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Als Bunzlauer Keramik werden keramische Erzeugnisse Haushaltsgeschirr Kunstgegenstande aus der niederschlesischen Stadt Bunzlau heute polnisch Boleslawiec und ihrer Umgebung bezeichnet Neuere Bunzlauer Keramik aus polnischer Fertigung Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte und Herstellung 2 Formen und Verwendung 3 Entwicklung des Dekors 3 1 Lehmglasur 3 2 Schwammeldekor Schwammdekor 3 3 Spritzdekor 3 4 Weitere Zierglasuren 4 Keramik nach Bunzlauer Art nach dem Zweiten Weltkrieg 5 Siehe auch 6 Literatur 7 WeblinksGeschichte und Herstellung BearbeitenDie Keramikherstellung in Bunzlau geht auf das 16 Jahrhundert zuruck bereits damals wurden reich verzierte vielfaltigste Gebrauchs und Kunstgegenstande hergestellt Spater schlossen sich die Topfer zu einer Zunft zusammen unter anderem um die Qualitat zu sichern Die Zahl der Topfereien war auf funf beschrankt 1762 wurde diese Beschrankung aufgehoben Bunzlau war jedoch bereits damals europaweit von Bedeutung Die grosse wirtschaftliche Bedeutung der Bunzlauer Keramik wahrte bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges Sie war daruber hinaus mit ihrem typischen Dekor stilbildend Ein besonderer Vorzug dieser Tonwaren war ehedem ihre Feuerfestigkeit Damit konnten aus diesem fast weiss bis leicht ocker brennenden Scherben Koch und Schmortopfe sowie Kannen zum Warmhalten der Getranke auf der Herdplatte hergestellt werden Bunzlauer Keramik vor allem das Braunzeug auch Sanitatsgeschirr genannt fand weite Verbreitung Es war nicht nur in Deutschland gebrauchlich sondern wurde auch nach Skandinavien Grossbritannien in die Niederlande die Schweiz und nach Ubersee exportiert Herausragende Eigenschaften der Bunzlauer Keramik waren die Temperaturwechselbestandigkeit und die Freiheit von Haarrissen in der Glasur Der im Bunzlauer Naumburger Tonbecken geforderte Ton wurde bei bis zu 1260 Grad Celsius gebrannt und galt im gebrannten Zustand als hochgebrannte Irdenware Der Scherben war trotz hoher Brenntemperatur nicht dicht gesintert also noch etwas poros und konnte dadurch Temperaturwechsel gut uberstehen Die aufgeschmolzene Lehmglasur ursprunglich reiner niedrigschmelzender rotbrauner Lehm machte die Keramik dicht fur alle Arten von Flussigkeiten Wahrend in anderen europaischen Topfergegenden noch lange Zeit viel Bleioxid verwendet wurde war die fruhzeitige Bleifreiheit der verwendeten Glasuren ein wesentlicher Beitrag zum grossen Erfolg der Bunzlauer Keramik Der Vorzug der Feuerfestigkeit verlor allerdings mit der Einfuhrung von emaillierten Gusseisen und Stahlblechtopfen und schliesslich von solchen Geratschaften aus Aluminium zum Beginn des 20 Jahrhunderts weitgehend an Bedeutung Auch manches andere wurde durch neue Formen der Lebensmittelversorgung uberflussig Vorratsgefasse verloren ihre Bedeutung durch bessere Versorgungswege insbesondere in den Stadten Essenstrager fur die Land und Fabrikarbeiter wurden schliesslich nicht mehr benotigt Neuerungen im Topferhandwerk forderte die 1897 in Bunzlau nach osterreichischem Vorbild gegrundete Konigliche Keramische Fachschule nach 1922 Staatliche Keramische Fachschule ab 1930 zusatzlich