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Die Erschaffung der Geige ist ein Marchen der transsilvanischen Roma Es wurde erstmals 1890 von Heinrich von Wlislocki aufgezeichnet und fur die Sammlung Vom wandernden Zigeunervolke Bilder aus dem Leben der Siebenburger Zigeuner ins Deutsche ubersetzt 1 Stanislaus Stuckgold Mann mit Geige Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Herkunft Vergleich Verbreitung 3 Interpretation 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseInhalt BearbeitenEin armes Paar wunscht sich vergeblich ein Kind bis die Frau ihr Leid einer alten Frau klagt der sie im Wald begegnet Diese schickt sie mit den Worten heim Gehe nach Hause und zerschlage einen Kurbis giesse Milch in denselben und dann trinke sie Du wirst dann einen Sohn gebaren der glucklich und reich werden wird Durch das Befolgen des Rats gebiert die Frau einen schonen Knaben wird aber bald darauf krank und verstirbt Als der Junge zwanzig Jahre alt ist und auch der Vater gestorben zieht er in die Welt um sein Gluck zu suchen Er kommt in eine grosse Stadt in der ein reicher Konig wohnt Dieser besitzt eine wunderschone Tochter die er nur dem Mann zur Frau geben will der etwas machen kann was noch niemand auf der Welt gesehen hat Viele Manner hatten schon vergeblich ihr Gluck versucht und ihren Misserfolg mit dem Leben bezahlt Etwas dumm fragt der Jungling den Konig einfach was er tun solle und wird dafur in einen dunklen Kerker geworfen Dort wird es aber sogleich hell und die Feenkonigin Matuya erscheint Sie gibt ihm eine kleine Kiste und ein Stabchen Er soll ihr Haare vom Kopf reissen und sie uber die Kiste und das Stabchen spannen Dann soll er mit dem Stabchen uber die Haare der Kiste streichen damit eine Geige entsteht mit der er die Menschen froh oder traurig machen kann Dazu lacht und weint die Matuya in die Geige Der Jungling fuhrt seine neue Kunst sogleich dem Konig vor der ausser sich vor Freude ist und ihm seine schone Tochter zur Frau gibt So kam die Geige auf die Welt lautet der abschliessende Satz des Marchens Herkunft Vergleich Verbreitung BearbeitenVom Typus her handelt es sich um ein Volksmarchen und gehort zur Untergruppe der Zaubermarchen Als Feenmarchen ist dabei mit der Gestalt der Matuya die Traditionslinie der indischen Zaubererzahlungen erkennbar wie sie haufiger in den Romamarchen zu finden ist Matuya findet sich in der Mythologie der transsilvanischen wie auch ungarischen polnischen russischen und serbischen Roma als die Konigin der sogenannten Urmen oder Ursitory Diese Feen sind ungewohnlich schone Frauen die im Gebirge in Palasten wohnen gerne singen und tanzen und somit auch fur die Musik stehen 2 Es handelt sich um eines der bekannteren Romamarchen welches sich in verschiedenen Sammlungen wiederfindet auch solchen die sich nicht speziell den Romamarchen widmen 3 4 5 Es wird haufiger offentlich erzahlt fur Kinder als Horspiel oder Marchenspiel aufgefuhrt oder als Unterrichtsmaterial genutzt 6 7 8 9 Ein weiteres Romamarchen mit demselben Titel welches sich ebenfalls bei Wlislocki findet ist kaum verbreitet vermutlich wegen der eher verstorenden Erzahlung und dem fehlenden glucklichen Ende Eine junge Frau lasst sich mit dem Teufel ein weil sie einen reichen Jager begehrt der sie aber nicht zur Kenntnis nimmt Zu den Gaben des Teufels die den Jager anlocken sollen gehort auch eine Geige fur die sie dem Teufel ihre ganze Familie opfert Aus dem Korper des Vaters wird vom Teufel die Geige aus dem der vier Bruder werden die Saiten und aus dem der Mutter wird der Bogen gefertigt Das Marchen endet damit dass der Teufel die junge Frau mitnimmt weil sie ihn nicht anbeten will Die Geige bleibt im Wald liegen bis sie von einem vorbeiziehenden Zigeuner gefunden und mitgenommen wird Gemeinsam ist beiden Marchen dass auch hier der Geiger die Menschen mit seinem Instrument zum Lachen und zum Weinen bringen kann 10 Da Entstehungsgeschichten meist eher in den Bereich der Mythen gehoren ist es eines der wenigen Marchen in denen die Entstehung eines Musikinstrumentes beschrieben wird Zu den wenigen weiteren gehort das ungarische Marchen Die Geige und die Erzahlung von der Entstehung der mongolischen Pferdekopfgeige Beide unterscheiden sich aber inhaltlich von dem hier behandelten Marchen Aus dem mythischen Bereich ist die Erzahlung uber die Entstehung der Panflote aus der Verbindung der Nymphe Syrinx und dem Gott Pan bekannt 11 Interpretation BearbeitenRosemarie Tupker interpretiert das Marchen anhand einer hermeneutischen Analyse der Einfalle heutiger Horer und Leser des Marchens Neben freien Einfallen zum Gesamt der Erzahlung wurden dazu auch wie in der Traumanalyse bestimmte Einzelmotive