www.wikidata.de-de.nina.az
Als Fahrgastfluss bezeichnet man ein Abfertigungsverfahren im offentlichen Personennahverkehr bei dem Einsteiger und Aussteiger jeweils getrennte Turen benutzen Anwendung findet dieses Konzept bei Strassenbahnen heute selten Oberleitungsbussen und besonders Stadtbussen Einige Verkehrsunternehmen kehren heute wegen hoher Schwarzfahrerzahlen von einem System des freien Einstiegs an allen Fahrzeugturen wie dies bei Schnellbahnen ublich ist zu diesem System zuruck Ganz allgemein bezeichnet der Begriff Fahrgastfluss ausserdem die Verteilung der Fahrgaste innerhalb des Fahrzeugs Bei der Wiener Strassenbahn beziehungsweise der Wiener Elektrischen Stadtbahn sprach man fruher alternativ vom Fliessverkehr 1 Inhaltsverzeichnis 1 Fahrgastfluss aus tariflichen Grunden 1 1 Blutezeit 1 2 Niedergang durch Einmannbetrieb 1 3 Heutige Situation 2 Fahrgastfluss zwecks Verkurzung der Fahrgastwechselzeiten 3 EinzelnachweiseFahrgastfluss aus tariflichen Grunden BearbeitenBlutezeit Bearbeiten nbsp Verschiedene Varianten des Fahrgastflusses nbsp Peter Witt Wagen hier in Mailand gehorten zu den ersten Strassenbahn Wagentypen mit Fahrgastfluss nbsp Typische Turanordnung mit breitem Einstieg hinten und schmaleren Ausstiegen in der Mitte und vorn hier bei einem Schweizer StandardwagenTraditionell wurden Fahrgaste fruher von Schaffnern an ihrem jeweiligen Sitz oder Stehplatz abgefertigt Weil diese nach jeder Haltestelle von einem Wagenende zum anderen wechseln mussten nannte man sie auch Pendelschaffner Im Laufe der Jahre wurden die Fahrzeuge jedoch zunehmend langer das Personal schaffte es oftmals nicht mehr zwischen zwei Stationen alle Passagiere zu bedienen was zu Beforderungserschleichungen fuhrte Insbesondere das Aufkommen von Grossraumstrassenbahnen Gelenkstrassenbahnen und Gelenkbussen bereitete den Angestellten diesbezuglich Probleme Zudem war der Schaffnerbetrieb insbesondere bei langeren Einheiten unwirtschaftlich So mussten etwa fur einen Dreiwagenzug drei Schaffner eingeteilt werden weil diese wahrend der Fahrt nicht von einem Wagen in den anderen wechseln konnten Infolgedessen entwickelte man bereits Anfang des 20 Jahrhunderts das Verfahren des Fahrgastflusses Vorreiter war hierbei Kanada wo die Betreibergesellschaft der Strassenbahn in Montreal 1905 den Fahrgastfluss erfand 2 Den Durchbruch erlebte das Prinzip mit den in den Vereinigten Staaten bereits fruh in grosser Stuckzahl hergestellten Grossraumstrassenbahnwagen mit Drehgestellen Darunter insbesondere die ab 1914 gebauten Peter Witt und die ab 1936 gebauten PCC Wagen Zwischen dem hinteren Einstieg und dem Sitzplatzbereich installierte man langs zur Fahrtrichtung einen festen Schaffnersitz Die zusteigenden Fahrgaste durften den Wagen fortan nur noch an dieser fest definierten Einstiegstur betreten Im Anschluss daran passierten sie den mit dem Rucken zum Fenster sitzenden Sitzschaffner um sich bei diesem eine Fahrkarte zu kaufen eine Mehrfahrtenkarte entwerten zu lassen oder ihre Zeitkarte vorzuweisen Im englischen Sprachraum nannte man dieses Prinzip pay as you enter PAYE das heisst bezahlen beim Einstieg Zum Teil wurde aus Zeitgrunden auch zweispurig abgefertigt das heisst nur die Barzahler mussten direkt am Schaffner vorbei Die Sichtkarten Besitzer durften hingegen die Barzahler in zweiter Reihe uberholen und ihre Fahrausweise dabei dem Schaffner an den Barzahlern vorbei vorzeigen An der oder den vorderen Turen war jetzt nur noch der Ausstieg gestattet Voraussetzung dafur war eine grosse Heckplattform sie bot einen Stauraum fur moglichst viele noch nicht abgefertigte Personen In Hamburg wurden sie daher als Sambawagen bezeichnet weil die Flache von ihrer Grosse her zum Samba Tanzen geeignet ware 3 Typischerweise war der Einstieg breiter