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Die Furst zu Stolberg Wernigerodesche Bibliothek ist die Adelsbibliothek der Hauptlinie des Hauses Stolberg Wernigerode die seit Juli 2019 80 Jahre nach ihrer kriegsbedingten Schliessung wieder an ihrem neuen Standort dem Hofgut Luisenlust in Hirzenhain Hessen offentlich zuganglich ist Ehemaliges Bibliotheksgebaude im Lustgarten von WernigerodeExlibris des Grafen Christian Ernst 1721Lutherbibel aus der Stolbergischen Bibliothek Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 18 und 19 Jahrhundert 2 1 Weimarer Republik 2 2 Zeit des Nationalsozialismus 2 3 Sowjetische Besatzung und DDR Zeit 3 Bibliothek heute 3 1 Bestande 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenDie Bibliothek geht auf Graf Wolf Ernst zu Stolberg 1546 1606 zuruck der mit geschatzten 4 000 Banden wohl im Besitz einer der grossten Privatbibliotheken des 16 Jahrhunderts war 18 und 19 Jahrhundert BearbeitenNachdem die folgenden Generationen der Bibliothek keine besondere Aufmerksamkeit gewidmet hatten begann 1712 mit dem Regierungsantritt von Graf Christian Ernst zu Stolberg Wernigerode 1691 1771 eine neue Blutezeit Im Januar 1746 erklarte er die damals etwa 10 000 Bande umfassende Bibliothek per Aushang zur Offentlichen Bibliothek die zweimal wochentlich wissenschaftlichen Interessenten offenstehen sollte 1615 hatte bereits Graf Heinrich in seinem Testament bestimmt dass die grafliche Buchersammlung offentlich zuganglich sein sollte Beim Tode von Christian Ernst umfasste die Bibliothek bereits uber 30 000 Bande In seinem Testament hatte er sie zum unverausserlichen Fideikommissgut bestimmt Dieser Kulturgutschutz bestand auch nach der Aufhebung der Fideikommisse in Folge der Weimarer Reichsverfassung von 1919 1826 27 wurde die Sammlung vom Schloss Wernigerode in die fruhere Orangerie im Lustgarten verlagert nachdem letzteres Gebaude als Bibliothekszweckbau umgestaltet worden war 1841 wurde die Bibliothek des graflichen Archivars Christian Heinrich Delius die rund 13 000 Bande und 10 000 Landkarten umfasste 1857 die Buchersammlung des bibliophilen graflichen Bibliothekars Carl Zeisberg mit etwa 16 000 Banden angekauft Die heute noch gultige Aufstellungssystematik wurde von dem seit 1851 zustandigen Bibliothekar Ernst Forstemann ausgearbeitet und 1866 zusammen mit einem Handschriftenkatalog publiziert 1 Ab 1866 betreute Eduard Jacobs Bibliothek und Archiv des Grafenhauses das 1890 in den Furstenstand erhoben wurde 1897 zahlte man rund 107 700 Bande darunter 600 Inkunabeln und 1095 Handschriften Weimarer Republik Bearbeiten Wahrend der Zeit der Weimarer Republik wurden im Jahr 1926 unter der Leitung von Wilhelm Herse und anschliessend Gunther Deneke wegen gravierender wirtschaftlicher Schwierigkeiten aufgrund der Weltwirtschaftskrise 444 wertvolle Handschriften und Bucher an die Antiquare Rosenthal Munchen und Hiersemann Leipzig verkauft Die Bibliothek wurde 1929 offiziell geschlossen Wegen der zeitweiligen Zwangsverwaltung des furstlichen Vermogens durch die Dresdner Bank ubernahm der Verein der ruhegehaltsberechtigten Beamten die Verwaltung der Bibliothek und liess von 1930 bis 1933 31 286 Bande durch den Antiquar Martin Breslauer verkaufen Verkaufe erfolgten hauptsachlich an die Preussische Staatsbibliothek Berlin die Harvard Universitat die Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft in Frankfurt und die Firma Halle in Munchen Zeit des Nationalsozialismus Bearbeiten Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 beendete der Verein die Zusammenarbeit mit dem Handler judischer Herkunft 1934 ubernahm die furstliche Familie wieder die Verwaltung der Bibliothek die zu diesem Zeitpunkt 89 628 Bande zahlte und machte sie 1935 der Wissenschaft und 1937 auch der Offentlichkeit wieder zuganglich Mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde die Bibliothek durch die Behorden geschlossen Sowjetische Besatzung und DDR Zeit Bearbeiten Nach Kriegsende