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Die Elfenbeinschnitzereien von Begram sind eine Gruppe von uber 1000 Tafeln Figurinen und Intarsien aus Elfenbein und Knochen die in den 1930er Jahren in Begram Afghanistan gefunden wurden Sie geben einen Eindruck von der sonst wenig bekannten Kunst der Kuschana 1 2 Jahrhundert n Chr An ihnen zeigt sich der kosmopolitische Geschmack der lokalen Eliten der hohe Stand der Schnitzkunst und die Reichweite des antiken Handels mit Luxusgutern Statuette einer Yakshi Museum Kabul 1 Diese Elfenbeinschnitzereien sind Teil des Schatzes von Begram Die Delegation archeologique francaise en Afghanistan DAFA fuhrte 1937 39 unter Leitung von Joseph Hackin und Ria Hackin in der antiken Stadt Begram Grabungen durch In zwei besonders gesicherten in der Antike versiegelten Raumen fanden die Archaologen griechisch romische Bronzeobjekte romische Abgusse griechischer Metallarbeiten Fragmente von Glasern aus romischer oder alexandrinischer Produktion chinesische Lackarbeiten sowie zahlreiche indische Elfenbeinschnitzereien 2 Einige Mobelstucke waren an den Wanden entlang oder einander gegenuber aufgestellt andere aufgestapelt Der Schatz von Begram enthalt einige der wenigen aus der griechisch romischen Antike erhaltenen emaillierten Glaser Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Motive 3 Datierung und kunstgeschichtliche Einordnung 4 Museale Prasentation 5 Restaurierung 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenDie archaologische Statte neben dem modernen Dorf Begram wird mit dem antiken Kapisi oder Kapisa identifiziert der Sommerresidenz der Kuschana Herrscher Eine topographische Karte verdeutlicht die gunstige Lage dieser Stadt Sie befindet sich etwa 80 km nordlich von Kabul am Zusammenfluss des Pandschschir und des Ghorband Dem Flusstal des Pandschschir in sudostlicher Richtung folgend erreicht man relativ einfach den etwa 250 km von Begram entfernten Chaiber Pass Wer in der Antike von Begram aus nordwarts reiste gelangte auf der Seidenstrasse uber verschiedene Flusstaler und Passe uber den westlichen Hindukusch nach Baktrien Diese strategisch gunstige Lage legt nahe dass Begram im Kuschana Reich auch militarische Bedeutung hatte Dagegen erbrachten die Ausgrabungen keinen Beleg dafur dass es sich um eine Residenzstadt handelte 3 Die Deponierung der Luxusguter in den beiden Kammern wird in der Forschung meist mit der sassanidischen Invasion unter Schapur I in Verbindung gebracht Das Jahr 241 n Chr ist daher ein Terminus ante quem fur die Herstellung aller Kunstwerke deren Alter allerdings unterschiedlich ist Die in den beiden Kammern deponierten Luxusguter werden teils als Lager eines Handlers gedeutet teils als Privatbesitz eines Angehorigen der Oberschicht 2 Motive Bearbeiten nbsp Frauen futtern einen Vogel Musee Guimet nbsp Frauen in Toranlagen Museum Kabul Die Elfenbeinschnitzereien von Begram umfassen ein grosses Spektrum an Motiven Menschen Manner Frauen Kinder Geistwesen und Fabeltiere Jagdszenen wilde Tiere Architekturelemente florale und geometrische Muster 4 Die Frauen der Oberschicht sind oft bei der Schonheitspflege dargestellt sie betrachten sich im Spiegel kammen ihr Haar salben den Korper oder legen Schmuckstucke bzw Blumengirlanden an Ihre Dienerinnen reichen ihnen die jeweils notigen Accessoires Sie sind wie ihre Herrinnen in einen langen Dhoti gekleidet und tragen ahnlichen Schmuck wie diese Als Zeitvertreib ruhen die Herrinnen auf Sofas oder sitzen im Schatten eines Baumes wo sie an Delikatessen kosten oder ihre Haustiere wie Papageien damit futtern Foto Einige Schnitzereien stellen Tanzerinnen und Musikantinnen dar die ein stets weibliches Publikum unterhalten Als Musikinstrumente erkennt man Zimbeln Trommeln Harfen und Floten Zwar wird ein Garten oft nur durch einen Baum angedeutet und ein Gebaude durch eine Toranlage Toraṇa Foto die sparsamen Architekturelemente sind aber interessant weil sie uber den archaologischen Befund hinausgehen Tore und Zaune situieren die Szenen in einem halboffenen Gelande 5 Manner begegnen auf Jagdszenen wo sie Bar Gazelle