als der oder die Ausstiege Weitere diesbezugliche Entwicklungsschritte stellten der ab 1940 gebaute Schweizer Standardwagen sowie der 1951 vorgestellte Duewag Grossraumwagen dar Eine weitere Voraussetzung fur einen funktionierenden Fahrgastfluss ist ein einfacher Bartarif zum Beispiel ein Einheitstarif unabhangig von der tatsachlichen Wegstrecke respektive glatte Fahrpreise mit geringem Wechselgeldbedarf Gleichfalls vorteilhaft ist ein moglichst hoher Anteil an Sichtkarten Inhabern damit die Abfertigungszeit pro Fahrgast auf ein Minimum beschrankt wird und es an stark frequentierten Haltestellen beziehungsweise bei kurzen Stationsabstanden nicht zu Stauungen und Abfahrtsverzogerungen kommt 4 Seltener wurde der Schaffnersitz bei der vorderen Tur eingebaut In diesem Fall konnte in den Schwachlastzeiten der Fahrer den Verkauf und die Kontrolle der Fahrkarten ubernehmen die Wagen verkehrten dann im sogenannten Einmannbetrieb Eine weitere Variante war der Einstieg in der Mitte hierbei fertigte der Schaffner teilweise zwei Fahrgaste gleichzeitig ab diese ruckten dann entweder nach links oder nach rechts in den Wagen auf Teilweise wurde dabei der Durchgang zwischen den beiden Wagenhalften durch eine Stange verhindert In anderen Fallen musste zwar prinzipiell hinten beim Schaffner eingestiegen werden jedoch durften Sichtkarten Besitzer auch vorne beim Fahrer einsteigen von dem sie auch kontrolliert wurden Die Ausstiege erhielten innen teilweise zusatzliche Saloonturen oder Schranken die nur nach aussen drehbar waren und somit das regelwidrige Einsteigen am Schaffner vorbei erschweren sollten In manchen Betrieben wurde ferner durch eine rote Liniennummer auf das neuartige Verfahren hingewiesen so beispielsweise bei der Strassenbahn Hamburg bei der Strassenbahn Mannheim Ludwigshafen und bei der Strassenbahn Munchen Eine weniger verbreitete Alternative zum pay as you enter Verfahren ist das Bezahlen erst beim Ausstieg nbsp Strassenbahn Wien Grossraumbeiwagen mit dreispuriger Hecktur und den Hinweisen Einstieg beziehungsweise Kein Einstieg nbsp Im Gegensatz dazu war die fur den Ausstieg vorgesehene Tur vorn oft nur einspurig nbsp Rumanischer Typ Timiș 2 mit doppeltem Mitteleinstieg vorgesehen fur Schaffnerabfertigung nach links und rechts nbsp Peter Witt Wagen der Strassenbahn Toronto der Sitzschaffner hat alle Fahrgaste abgefertigt und wartet auf die nachste Haltestelle nbsp Bremen Die gelben Saloonturen an den Ausstiegen sollten das regelwidrige Einsteigen am Schaffner vorbei erschweren nbsp Berliner Bus mit Zweispurabfertigung beim Fahrer links Sichtkarten rechts Barzahler nbsp Hinweis LEAVE BY CENTRE DOORS in einem Wagen mit Fahrgastfluss nbsp Wien Spezieller Hinweis fur Zeitkarteninhaber die trotz Sitzschaffner im Heck auch vorn beim Fahrer einsteigen durften nbsp Trennung der Fahrgaststrome bei einem Wiener Zweiachser nbsp Hinweis auf den Fahrkartenverkauf beim Fahrer an der zweiten Tur eines Salzburger OberleitungsbussesNiedergang durch Einmannbetrieb Bearbeiten Durch den technischen Fortschritt und die damit verbundene zunehmende Verwendung von Fahrkartenautomaten Zahlboxen in der DDR und Mehrfahrtenkarten in Kombination mit Entwertern wurden die Schaffner wegen Personalknappheit und aus Kostengrunden in den 1960er und 1970er Jahren vielerorts entbehrlich Infolgedessen gab man auch das Fahrgastflussprinzip weitgehend auf Die Wagen wurden auf Abfertigung durch den Fahrer umgebaut Einmannwagen der Raum des Schaffnerplatzes konnte fur Fahrgaste genutzt werden Die bisherigen Ausstiegsturen erhielten auch aussen Bedienknopfe analog dazu erhielt die bisherige Einstiegstur auch innen Bedienknopfe fur aussteigende Fahrgaste Eine Fahrkartenkontrolle fand kaum oder nicht mehr statt der Fahrgastfluss entfiel weil man