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Die Bunkerhotels in Stuttgart resultierten wie in vielen Stadten des kriegsversehrten Deutschlands ab 1945 aus der pragmatischen Uberlegung Kriegsbunker in Herbergen umzufunktionieren und damit die zerstorten Hotels Pensionen und Gastehauser der Stadt zu ersetzen Von ehemals zwanzig grossen Hotels in Stuttgart hatten lediglich drei den Weltkrieg uberhaupt uberstanden namlich die Hotels Ketterer Graf Zeppelin und im Hauptbahnhof das Reichsbahnhotel Wahrend vor dem Krieg in Stuttgart noch 3600 Betten fur den Fremdenverkehr zur Verfugung standen waren es in den vorgenannten Hotels nach dem Krieg nur noch 300 Hieraus entwickelte sich eine politische Kollisionslage Einerseits galt es aus kommunaler Sicht notwendige Gastebetten und Notunterkunfte in der Stadt bereitzustellen andererseits dem Entfestigungsbeschluss der Alliierten nachzukommen wonach samtliche Bunker ruckstandslos zu beseitigen waren 1 Letztlich obsiegte der Pragmatismus zugunsten des Erhalts und der Umwidmung der Bunker und es entstand reger Hotelbetrieb Das uberregional bekannte und gleichzeitig grosste Bunkerhotel das Hotel am Marktplatz zunachst hiess es Bunker unter dem Marktplatz gab seinen Betrieb zum 31 Oktober 1985 auf Es war damit das letzte der Bunkerhotels die nach einer vierzigjahrigen Geschichte aus dem Verkehr gingen Eine angedachte Modernisierung zur Fortnutzung scheiterte am Ausbleiben der ursprunglich zugesprochenen Bundesmittel im Jahr 1990 die gesamtpolitische Situation der Deutschen Wiedervereinigung forderte dem Bundeshaushalt andere Prioritaten ab Inhaltsverzeichnis 1 Uberblick zu den Bunkerhotels 2 Bunkerhotels im Einzelnen 2 1 Bunker unter dem Marktplatz Hotel am Marktplatz 2 2 Bunkerhotel am Wilhelmsplatz 2 3 Hotel im Leonhardsbunker 2 4 Untergrundhotel am Diakonissenplatz 2 5 Turmhotel Badstrasse Bad Cannstatt 2 6 Hospiz der Caritas unter dem Marienplatz 3 Literatur 4 EinzelnachweiseUberblick zu den Bunkerhotels Bearbeiten1949 beschrieb der Baedeker Stadtfuhrer die Situation folgendermassen Die meisten der fruheren Stuttgarter Hotels sind zerstort Zimmernachweis gibt der Verkehrsverein Die nachstehend angegebenen Bettenzahlen sind infolge des fortschreitenden Ausbaus der Hotels schwankend die genannten Preise sind unverbindlich und beziehen sich auf eine Ubernachtung ohne Fruhstuck Bedienung und Heizungszuschlag 2 Genannt wurden sechs Bunkereinrichtungen 3 Bunker unter dem Marktplatz 100 Betten Stand 1953 Bunkerhotel am Wilhelmsplatz 40 Betten Hotel im Leonhardsbunker Leonhardsplatz 30 Betten Untergrundhotel am Diakonissenplatz 40 Betten Turmhotel Conen benannt nach dem Fussballer Edmund Conen im Hochbunker an der Rosensteinbrucke Badstrasse 51 in Bad Cannstatt 41 Betten Hospiz im Caritas Bunker am Marienplatz 180 Betten zuzuglich Lagern Im Jahr 1949 stellten diese Hotels 431 Betten 4 Bunkerhotels im Einzelnen BearbeitenBunker unter dem Marktplatz Hotel am Marktplatz Bearbeiten nbsp Weltkriegs Bunker unter dem Marktplatz Stuttgart Idee fur eine Neugestaltung Siegerentwurf von Neugebauer Roesch ArchitektenDas Bunkerhotel unter dem Marktplatz existierte von 1945 bis 1985 unter dem Stuttgarter Marktplatz Aufgrund vieler Fotoaufnahmen und seines hohen Bekanntheitsgrades ist dessen Geschichte gut dokumentiert 5 Die Einrichtung verfugte uber die ubliche Ausstattung Anfanglich bot es Feldbetten die sukzessive ausgetauscht wurden Statt Fenstern wies das Hotel naturgemass Luftungsschachte auf Die Bunkeranlage ist bis heute erhalten allerdings im Verfall begriffen 6 Im Rahmen der jahrlich wiederkehrenden Veranstaltung Lange Nacht der Museen kann der Bunker einmal im Jahr besichtigt werden was regen Zuspruch erhalt 7 Der Bunker wurde im Juni 1941 fur 1010 Personen fertiggestellt und bot wahrend der Luftangriffe tatsachlich bis