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Dieser Artikel bezieht sich auf physikalische Auswirkungen auf das Fuhren von Kraftfahrzeugen Fur die Wissenschaft der Fahrzeugbewegung siehe Fahrdynamik Die Fahrphysik von Kraftfahrzeugen befasst sich mit den Auswirkungen physikalischer Gesetze auf das Fahrverhalten und die Wahrnehmungen der Fahrzeuginsassen Die Kenntnis der physikalischen Grenzen ist insbesondere im Motorsport und beim Fuhren von Nutzfahrzeugen von grosser Bedeutung Inhaltsverzeichnis 1 Krafte zwischen Reifen und Fahrbahn 2 Tragheitsprinzip 3 Kurvenfahrt 3 1 Ideallinie 4 Kippgrenze 5 Bremsen 5 1 Bremsen in der Kurve 5 2 Bremsen auf einseitiger Glatte 6 Fahrzeug Komponenten 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseKrafte zwischen Reifen und Fahrbahn BearbeitenBei Kraftfahrzeugen wird der Kontakt zwischen Fahrzeug und Fahrbahn nur durch die Reifenaufstandsflachen jede etwa handtellergross vermittelt Die Kraftentstehung in diesen Kontaktflachen ist somit fur die Fahrdynamik von besonderem Interesse Die einfachste Modellvorstellung ist der Kammsche Kreis Dieser besagt dass die Gesamtkraft aus Seitenkraft und Umfangskraft einen Maximalwert nicht ubersteigen kann Die Maximalkraft hangt vom maximalen Kraftschlussbeiwert zwischen Reifen und Strasse sowie der Radlast ab Der Strassenzustand trocken feucht nass Schnee Eis Schotter hat den grossten Einfluss auf den Kraftschlussbeiwert Bei normaler Fahrt liegt der Krafteinsatz aller Rader weit innerhalb des Kammschen Kreises Wird jedoch ein Rad wahrend einer Kurvenfahrt im Grenzbereich zusatzlich durch starkes Bremsen verzogert so kann es weniger Seitenfuhrungskraft aufbringen An der Vorderachse fuhrt dies zum Untersteuern an der Hinterachse zum Ubersteuern Wenn ein Rad blockieren wurde so wurde es unabhangig vom Lenkeinschlag weiter in die momentane Bewegungsrichtung des Radaufstandspunkts rutschen die resultierende bremsende Kraft ist dann genau entgegengerichtet Die Richtung der Gesamtkraft wurde sich dann durch einen Lenkeinschlag nicht andern Ein Fahrzeug ist mit blockierten Radern somit nicht mehr lenkbar weshalb fur heutige Pkw ein Antiblockiersystem vorgeschrieben ist Durchdrehende Rader infolge von Antriebsmomenten bei Kurvenfahrt fuhren zu ahnlichen Effekten Untersteuern bei frontgetrieben Fahrzeugen Ubersteuern bei Hinterachsangetriebenen Fahrzeugen Moderne Fahrzeuge haben daher Regelsysteme Fahrdynamikregelung ESP die grossen Schlupf beim Bremsen ABS und Antreiben Antriebsschlupfregelung ASR sowie in Querrichtung verhindern Fahrdynamisch kritische Situationen werden so weit wie moglich vermieden 1 Im Motorsport wird dagegen Schlupf an der Hinterachse bewusst eingesetzt um das Fahrzeug zum Driften zu bringen Da der Laufstreifen des Reifens elastisch deformierbar ist konnen Seitenkrafte nur entstehen wenn ein Schraglaufwinkel vorhanden ist Diese Gesetzmassigkeit hat weitreichende Konsequenzen fur das Fahrverhalten insbesondere bei hohen Fahrgeschwindigkeiten siehe Einspurmodell In Umfangsrichtung kann entsprechend auch nur eine Kraft wirken wenn Schlupf vorhanden ist Tragheitsprinzip BearbeitenDas physikalische Prinzip welches man als Fahrer oder Mitfahrer von Fahrzeugen am deutlichsten erfahrt ist das von Isaac Newton formulierte Prinzip der Tragheit Es besagt dass ein Korper im Zustand der Ruhe oder der gleichformigen Bewegung verharrt wenn er nicht durch einwirkende Krafte gezwungen wird dies zu andern Auf das Fahrzeug wirken bei normaler Fahrt aussere Krafte ein Von besonderer Bedeutung sind dabei die Reifenkrafte 2 da ohne diese eine kontrollierte Bewegung des Fahrzeugs nicht moglich ist Durch diese ausseren Krafte konnen sowohl das Fahrzeug als auch die Insassen eine Beschleunigung erfahren Die Tragheitskraft ist der Beschleunigung entgegengerichtet Bei Kurvenfahrt wird sie von den Insassen als Zentrifugalkraft beim Bremsen als Kraft nach vorn wahrgenommen Bei einer Kollision konnen auch grosse Krafte auftreten Im Fall eines Frontalaufpralls