Glasfachschule Bis zuletzt gab es neben der industriellen Fertigung in Bunzlau und Umgebung eine Vielzahl von Handtopfereien in Familienbesitz die auf der Scheibe drehten oder in Gipsformen gossen In unmittelbarer Konkurrenz zu den Topfereien in der Stadt Bunzlau standen die Werkstatten in der Nachbarschaft die durch abgewanderte Topfer gegrundet wurden zum Beispiel in Naumburg am Queis Tillendorf und Ullersdorf Der Erfolg der Bunzlauer Keramik fuhrte zu Nachahmungen in anderen Topferorten die dann auch unter diesem Gattungsnamen verkauft wurden Die Topfer in Bunzlau und Umgebung versuchten sich deshalb mit dem Markenstempel Original Bunzlau zu schutzen Herstellermarken findet man vorzugsweise auf den mehr industriell gefertigten Produkten auf alteren insbesondere auf der Topferscheibe gedrehten Tonwaren fehlen sie Aufgrund des Zweiten Weltkrieges fand die Produktion ein jahes Ende Die Firma Reinhold amp Co konnte jedoch bereits im August 1946 den Betrieb wieder aufnehmen und firmierte unter dem Namen Bunzlauer Topfer und Keramikwerke Altes Bunzlauer Geschirr ist heute noch in vielen Haushalten und auf Flohmarkten und Auktionen zu finden Bekannte Topfereien waren Gleisberg August Hude Julius Paul und Sohn Hugo Reinhold amp Co und Edwin Werner In Bunzlau stellte die Tonrohren und Schamottfabrik Hoffmann amp Co Keramik zur kommerziellen Verwendung unter anderem in Topfereien aber zum Beispiel auch in Futterkrippen her Solche keramischen Erzeugnisse werden jedoch nicht als Bunzlauer Keramik bezeichnet Formen und Verwendung Bearbeiten nbsp Zierkrug mit Zinndeckel Lehmglasur mit aufgelegtem weissen DekorBunzlauer Keramik wurde zum einen fur Kuchengerate und Essgeschirr verwendet so unter anderem fur Kochtopfe Backformen Topfsiebe Kannen Schusseln Milchsatten zur Separation der Sahne Essenstrager und Tischgeschirr Zu Letzterem zahlten als typisch schlesische Produkte die grossen Tassen Tippel und kleinere henkellose Topfe Krausen zum Beispiel fur Honig oder Marmelade Bekannt sind auch die Senfgefasse und Ingwertopfe Zum anderen entstand in Bunzlau Zierkeramik Schon im 17 Jahrhundert wurden reprasentative Gefasse mit Zinnmontur und aufwandigen Applikationen gefertigt Spater waren es Blumenvasen Schalen offen oder mit Deckel Aschenbecher und Leuchter Entwicklung des Dekors BearbeitenDie nachstehend beschriebenen Dekortechniken waren dominierend Aufwandige Methoden wie Reliefdekor oder aufgelegter Dekor haben zwar hohen kunstlerischen Stellenwert waren aber wenig verbreitet und sind daher hier zu vernachlassigen Lehmglasur Bearbeiten nbsp Kaffeekanne mit LehmglasurDie Lehmglasur war die alteste Technik sie wurde zumindest fur Vorratsgefasse bis 1945 durchgangig verwandt Sie gibt einen kraftigen Braunton der durch besonderen Glanz auffallt 1936 belebte die Keramische Fachschule Bunzlau die Lehmglasur unter dem Namen Aktion Bunzlauer Braunzeug wieder um unter nationalsozialistischem Einfluss die alten Handwerkstraditionen zu fordern Das daraus hervorgehende mit weissen Tonapplikationen dekorierte Tischgeschirr hatte grossen Erfolg bis die Produktion zu Beginn des Krieges eingestellt wurde Eine strengflussige weisse Glasur oder eine leichtschmelzende weisse