zu 3000 Menschen Zuflucht 8 Die Bausubstanz des Bunkers nahm durch die Bombardements keinen Schaden und diente gegen Kriegsende als Notunterkunft fur Ausgebombte Ab Sommer 1945 mietete eine Hoteliersfamilie die Anlage zum Zwecke der Fortnutzung als Hotel 80 Einzel und 10 Doppelzimmer wurden eingerichtet Eine Ubernachtung kostete 1949 pro Kopf zwischen 5 und 6 DM Neben den Schlafgelegenheiten gab es ein Restaurant und einen Konferenzraum die mit Kapazitaten von uber 180 Sitzplatze ausgestattet waren Ab 1949 machte der Rotary Club das Hotel zum Treffpunkt fur Zusammenkunfte Namhafte Personlichkeiten aus Politik Wirtschaft und Sport gingen ein und aus 9 1950 wurde der Bunker unter dem Marktplatz umbenannt in Hotel am Marktplatz Der Besuch von Personen des offentlichen Lebens fuhrte zu uberregionaler Bedeutung der Hotelanlage und schnell war vom fuhrenden Bunkerhotel Deutschlands die Rede so die von 1945 bis 1955 in der amerikanischen Besatzungszone in Deutschland herausgegebene Neue Zeitung Geparkt wurde auf dem Marktplatz Bis 1998 noch stand das verglaste Zugangshauschen uber dem Treppenabgang zum Hotel 1995 initiierte der Auktionator Franz Eppli einen Architektenwettbewerb Das Motto Neuer Bunkerzugang verfolgte das Ziel den Bunker einer breiten Offentlichkeit zuganglich zu machen und den Marktplatz neu zu gestalten 10 Der Siegerentwurf des Architekturburos Neugebauer Roesch ein multifunktionales Glasprisma als Eingangspavillon zu unterirdischen Laden wurde letztlich nicht realisiert wird aber wieder diskutiert Die Kommune erwog zeitgleich die Einrichtung eines Hauses des Buches und ein parteipolitischer Vorstoss wollte die Etablierung der Einrichtung als Museum Derweil nutzen Weihnachtsmarktbeschicker heute einen Teil des Bunkers zur aussersaisonalen Unterbringung und Lagerung ihrer Stande Da das Bauwerk stark mit Schimmel und Pilzen Aspergillus versicolor befallen ist wird vor einem langeren Aufenthalt ohne Schutzmassnahmen gewarnt 11 Bunkerhotel am Wilhelmsplatz Bearbeiten Der Wilhelmsplatz war lange und bis 1811 Hinrichtungsstatte Hieran erinnert bis heute bezeichnenderweise die an ihm vorbeifuhrende Hauptstatter Strasse Das Bunkerhotel am Wilhelmsplatz entstand im Jahr 1941 uber eine offene Baugrube 1 80 Meter dicke Eisenbeton Wande wurden fur den Kriegsbunker erstellt und die Anlage als eingeschossiges Bauwerk mit zwei Zugangen eingerichtet 450 Personen sollten Schutz vor Bombenangriffen finden 12 Das Hotel startete mit 40 Betten und speckte bis 1953 auf 31 Betten ab Fur funf Mark konnte eine Person dort die Nacht verbringen Eine Zentralheizung sowie Garagen und Parkplatze waren vorhanden jedoch gab es nicht durchgehend fliessendes Wasser Das Bunkerhotel in das bis 1955 investiert worden sein soll wurde nach Aufgabe des Hotelbetriebs bis 1967 als Betreuungsstatte von Wohnsitz und Obdachlosen der Caritas betrieben Wahrend des Kalten Krieges wurde der Bunker modernisiert beispielsweise Einbau eines Sandfilters und in die Zivilschutzbindung aufgenommen Damit waren anderweitige Nutzungen fur lange Zeit ausgeschlossen Erst nach der Entwidmung gab es wieder Ansatze das Bauwerk anderen Nutzungsmoglichkeiten zuzufuhren so fungierte es als Topferwerkstatt eines Sozialprojekts Zurzeit gibt es lediglich temporare Besichtigungsmoglichkeiten im Rahmen der Langen Nacht der Museen Hotel im Leonhardsbunker Bearbeiten nbsp Treppenabgang zum Bunker unter dem Leonhardsplatz vor dem Gustav Siegle Haus Bepflanzte Betontroge decken den Zugang zum Tiefbunker ab Der Leonhardsplatz wurde im Zuge einer Stadterweiterung im 15 Jahrhundert als Friedhof angelegt heutige Lage zwischen Gustav Siegle Haus und Leonhardskirche Im Rahmen des Fuhrer Sofortprogramms erhielt das Gelande Ende Marz 1941 einen Tiefbunker der erst vier Monate zuvor Ende 1940 in Angriff genommen worden war Die