wurden die Insassen ihre Bewegung in Richtung Windschutzscheibe fortsetzen wenn nicht Haltekrafte durch Ruckhaltesysteme wie Sicherheitsgurte dies verhindern wurden Kurvenfahrt BearbeitenDas Befahren einer Kurve mit dem Krummungsradius r und der Fahrgeschwindigkeit v erfordert die Querbeschleunigung a y v 2 r displaystyle a y v 2 r nbsp Da das Seitenkraftpotential der Reifen begrenzt ist ergibt sich die maximal mogliche Geschwindigkeit zu v m a x a y m a x r displaystyle v mathrm max sqrt a y mathrm max cdot r nbsp Wird diese Kurvengrenzgeschwindigkeit uberschritten so kann das Fahrzeug dem Radius nicht mehr folgen und verlasst die Fahrspur Bei glatter Fahrbahn muss eine Kurve daher langsamer angefahren werden als bei griffiger Fahrbahn Typische maximale Querbeschleunigungen von PKW betragen auf trockener Fahrbahn zwischen 8 m s2 und 10 m s2 Im Rennsport werden hier wesentlich hohere Werte erreicht weil die Karosserie und Flugel an Front und Heck Abtrieb erzeugen der die Radlast vergrossert Auf Schnee vermindern sich die Werte auf etwa 3 m s2 oder darunter Auf nassem Eis konnen sich die Werte bis auf 1 m s2 reduzieren Auf dem Mond ist zwar nicht mit Schnee und Eis zu rechnen Dennoch musste man sich dort auf Grund der sehr geringen Gravitation auf standig rutschige Verhaltnisse einstellen Bei der Konstruktion von Rovern mussen deshalb statt Reibschluss auch andere Techniken zur Fortbewegung verwendet werden Aus Grunden der Fahrsicherheit sind moderne Fahrzeuge so ausgelegt dass bei stationarer Kurvenfahrt die Vorderachse zuerst die Kraftschlussgrenze Rutschgrenze erreicht Das Fahrzeug untersteuert Bei Fahrzeugen mit Heckmotor trat fruher der umgekehrte Fall auf Diese Fahrzeuge waren als Heckschleudern beruchtigt Bei der Abstimmung wird der Effekt ausgenutzt dass der maximale Kraftschlussbeiwert von Reifen mit zunehmender Radlast sinkt Durch Stabilisatoren wird die Radlastdifferenz der Vorderachse grosser als die der Hinterachse gewahlt Bei Fahrzeugen mit Heckantrieb reicht dies haufig nicht aus so dass Vorderachse und Hinterachse mit Reifen unterschiedlicher Breite versehen werden Ideallinie Bearbeiten nbsp Idealinien die sich im Scheitelpunkt Apex kreuzen Grun hochste Kurvengeschwindigkeit hellblau hochste Geschwindigkeit am Kurvenausgang blau am Eingang Innerhalb des gegebenen Fahrstreifens hat der Fahrer die Moglichkeit unterschiedliche Linien zu wahlen Im Rennsport wird als Ideallinie jene bezeichnet welche auf der gegebenen Strecke die kurzeste Rundenzeit ermoglicht Dies kann entweder die maximale Geschwindigkeit in der Kurve oder die maximale Geschwindigkeit am Kurven Ausgang sein was bei nachfolgender Geradeausstrecke kurzere Rundenzeiten ergibt Kurvenein und ausgange werden zum Anbremsen bzw Beschleunigen genutzt Wird die Langsbeschleunigung uber der Querbeschleunigung des Fahrzeugs aufgetragen gibt dies Auskunft daruber wie weit Fahrer und Fahrzeug die physikalischen Grenzen der Reibung ausnutzen 3 Kippgrenze BearbeitenFahrzeuge mit hohem Schwerpunkt zum Beispiel Nutzfahrzeuge 4 oder Sport Utility Vehicle bei ungunstiger Beladung konnen die Kippgrenze vor der Kraftschlussgrenze erreichen Die Querbeschleunigung ab der stationares Kippen moglich ist Wurfelmodell errechnet sich aus Spurweite S und Schwerpunktshohe h zu a y K g S 2 h S S F displaystyle a y K g cdot underbrace frac S 2 cdot h SSF nbsp g Erdbeschleunigung Der Faktor SSF wird static stability factor genannt und ist ein Mass fur die Uberschlagswahrscheinlichkeit Er wird von der amerikanischen Verkehrssicherheitsbehorde NHTSA fur alle neuen PKW ermittelt Die Fahrzeuge werden in funf Klassen eingeteilt 1 Stern fur ein sehr hohes Uberschlagsrisiko 5 Sterne fur ein geringes Die tatsachliche Kippgrenze ist geringer als mit obiger Formel berechnet da die Schwerpunktsverlagerung durch den Wankwinkel und die Elastizitat der Reifen reduzierend wirken 5 Der SSF muss also deutlich grosser sein als die maximale Querbeschleunigung des Fahrzeugs wenn kein stationares