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Das Deutsch Franzosische Forschungsinstitut Saint Louis Institut franco allemand de recherches de Saint Louis ISL ist ein binationales Institut fur Sicherheits und Verteidigungsforschung im elsassischen Saint Louis mit je einem franzosischen und einem deutschen Direktor Deutsch Franzosisches Forschungsinstitut Saint Louis ISL Grundung 31 Marz 1958Grunder Hubert SchardinSitz Saint LouisZweck Forschung und EntwicklungMitglieder 400 2021 Website www isl euDas Institut das heute rund 400 Mitarbeiter beschaftigt verfugt uber Fachwissen in den Bereichen Detonik Ballistik Hochgeschwindigkeitsmessung Sensoren Akustik Laser Nanopartikel und improvisierten Sprengvorrichtungen Es ist Inhaber zahlreicher Patente und vergibt weltweit Lizenzen Gegrundet wurde es in seiner binationalen Form uber ein deutsch franzosisches Abkommen das am 31 Marz 1958 unterzeichnet und am 17 Juni 1959 ratifiziert wurde 1 Inhaltsverzeichnis 1 Grundung 2 Binationaler Grundungsvertrag 3 Entwicklung bis heute 4 Direktoren des ISL 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseGrundung BearbeitenGegen Ende des Zweiten Weltkrieges im Fruhjahr 1945 stieg bei den Siegermachten das Interesse sich das Wissen deutscher Wissenschaftler kunftig zu Nutze zu machen und diese fur die eigenen Regierungen forschen zu lassen Frankreich fokussierte sich besonders auf die deutschen Ballistiker aus dem Forschungsinstitut der Technischen Akademie der Luftwaffe im suddeutschen Biberach an der Riss ursprunglich in Berlin wahrend des Krieges ausgelagert unter der Leitung von Hubert Schardin Dieser hatte sich in den Jahren zuvor als Doktorand bei Carl Cranz umfangreiche Kenntnisse im Bereich der Kurzzeitphysik angeeignet 1945 galt Schardin und sein Mitarbeiterstab mit dem Wissen uber das Erfassen schneller Vorgange durch Fotografie und Kinematographie mit Hilfe elektrischer Funken sowie der Entwicklung der Sprengstoffhohlladung als weltweit fuhrend Als im April 1945 franzosische Truppen unter Kommandant Lutz in Biberach einruckten war zunachst nur vorgesehen die Apparate und technischen Gegenstande aus dem deutschen Institut zu beschlagnahmen allen voran die Funkenzeitlupenkamera das wichtigste Messinstrument der deutschen Ballistiker In den folgenden Tagen gelangte auch das amerikanische Militar unter der Leitung von Colonel Leslie E Simon vom Ballistic Research Laboratory Aberdeen Proving Ground zu dem Labor von Professor Schardin Er bot ihm und sieben seiner Mitarbeiter an sich sofort in den USA niederlassen zu konnen um dort forschend tatig zu werden Schardin lehnte zunachst ab weil er seine Forschungsgruppe nicht zersplittern wollte Als die franzosischen Verantwortlichen von dem Interesse der Amerikaner an dem Team von Schardin erfuhren machten auch sie ihm am 1 Juni 1945 das Angebot fur die franzosische Regierung in dem Laboratoire Central de l Armement LCA in Versailles bei Paris zu arbeiten Schardin zehn seiner Mitarbeiter und mehrere Hilfskrafte nahmen an Eine Ansiedlung deutscher Wissenschaftler in Paris wurde allerdings weniger als ein Jahr nach dem Abzug der deutschen Besatzungstruppen aus der franzosischen Hauptstadt von der franzosischen Regierung als politisch bedenklich angesehen Deshalb sollte der kunftige Forschungssitz fur die deutschen Ballistiker weit weg von Paris verlegt werden Daraufhin wurde im elsassischen Saint Louis im Dreilandereck Deutschland Frankreich Schweiz ein ehemaliges Fabrikgelande als Forschungssitz ausgewahlt und ein Labor errichtet Am 1 August 1945 zwolf Wochen nach der Kapitulation Deutschlands begannen somit 32 deutsche Wissenschaftler in dem Institut in Saint Louis fur die franzosische Regierung zu arbeiten Direktor des Instituts wurde der franzosische General Robert Cassagnou Aus den damaligen Arbeitsvertragen mit den deutschen Wissenschaftlern geht hervor dass die franzosische Regierung hauptsachlich daran interessiert war das Know how der deutschen Forscher ausschliesslich fur die eigene nationale Entwicklung in der Ballistik zu nutzen 2 Was die wissenschaftlichen Ergebnisse betrifft so ist es vollig unerheblich wo wir