oder Hirsch mit Lanzen nachstellen Elefanten und katzenartigen Raubtieren dagegen mit Pfeil und Bogen Aber insgesamt sind die Darstellungen von Mannern auf den Begram Elfenbeinschnitzereien weit seltener als die von Frauen Mythologische Wesen wurden ebenfalls haufig dargestellt darunter Yakṣa Gaṇas und Yakshas Vogelmenschen und Mischwesen wie Leogryphen oder vielkopfige Schlangen 6 Datierung und kunstgeschichtliche Einordnung Bearbeiten nbsp Indische Kunst kam durch den Fernhandel bis nach Italien wie der Fund der Pompeji Lakshmi zeigt Die Elfenbeinschnitzereien fallen unterschiedlich aus einige zeigen elegante Linienfuhrung andere wirken dagegen plump Unter der Annahme dass es sich um Importe aus Indien handelt wurden sie in der Forschung unterschiedlichen regionalen indischen Werkstatten zugewiesen Joseph Hackin verglich eine der geschnitzten Toranlagen mit Stupa I von Sanchi 1 Jahrhundert v Chr wahrend er eine grossere Gruppe anderer Elfenbeinschnitzereien der Schule von Mathura 1 2 Jahrhundert n Chr zuwies J LeRoi Davidson wies die Objekte dagegen Sanchi I zu Philippe Stern pladierte eine spatere Entstehungszeit und Zuordnung zur Kunst von Mathura Sanjyot Mehendale sieht in den Schnitzereien nicht indische Kunst sondern Kunst nach indischer Art Sie vermutet eine Herstellung in lokalen Werkstatten in der Nahe von Begram 7 Museale Prasentation BearbeitenDie Funde wurden zwischen dem Musee Guimet in Paris und dem afghanischen Nationalmuseum in Kabul aufgeteilt Einige Funde wurden bereits einen Monat nach Auffindung in Kabul ausgestellt Anfang 1947 kamen die fur das Musee Guimet bestimmten Stucke in Paris an Bei der Umgestaltung des Museums Kabul 1957 58 wurde ein ganzer Raum den Funden aus Begram gewidmet Eine Auswahl von Elfenbeinschnitzereien fullte sieben der 15 Schaukasten in diesem Raum In den 1960er Jahren wurden einige Elfenbeinschnitzereien auf Wanderausstellungen vorislamischer und islamischer Kunst Afghanistans in Museen weltweit gezeigt in Kabul waren sie abgesehen von einer Magazinierung 1979 80 durchgangig bis 1989 Teil der Dauerausstellung Nachdem sich die letzten sowjetischen Kampftruppen aus Afghanistan zuruckgezogen hatten begann unter der Regierung Nadschibullah die Sicherung von Museumsbestanden vor dem Zugriff der Mudschahidin Zu den Bestanden die dafur ausgewahlt wurden gehorten auch eine Gruppe von Elfenbeinschnitzereien die gerade von einer Wanderausstellung nach Kabul zuruckgekehrt waren Als die Mudschahidin Ende April des Jahres Kabul eingenommen hatten war ein grosser Teil der Sammlungen des Nationalmuseums verschollen teils geplundert teils zerstort 8 Als die Mudschahidin spater ihre Aktionen gegen Kunstobjekte die dem Bilderverbot widersprachen durchfuhrten waren die Elfenbeinschnitzereien langst aus Kabul bzw aus Afghanistan herausgeschafft worden Nach Augenzeugenberichten wurden diese Kunstwerke bei Beginn des Burgerkriegs nach Masar e Scharif transportiert damals unter der Kontrolle des usbekischen Milizenfuhrer Abdul Raschid Dostum Von dort gelangten sie nach Peschawar und Islamabad und wurden auf dem Antikenmarkt angeboten 9 Fur westliche Museen war der Erwerb dieser Elfenbeinarbeiten heikel da die Herkunft aus Kabul offensichtlich war Unter den Privatsammlern die Elfenbeinobjekte erwarben gab es jedoch auch einige die dies mit der Absicht taten sie zu sichern und dem afghanischen Nationalmuseum zu schenken sobald die politischen Umstande dies zuliessen So erwarb ein in London lebender Sammler 20 Elfenbeinschnitzereien die in den 2000er Jahren im Britischen Museum magaziniert und dort von Experten untersucht und restauriert wurden 2011 waren sie Teil einer Sonderausstellung in London Afghanistan Crossroads of the Ancient World Danach brachte sie ein britisches Militarflugzeug nach Kabul wo sie am 5 August 2012 der Presse gezeigt wurden 10 Restaurierung Bearbeiten nbsp Prasentation einiger Elfenbeinschnitzereien an einem rekonstruierten Holzmobel im Musee GuimetDie meist dunnen Knochen und Elfenbeinobjekte waren bei ihrer Auffindung in einem fragilen Zustand einerseits sprode durch Austrocknung