard Gollnitz kommissarisch geleitet worden 13 Kollegen Stockerts die in der DDR tatig waren hatten ihn vor der Ubernahme des Lehrstuhls fur Neurologie und Psychiatrie in Rostock gewarnt Ruckblickend stellte er um 1958 fest die politische Situation nach dem Aufstand vom 17 Juni 1953 unzureichend eingeschatzt zu haben sie erschien ihm etwas befriedeter er ging von zu Kompromissen geneigten Behorden aus 14 Im Juli 1957 kundigte das Staatssekretariat fur Hochschulwesen in Berlin den Vertrag mit Stockert mit Wirkung zum 31 August 1957 und berief sich darauf dass Stockert keine DDR Staatsburgerschaft annehmen wollte eine Forderung die im Vertrag nicht festgelegt war Zuvor hatte Stockert mehrfach Kritik an den gesellschaftlichen Verhaltnisse in der DDR geubt Ein Inoffizieller Mitarbeiter IM mit dem Decknamen Schneider der Assistenzarzt an der Klinik war trug dem Ministerium fur Staatssicherheit MfS Interna zu Auch das Verhaltnis Stockert zu seinem Kollegen und Vorganger im Amt Gerhard Gollnitz war belastet Die Streitpunkte machten sich zum einen an unterschiedlichen politischen Positionen fest zum anderen an gegenseitigen Vorwurfen zur Durchfuhrung von Forschungsvorhaben 15 Mit dem Ziel den Machtbereich Stockerts einzuschranken 16 wurde im Dezember 1957 vom Staatssekretariat eine Aufteilung des Lehrstuhls in insgesamt drei Lehrstuhle verfugt obwohl die finanzielle und personelle Situation derartige Umstellungen nicht zuliess und die Fakultat sich ablehnend positionierte Im Rahmen dieser Anderungen wurde am 1 Marz 1958 Gerhard Gollnitz die Leitung der Abteilung fur Kinder und Jugendpsychiatrie ubertragen zudem erhielt er kommissarisch den Lehrstuhl fur Psychiatrie Eine diskutierte Berufung Stockerts an die Universitaten in Halle und Jena der er aufgeschlossen gegenuberstand wurde ihm verweigert Am 31 Marz 1958 wurde von Stockert von der Staatssicherheit verhaftet Das Gerichtsverfahren gegen ihn am Bezirksgericht Rostock wurde am 7 Mai 1958 eroffnet Die Anklageschrift beschuldigt Stockert staatsgefahrdende Hetze gegen unsere volksdemokratische Ordnung betrieben zu haben indem er fortgesetzt gegen andere Rassen gegen die Arbeiter und Bauernmacht sowie gegen ihre Organe und gesellschaftlichen Organisationen und gegen Burger wegen ihrer gesellschaftlichen Tatigkeit hetzte Weiterhin hat er wahrheitswidrig behauptet dass die DDR bald pleite sei weil sie sich mit der Herstellung von Atombomben beschaftigt Daruber hinaus bezeichnete er fuhrende Mitglieder unserer Regierung als Lumpen und Lugner und machte abfallige Ausserungen gegen Mitglieder der Partei der Arbeiterklasse 17 In der Anklageschrift wurden Stockert auch antisemitische Ausserungen vorgeworfen 15 Obwohl die Staatsanwaltschaft zahlreiche Anklagepunkte fallenlassen musste wurde Stocker am 20 Mai 1958 vom Bezirksgericht Rostock aufgrund von Staatsverleumdung zu einer Haftstrafe von einem Jahr verurteilt Im Berufungsverfahren verhangte das Oberste Gericht der DDR OG eine einjahrige Haftstrafe aufgrund von Propaganda und Hetze zudem wurden Stockert eine zweijahrige Bewahrungsstrafe und die Kosten des Verfahrens auferlegt 15 Die DDR strebte nach internationaler Anerkennung als souveraner Staat und sah sich mit der ausfuhrlichen Berichterstattung uber den Prozess gegen den Psychiater konfrontiert Sowohl in der bundesdeutschen Presse als auch in auslandischen Zeitungen wurde die Verhaftung Stockerts thematisiert Zahlreiche Wissenschaftler aus der Bundesrepublik und dem westlichen Ausland aber auch Arzte aus der DDR setzten sich schriftlich fur den Angeklagten ein 18 Am 25 Juli 1958 verliess Stockert die DDR Spate Karriere in der Bundesrepublik Deutschland Nachwirkung Bearbeiten Nach seiner Flucht aus der DDR kehrte Franz Gunter von Stockert nach Frankfurt am Main zuruck Er wurde erneut als Dozent an der Universitat tatig 1960 wurde er zum Wissenschaftlichen Rat ernannt 1964 erfolgte die Berufung zum ausserordentlichen Professor fur Kinderpsychiatrie Er wurde 1967 emeritiert und starb am 25 Februar 1967 in Frankfurt Noch 1958 verliess auch Stockerts Kollege Werner Schulze der die Rostocker Universitatshautklinik geleitet hatte das Land und kehrte