hervorgehoben wie z B arm sein und lange Zeit keine Kinder bekommen ein reicher Konig besitzt eine wunderschone Tochter etwas machen konnen was noch niemand auf der Welt gesehen hatte 12 Zusammenfassend wird eine Polaritat zwischen zwei Welten hervorgehoben deren Ubergang in dem Marchen dargestellt sei Die zunachst herrschende Welt sei gekennzeichnet durch die Kategorie von Armut und Reichtum Damit sei das arme noch nicht einmal zeugungsfahige Paar zu Beginn der Geschichte ebenso gemeint wie der reiche und machtige Konig der eine Tochter nur besitzt und wie einen Preis auslobt ohne Rucksicht auf ihre Gefuhle In dieser Welt drehe sich alles um Haben oder Nicht Haben Erfolg oder Versagen darum dass man etwas machen kann oder nicht Auch der Wettbewerb gehore dieser Sphare an Aber das was gesucht werde konne man nicht machen und nicht befehlen und so gelinge es nur mit Hilfe der Wesen die nicht aus dieser Welt stammen der alten Frau am Anfang der Erzahlung und der Matuya diesen psychologischen Bereich zu uberschreiten Mit der Geige die hier prototypisch fur die Musik als Ganzes stehe sei eine andere Welt gekennzeichnet in der es um Gefuhle gehe um die Fahigkeit im anderen Gefuhle auszulosen Charakteristischerweise sei das Neue was noch niemand gesehen habe etwas was man horen musse Der Bau der Geige wird auch als ein Symbol fur das Zusammenbringen des Weiblichen und des Mannlichen verstanden und damit fur eine Welt in der es ein Begehren gibt Psychoanalytisch gehe es hier um das Erreichen einer Triangulierung und um Generativitat Aus dem Mannlichen und Weiblichen entstehe als ein Drittes die Musik die frohlich und traurig stimmen konne Damit sei nun eine ganz andere Macht am Werke als die des Befehlens und Gehorchens die Macht der Gefuhle Sie bewege innerlich und mache Beziehung moglich Dass diese Ebene zuvor fehlte wird noch einmal darin untermauert dass den Horern aufgefallen sei dass weder der Jungling noch die Tochter aus einer geschlechtlichen Verbindung zu kommen schienen Am Jungling scheine der Vater wie nicht beteiligt im Kontext der Tochter tauche keine Mutterfigur auf 13 Im Hinblick auf die Musik und die Geige wird betont dass alle Horer sich darin einig gewesen seien dass beides dazu gehore das Lachen und das Weinen Freude und Trauer Liebe und Tod so wie die Musik fur all diese Gefuhle stehe und diese ausdrucken konne Die Geige wird als besonders gefuhlvolles Instrument empfunden Anders als in dem Marchen brauche es aber in Wirklichkeit langjahriger Ubung um damit die eigenen Gefuhle ausdrucken zu konnen und im Anderen etwas zum Schwingen zu bringen 14 Weblinks BearbeitenDie Erschaffung der Geige gelesen von Wolfgang Schussel bei YoutubeEinzelnachweise Bearbeiten Heinrich von Wlislocki Vom wandernden Zigeunervolke Bilder aus dem Leben der Siebenburger Zigeuner Geschichtliches Ethnologisches Sprache und Poesie Richter Hamburg 1890 S 221 f ISBN 5 874 17525 3 Hermann Berger Mythologie der Zigeuner Originalveroffentlichung in Hans Wilhelm Haussig Heinz Bechert Hrsg Gotter und Mythen des indischen Subkontinents Worterbuch der Mythologie Abteilung 1 Die alten Kulturvolker Band 5 Klett Cotta Stuttgart 1984 ISBN 3 12 909850 X S 773 824 Online Version als PDF S 44 abgerufen am 1 Marz 2016 Walter Aichele Martin Bock Hrsg Zigeunermarchen Diederichs Reihe Marchen der Weltliteratur Diederichs Erstauflage 1962 1991 ISBN 3 424 00331 X Leander Petzoldt Hrsg Musikmarchen Fischer Taschenbuch Frankfurt am Main 1994 S 124 f ISBN 3 596 12463 8 Paul Zaunert Hrsg Die Zauberflote Marchen der europaischen Volker Eugen Diederichs Dusseldorf 1995 Das wundersame Kastchen In 40 Marchen um die Welt Horspiel WDR Hrsg Random House Audio 2013 ISBN 978 3 8983 0562 4 Zeitschrift Marchenforum Nr 57 Vom Lachen und Weinen im Marchen Mutabor Verlag Lutzelfluh CH 2013 Auffuhrung des Theaters in der Meerwiese Munster Memento des Originals vom 24 April 2021 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www stadt muenster de abgerufen am 1 Marz 2016 Marianne Seidel Textarbeit zum Romamarchen Die Erschaffung der Geige abgerufen am 1 Marz 2016 Heinrich von Wlislocki Vom wandernden Zigeunervolke Bilder aus dem Leben der Siebenburger Zigeuner Geschichtliches Ethnologisches Sprache und Poesie Richter Hamburg 1890 S 218 f ISBN 5 874 17525 3 Rosemarie Tupker Musik im Marchen Reichert Verlag Wiesbaden 2011 S 65 S 69 ff S 73 f ISBN 978 3 8950 0839 9 Liste der Einzelmotive und Marchentext abgerufen am 1 Marz 2016 Rosemarie Tupker Musik im Marchen Reichert Verlag Wiesbaden 2011 S 53 57 Rosemarie Tupker Musik im Marchen Reichert Verlag Wiesbaden 2011 S 51 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Die Erschaffung der Geige amp oldid 232609162