arbeiten wenn wir nur die Moglichkeit und die Mittel bekommen Es gibt weder eine speziell deutsche Physik noch eine speziell franzosische Hubert Schardin am 20 Juni 1945 3 Schardin und die weiteren deutschen Wissenschaftler zogen im Sommer 1945 mit ihren Familien in das dem Institut nahe gelegene deutsche Weil am Rhein Der etwa 20 minutige Transport von der deutschen Seite zum Arbeitsort in Frankreich wurde mit einem verplombten Bus ermoglicht Die plotzliche Aufnahme der deutschen Wissenschaftler in Weil am Rhein wurde in der Gemeinde zunachst skeptisch beurteilt da diese den bis dahin knappen Wohnraum beanspruchten doppelte Nahrungsrationen bekamen und in franzosischen Laden wo es ein breiteres Warenangebot als auf dem freien Markt gab einkaufen konnten sie erweckten dadurch den Eindruck einer geschlossenen Gesellschaft 4 Obwohl das Institut im Standort Saint Louis zunachst nur als Provisorium gedacht war wurden die Forschungstatigkeiten dort in den nachsten Jahren immer weiter ausgebaut Das Institut etablierte sich in den Jahren aufgrund der hohen Qualitat der Arbeiten und der Motivation der Mitarbeiter und fuhrte zu weiteren Investitionen Zu den deutschen Wissenschaftlern in den Anfangsjahren des Instituts gehorten unter anderem Hugo Neuert Ewald Funfer Richard Emil Kutterer Robert Sauer und Theodor Fromme Ihnen bot sich im Elsass zu diesem Zeitpunkt die Moglichkeit auf kernphysikalischem Gebiet zu arbeiten in Deutschland waren vergleichbare Forschungseinrichtungen bis 1955 verboten Binationaler Grundungsvertrag BearbeitenAls in Deutschland ab Mitte der 1950er Jahre die Bundeswehr aufgebaut wurde sollte auch die Verteidigungsforschung weiterentwickelt werden Die junge Bundesrepublik war darauf bedacht kunftig fur ihre eigene militarische Sicherheit zu sorgen und benotigte daher Spezialisten aus der Verteidigungsforschung Zu diesem Zeitpunkt waren jedoch die in der Forschung fuhrenden deutschen Ballistiker fast ausschliesslich fur das franzosische Verteidigungsministerium tatig Es war daher angedacht die deutschen Forscher u a auch aus dem ISL abzuwerben um sie in deutsche Forschungseinrichtungen anzustellen Frankreich war jedoch nicht bereit seinen Einfluss auf das Institut und den drohenden Verlust wichtiger Forscher aufzugeben zumal Schardin selbst das ISL nicht verlassen wollte Nachdem sich 1954 die Bundesrepublik Deutschland den NATO Mitgliedsstaaten eingegliedert hatte kam bei Schardin und Cassagnou der Wunsch auf die Erkenntnisse und die Forschungsarbeiten des ISL kunftig auch der deutschen Wissenschaft zur Verfugung stellen zu konnen Sie schlugen vor es in eine binationale Einrichtung umzuwandeln 2 Daraufhin wurde 1955 im Bundesministerium der Verteidigung eine deutsch franzosische Kommission gegrundet um eine solche binationale Leitung zu planen Hintergrund war auch das Bestreben beider Staaten den Aufbau nationaler Partnerschaften in Westeuropa voranzutreiben Am 31 Marz 1958 wurde nach zweijahrigen Verhandlungen zwischen den Regierungen von Deutschland und Frankreich ein Abkommen vereinbart mit dem das Institut unter dem Namen Deutsch Franzosisches Forschungsinstitut Saint Louis ISL seine Tatigkeit unter der Federfuhrung von beiden Staaten ab dem 22 Juni 1959 aufnehmen konnte Die Verteidigungsminister Jacques Chaban Delmas und Franz Josef Strauss unterschrieben den Vertrag in Saint Louis Hubert Schardin wurde zum deutschen General Cassagnou zum franzosischen Direktor des ISL ernannt Rechtlich wurde das Institut zum Teil auf einem einzigartigen System binationaler Vorschriften aufgebaut die heute noch gelten das Arbeitsrecht wurde durch ein hauseigenes Personalstatut ersetzt der Haushalt muss von beiden Regierungen genehmigt werden wahrend sich das Baurecht nach franzosischem Recht richtet Nach der Grundung die auch als ein Grundstein fur die deutsch franzosische Beziehungen angesehen werden kann stieg die Personalstarke innerhalb von zehn Jahren auf 460 Mitarbeiter beider Nationalitaten an Die Forschungsarbeit konzentrierte sich auf die Wehrtechnik in den Bereichen von Hohlladungsgeschossen und Panzerabwehrraketen Eine der erfolgreichsten Entwicklungen