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Dechselklingen aus Steingrundformen haben weder von ihrer Form noch von ihrer chronologischen Stellung mit den namensgleichen Werkzeugen des mitteleuropaischen Alt bis Mittelneolithikums 1 etwas gemein Tatsachlich bilden sie eine eigenstandige Klasse von Querbeilklingen Dechselklingen die per Definition aus sog Grundformen angefertigt wurden Zu ihrer Herstellung wurde in aller Regel Kieselgestein Feuerstein Hornstein Quarzit selten Felsgestein Hornfels verwendet Auch wenn diese Artefaktform von Sammlern und Archaologen zugleich als Dechsel bezeichnet werden versteht sich von selbst dass es sich in allen bis jetzt bekannten Fallen lediglich um die steinernen und deshalb unverganglichen Klingen des ursprunglichen Kompositgerates Dechsel handelt Inhaltsverzeichnis 1 Grundformen 2 Schaftung und Anwendungsbereich 3 Forschungsgeschichte 4 Datierung 5 Literatur 6 EinzelnachweiseGrundformen Bearbeiten nbsp Schematische Darstellung des Idealtyps einer Dechselklinge aus einer Steingrundform Schliff parallele Schraffur Unter einer Grundform versteht man im Zusammenhang mit der gezielten Herstellung von prahistorischen historischen Steinwerkzeugen Artefakten ein Produkt das von einem Rohstuck aus Kieselgestein oder geeignetem Felsgestein mittels verschiedener Herstellungstechniken 2 abgetrennt worden ist Dieses Produkt heisst Abschlag und kann grundsatzlich zwei Erscheinungsformen unterschiedlicher Grosse aufweisen In der klassischen Form besitzt ein Abschlag einen rundlichen oder ovalen Umriss Weist er dagegen einen langgestreckten eventuell noch symmetrischen Umriss auf ist somit definitionsgemass mindestens doppelt so lang wie breit und besitzt uberdies annahernd parallele Langskanten dann wird diese Abschlagform Klinge genannt Definierende Merkmale in absteigender Folge ihrer Signifikanz von Dechselklingen aus Steingrundformen sind folgende vgl Abbildung rechts Ausgangsform ist grundsatzlich ein Abschlag oder eine Klinge fallweise auch die Naturform potlid Frostscherbe Reste der Unterseite Ventralflache fallweise auch Frost Flache der ehemaligen Grundform mussen immer erkennbar sein Im Querschnitt ist die Ventralflache weitgehend flach die Oberseite Dorsalflache immer gewolbt Im Umriss konvergieren die Langskanten seiten in Richtung Nacken Die Schneide befindet sich immer am breiteren Ende und zeigt eine aufgewippte Stellung Schliff diente primar zur endgultigen Uberarbeitung der Schneide und findet sich fallweise auch an den Langskanten wahrend der restliche Geratekorper mit Ausnahme prominenter Partien z B Bulbus frei von Schliffspuren ist Der Umriss ist durch Retuschierung angelegt uberwiegend von ventral nach dorsal Diese kann auf Dorsal und oder Ventralflachen randlich flachig aber auch flachendeckend ausgefuhrt sein Die Stucke weisen in aller Regel eine Langswolbung auf Schaftung und Anwendungsbereich BearbeitenDiese Dechselklingen durften aller Wahrscheinlichkeit nach auf an oder in sog Knieholmen aus Astgabeln 3 geschaftet gewesen sein Aufgrund von Grosse n 48 33 139 mm und Gewicht n 21 11 145 g der Klingen ist davon auszugehen dass es sich um mittelgrosse bis kleinere Dechseln Kompositgerat gehandelt haben wird die fur mittlere bis leichte Holzarbeiten verwendet wurden 4 Ein exzellentes Beispiel fur den hochwahrscheinlichen Einsatz einer Dechsel mit einer Klinge aus einer Steingrundform durfte der Bogenstab des Mannes vom Tisenjoch Otzi darstellen Es handelt sich um ein Halbfabrikat aus Eibenholz dessen Oberflache mit Hunderten kleiner fur Dechselarbeit sehr charakteristisch getreppt bis sich uberlappender und linear aufgereihter rechteckig ovaler Schlagnegative ubersat ist 5 Es wird vermutet dass Otzi dafur sein Beil mit Kupferklinge benutzt habe 6 Ware dies auch durch die durch Dengelung erzielbare Scharfe dessen Klinge gewiss moglich gewesen so sprechen doch die Grosse vor allem aber die Handhabung des Beils dagegen Forschungsgeschichte BearbeitenDiese Geratekategorie wurde von Weiner erstmals 1981 in einem rheinischen Museum