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Deutsche Afrikapolitik beschreibt die Aussenpolitik der Bundesrepublik Deutschland in Beziehung zu den Landern des afrikanischen Kontinents Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Handlungsfelder der deutschen Afrikapolitik 2 1 Entwicklungspolitik 2 2 Sicherheitspolitik 2 3 Handels und Wirtschaftspolitik 2 4 Migrationspolitik 3 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenVon 1884 bis zum Abschluss des Versailler Vertrags 1919 existierten auf dem afrikanischen Kontinent mehrere deutsche Kolonien In der Weimarer Republik gab es durchgehend Forderungen die deutschen Kolonien zuruckzugewinnen Nachfolgend wurde der Kolonialrevisionismus und die Kolonialpropaganda im NS Staat von 1933 bis zur Kriegswende 1942 43 zumindest geduldet Auch deutsche Handelsaktivitaten auf dem Kontinent wurden weitergefuhrt bzw wieder aufgenommen ein grosseres gar flachendeckendes staatliches Afrikaengagement des Deutschen Reichs konnte aber bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs nicht verwirklicht werden 1 Die Afrikapolitik der jungen Bundesrepublik die mit dem Wiedererlangen der aussenpolitischen Teilsouveranitat 1955 Fahrt aufnahm wurde vor allem durch die Hallstein Doktrin und den Druck der USA durch Entwicklungshilfe die Ausbreitung des Kommunismus einzudammen beeinflusst Bereits 1954 forderte der Vorsitzende des Bundestagsausschusses fur Aussenhandelsfragen Reinhold Bender von den Vereinten Nationen vergeblich die Ubertragung der Treuhandschaft einer ehemaligen afrikanischen Kolonie auf die Bundesrepublik 2 Nach der Aufgabe der Hallstein Doktrin gewannen entwicklungspolitische Ziele fur die deutsche Afrikapolitik an Bedeutung obwohl auch die Rohstoffversorgung der Bundesrepublik sichergestellt werden sollte Innenpolitische Kontroversen gab es zum Umgang mit dem Apartheidsregime in Sudafrika Die deutsche Afrikapolitik konzentrierte sich auf das sudliche Afrika um die Beziehung zu den USA und Frankreich nicht zu gefahrden die im Rest Afrikas eigene Interessen vertraten Die Afrikapolitik lag hauptsachlich im Aufgabenbereich des BMZ 3 Die Afrikapolitik der DDR konzentrierte sich auf Lander wie Angola und Mosambik wurde aber gegen Ende der 1980er zuruckgefahren 4 Nach der deutschen Wiedervereinigung und dem Ende des Kalten Kriegs verlor Afrika strategisch fur viele Lander an Bedeutung Die Afrikapolitik konnte sich aber nun unabhangig von Blockzwangen verstarkt auf Entwicklungshilfe und Menschenrechte konzentrieren Im Oktober 1991 veroffentlichte das BMZ funf Kriterien fur die deutsche Entwicklungszusammenarbeit 3 Achtung der Menschenrechte Beteiligung der Bevolkerung Rechtsstaatlichkeit Schaffung einer marktfreundlichen aber sozialen Wirtschaftsordnung Entwicklungsorientierung staatlichen HandelnsDie Beziehungen zu den afrikanischen Landern insbesondere in Bezug auf die Handelspolitik wurden auch verstarkt von der EU und durch internationale Vertrage wie das Cotonou Abkommen gepragt In den letzten Jahren entwickelten viele deutsche Ministerien eigene Afrikastrategien und auch die Bundesregierung bemuht sich um eine koharente Strategie Zu den Initiativen gehoren z B der Marshallplan mit Afrika des BMZ die Initiative Pro Afrika des BMWi 5 oder der vom BMF koordinierte Compact with Africa 6 Im Jahr 2019 veroffentlichte die Bundesregierung die Fortschreibung der Afrikapolitischen Leitlinie von 2014 Diese ist an Zielen in funf Bereichen Frieden und Stabilitat nachhaltige Wirtschaftsentwicklung Migration Afrika in der Weltordnung und zivilgesellschaftliche Partnerschaften ausgerichtet 7 Nichtregierungsorganisationen ausserten die Sorge dass durch die neue Ausrichtung die Entwicklungspolitik der Migrationsabwehr untergeordnet werden konne 8 Personlicher Afrikabeauftragter des Bundeskanzlers war von 2010 bis 2021 Gunter Nooke der aber wegen seines Umgangs mit Kritikern und in Zusammenhang mit Ausserungen zum Kolonialismus in der Kritik stand 9 Die im Januar 2023 vorgestellte Afrika Strategie von Entwicklungsministerin Schulze legte den Fokus vor allem auf die Schaffung von Arbeitsplatze und sozial okologischen Wandel sowie die Forderung von Frauen 10 Handlungsfelder der deutschen Afrikapolitik BearbeitenEntwicklungspolitik Bearbeiten Die deutsche ODA an afrikanische Lander betrug im Jahr 2017 3 274 Milliarden Euro Die grossten Empfangerlander waren