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Der Krieg eigentlich Der Krieg I ist ein Gedicht von Georg Heym Es wurde vom 4 bis 10 September 1911 verfasst und erschien nach Heyms Tod ein Jahr darauf im Band Umbra vitae Das Gedicht wird dem Fruhexpressionsmus zugeordnet 1919 erschien es gemeinsam mit zwolf weiteren Gedichten Heyms in der Sammlung Menschheitsdammerung 1924 wurde der Band aus nachgelassenen Gedichten mit 47 Holzschnitten Ernst Ludwig Kirchners erneut aufgelegt Inhaltsverzeichnis 1 Text 2 Form 3 Tagebuchaufzeichnungen 4 Interpretation 5 Rezeption 6 Literatur 6 1 Textausgaben 6 2 Sekundarliteratur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseText BearbeitenDer Krieg I Aufgestanden ist er welcher lange schlief Aufgestanden unten aus Gewolben tief In der Dammrung steht er gross und unerkannt Und den Mond zerdruckt er in der schwarzen Hand In den Abendlarm der Stadte fallt es weit Frost und Schatten einer fremden Dunkelheit Und der Markte runder Wirbel stockt zu Eis Es wird still Sie sehn sich um Und keiner weiss In den Gassen fasst es ihre Schulter leicht Eine Frage Keine Antwort Ein Gesicht erbleicht In der Ferne wimmert ein Gelaute dunn Und die Barte zittern um ihr spitzes Kinn Auf den Bergen hebt er schon zu tanzen an Und er schreit Ihr Krieger alle auf und an Und es schallet wenn das schwarze Haupt er schwenkt Drum von tausend Schadeln laute Kette hangt Einem Turm gleich tritt er aus die letzte Glut Wo der Tag flieht sind die Strome schon voll Blut Zahllos sind die Leichen schon im Schilf gestreckt Von des Todes starken Vogeln weiss bedeckt Uber runder Mauern blauem Flammenschwall Steht er uber schwarzer Gassen Waffenschall Uber Toren wo die Wachter liegen quer Uber Brucken die von Bergen Toter schwer In die Nacht er jagt das Feuer querfeldein Einen roten Hund mit wilder Mauler Schrein Aus dem Dunkel springt der Nachte schwarze Welt Von Vulkanen furchtbar ist ihr Rand erhellt Und mit tausend roten Zipfelmutzen weit Sind die finstren Ebnen flackend uberstreut Und was unten auf den Strassen wimmelt hin und her Fegt er in die Feuerhaufen dass die Flamme brenne mehr Und die Flammen fressen brennend Wald um Wald Gelbe Fledermause zackig in das Laub gekrallt Seine Stange haut er wie ein Kohlerknecht In die Baume dass das Feuer brause recht Eine grosse Stadt versank in gelbem Rauch Warf sich lautlos in des Abgrunds Bauch Aber riesig uber gluhnden Trummern steht Der in wilde Himmel dreimal seine Fackel dreht Uber sturmzerfetzter Wolken Widerschein In des toten Dunkels kalten Wustenein Dass er mit dem Brande weit die Nacht verdorr Pech und Feuer traufet unten auf Gomorrh Form BearbeitenAufbau des Gedichts Vers Versmass Reim 1 y y y y y y a2 y y y y y y a3 y y y y y y b4 y y y y y y b betonte Silbe y unbetonte SilbeDas Gedicht besteht aus 11 Strophen mit je 4 Versen Die Strophen bestehen durchgehend aus zwei Paarreimen Die zumeist in sechshebigem Trochaus verfassten Verse weisen eine mannliche Kadenz auf Die Verse 10 31 34 und 40 besitzen sieben der Vers 32 acht Hebungen Vers 38 verfugt uber funf Hebungen Die abfallende