andererseits fehlten die holzernen Mobel an denen die Intarsien ursprunglich angebracht waren An Ort und Stelle mussten deshalb Konservierungsarbeiten erfolgen unter anderem wurden sie auf Seidenpapier gelegt und mit warmer Gelatine uberzogen 11 Gelatine und andere Uberzuge haben im Lauf der Jahre Schmutz angesammelt haben sich zersetzt oder sind geschrumpft Dadurch wurden das Elfenbein beschadigt seine Pigmentierung ging verloren Risse und Bruche wurden mit verschiedenen Klebstoffen behandelt Spuren fruherer Restaurierungen wurden nicht immer entfernt Die technische Analyse im Britischen Museum gab Aufschlusse uber Material und Herstellungstechnik Erhaltungszustand Zerfallserscheinungen und fruhere Restaurierungen Darauf folgte die teilweise Entfernung fruherer Uberzuge Stabilisierung des Objekts und Einsatz von wieder entfernbaren kompatiblen Fullmaterialien 12 Literatur BearbeitenJoseph Hackin Recherches archeologiques a Begram chantier n 2 1937 avec la collaboration de Marie Hackin Memoires de la Delegation archeologique francaise en Afghanistan Band 9 Les Editions d art et d histoire Paris 1939 Digitalisat Textband Tafelband Sanjyot Mehendale Begram along ancient Central Asian and Indian trade routes In Cahiers d Asie Centrale 1 2 1996 S 47 64 Online Francine Tissot Catalogue of the National Museum of Afghanistan 1931 1985 UNESCO Publishing Paris 2006 S 134 264 Digitalisat Sanjyot Mehendale The Begram Ivory and Bone Carvings some Observations on Provenance and Chronology In Topoi Orient Occident 11 2001 S 485 514 Online St John Simpson The Begram Hoard Indian Ivories from Afghanistan British Museum Publications London 2011 ISBN 0 7141 1178 3 Sanjyot Mehendale The Begram carvings Itinerancy and the Problem of Indian Art In Joan Aruz Elisabetta Valtz Fino Hrsg Afghanistan Forging Civilizations Along the Silk Road Yale University Press New Haven London 2012 S 64 77 John Simpson The Begram Ivories A Successful Case of Restitution of Some Antiquities Stolen from the National Museum of Afghanistan in Kabul In International Journal of Cultural Property 23 4 2016 S 459 477 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Elfenbeinschnitzereien von Begram Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Begram Ivory and Bone Carvings Electronic Cultural Atlas Initiative abgerufen am 5 November 2021 Einzelnachweise Bearbeiten John Simpson The Begram Ivories A Successful Case of Restitution of Some Antiquities Stolen from the National Museum of Afghanistan in Kabul 2016 S 462 a b Kurt Behrendt Begram Begram anc Kapisi Kapisa In Grove Art Online Online Publikation von 2003 Update vom 28 Juli 2014 Sanjyot Mehendale Begram along ancient Central Asian and Indian trade routes 1996 S 48f John Simpson The Begram Ivories A Successful Case of Restitution of Some Antiquities Stolen from the National Museum of Afghanistan in Kabul 2016 S 461 Sanjyot Mehendale The Begram carvings Itinerancy and the Problem of Indian Art New Haven London 2012 S 68 Vinod P Dwivedi Indian Ivories A Survey of Indian Ivory and Bone Carvings from the Earliest to the Modern Times Agam Kala Prakashan Delhi 1976 S 88 90 Online Sanjyot Mehendale The Begram carvings Itinerancy and the Problem of Indian Art New Haven London 2012 S 76 John Simpson The Begram Ivories A Successful Case of Restitution of Some Antiquities Stolen from the National Museum of Afghanistan in Kabul 2016 S 464f John Simpson The Begram Ivories A Successful Case of Restitution of Some Antiquities Stolen from the National Museum of Afghanistan in Kabul 2016 S 467f John Simpson The Begram Ivories A Successful Case of Restitution of Some Antiquities Stolen from the National Museum of Afghanistan in Kabul 2016 S 469 473 John Simpson The Begram Ivories A Successful Case of Restitution of Some Antiquities Stolen from the National Museum of Afghanistan in Kabul 2016 S 461 und 463 St John Simpson The Begram Hoard Indian Ivories from Afghanistan British Museum Publications London 2011 S 30 35 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Elfenbeinschnitzereien von Begram amp oldid 230567971