Marokko 309 Millionen Euro und Nigeria 257 Millionen Euro 11 Die Zahlung von Entwicklungshilfe unterliegt vielfach dem Prinzip der politischen Konditionalitat Finanzzusagen werden also an Forderungen im Bereich Menschenrechte oder Demokratisierung geknupft 3 Deutschland kooperiert auch in der Entwicklungspolitik mit der Afrikanischen Union der seit 2006 500 Millionen Euro aus Mitteln des BMZ zugesagt wurden 12 Dabei bezieht sich die Entwicklungspolitik auch auf die Ziele der Agenda 2063 NGOs kritisieren dass in den vergangenen Jahren Entwicklungshilfe verstarkt an Konditionen des Fluchtlingsmanagements gebunden worden seien und die weiterhin fehlende Koharenz der deutschen und europaischen Entwicklungspolitik 8 Die europaische Entwicklungspolitik wird auch aus afrikanischer Sicht kritisiert und als Handelskrieg der EU gegen afrikanische Lander wahrgenommen 13 Sicherheitspolitik Bearbeiten Im Bereich Sicherheitspolitik konzentriert sich das deutsche Engagement auf Krisenpravention Konfliktbearbeitung und Friedensforderung Auch der Kampf gegen Terrorismus wird aber von deutscher Seite thematisiert Insgesamt wird die deutsche Sicherheitspolitik in Afrika aber als zogerlich beschrieben 3 Die deutsche Sicherheitspolitik ist eingebunden in die Sicherheitspolitik der EU in Afrika Die EU unterstutzt Peacekeeping Missionen der Afrikanischen Union und insbesondere den Aufbau der Afrikanischen Friedens und Sicherheitsarchitektur APSA Die Bundeswehr ist u a an der EU Anti Piraterie Operation Atalanta und an der UN Mission MINUSMA sowie der EU Ausbildungsmission EUTM in Mali beteiligt 14 Die Auslandseinsatze dienen in der Praxis allerdings nicht nur der Friedenssicherung sondern stehen auch in Zusammenhang mit der Sicherung deutscher Handelsinteressen vor Somalia und der deutschen Migrationspolitik in Mali 15 Handels und Wirtschaftspolitik Bearbeiten Die aussenwirtschaftlichen Interessen der Bundesrepublik bestehen vor allen an den nordafrikanischen Landern Sudafrika und Nigeria 3 Die BRD bezieht aus Afrika vor allem Ol und mineralische Rohstoffe und liefert Investitionsguter Der Anteil Afrikas am deutschen Aussenhandel macht allerdings insgesamt nur zwei Prozent des gesamten Aussenhandelsaufkommens Importe und Exporte aus 16 In der deutschen Politik liegt der Fokus auf der Forderung privatwirtschaftlicher Investitionen so z B im Programm Compact with Africa Auch die Pro Afrika Initiative des BMWi hat die Forderung von Investitionen durch die Ausweitung der Deckung von Hermesburgschaften zum Ziel Zwar werden von Seiten des Entwicklungsministeriums und auch vom Afrikabeauftragten der Bundesregierung Schutzzolle auf europaische Importe nach Afrika vorgeschlagen die Bundesregierung spricht sich aber insgesamt starker fur mehr Freihandel aus 17 Die Handelsbeziehungen zu afrikanischen Landern zeichnen sich durch eine hohe Fragmentierung aus Afrikanische Lander handeln mit der EU unter verschiedenen Bedingungen Im Rahmen des Cotonou Abkommens haben einige afrikanische Staaten zusammengeschlossen in Regionen sogenannte Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit der EU abgeschlossen die allerdings sowohl von zivilgesellschaftlicher Seite als auch von einigen Staaten stark kritisiert wurden weil sie die Stellung europaischer Konzerne auf afrikanischen Markten starken die Entwicklung der afrikanischen Lander aber nicht vorantreiben wurden 13 Die sogenannten Least Developed Countries haben unter dem Abkommen Everything but Arms weitestgehend zollfreien Zugang zu EU Markten konnen aber ihre eigene Markte durch Zolle schutzen Zusatzlich verhandelt die EU im Rahmen der EUROMED Partnerschaft mit einigen nordafrikanischen Staaten uber ein eigenes Freihandelsabkommen 18 Da das Cotonou Abkommen im Jahr 2020 auslauft wird aktuell um ein Nachfolgeabkommen gestritten Durch die Schaffung der afrikanischen Freihandelszone AfCFTA hat sich die Verhandlungsposition der afrikanischen Staaten nach Experteneinschatzungen verbessert 19 Migrationspolitik Bearbeiten Afrika ist Ursprung vieler Migrationsbewegungen In den Staaten Subsahara Afrikas denkt ein Drittel der Bevolkerung uber das Auswandern nach der Grossteil der Migration findet aber innerafrikanisch statt Durch das hohe Bevolkerungswachstum wird mit einem Anstieg der Zahl von Migranten gerechnet Migrationspolitik ist somit in den vergangenen Jahren verstarkt in den Fokus