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Der Dreissigjahrige Krieg Zeugnisse vom Leben mit Gewalt ist ein Buch von Hans Medick das 2018 im Wallstein Verlag in Gottingen erschienen ist Thema des Buches ist der Alltag des kleinen Mannes zur Zeit des Dreissigjahrigen Krieges dargestellt aus der Perspektive einzelner Personen Die Zeit war von Gewalt und Angst gepragt was durch Selbst und Zeitzeugnisse unterschiedlichster Art eindrucklich belegt wird Das Buch gehort zum Genre der Mikrogeschichte Inhaltsverzeichnis 1 Entstehungsgeschichte 2 Struktur 3 Inhalt 3 1 Einleitung 3 2 I Anfange Der Prager Fenstersturz von 1618 3 3 II Religionen im Krieg 3 4 III Der Krieg im Alltag 3 5 IV Geisseln des Krieges 3 6 V Belagerung Massaker Schlacht 3 7 VI Medien und Krieg 3 8 VII Der lange Weg zum Frieden 3 9 VIII Festmahl und Freudenfeuerwerk 4 Erkenntnisinteressen 5 Rezeption 6 Ausgabe 7 EinzelnachweiseEntstehungsgeschichte BearbeitenDie Entstehungsgeschichte des Buches geht auf biographische Erfahrungen des Autors sowie auf eine Vielzahl von Forschungsbemuhungen und kollegiale Verbindungen uber viele Jahre hinweg zuruck ferner auf die unermudliche Unterstutzung seiner Ehefrau Doris die das Werk als Literatur und Kulturwissenschaftlerin begleitete und der das Buch letztendlich auch gewidmet ist Hans Medick sah als Kleinkind nach einem britischen Luftangriff zahlreiche verbrannte Korper zwischen Trummern von Hausern liegen was ihn nachhaltig beeindruckte und was er spater mit Gewalt im Krieg in Verbindung bringen sollte Nachwort S 423 424 Struktur BearbeitenNach der Einleitung welche Die Nahe und Ferne des Dreissigjahrigen Krieges erlautert ist das Buch in acht romische Kapitel eingeteilt Der Bogen spannt sich von I Anfange und Folgen des Prager Fenstersturzes von 1618 uber II Religionen im Krieg III Der Krieg im Alltag IV Geisseln des Krieges V Belagerung Massaker Schlacht VI Medien und Krieg VII der lange Weg zum Frieden bis hin zu VIII Festmahl und Freudenfeuerwerk Jedes dieser acht Kapitel enthalt zahlreiche Untertitel Einleitend fasst Medick die geschichtlichen Hintergrunde in grossen Zugen zusammen Diesen lasst er zahlreiche Zeitzeugnisse unterschiedlichster Art folgen Auszuge aus Tagebuchern Gerichtsakten hofische Nachrichten Zeitungsausschnitte Sinnspruche obrigkeitliche Erlasse Bibel Eintrage Predigten Lieder etc Einfuhrungstexte ebenso wie die Zeitzeugnisse werden durch eine Vielzahl von Fussnoten erganzt und verdeutlicht Der Leser bekommt hautnah einen ausfuhrlichen und beeindruckenden Einblick in die unterschiedlichsten Situationen in denen die Menschen damals ihr Leben fristen mussten Inhalt BearbeitenEinleitung Bearbeiten Ein grosser Krieg kann auch ausgehend von kleinen Ereignissen Episoden und Wahrnehmungsfragmenten dargestellt werden Nicht die grossen Schlachten und die Herrscherpolitik sollen hier zum Zuge kommen sondern der Alltag mit seinen unzahligen Gewaltereignissen und den unentwegten Versuchen zu uberleben Zeitgenossische Selbst und Zeitzeugnisse sind analytische und darstellerische Ausgangspunkte einer dokumentarischen Mikrogeschichte welche eine andersartige Gesamtdarstellung des Dreissigjahrigen Krieges belegen Dargestellt wird wie sich die Lebenswelten der militarischen Tater und der zivilen Opfer im Kriegsalltag in vielfaltiger Weise uberschneiden Erstere lebten von standiger Ausubung von Gewalt und Zwang letztere unter der konstanten Bedrohung durch