wurde Wernigerode mit samtlichen Stolberger Besitztumern im Harz zur sowjetischen Besatzungszone Die furstliche Familie floh nach Luisenlust bei Hirzenhain in Hessen Das sich innerhalb der Provinz Sachsen befindliche Vermogen der Familie wurde im Zuge der Verordnung uber die Bodenreform in der Provinz Sachsen enteignet und damit auch die Bibliothek Im April 1946 transportierte die Trophaenkommission der Roten Armee ca 50 000 Bande der Bibliothek zunachst in das SVA Lager Rummelsberg bei Berlin und etwas spater nach Moskau Die restlichen ca 40 000 Bande verblieben in der Bibliothek deren Raumlichkeiten in der Folgezeit in einen schlechten Zustand gerieten und Ende der 1940er Jahre teilweise zu verfallen begannen Nach einem Beschluss der Landesregierung aus dem Jahr 1946 wonach Bibliotheken und Bucher an die Landesbibliothek abzugeben waren um spater an andere offentliche Bibliotheken und Institute verteilt zu werden uberfuhrte man nahezu den gesamten Rest der Wernigeroder Bestande 1948 49 an die Landesbibliothek vormals Universitatsbibliothek in Halle Ein Grossteil der Bestande wurde nicht weiter verteilt sondern in die Landesbibliothek integriert wodurch allerdings die Aufstellungssystematik von Ernst Forstemann fast vollstandig verlorenging Da die Ladekapazitaten fur Transporte nicht ausreichten blieben u a Werke juristischen Inhalts wie z B preussische Gesetzessammlungen Ministerialblatter und Amtsblatter in der Orangerie zuruck Der weitere Verbleib dieser Werke ist unbekannt 1949 wurde auch das gesamte Stolberger Archiv aus Wernigerode ins Historische Staatsarchiv in Oranienbaum gebracht Der langjahrige Bibliotheks und Archiv Verwalter Karl Reulecke erhangte sich 1950 in der Orangerie 2 Bibliothek heute BearbeitenSeit der Wende und Wiedervereinigung Deutschlands setzte sich Philipp Furst zu Stolberg Wernigerode fur den Wiederaufbau der Bibliothek ein Im Zuge des 1994 in Kraft getretenen Entschadigungs und Ausgleichsleistungsgesetzes EALG wurden grosse Teile der in der Universitats und Landesbibliothek Sachsen Anhalt in Halle und anderen Einrichtungen der ehemaligen DDR verbliebenen Bestande an den Fursten restituiert Stand Juli 2019 etwa 20 000 Bande 3 Erganzt wurden diese durch wahrend der deutschen Teilung angesammelte Bande sowie durch Schenkungen und Ruckgaben von Privatpersonen Antiquariaten Auktionshausern und Staaten die vormals der Sowjetunion angehorten Die Bestande wurden zunachst in Luisenlust in Hessen zentral gelagert 2015 in die Deutsche Nationalbibliothek nach Frankfurt gebracht und dort katalogisiert Die Erschliessung folgte der historischen Forstemannschen Aufstellungssystematik Anschliessend kamen die Bucher zuruck nach Luisenlust wo sie in einem zur Bibliothek umgebauten Flugel in der wiederhergestellten historischen Systematik aufgestellt wurden Seit 2019 sind sie in Hirzenhain wieder offentlich zuganglich Bestande Bearbeiten Die Bibliothek hat heute ihren Schwerpunkt im Bereich Theologie und Kirchengeschichte und verfugt uber einen umfassenden regional und familiengeschichtlichen Bestand Ausserdem beinhaltet die Bibliothek uberlieferte Bestande u a aus dem Bereich der antiken deutschen und franzosischen Literatur sowie juristische geschichtliche und geographische Werke Die Bibliothek enthalt neben Druckwerken ab dem 15 Jahrhundert darunter ca 100 Inkunabeln rund 1 200 Handschriften mehr als 4 000 Graphiken Karten und Plane eine bislang nicht erfasste Anzahl von historischen Fotos und eine aus dem 18 Jahrhundert stammende Katalog Auslegemaschine Die Bibliothek ist heute gemeinsam mit der Wunderkammer mit Schwerpunkt Naturalienkabinett und der archaologischen Sammlung vormals Sammlung Augustin aufgestellt Mit etwa 50 000 Banden befindet sich der grossere Teil der historischen Stolberger Bibliothek als kriegsbedingt verbrachtes Kulturgut noch immer in Bibliotheken Russlands und den Nachfolgestaaten der GUS Ausserdem werden noch heute in der Bodenreform enteignete Bande auf