Kippen auftreten soll S S F gt a y m a x g displaystyle SSF gt a y max g nbsp Zur Uberprufung der Kippsicherheit bei dynmischen Fahrzustanden wurden von der NHTSA die Fahrmanover J Turn und Fishhook standardisiert 6 Sie gehoren zum Testprogramm bei der Entwicklung von Fahrzeugen Bremsen BearbeitenBremsen in der Kurve Bearbeiten Bei stationarer Kurvenfahrt stellt sich ein Momentengleichgewicht um die Fahrzeug Hochachse durch den Schwerpunkt ein Beim Bremsen erhoht sich die Achslast an der Vorderachse wahrend sie sich an der Hinterachse um den gleichen Betrag verringert Bei Bremskraften deutlich unterhalb der Blockiergrenze nimmt die Seitenkraft an der Hinterachse zunachst ab und an der Vorderachse zu Bei festgehaltenem Lenkrad zeigt das Fahrzeug eine Reindrehreaktion Bahnradius wird geringer bei der ein neuer Gleichgewichtszustand gesucht wird Dies geschieht durch Erhohen der Giergeschwindigkeit und des Schwimmwinkels In Extremfallen findet sich kein neues Gleichgewicht das Fahrzeug schleudert Bei Fahrzeugen mit Fahrdynamikregelung werden in solchen Fallen ungleiche Bremskrafte kurvenaussen kurveninnen erzeugt und damit ein stabilisierendes Giermoment Bremsen auf einseitiger Glatte Bearbeiten nbsp Krafte und Momente beim Bremsen auf einseitiger GlatteDa auf der glatten Seite nur geringe Bremskrafte abgesetzt werden konnen entsteht ein Giermoment welches das Fahrzeug in Richtung griffige Seite zieht Zur Stabilisierung wird ein Gegenmoment durch die Seitenkrafte benotigt Die glatte Seite leistet dabei nur einen sehr geringen Beitrag Das Fahrzeug wird zum Zweirad Das Gegenmoment muss letztlich der Fahrer durch Gegenlenken aufbringen Um die Geradeausfahrt beizubehalten muss die Summe der Seitenkrafte an Vorderachse und Hinterachse Null sein Es stellt sich daher ein Schwimmwinkel ein Um dem Fahrer Zeit zur Reaktion zu geben schwachen Regelsysteme das Giermoment ab das heisst sie verzogern den Aufbau des destabilisierenden Giermoments An der Hinterachse wird teilweise durch eine select low Regelung dafur gesorgt dass dort keine zusatzliche Bremskraftdifferenz entsteht Fahrzeug Komponenten BearbeitenFur die Fahrphysik wesentlichen Fahrzeug Komponenten sind Reifen Regelsysteme Massenverteilung Achslastverteilung Schwerpunktshohe Federung Dampfung Radaufhangung Antriebskonzept Frontantrieb Standardantrieb Motor vorn Antrieb hinten Heckantrieb Allradantrieb AerodynamikLiteratur BearbeitenHans Hermann Braess Ulrich Seiffert Vieweg Handbuch Kraftfahrzeugtechnik 2 Auflage Friedrich Vieweg amp Sohn Verlagsgesellschaft mbH Braunschweig Wiesbaden 2001 ISBN 3 528 13114 4 Karl Heinz Dietsche Thomas Jager Robert Bosch GmbH Kraftfahrtechnisches Taschenbuch 25 Auflage Friedr Vieweg amp Sohn Verlag Wiesbaden 2003 ISBN 3 528 23876 3Weblinks BearbeitenAnschauliche Erklarungen mit Grafiken zu Anhaltewegen und Gedankenexperimenten mit Fallhohen Memento vom 11 Marz 2007 im Internet Archive Einzelnachweise Bearbeiten Hermann Winner Stephan Hakuli Gabriele Wolf Hrsg Handbuch Fahrerassistenzsysteme 2 Auflage Vieweg Teubner 2012 ISBN 978 3 8348 1457 9 S 522 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Konrad Reif Hrsg Fahrstabilisierungssysteme und Fahrerassistenzsysteme 1 Auflage Vieweg Teubner 2010 ISBN 978 3 8348 1314 5 S 20 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Bernt Spiegel Die obere Halfte des Motorrads 5 Auflage Motorbuch Verlag 2006 ISBN 3 613 02268 0 S 131 Hermann Winner Stephan Hakuli Gabriele Wolf Hrsg Handbuch Fahrerassistenzsysteme Grundlagen Komponenten und Systeme fur aktive Sicherheit und Komfort 2 Auflage Vieweg Teubner 2012 ISBN 978 3 8348 1457 9 S 433 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche C Rill Fahrzeugdynamik S 42 44 abgerufen am 1 Januar 2019 Patrick L Boyd NHTSA S NCAP ROLLOVER RESISTANCE RATING SYSTEM In Paper Number 05 0450 National Highway Traffic Safety Administration 2005 abgerufen am 3 August 2023 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Fahrphysik Auto amp oldid 236113876