Engobe wurde dazu auf die rohe Lehmglasuroberflache aufgemalt und verschmolz mit dieser leicht Diese Technik fuhrte zu weichen leicht unscharfen Konturen der Dekore Schwammeldekor Schwammdekor Bearbeiten nbsp Schussel mit SchwammeldekorIm letzten Drittel des 19 Jahrhunderts setzte sich vorzugsweise fur Tisch und Haushaltsgeschirr zunehmend das Schwammeldekor auch Schwammdekor durch Dazu werden mit passend geschnittenen Schwammchen dem Elefantenohrschwamm kleine farbige Ornamente aufgestempelt Sehr beliebt waren konzentrische Tupfer in unterschiedlicher Farbe die Pfauenaugen die durch Engobe seltener durch Pinselmalerei erganzt wurden Bunzlauer Keramik mit diesem Dekor erhielt dafur 1905 bei der Weltausstellung in London die Goldmedaille fur cadmium und bleifreies Geschirr Spritzdekor Bearbeiten nbsp Kaffeekanne mit SpritzdekorSpritzdekor wurde erst mit der Entwicklung elastisch anliegender Schablonen in den Zwanzigerjahren des 20 Jahrhunderts in Bunzlau als Dekortechnik erfolgreich Die Hinwendung zur Neuen Sachlichkeit in der industriellen Produktion forderte die Verwendung der Spritztechnik die uberdies mit dem Aufkommen des Art deco Stils an Beliebtheit gewann Weitere Zierglasuren Bearbeiten nbsp Vase mit LaufglasurEngobemalerei Mittels Spritzballon wurden farbige Strichornamente Punkte oder Inschriften aus einer dickflussigen Aufschwemmung von Glasurmasse Schlicker aufgetragen Pinselmalerei Hier war die Malflussigkeit dunner in der Konsistenz die mit einem Pinsel aufgetragenen Ornamente sind flachiger haufig finden sich Motive aus der Pflanzenwelt Marmorierung Auf die mit einer frischen Grundengobe bedeckten Gefasse wurde mittels Giessbuchse oder mit Hilfe von einzelnen Tierhaaren eine andersfarbige Engobe gleicher Konsistenz aufgetragen und danach durch schuttelnde oder schwenkende Bewegungen entsprechende Farbverlaufe erzeugt Bei einer anderen Technik wurden einem Behaltnis mit der Grundengobe oberflachlich kleine andersfarbige Engoben aufgetropft und danach das zu dekorierende Gefass schnell mit einer Drehbewegung eingetaucht Laufglasur Die Glasur wurde bei dieser Technik mehrfarbig als schablonenloses Spritzdekor oder mittels Pinsel aufgetragen Die Viskositat der Glasur und ein Brennvorgang bei erhohter Temperatur fuhren zu einem typischen Verlauf des Dekors von oft uberraschender Schonheit Keramik nach Bunzlauer Art nach dem Zweiten Weltkrieg BearbeitenEinige Bunzlauer Topfer insbesondere kleinere Familienbetriebe haben nach der Vertreibung 1945 ihre Tatigkeit wieder aufgenommen In solchen Fallen liessen sich die Topfer in Orten nieder in denen das Topfergewerbe aufgrund von geeigneten Tonvorkommen bereits ansassig war Viele fuhrten den Bunzlauer Schwammeldekor weiter allerdings fehlte es in den Jahren nach dem Krieg an geeigneten Schwammen Schwammeldekor oder Spritzdekor wurden oder werden hergestellt in Fredelsloh im Solling Hohr Grenzhausen und Siershahn im Westerwald in Ludwigsburg Rosenheim und in Marktheidenfeld Auch in Topfereien in der Oberlausitz wird diese Dekorationsart bis heute verwendet Auch polnische Manufakturen fuhren diese Topferkunst des vorigen Jahrhunderts wieder fort Bunzlauer Keramik wird zwar meist nicht mehr auf