das Militar Die Einquartierung von Militar in Zivilhaushalte fuhrte dazu dass der Dreissigjahrige Krieg nicht nur ein solcher der grossen Schlachten war sondern sich zu einem ganz wesentlichen Teil zu Hause im gewohnlichen Volk abspielte Warum fragt sich der Autor ist diese Geschichtslandschaft im 400 Jahr des Beginns dieses Grossen Kriegs in Deutschland Ricarda Huch gegenwartig so lebendig Die Antwort auf diese Frage die sich auch der Leser stellen darf ist in diesem Buch zu finden I Anfange Der Prager Fenstersturz von 1618 Bearbeiten Der Prager Fenstersturz war der kriegerische Beginn einer fatalen Ereigniskette von Gewalt Seite 25 zuruckzufuhren auf Differenzen zwischen dem katholischen Habsburger Kaiser Matthias und den evangelischen bohmischen Reichsstanden Letztere verteidigten ihre Rechte auf Religionsfreiheit welche katholischerseits wieder eingeschrankt werden sollten Zwei konigliche Statthalter und ihr Sekretar wurden am 23 Mai 1618 von protestierenden Vertretern der bohmischen Stande aus einem Fenster der Kanzlei in der Prager Burg geworfen Massgebend und kommendes Unheil anzukundigen schien aber auch der schreckliche Cometstern zu sein ein Komet der 30 Tage am Himmel stand und retrospektiv als Bote fur einen dreissig Jahre wahrenden Krieg betrachtet wurde In eindrucklicher Weise werden politische Wirrnisse und irrationale Verarbeitung von Naturereignissen vermischt II Religionen im Krieg Bearbeiten Den Dreissigjahrigen Krieg als letzten grossen Religionskrieg in Europa zu bezeichnen ist aus verschiedenen Grunden problematisch Es war eher ein Reichsverfassungskrieg ein Konflikt um die politische und religiose Ordnung im Heiligen Romischen Reich und in der Habsburgermonarchie Religios konfessionelle Konflikte spielten wohl eine zentrale Rolle so z B der ungeloste Streit bezuglich der Auslegung des Augsburger Religionsfriedens von 1555 Genauso gewichtig waren jedoch die machtpolitischen Interessen aller Kriegsparteien Die konfessionelle Zugehorigkeit spielte meist weder bei den Angehorigen der kriegfuhrenden Parteien noch beim Eintreiben von Kontributionen eine Rolle wobei den Juden allgemein grossere finanzielle Belastungen als dem ubrigen Volk auferlegt wurden wie ein Bericht des Ratsherrn Johann Georg Pforr aufzeigt S 77 ff Gewalt war nicht den Schlachten vorbehalten Eine Zerstorung von zwei Bischofs Statuen in denen sich Reliquien befinden sollten fuhrte zu protestantischem Vandalismus im Erfurter Dom Dieser wurde anlasslich einer Siegesfeier zum lutherischen Gotteshaus umfunktioniert Die katholische Universitat wurde durch den gottgeschenkten Sieg Gustav Adolfs unter protestantischer Agide neu gegrundet Augsburg eine vorwiegend lutherische Stadt wurde zum Ort einer gewaltsamen Rekatholisierung Es ging um die Rettung der Seelen fur den Katholizismus Genauso wichtig war aber die Wiedererlangung von ehemals kirchlichem Besitz und von ehemaligen Herrschaftsrechten Interessanterweise sollen die Obrigkeiten sowohl katholischer wie protestantischerseits der Zerstorungswut ihrer Anhanger jeweils nach einer gewissen Zeit Einhalt geboten haben S 68 III Der Krieg im Alltag Bearbeiten In diesem Kapitel geht Medick der Frage nach ob zivile Personen wirklich nur unwillige passive und hilflose Opfer militarischer Gewalt waren oder ob es nicht auch eine Art von Zusammenleben von Kollaboration und Situationen der Entspannung gegeben habe Unter welchen Zwangen litten die Menschen