erkannt weitere Beispiele wurden uber rd 18 Jahre aus der Literatur zusammengetragen Im Jahre 1999 wurde die Gerateform der ur und fruhgeschichtlichen Fachwelt prasentiert 7 Seinerzeit waren 43 Exemplare exklusiv aus Feuerstein bestehend aus Belgien Deutschland Frankreich und den Niederlanden bekannt Bis zum Jahre 2013 wurden insbesondere durch Steinzeit Sammler Foren im Internet weitere Belegexemplare aus Deutschland den Niederlanden und erstmals auch Danemark bekannt so dass momentan insgesamt 67 Fundstucke vorliegen Bemerkenswert ist auch dass Felsgestein zur Herstellung derartiger Dechselklingen gedient hat Dies wird durch zwei Stucke aus dem Landkreis Passau belegt deren Fundstellen spatneolithische Keramik von Chamer Machart lieferten Die durch ihre deutlich geschieferte farbig unterschiedlich stark zonierte Struktur nicht unattraktive auffallige Gesteinsart konnte als Hornfels bestimmt werden Dies ist ein hochmetamorphes hartes und besonders zahes palaozoisches Gestein das in der Region von Tiefenbach Bayern in der sog Bunten Gruppe im Untergrund ansteht 8 Gleichermassen bemerkenswert ist dass offensichtlich auch naturliche Trummerstucke aus Feuerstein sog Frostscherben als Ausgangsform verwendet wurden sofern sie eine morphologisch geeignete Form aufwiesen Verdeutlicht wird dies durch zwei Funde von Scheibenbeilen mit Schliff aus baltischem Flint von Fundstellen der spaten Trichterbecherkultur aus Schleswig Holstein und Danemark Datierung BearbeitenDechselklingen aus Steingrundformen treten vom Jungneolithikum Michelsberger Kultur uber das Spatneolithikum Horgen Cham Wartberg Stein SOM bis zum Endneolithikum Glockenbecherkultur Schnurkeramik d h zwischen ca 4400 und 2200 v Chr auf 9 Literatur BearbeitenMarkus Egg Die Ausrustung des Toten In M Egg amp K Spindler Die Gletschermumie vom Ende der Steinzeit aus den Otztaler Alpen Vorbericht Jahrbuch des Romisch Germanischen Zentralmuseums 39 1992 Mainz 1993 S 35 100 Jens Luning Erneute Gedanken zur Benennung der neolithischen Perioden In Germania Band 74 1 1996 S 233 237 Online Konrad Spindler Der Mann im Eis Munchen 1993 Manfred Stolper sen Graphitabbau in der Dreieinigkeitszeche bei Hirzing Der Bergbau in der Gemeinde Tiefenbach 1 Tiefenbach 1987 Jurgen Weiner Zur Technologie bandkeramischer Dechselklingen aus Felsgestein und Knochen Ein Beitrag zur Forschungsgeschichte Archaeologia Austriaca 80 1996 S 115 156 Jurgen Weiner Neolithische Dechselklingen aus Feuersteingrundformen Anmerkungen zu einem kaum beachteten einzigartigen Geratetyp In E Cziesla Th Kersting amp St Pratsch Hrsg Den Bogen spannen Festschr fur Bernhard Gramsch zum 65 Geburtstag Beitrage zur Ur und Fruhgeschichte Mitteleuropas 20 2 1999 S 353 372 Weissbach Jurgen Weiner Kenntnis Werkzeug Rohmaterial Ein Vademekum zum altesten Handwerk des Menschen Archaologische Informationen 23 2 2000 S 229 242 doi 10 11588 ai 2000 2 14405 Jurgen Weiner Kenntnis Werkzeug Rohmaterial Ein Vademekum zur Technologie der steinzeitlichen Holzbearbeitung Archaologische Informationen 26 2 2003 S 407 426 doi 10 11588 ai 2003 2 12704 Jurgen Weiner Die Dechsel ein steinzeitliches Gerat In E Keefer Hrsg Lebendige Vergangenheit Vom Archaologischen Experiment zur Zeitreise Archaologie in Deutschland Sonderheft 2006 S 30 31 Stuttgart Jurgen Weiner Wahrlich nicht alltaglich drei bemerkenswerte Hornfelsartefakte aus Tiefenbach Gotzing Lkr Passau In M Aufleger amp P Tutlies Hrsg Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile Festschrift fur Jurgen Kunow anlasslich seines Eintritts in den Ruhestand Materialien zur Bodendenkmalpflege im Rheinland 27 2018 S 381 394 Bonn Einzelnachweise Bearbeiten Weiner 1996 Schlag Zwischenstuck Druck Weiner 2000 Weiner 1999 S 364 Abb 35 S 365 Abb 36 S 366 Abb 37 Weiner 2003 Egg 1993 S 36 Abb 6 2 Spindler 1993 gegenuber S 128 unten Spindler 1993 Weiner 1999 mit ausfuhrlichen Informationen zur Forschungsgeschichte Stolper 1987 Luning 1996 Weiner 1999 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Dechselklingen aus Steingrundformen amp oldid 235292644