der Topferscheibe gedreht aber die Keramik wird nach alten Formen und in Handarbeit hergestellt Gefertigt werden die alten bekannten Dekore wie das Pfauenauge aber auch neue Dekore Mittlerweile gibt es im heutigen Boleslawiec mehrere Manufakturen die auf die Herstellung von Bunzlauer Keramik spezialisiert sind Aufgrund der hohen Qualitat erlebt die Bunzlauer Keramik eine neue Blute Sie ist fur Geschirrspuler und Mikrowelle geeignet und feuerfest Siehe auch BearbeitenTillowitzer Fayencen und PorzellanLiteratur BearbeitenBarbara Glinkowska Stefan Krabath et al Grossalmerode im Werra Meissner Kreis Deutschland In U zrodel Boleslawieckiej ceramiki Von den Anfangen der Bunzlauer Keramik Funde des 15 17 Jahrhundert aus einem mitteleuropaischen Zentrum der Topferei Ausstellung im Schlesischen Museum in Gorlitz Gorlitz 2012 S 280 281 Katalog auch mit Abb Grossalmeroder Keramik Konrad Spindler Bunzlauer Keramik im Germanischen Nationalmuseum Bestandskatalog Der Band erschien zur Ausstellung Guter Ton aus Bunzlau Bunzlauer Geschirr im Germanischen Nationalmuseum 30 September 2004 27 Februar 2005 Verlag des Germanischen Nationalmuseums Nurnberg 2004 ISBN 3 936688 03 6 Konrad Spindler Hrsg Bunzlauer Keramik Die Feinsteinzeugfabrik Julius Paul und Sohn in Bunzlau 1893 1945 Bd 1 2 Nearchos Universitat Innsbruck 2002 ISBN 3 89790 168 4 Werner Endres et al Beitrage zur Bunzlauer Keramik Redaktion Konrad Spindler Institut fur Ur und Fruhgeschichte Innsbruck Reihe Nearchos 5 Universitatsbuchhandlung Golf Verlag Innsbruck 1997 ISBN 3 900773 17 3 Maria Starzewska Teresa Wolanin Artystyczna Kamionka Boleslawiecka Katalog Zbiorow Muzeum Narodowego we Wroclawiu i Muzeum Ceramiki w Boleslawcu Wroclaw 1995 Heidi Muller Ekkehard und Inge Lippert Bunzlauer Geschirr Gebrauchsware zwischen Handwerk und Industrie Museum fur Deutsche Volkskunde SMPK Berlin 13 7 1986 17 5 1987 Hetjens Museum Deutsches Keramikmuseum Dusseldorf 21 6 30 8 1987 Altonaer Museum in Hamburg Norddeutsches Landesmuseum Hamburg 7 10 1987 27 3 1988 Berlin 1986 ISBN 3 496 01036 3 Schriften des Museums fur Deutsche Volkskunde Berlin Bd 14 Mechthild Wiswe Volkstumliche Keramik aus Sommersdorf und Sommerschenburg zwei Dorfern des Magdeburger Holzlandes In Braunschweigische Heimat Zeitschrift fur Natur und Heimatpflege Landes und Volkskunde Ostfalens Begleitheft zu einer Sonderausstellung im Braunschweigischen Landesmuseum Dezember 1980 Hrsg Braunschweigischer Landesverein fur Heimatschutz 66 Jahrgang Heft 4 Kristine Spath Topferei in Schlesien Bunzlau und Umgebung Delp sche Verlagsbuchhandlung Munchen 1979 ISBN 3 7689 0172 6 Josef Horschik Steinzeug Ebeling Verlag Wiesbaden 1978 ISBN 3 364 00208 8 Konrad Strauss Bunzlauer Topfereien ihre Geschichte und Erzeugnisse In Keramik Freunde der Schweiz Mitteilungsblatt Nr 82 Redaktion Schweizerisches Landesmuseum Zurich Juni 1971 Rudolf Weinhold Topferwerk in der Oberlausitz Akademie Verlag Berlin 1958 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Bunzlauer Keramik Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Fotos von Bunzlauer Keramik aus der Sammlung Gronowitz Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Bunzlauer Keramik amp oldid 236206038