dem Markt fur antiquarische Bucher angeboten Diese Verluste der Bibliothek sind auf der Internetseite der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste aufgefuhrt Die Bibliothek ist in einem offentlich zuganglichen Online Katalog OPAC erschlossen 4 Literatur Bearbeitenin der Reihenfolge des Erscheinens Ernst Forstemann Die Grafliche Stolbergische Bibliothek zu Wernigerode Nordhausen 1866 Google Books Wilhelm Herse Die furstliche Bibliothek in Wernigerode Vortrag gehalten bei der Tagung des Vereins Deutscher Bibliothekare am 18 Mai 1921 In Zeitschrift fur Bucherfreunde NF 14 1922 S 1 8 Internet Archive Hildegard Herricht Die ehemalige Stolberg Wernigerodische Handschriftenabteilung Die Geschichte einer kleinen feudalen Privatsammlung Halle 1970 Schriften zum Bibliotheks und Buchereiwesen in Sachsen Anhalt 31 Ulrich Dieter Oppitz Die Deutschen Manuskripte des Mittelalters Zb Signatur der ehemaligen Stolberg Wernigerodischen Handschriftensammlung In Geographia Spiritualis Festschrift fur Hanno Beck Hrsg von Detlef Haberland Frankfurt a M u a 1993 S 187 205 Jorg Bruckner Bibelsammlung war von Weltrang 46 Inkunabeln gehorten zum Bestand der Furstlichen Bibliothek In Neue Wernigeroder Zeitung Jg 1995 Nr 23 S 20 Klaus Dieter Lehmann Ingo Kolasa Die Trophaenkommissionen der Roten Armee Eine Dokumentensammlung zur Verschleppung von Buchern aus deutschen Bibliotheken Frankfurt 1996 Zeitschrift fur Bibliothekswesen und Bibliographie Sonderhefte Bd 64 Konrad Breitenborn Das Schicksal der furstlichen Bibliothek vor 50 Jahren im April 1948 und danach In Neue Wernigeroder Zeitung 1996 Teil 1 mit unbekanntem Ziel von den Sowjets abtransportiert In Nr 9 2 Mai 1996 S 22 Teil 2 Reulecke verkraftete Exodus nicht In Nr 10 15 Mai 1996 S 24 Teil 3 Ware aus Georgien fur deutschen grauen Markt In Nr 11 29 Mai 1996 S 22 Renate Schipke Kurt Heydeck Handschriftencensus der kleineren Sammlungen in den ostlichen Bundeslandern Deutschlands Bestandsaufnahme der ehemaligen Arbeitsstelle Zentralinventar Mittelalterlicher Handschriften bis 1500 in den Sammlungen der DDR ZIH Staatsbibliothek zu Berlin Preussischer Kulturbesitz Kataloge der Handschriftenabteilung Sonderband Wiesbaden 2000 online Brigitte Pfeil Katalog der deutschen und niederlandischen Handschriften des Mittelalters in der Universitats und Landesbibliothek Sachsen Anhalt in Halle Saale Schriften zum Bibliotheks und Buchereiwesen in Sachsen Anhalt 89 1 2 2 Bande Halle Saale 2007 vor allem Bd 1 S XVII XXX doi 10 25673 8 Hans Meier zu Eissen Der Bucherraub in der DDR Die ostdeutschen Adels und Gymnasial Bibliotheken 1945 1989 der Postraub des Stasi Generals M Dokumentation einer staatskriminellen Raubaktion Munster 2008 ISBN 978 3 9800885 4 1 S 98 115 Philipp Furst zu Stolberg Wernigerode Die Furst zu Stolberg Wernigerodesche Bibliothek Zur Geschichte einer adeligen Buchersammlung ihrer Zerschlagung und ihrer Wiedereroffnung Frankfurt am Main 2022 ISBN 978 3 465 04524 3 Weblinks BearbeitenWebsite der Furst zu Stolberg Wernigerodeschen Bibliothek Digitale Sammlungen der Bibliothek ULB Halle Provenienz WikiEinzelnachweise Bearbeiten Ernst Forstemann Die Graflich Stolbergische Bibliothek zu Wernigerode In MDZ Munchener Digitalisierungs Zentrum 1866 abgerufen am 19 Juli 2019 d Jesko Graf zu Dohna Heimkehr der Bucher Philipp Furst zu Stolberg Wernigerode schildert die dramatische Geschichte der Furst zu Stolberg Wernigerodeschen Bibliothek ln Deutsches Adelsblatt Nr 5 15 Mai 2022 S 25 27 Klaus Graf Auf der Grundlage des Ausgleichsleistungsgesetzes vom 1 12 1994 wurden an den Furst Stolberg Wernigerode 1584 Handschriftenbande und 50 Inkunabeln ca 18 500 alte Drucke und 444 Karten restituiert Abgerufen am 28 Juli 2019 deutsch Furst zu Stolberg Wernigerodesche BibliothekNormdaten Korperschaft GND 510972 3 lobid OGND AKS LCCN nr00019962 VIAF 158933429 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Furst zu Stolberg Wernigerodesche Bibliothek amp oldid 237002736