Wirkung des Versfusses und der vergleichsweise einfache Paarreim erzeugen einen langsamen schwerfalligen Rhythmus der durch die starre Einhaltung der Metrik noch bis zum Schluss fortgetragen wird Verstarkt wird dies durch die Verwendung eines sechshebigen Trochaus statt des ublichen Vierhebers und den Einsatz mannlicher Reime die zu einer grosseren Isolierung der einzelnen Verse beitragen 1 Der Heymsche Rhythmus resultiert daraus dass die Welt zunachst in einen Zustand vollkommener Erstarrung uberfuhrt wird ablesbar an der Zeilenstruktur um dann in eine vom Autor initiierte Unruhe versetzt zu werden 2 meint Klaus Gunther Just im Hinblick auf Heyms Dichtung Tagebuchaufzeichnungen BearbeitenGeorg Heym notierte am 6 Juli 1910 in seinem Tagebuch unter anderem folgende Zeilen 3 Ach es ist furchtbar Schlimmer kann es auch 1820 nicht gewesen sein Es ist immer das gleiche so langweilig langweilig langweilig Es geschieht nichts nichts nichts Wenn doch einmal etwas geschehen wollte was nicht diesen faden Geschmack von Alltaglichkeit hinterlasst Wenn ich mich frage warum ich bis jetzt gelebt habe Ich wusste keine Antwort Nichts wie Qualerei Leid und Misere aller Art Geschahe doch einmal etwas Wurden einmal wieder Barrikaden gebaut Ich ware der erste der sich darauf stellte ich wollte noch mit der Kugel im Herzen den Rausch der Begeisterung spuren Oder sei es auch nur dass man einen Krieg beganne er kann ungerecht sein Dieser Frieden ist so faul olig und schmierig wie eine Leimpolitur auf alten Mobeln Ronald Salter urteilt Georg Heym wollte den Kampf ja sogar den Krieg als Heilmittel gegen die Krankheit seiner Zeit der Zeit des II Kaiserreiches 4 Heyms Kriegsbegeisterung grundet auf Gedanken Friedrich Nietzsches und Georg Simmels denen zufolge der Krieg revitalisierend auf das erstarrte Leben wirke 5 Interpretation BearbeitenNach Anselm Ruest und Paul Zech die 1915 1916 das Gedicht in einer Wurdigung Heyms mitabdruckten habe der Dichter die Schrecken des Ersten Weltkriegs vorhergesehen Nach 1945 teilte noch Hermann Kasack diese Auffassung und interpretierte das Gedicht als Vorankundigung der beiden Weltkriege sowie als Vorwegnahme der Verheerungen durch den Luftkrieg uber deutsche Grossstadte 6 Mit der Veroffentlichung von Dokumenten zu Heyms Werk gilt diese Deutung als uberholt 7 Christa Karpenstein Essbach erganzt dass man auch in den zahlreichen Rezensionen des Gedichtes anlasslich der Herausgabe des Bandes Umbra Vitae Heym keine Vorahnung des Krieges nachgesagt hat 8 Diese Interpretation wurde durch die Kontextualisierung des Gedichts Kurt Pinthus hatte es in der Anthologie Menschheitsdammerung im Kapitel Sturz und Schrei veroffentlicht begunstigt 8 Die Entstehung des Gedichtes fallt mit der Zweiten Marokkokrise zusammen Marianne Kesting verweist auf die weitverbreitete Furcht vor einem Krieg mit Frankreich das verdachtigt wurde das Deutsche Reich mit schwarzafrikanischen Kolonialtruppen uberschwemmen zu wollen 7 Statt um eine Warnung vor dem Krieg gehe es in Heyms Gedicht um einen gegen den Burger gerichteten Wunsch nach Vernichtung 7 