der unterschiedlichen sozialen Stande welche Spielraume hatten sie zur Verfugung Wie waren die Frauen in die Geschehnisse eingebunden Der mikrohistorische Zugang vermittelt ein uneinheitliches Bild mit einem breiten Spektrum physischer und sozialer Gewalt zwischen militarischer und ziviler Bevolkerung Kritische Situationen entstanden oft bei der Quartiernahme Manchmal ergab sich allerdings auch eine Win Win Situation indem das Militar gegen Kost und Unterkunft den Schutz der Familie ubernahm IV Geisseln des Krieges Bearbeiten Die extreme Ausbreitung von Krankheiten Hunger Not und kriegerischem Elend wurde vor allem von protestantischen Geistlichen als gerechte Strafe und Zuchtruten Gottes fur die Sunden der Menschen verstanden und gepredigt Zwischen und neben der Kriegsrute schickte Gott die Pestilenz hinter uns her verkundete der lutherische Pfarrer Johann Daniel Minck S 163 Der grossere Teil der Todesfalle im Dreissigjahrigen Krieg geht nicht auf militarische Operationen sondern auf Pest Typhus und Verhungern zuruck Bis zu 1 8 Millionen Soldaten und je nach Gebiet bis zu 60 der Zivilpersonen sind an den Kriegsfolgen gestorben Der Suden war starker betroffen als der Norden dieser verfugte uber die besseren okonomischen Ressourcen S 166 167 Die Hungersnot war 1634 35 so gross dass die Menschen nicht davor zuruckschreckten ihre toten Angehorigen zu verspeisen Dem Bericht des katholischen Pfarrers Michael Lebhardt aus dem Dorf Agawang Nahe Augsburg zufolge handelte es sich bei der Anthropophagie nicht um eine Metapher sondern um eine reale der Verzweiflung entsprungene Uberlebenspraxis die als Notkannibalismus bezeichnet wurde S 173 V Belagerung Massaker Schlacht Bearbeiten Die Armee Einheiten waren bis zu 35 000 Mann stark Hinzu kamen Begleit Trosse Angehorige Marketender etc von etwa gleicher Grosse Die Armeen waren eine Art wandernder Stadte schwerfallige Kriegs aber nicht unbedingt Kampfmaschinen die sich in der Hauptsache als Nahrungssuchmaschinen betatigen mussten Die Versorgung mit Lebensmitteln das Bereitstellen von Unterkunften fur die Soldaten und deren Anhang die Beschaffung von Kriegsmaterial wie Waffen Munition und Pferden waren kontinuierliche Herausforderungen welche alle Beteiligten Soldaten wie Zivilpersonen an die Grenzen der Belastbarkeit fuhrte Es kann daher von einem eigentlichen Auszehrungskrieg gesprochen werden Belagerungen konnten zu extremen Formen der Gewaltanwendung zu Massakern ausufern Beispiele dafur sind die Stadte Munden 1626 und Magdeburg 1631 In Munden verloren von 2 600 Menschen mindestens 2 200 ihr Leben in Magdeburg die Halfte der 40 000 Einwohner Magdeburg im Ruf einer glaubensfesten protestantischen Stadt stehend lief Gefahr den Nimbus kampferische Wehrstadt evangelischen Glaubens zu verlieren S 209 Der katholische Sieg uber Magdeburg dem Fundament und Centrum des Krieges galt als Angelpunkt einer moglichen konfessionellen und politischen Ruckeroberung des Reiches Die Vernichtung von Magdeburg am 20 Mai 1631 loste massive bisher nie dagewesene Medienreaktionen aus die in hunderten von Flugschriften Flugblatt Darstellungen Zeitungsartikel Liedern und Predigten ihren Niederschlag fanden Die Analogisierung Magdeburgs zu historischen Ereignissen wie dem Untergang von Jerusalem Babylon Trojas etc verlieh dem Untergang der Stadt den Rang eines welthistorischen Ereignisses Der Ruckgriff auf historische Beispiele bot den Protestanten die