der deutschen und europaischen Afrikapolitik geraten Das Bundesinnenministerium plante im Sommer 2018 einen Masterplan Migration der vielfach die Ideen des oben genannten Marshallplans mit Afrika aufgegriffen hatte 20 aber nicht weiterverfolgt wurde Deutschland leistet mit 160 Millionen Euro den grossten bilateralen Beitrag zum Europaischen Treuhandfonds fur Afrika EUTF der die strukturellen Ursachen fur Migration bekampfen soll 21 Der EUTF ist Teil einer Strategie die versucht migrationspolitische Massnahmen zu externalisieren also ausserhalb der EU Aussengrenzen durchzufuhren Kritisiert wird dass die Vergabepraxis nicht auf Nachhaltigkeit und Langfristigkeit ausgelegt sei dass Gelder die fur entwicklungspolitische Projekte vorgesehen waren zur Migrationsabwehr umgewidmet wurden und dass sich die geforderten Projekte auf Lander konzentrieren die entlang der Fluchtrouten liegen die aber selbst nicht zu den grossten Aufnahmelandern gehoren 22 Die deutsche Regierung setzt sich ausserdem fur Grenzschliessungen innerhalb Afrikas ein um Migration einzudammen und unterstutzt lokale Regierungen bei der Umsetzung dazu geeigneter Projekte Dazu gehort neben der Gewahrung von Entwicklungshilfe auch die militarische Beratung so etwa im Niger Diese Politik wird kritisiert weil z B die Forderung nach Grenzschliessungen den Bemuhungen um mehr Freihandel widerspricht 17 Einzelnachweise Bearbeiten Torben Gulstorff Trade follows Hallstein Deutsche Aktivitaten im zentralafrikanischen Raum des Second Scramble Humboldt Universitat Berlin 2016 S 34 ff Martin Baer Olaf Schroter Eine Kopfjagt Deutsche in Ostafrika Spuren kolonialer Herrschaft Christoph Links Verlag Berlin 2001 ISBN 978 3 861 53248 4 S 175 a b c d e Siegmar Schmidt Handbuch zur deutschen Aussenpolitik Hrsg Siegmar Schmidt Gunther Hellmann Reinhard Wolf VS Verlag fur Sozialwissenschaften Wiesbaden 2007 ISBN 978 3 531 90250 0 Afrika sudlich der Sahara S 532 544 Afrika war fur die DDR Aussenpolitik wichtig In mdr Zeitreise MDR 9 Januar 2018 abgerufen am 7 September 2019 Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Pro Africa Deutscher Bundestag 2018 abgerufen am 7 September 2019 Compact with Africa Bundesfinanzministerium Themen Abgerufen am 7 September 2019 Eine vertiefte Partnerschaft mit Afrika Fortschreibung und Weiterentwicklung der Afrikapolitischen Leitlinien der Bundesregierung Berlin 2019 Online PDF abgerufen am 9 Juli 2019 a b Kompass 2019 Zur Wirklichkeit der deutschen Entwicklungspolitik Berlin Bonn Osnabruck 2019 Kommentar zur Afrikapolitik der Bundesregierung Afrika braucht mutige Antworten S 15 23 Neue Rucktrittsforderungen gegen Merkel Berater Nooke Abgerufen am 23 September 2019 Nina Amin Strategie von Ministerin Schulze Millionen Jobs fur Afrika In tagesschau de 24 Januar 2023 abgerufen am 11 Februar 2023 Bundesministerium fur wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung BMZ Bilaterale Netto ODA nach Forderbereichen und Landern 2017 Abgerufen am 7 September 2019 Bundesministerium fur wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung BMZ Afrikanische Union Abgerufen am 10 September 2019 a b Rainer Tetzlaff Afrika Eine Einfuhrung in Geschichte Politik und Gesellschaft Hrsg Rainer Tetzlaff Grundwissen Politik Springer Fachmedien Wiesbaden 2018 ISBN 978 3 658 20253 8 Internationale Entwicklungskooperation in Afrika S 299 312 Bundesministerium der Verteidigung Einsatze in Afrika In bmvg de Abgerufen am 18 September 2019 Was die Bundeswehr in Afrika erreicht hat und was nicht Abgerufen am 18 September 2019 Sabine Allafi Julia Koch Aussenhandel mit Afrika Hrsg Statistisches Bundesamt destatis Wiesbaden 2015 Online PDF a b Warum Deutschland nichts gegen Fluchtursachen in Afrika tut Abgerufen am 23 September 2019 Euro Mediterranean partnership Trade European Commission Abgerufen am 23 September 2019 Benjamin Fox Afrika ist bereit fur harte Wirtschafts Verhandlungen In euractiv com 7 September 2018 abgerufen am 23 September 2019 Es geht nicht nur um Abgrenzung sondern auch um den Kampf gegen Fluchtursachen Abgerufen am 23 September 2019 Vom Notfall zum Regelfall der EU Treuhandfonds fur Afrika Abgerufen am 19 September 2019 Inken Bartels Geld gegen Migration Der Nothilfe Treuhandfonds fur Afrika Hrsg Heinrich Boll Stiftung Berlin 2017 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Deutsche Afrikapolitik amp oldid 236496012