Deshalb lasse Heym den Krieg in der Gestalt eines korybantisch tanzenden Negers 7 gegen die Burger antreten In diesem Sinne stellt das Gedicht dem Verfall der burgerlichen Welt den Vitalismus des Krieges gegenuber 5 Rezeption BearbeitenDas Gedicht wurde in zahlreiche Anthologien aufgenommen Neben zwolf weiteren Gedichten Heyms erschien es 1919 in der expressionistischen Sammlung Menschheitsdammerung Eine Vertonung des Gedichtes nahm Konstantin Wecker 2015 in seinem Album Ohne Warum vor Literatur BearbeitenTextausgaben Bearbeiten Georg Heym Der Krieg In Umbra vitae Nachgelassene Gedichte Hrsg von Elmar Jansen Edition Leipzig Leipzig 1968 S 3 4 Georg Heym Der Krieg I In Dichtungen und Schriften Hrsg von Karl Ludwig Schneider Bd 1 Ellermann Hamburg 1964 S 346 347 Sekundarliteratur Bearbeiten Gunter Dammann Karl Ludwig Schneider Joachim Schoberl Georg Heyms Gedicht Der Krieg Handschriften und Dokumente Untersuchungen zur Entstehungsgeschichte und zur Rezeption Winter Heidelberg 1978 Beihefte zum Euphorion 9 ISBN 3 533 02700 7 Friedrich Leiner Georg Heym Der Krieg In Interpretationen moderner Lyrik Anlasslich der Germanistenverbandstagung hrsg von der Fachgruppe Deutsch Geschichte im Bayerischen Philologenverband 6 Auflage Diesterweg Frankfurt am Main Berlin Regensburg 1959 S 40 47 Weblinks BearbeitenProjekt Gutenberg DE Gedichttext und InterpretationEinzelnachweise Bearbeiten Vgl Karl Eibl Expressionismus In Walter Hinderer Hrsg Geschichte der deutschen Lyrik vom Mittelalter bis zur Gegenwart 2 Auflage Konigshausen amp Neumann Wurzburg 2001 ISBN 3 8260 1999 7 S 420 438 hier S 430 Klaus Gunther Just Von der Grunderzeit bis zur Gegenwart Geschichte der deutschen Literatur seit 1871 Francke Bern Munchen 1973 ISBN 3 7720 1056 3 S 295 Georg Heym Zweites Tagebuch 23 Mai 1907 bis 5 Mai 1910 In Dichtungen und Schriften Tagebucher Traume Briefe Hrsg von Karl Ludwig Schneider Bd 3 Ellermann Hamburg 1960 S 138 139 Ronald Salter Georg Heyms Lyrik Ein Vergleich von Wortkunst und Bildkunst Fink Munchen 1972 S 187 a b Thomas Anz Joseph Vogl Nachwort In Die Dichter und der Krieg Deutsche Lyrik 1914 1918 Carl Hanser Munchen Wien 1982 ISBN 3 446 13470 0 S 225 248 hier S 228 f Peter Sprengel Literatur im Kaiserreich Studien zur Moderne Erich Schmidt Berlin 1993 ISBN 3 503 03064 6 S 268 Hans Jorg Knobloch Endzeitvisionen Studien zur Literatur seit dem Beginn der Moderne Konigshausen amp Neumann Wurzburg 2008 ISBN 978 3 8260 3859 4 S 16 Hermann Kasack Der Krieg Georg Heym In Dieter E Zimmer Hrsg Mein Gedicht Begegnungen mit deutscher Lyrik Limes Wiesbaden 1961 S 109 a b c d Marianne Kesting Das Warten hat ein Ende In Gerhard R Kaiser Hrsg Poesie der Apokalypse Konigshausen amp Neumann Wurzburg 1991 ISBN 3 88479 570 8 S 173 a b Christa Karpenstein Essbach Georg Heym Der Krieg In Andreas Bohn Hrsg Lyrik im historischen Kontext Festschrift fur Reiner Wild Konigshausen amp Neumann Wurzburg 2009 ISBN 978 3 8260 4062 7 S 276 Normdaten Werk GND 4522892 9 lobid OGND AKS VIAF 201884210 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Der Krieg Heym amp oldid 230357395