war die Herstellung der drahtgelenkten Panzerabwehrrakete ENTAC Nachdem Schardin 1964 als Leiter der Abteilung Wehrtechnik in das Bundesministerium der Verteidigung berufen wurde starb er ein Jahr spater Cassagnou der wahrend der Jahre der Zusammenarbeit eine Freundschaft mit Schardin aufgebaut hatte war im selben Jahr in den Ruhestand gegangen Entwicklung bis heute BearbeitenIn den 1970er Jahren bestimmte die Grundlagenforschung und die angewandte Wissenschaft die wissenschaftliche Arbeit Laserimpulstechnik kam zum Einsatz die Holografie wurde weiterentwickelt In den 1980er Jahren wurde im Bereich Panzerschutz und Panzerdurchschlag geforscht und die elektromagnetische Kanone weiterentwickelt 1992 wurde ein grosser Windkanal in Betrieb genommen in dem ein permanenter Luftstrom von Mach 4 4 erzeugt werden kann In den letzten Jahren nahm das Institut eine neue Strategie mit Schwerpunkt auf Anwendungen fur den Schutz vor Terrorismus an Auch verfugt das ISL uber grosse Vertrage mit der franzosischen und der US amerikanischen Armee Letztere interessiert sich auch fur eine Zusammenarbeit im Bereich der elektrischen Kanone Insgesamt will sich das ISL fur eine breitere europaische Basis offnen Dabei ist der Ausbau der dualen also sowohl militarisch wie zivil nutzbaren Aktivitaten und Europaisierung vorgesehen um sich auch als europaische Forschungsinstitution zu erweitern Direktoren des ISL BearbeitenDeutsche Direktoren Name Dauer1 Hubert Schardin 1958 19642 Richard Emil Kutterer 1965 19693 Rudi Schall 1969 19794 Ulrich Vogel 1979 19895 Hans Schulte 1989 19986 Hermann Sitterberg 1998 20037 Volker Schmitt 2004 20078 Michael Weiand 2007 20109 Wolfgang Forster 2010 201410 Thomas Czirwitzky 5 2014 202111 Bernd Fischer i V 2021 202112 Michael Meinl 6 2021 Franzosische Direktoren Name Dauer1 Robert Cassagnou 1945 19652 Andre Auriol 1965 19783 Pierre Thevenin 1978 19844 Maurice Meunier 1984 19955 Jean Yves De Longeville 1998 20026 Dominique Litaise 2002 20067 Alain Pique 2006 20108 Christian de Villemagne 2010 Literatur BearbeitenAnsbert Baumann Die Grundung des Institut Saint Louis In Ulrich Pfeil Hrsg Deutsch franzosische Kultur und Wissenschaftsbeziehungen im 20 Jahrhundert Ein institutionengeschichtlicher Ansatz Munchen 2007 S 237 256 Rudi Schall Vom Laboratoire zum Institut Eine Chronik zur Entstehung des Instituts Saint Louis Interne Veroffentlichung des Institut de Saint Louis 1988 Gunter Weihrauch Von den Anfangen der ballistischen Forschung im ISL Ballistische Forschung im ISL 1945 1994 Festschrift zu Ehren von Richard Emil Kutterer anlasslich seines 90 Geburtstages Saint Louis 1994 S 23 27 Stadtisches Museum am Lindenplatz Weil am Rhein Hrsg Die Wissenschaftler Weil am Rhein 1995 Paul Bernard Munch Robert Cassagnou Hubert Schardin a Saint Louis 1945 1965 Editions Wilo Saint Louis 2019 ISBN 979 10 97215 13 2 editions wilo fr Weblinks BearbeitenInternetprasenz des ISL Daten der deutsch franzosischen Beziehungen Memento vom 28 April 2009 im Internet Archive Beschreibung des ISL auf der CORDIS Webseite Institut St Louis eine deutsche franzosische Liebesgeschichte Memento vom 5 Marz 2016 im Internet Archive Badische Zeitung vom 29 Juni 2009Einzelnachweise Bearbeiten ISL offizielle Website Angaben zum Institut franzosisch eingesehen am 1 August 2010 a b Virginie Vendamme Teamarbeit fur die Sicherheit Dokumente Zeitschrift fur den deutsch franzosischen Dialog Heft 1 09 S 53 Ansbert Baumann Les Balisticiens allemands au service de la France apres 1945 PDF Nicht mehr online verfugbar In Cahiers du Centre d Etudes d Histoire de la Defense Heft 33 08 S 53 64 archiviert vom Original am 1 Dezember 2008 abgerufen am 17 Mai 2009 Stadtisches Museum am Lindenplatz Weil am Rhein Hrsg Die Wissenschaftler Weil am Rhein 1995 S 25 Die Forschung soll nicht auf der Strecke bleiben In Badische Zeitung 2 Oktober 2014 abgerufen am 22 Marz 2018 Michael Meinl ist deutscher Direktor am ISL In Europaische Sicherheit und Technik 14 Dezember 2021 abgerufen am 14 Dezember 2021 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Deutsch Franzosisches Forschungsinstitut Saint Louis amp oldid 226509711