Moglichkeit die Zerstorung ihrer Stadt als aufopfernde Hingabe fur die gesamte Sache des Protestantismus erscheinen zu lassen S 219 Die Schlacht bei Lutzen am 16 November 1632 galt als Schlusselereignis im Dreissigjahrigen Krieg Gustav Adolf militarischer Fuhrer und Leitfigur des Protestantismus kam in dieser Schlacht zu Tode durch heroische Selbstaufopferung wie ihm spater nachgesagt wurde Sein Gegner Wallenstein Stratege Taktiker und militarischer Anfuhrer wurde sowohl von protestantischer wie von katholischer Seite negativ beurteilt Man fragte sich ob er als Gicht und wahrscheinlich Syphiliskranker in einer Sanfte an der Schlacht teilgenommen habe Archaologische Untersuchungen um 2011 fuhren vom Tod des Schwedenkonigs weg hin zu Massengrabern die ganze Trauma Biographien der Soldaten und anhand ihrer Verletzungen Ubergangsmomente zwischen Gewalt und Tod inmitten der Schlacht erkennen lassen S 229 VI Medien und Krieg Bearbeiten Nach Johannes Burkhardt gab der Dreissigjahrige Krieg nach der Hauptzasur der Reformation des 16 Jahrhunderts der neuzeitlichen Medienrevolution einen zweiten Schub Neben den bisher gangigen mundlichen schriftlichen und bildlichen Ubermittlungen die auch weiterhin wichtig waren boomten Druckmedien wie die Flugblattpublizistik und die Pamphletistik Zeitungen wurden teilweise handschriftlich hergestellt und vor allem an hoher gestellte Adressaten versandt Gedruckte Predigten insbesondere Leichenpredigten erreichten eine uberregionale Leserschaft Lieder Melodien und Liedflugschriften uber den Krieg verbreiteten sich rasch und gelten heute als erste Massenmedien popularer Musik S 270 Frankfurt mit zahlreichen Verlegern Druckern Kupferstechern Nachrichtenagenten und Schreibern war ein wichtiges Zentrum medialer Aktivitaten Johann von den Birghden veranschlagte die Rolle seines Nachrichtenorgans fur Gustaf Adolf fur gewichtiger als wenn er ihn mit mehreren Regimentern unterstutzt hatte eine Einschatzung die auch von katholischer Seite geteilt wurde Der Presse oblag die Tatsachenberichterstattung sie war aber auch Kriegswaffe Vielen Postzeitungen wurde Verlogenheit nachgesagt Der Tod Gustav Adolfs und seine Heldentaten zu Lebzeiten ebenso der Tod Wallensteins stiessen offentlich wie privat auf grosses Interesse was dem Aufkommen der Medien ausserst forderlich war Im Gegensatz zur positiven Darstellung bezuglich Leben und Tod von Gustav Adolf hatte der Tod bzw die Ermordung Albrecht von Wallensteins bis ins 19 Jahrhundert hinein eine literarisch politische Schattenwirkung Wallenstein galt als Akteur der in aussergewohnlich harter Weise Politik Militar und Gewalt in sich vereinte VII Der lange Weg zum Frieden Bearbeiten Wahrend der ganzen Zeit des Dreissigjahrigen Krieges gab es immer wieder kleinere Friedensinitiativen Johannes Burkhardt 2018 fragt War der ganze Krieg der Kriege solang und vielfaltig er war womoglich auch eine Grossbaustelle des Friedens S 319 Der Krieg sollte weder den Feind vollstandig vernichten noch sollte er als ein Heiliger Krieg zur Losung der Konfessionsfrage fuhren Die Kriegspropaganda aller Parteien betonte den eigenen Friedenswillen und rechtfertigte den Krieg als Mittel zum Frieden An der Fortsetzung des Krieges und des Bruchs von Friedensangeboten war stets die Gegenseite schuld Der Prager Frieden 1635 fuhrte zu einer Neuformierung der Bundnisse zwischen dem protestantischen Schweden und dem katholischen Frankreich Die konfessionelle