nach Freiburg im Breisgau zuruck Das Urteil gegen Stockert wurde im selben Jahr von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main fur unzulassig erklart 19 Nach der Deutschen Wiedervereinigung hob das Landgericht Rostock 1995 das Urteil von 1958 auf und rehabilitierte den Psychiater posthum 18 Wirken BearbeitenFranz Gunter von Stockerts Interesse galt insbesondere der Kinder und Jugendpsychiatrie In dieser jungen Disziplin hatte er zahlreiche Positionen in Fachvereinigungen inne darunter jene des Vorsitzenden der Deutschen Vereinigung fur Jugendpsychiatrie und die des Prasidenten der Union Europaischer Padopsychiater Weiterhin war er Leiter der Deutschen Gesellschaft fur Sexualforschung 20 Veroffentlichungen Auswahl BearbeitenUber Umbau und Abbau der Sprache bei Geistesstorung Karger Berlin 1929 Habilitationsschrift Einfuhrung in die Psychopatholoqie des Kindesalters 1 Auflage Urban amp Schwarzenberg Berlin 1939 bis 4 Auflage 1967 Die Sexualitat des Kindes Enke Stuttgart 1958 Literatur BearbeitenR Castell u a Franz Gunther Ritter von Stockert In Geschichte der Kinder und Jugendpsychiatrie in Deutschland in den Jahren 1937 bis 1961 Gottingen 2003 ISBN 3 525 46174 7 S 480 488 E Kumbier K Haack U K Zettl Facherdifferenzierung unter sozialistischen Bedingungen Die Etablierung der Neurologie an der Universitat Rostock In Fortschr Neurol Psychiatr 2009 77 S 3 6 doi 10 1055 s 0028 1109592 E Kumbier K Haack S C Herpertz Franz Gunther von Stockert im Spannungsfeld von Politik und Wissenschaft In Fortschr Neurol Psychiatr 2009 77 S 285 288 doi 10 1055 s 0028 1109400Weblinks BearbeitenLiteratur uber Franz Gunther von Stockert in der Landesbibliographie MV Eintrag zu Franz Gunther von Stockert im Catalogus Professorum Rostochiensium Eintrag zu Franz Gunther von Stockert im Catalogus Professorum Halensis Franz Gunther Ritter von Stockert Darstellung auf den Seiten der Klinik fur Psychiatrie und Psychotherapie der Universitat RostockEinzelnachweise Bearbeiten R Castell u a Franz Gunther Ritter von Stockert In Geschichte der Kinder und Jugendpsychiatrie in Deutschland in den Jahren 1937 bis 1961 Gottingen 2003 S 482 Genealogische Darstellung Memento vom 1 Januar 2016 im Internet Archive abgerufen am 9 Februar 2020 Castell u a S 481f Vgl R Castell u a Geschichte der Kinder und Jugendpsychiatrie in Deutschland in den Jahren 1937 bis 1961 Vandenhoeck amp Ruprecht 2003 ISBN 3 525 46174 7 S 483 485 H Eberle Die Martin Luther Universitat in der Zeit des Nationalsozialismus 1933 1945 mdv Mitteldeutscher Verlag Halle Saale 2002 ISBN 3 89812 150 X Bundesarchiv R 9361 IX KARTEI 43180582 G Berger Die Beratenden Psychiater des deutschen Heeres 1939 bis 1945 Lang Frankfurt 1998 ISBN 3 631 33296 3 S 291 Kumbier Haack und Herpertz vermerken eine Mitgliedschaft in der NSDAP seit 1939 Berger griff fur seine Darstellung u a auf die NSDAP Personalunterlagen Stockerts zuruck Berger S 291 Castell u a S 483 Volkmar Sigusch Gunter Grau Personenlexikon der Sexualforschung Campus Frankfurt a M 2009 ISBN 978 3 593 39049 9 S 679 Castell u a S 485 E Kumbier K Haack U K Zettl Facherdifferenzierung unter sozialistischen Bedingungen Die Etablierung der Neurologie an der Universitat Rostock In Fortschr Neurol Psychiatr 2009 77 S4 E Kumbier K Haack S C Herpertz Franz Gunther von Stockert im Spannungsfeld von Politik und Wissenschaft In Fortschr Neurol Psychiat 2009 77 286 a b c Castell u a S 486 BArch DR3 11122 zitiert nach Kumbier Haack und Herpertz S 287 Zitiert nach Kumbier Haack und Herpertz S 287 a b Kumbier Haack und Herpertz S 287 Gesch Nr 314 E 1697 Kumbier Haack und Herpertz S 286 Normdaten Person GND 128752939 lobid OGND AKS LCCN no2009131978 VIAF 3533620 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Stockert Franz Gunther vonALTERNATIVNAMEN Stockert Franz Gunther Ritter von vollstandiger Name Stockert Franz Gunther Stockert Franz Gunther vonKURZBESCHREIBUNG deutsch osterreichischer PsychiaterGEBURTSDATUM 9 Januar 1899GEBURTSORT Wien OsterreichSTERBEDATUM 25 Februar 1967STERBEORT Frankfurt am Main Deutschland Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Franz Gunther von Stockert amp oldid 233619734