nun wie bei U und S Bahn Fahrzeugen an allen Turen ein und aussteigen konnte Dies ermoglichte beschleunigte Reisezeiten was angesichts der immer starkeren Konkurrenz durch den motorisierten Individualverkehr eine zunehmende Rolle spielte Weil der Schaffner neben dem Fahrkartenverkauf dem Fahrer auch das Abfahrtssignal aus hinteren Fahrzeugteilen beziehungsweise Beiwagen ubermittelte mussten neue Sicherheitseinrichtungen geschaffen werden So konnte die Fahrt durch eine Abfahrtsperre nur mit sicher geschlossenen Turen fortgesetzt werden Voraussetzung dazu waren automatische Turen mit Sensoren in Form von Trittplatten oder Lichtschranken Bei Doppeldeckerbussen wurde der Fahrgastfluss spater durch Einbau von zwei Treppen auf das Oberdeck ausgedehnt In der DDR wurden Klingelzeichen und Lichtsignalgeber an den Turen als Hinweis der Abfahrbereitschaft beziehungsweise Warnung vor der Abfahrt beziehungsweise sofern vorhanden dem vom Fahrer veranlassten Turschliessvorgang eingefuhrt Das Fahrgastflussprinzip blieb allerdings im Uberlandverkehr und im Stadtverkehr kleinerer Stadte bis in die Gegenwart erhalten insbesondere in den verkehrsarmen Abendstunden Im Regionalbusverkehr ubernimmt der Fahrer meist noch heute Fahrkartenverkauf und Sichtkontrolle Der Einstieg ist dabei nur an der Vordertur gestattet Auch auf Uberlandbuslinien der DDR galt dieses Prinzip nbsp Dieser Berliner Bus ist explizit als Einmannwagen beschildert nbsp Automatische Fahrkartenkontrolle per Drehkreuz und Lesegerat in einer Moskauer Strassenbahn nbsp In Eberswalde symbolisieren rot weisse Einbahnstrassenschilder an welchen Turen der Einstieg nicht erlaubt istHeutige Situation Bearbeiten nbsp Omnibus mit gekennzeichnetem Vordereinstieg beim Fahrer wahrend die zweite Tur nur dem Ausstieg dientZunehmend wird heute auch bei Stadtbusbetrieben wieder das Fahrgastflussprinzip eingefuhrt sodass vorn beim Fahrer eingestiegen werden muss Dieser ubernimmt neben dem Fahrkartenverkauf auch die Sichtkontrolle der Fahrausweise von Umsteigern und Zeitkarteninhabern kontrollierter Einstieg Die hinteren Turen durfen in diesem Fall nur von Fahrgasten mit Kinderwagen sperrigem Gepack Fahrradern oder von Rollstuhlfahrern genutzt werden Um ausreichend Platz fur den Fahrgastfluss zu schaffen werden im vorderen Fahrzeugbereich nur wenige Sitzplatze angeboten Besonders bei Gelenkbussen auf stark frequentierten Linien entstehen dabei durch den langen Weg innerhalb des Fahrzeuge Probleme speziell bei Nutzung durch Fahrgaste mit Kinderwagen oder Gepack Aussteigen an der Vordertur wird nur ausnahmsweise erlaubt Zur Beschleunigung dienen Entwerter die auch im Turbereich der mittleren Turen eingebaut wurden Die Fahrgaste mussen dann ihre nicht entwerteten Fahrkarten beim Einstieg vorzeigen Fahrgastfluss zwecks Verkurzung der Fahrgastwechselzeiten BearbeitenUnabhangig vom Fahrkartenverkauf beziehungsweise kontrolle durch das Personal sorgt der Fahrgastfluss im Idealfall fur kurzere Fahrgastwechselzeiten an den Haltestellen weil ein und aussteigende Fahrgaste sich nicht gegenseitig behindern nbsp Einstieg entrata vorn und hinten Ausstieg uscita an der Doppeltur in der Mitte nbsp Einstieg vorn Ausstieg in der Mitte und hintenEinzelnachweise Bearbeiten Alfred Horn Wiener Stadtbahn 90 Jahre Stadtbahn 10 Jahre U Bahn Bohmann Verlag Wien 1988 ISBN 3 7002 0678 X S 140 Montreal Streetcars auf barrybrake ca Allgemeine Geschichte der Grossraumwagen Memento des Originals vom 26 April 2005 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www grossraumwagen de Hans J Knupfer Gelber Klassiker Der GT4 Stuttgarts Strassenbahnwagen fur funf Jahrzehnte Stuttgart 2006 2007 ISBN 978 3 9811082 0 0 Seite 44 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Fahrgastfluss amp oldid 218135424