Lesart des Krieges trat hinter furstenstaatlichen Machtinteressen zuruck Die Einfuhrung von Normaljahren in denen Zeitpunkte vor und nach Beginn des Krieges festgelegt wurden nach welchen Eroberungen und Veranderungen der Besitzverhaltnisse ruckgangig gemacht werden sollten waren ein wirkungsvolles Medium zum Frieden Der Westfalische Frieden vom 24 Oktober 1648 grosstes Friedenswerk der Fruhen Neuzeit S 325 war ein weiterer Schritt zur Neukonfiguration der europaischen Machte 110 Gesandtschaften reprasentierten 16 europaische Staaten und tagten getrennt in Munster und in Osnabruck Orte die zu militarfreien Zonen erklart worden waren Sprachlich verstandigte man sich auf Deutsch Lateinisch Italienisch Spanisch und Niederlandisch Die endgultige Fassung der Friedensvereinbarungen erfolgte schliesslich in lateinischer Sprache Der Frieden wurde als eine politisch militarische Notwendigkeit betrachtet Es sollte jedoch nicht einfach ein Frieden als blosse Beendigung des Krieges sein sondern man kampfte um einen ehrenvollen Frieden der das eigene Ansehen nicht schmalern durfte S 331 Wahrend der Friedensbestrebungen gingen die kriegerischen Handlungen auf allen Seiten weiter Einem letzten grossen Beutezug der Schweden fiel die Bibliothek und die weltberuhmte Kunst und Wunderkammer Kaiser Rudolph s II zum Opfer Als Kernstuck des Friedens ist in den Friedensvertragen von Munster und Osnabruck festgehalten dass die Parteien einander immerwahrendes Vergessen und Amnestie alles dessen was seit Beginn der Kriegshandlungen an irgendeinem Ort und auf irgendeine Weise in feindlicher Absicht begangen worden ist gewahren und dass Beleidigungen Gewalttaten feindselige Handlungen Schaden und Unkosten ohne Ansehen der Person ganzlich gegeneinander aufgehoben sein sollen auf dass alles immerwahrendem Vergessen anheimgegeben sei S 341 VIII Festmahl und Freudenfeuerwerk Bearbeiten Dieses letzte Kapitel befasst sich mit der Friedensschliessung Am Nurnberger Exekutionstag der nicht ein einzelner Tag war sondern von 1649 bis 1650 dauerte wurden die Hinterlassenschaften des Krieges abgewickelt In einer wirkungsvolle n politisch kulturellen Selbstinszenierung wurde uber Satisfaktionen Abfindungsgelder fur abziehende Truppen und Restitutionen Ruckgabe besetzter Gebiete verhandelt S 393 Federfuhrend waren der kaiserliche Hauptgesandte Ottavio Piccolomini und sein schwedischer Gegenpart Pfalzgraf Karl Gustav von Pfalz Zweibrucken beide sowohl kriegs wie auch auf politischer Ebene sehr erfahren S 402 Die politischen Verhandlungen wurden von zahlreichen rauschenden Festmahlern umrahmt Besonders hervorgehoben wird das opulente Schwedische Friedensmahl Den Armen wurden Ochsen Brot und Wein gespendet Die ausgelassene Stimmung der Festteilnehmer kumulierte in einem damals ublichen Tausch rangmassiger Kleidung gegen Soldatenkleidung und einem Herumballern mit Handfeuerwaffen Veranstaltungen dieser Art zeigen auf welch hoher Stellenwert der Gewalt selbst bei solchen als Scherz geltenden Manovern zukam Der Abschluss der Nurnberger Friedensfeiern zu welchem auch Frauen Zutritt hatten gipfelte in einem Theaterstuck und einem Freuden Feuerwerk Das Ganze wurde als grandioses Finale und endgultigen Schlusspunkt des dreissigjahrigen Krieges inszeniert Beide Festmahler wurden von Sigmund von Birken einem bekannten Schreibenden besucht und schriftlich festgehalten Er war Autor der Sinnspruche und des avantgardistischen Friedens Ballett Schauspiels das nicht von christlichen Motiven wie zu erwarten gewesen ware sondern von Motiven aus der Antike bevolkert wurde wobei wiederum Gewalt eine dominierende Rolle spielte Der Historiker Bernd Roeck wurdigte die Nurnberger Friedensfeiern als komplexeste Inszenierungen und verglich sie mit ethnologischen Umkehrritualen Er verdeutlichte jedoch nicht wie sehr die Nurnberger Festlichkeiten immer noch der Sprache der Gewalt und ihrer Praxis verhaftet waren Ein ewiger Frieden als grundsatzliches Ziel der Vernunft wie spater in der Aufklarung von Emmanuel Kant postuliert war nach 1650 nicht in Sicht Erkenntnisinteressen BearbeitenSicht eines grossen Krieges nicht aus der Perspektive der Herrschenden sondern alternativ aus der historischen Perspektive einer dokumentarisch analytischen Mikrogeschichte Zeitzeugnisse Selbstzeugnisse Medien Darstellung der Alltaglichkeit von Gewalt Zwang Hunger und Krankheit in jeder Form welche das Leben sowohl des Militars wie der Zivilbevolkerung bedrangte Uberlebensstrategien der Bevolkerung Infragestellung wie weit es im Dreissigjahrigen Krieg tatsachlich um Religion ging Der historischen Anthropologie verpflichtet beschreibt der Autor unter Verwendung zahlreicher Selbst und Zeitzeugnissen die alltagliche Gewalt und das Massensterben bis hin zum Kannibalismus im Dreissigjahrigen Krieg Zwangseinquartierungen bei Zivilisten Pest und Hunger beherrschten Denken Handeln und Verhalten der Menschen Das Buch ist nicht nur fur Historiker und Mikrohistoriker von grossem Interesse auch Wirtschafts Experten Soziologen Psychologen Theologen Archaologen und selbst Musiker erhalten gewichtige allgemeine wie auch je zu ihrem Fachgebiet gehorige Einblicke in die damalige kriegsversehrte Welt des kleinen Mannes Rezeption BearbeitenAllgemein hervorgehoben wird die klare Gliederung des Buches von Hans Medick Ob er mit seinem Werk das Ziel einer Gesamtdarstellung erreicht habe wird unterschiedlich beurteilt Beanstandet wird dass die Literatur der letzten 12 Jahre kaum berucksichtigt worden sei Zudem stehe die Behauptung des Autors uber die Dominanz machtpolitisch dynastischer Erwagungen im Gegensatz zu seiner Aussage dass Fragen von konfessioneller Zugehorigkeit und religiosem Bekenntnis pragende Faktoren des Kriegsgeschehens gewesen seien Eine sorgfaltige und ausgiebig kommentierte Quellensammlung von Selbstzeugnissen Chroniken Flugblattern Zeitungsnotizen etc gibt nicht nur tiefe Einblicke in aufwuhlende Lebensaufzeichnungen sondern vermittelt auch ein Bild der damals im Aufschwung begriffenen medialen Welt Insgesamt wird dem Buch attestiert durch knappe Textauszuge eindrucklich die damalige Erwartungsunsicherheit und die allgemeine Angst der Menschen abseits vom grossen Kriegsgeschehen zu dokumentieren 1 2 3 Ausgabe BearbeitenDeutsche Originalausgabe Hans Medick Der Dreissigjahrige Krieg Zeugnisse vom Leben mit Gewalt Wallstein Verlag Gottingen 2018 ISBN 978 3 8353 3248 5 Einzelnachweise Bearbeiten Hans Medick Die Schrecken des Kriegsalltags wissenschaft de Abgerufen am 23 August 2019 SEHEPUNKTE Rezension von Der Dreissigjahrige Krieg Ausgabe 19 2019 Nr 5 Abgerufen am 23 August 2019 Hans Medick Der Dreissigjahrige Krieg Zeugnisse vom Leben mit Gewalt In kulturbuchtipps de 27 Oktober 2018 abgerufen am 23 August 2019 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Der Dreissigjahrige Krieg Zeugnisse vom Leben mit Gewalt amp oldid 239435163