Reste des mittelalterlichen Friedhofes wurden bei diesen Arbeiten beseitigt 13 Der Bunker hatte Platz fur 600 Personen der insbesondere von Familien in Anspruch genommen wurde Uber den Bunker und dessen Geschichte ist wenig bekannt Der Betrieb des Hotels jedenfalls wurde Ende 1946 aufgenommen 1949 waren 30 Betten vorhanden Bereits in den 1950er Jahren gab es keinerlei Registrationen mehr in den Unterkunftsverzeichnissen Bekannt war allerdings dass in den 1960er Jahren Damen der Demimonde in den Raumlichkeiten anzutreffen waren was vermutlich auf die Umgebung des Leonhardsplatzes als Rotlichtviertel zuruckzufuhren ist Heute geben nur noch die beiden Treppenzugange offentliches Zeugnis vom Bunker Gleichwohl vermietet die Stadt ihn noch heute als Proberaum an Musikbands Untergrundhotel am Diakonissenplatz Bearbeiten Dieser unter dem Grundstuck des Diakonissenkrankenhauses gelegene Tiefbunker ist U formig konzipiert in drei Trakte geteilt und kein reines Zivilschutzbauwerk Die Trakte dienten als arztliches Rettungszentrum und Hilfslazarett und daneben dem zivilen Schutz der umliegenden Bevolkerung Spater wurde die Anlage zum Lagezentrum des Sicherheits und Hilfsdienstes der zustandig war fur die Koordinierung von Hilfsmassnahmen nach Bombenangriffen 14 Das Bunkerhotel wies 40 Betten auf und bestand bis 1952 Danach diente es kurzfristig als Fluchtlingslager und ab 1953 als Mannerwohnheim der Heilsarmee Turmhotel Badstrasse Bad Cannstatt Bearbeiten Das Turmhotel Conen heute bekannt als Rosensteinbunker lag als einziges ausserhalb der Innenstadt von Stuttgart und nicht unter der Erde sondern in einem Hochbunker Er steht an einem bedeutenden Verkehrsknotenpunkt am Neckarufer schrag gegenuber dem Wilhelma Theater und wird intensiv als Werbeplattform und idealer Standort fur zahlreiche Funk und Sendeanlagen genutzt Tageslicht fiel auch hier nicht in die Raumlichkeiten Die gunstige Lage zum Cannstatter Bahnhof welcher uber die gesamte Kriegszeit betrieben werden konnte und die von der US Army fertiggestellte Rosenstein Behelfsbrucke verliehen dem Turmhotel nicht unerhebliche Attraktivitat In den ersten Nachkriegsjahren als Wohnheim der Arbeiterwohlfahrt genutzt eroffnete 1949 der Hotelbetrieb mit zunachst 41 Betten die ab 1953 auf 45 aufgestockt wurden Zentralheizung Aufzug Parkplatze und fliessendes Wasser gehorten hier zum Standard 15 Ein Cafe Restaurant wurde vom seinerzeit namengebenden Fussballnationalspieler Edmund Conen betrieben 1955 im Unterkunftsverzeichnis nicht mehr aufgefuhrt waren noch in den 1970er Jahren die holzernen Einbauten fur die Rezeption im Eingangsbereich erhalten Hospiz der Caritas unter dem Marienplatz Bearbeiten Der 1876 als Bindeglied zwischen dem stadtischen Stuttgart und dem dorflichen Heslach angelegte Marienplatz erhielt unter den Nationalsozialisten den Namen Platz der SA Ein im Jugendstil gehaltenes Bahnhofsbauwerk kennzeichnete die innerstadtische Endstation der Zahnradbahn nach Degerloch Uber den Bunker der unter dem Platz errichtet wurde gibt es nur wenige Informationen Er befindet sich mit 1700 Schutzplatzen noch heute in Zivilschutzbindung und weist traditionsgemass niedrigen Standard auf In den Nachten des 25 26 Juli 1944 wurde der Bunker der in verschiedenen Betonlagen Berliner Betonbauweise 16 gegossen war bei einem Bomberangriff voll getroffen sodass die Decke durchschlagen wurde und die Bombe zwischen zwei Zellen explodierte 15 Tote und etliche Verletzte gab es zu beklagen Nach dem Krieg betrieb die Caritas ein Hospiz im Sinne einer Herberge mit 180 Betten und Lagern im Bunker um elementare Bedurfnisse der notleidenden Bevolkerung abzudecken Die Nutzungsdauer ist unbekannt Die Anlage dient bis heute als Proberaum fur Musiker Eine Gitterkonstruktion des neugestalteten Bunkerzugangs setzt einen Akzent am Rande des 2003 neugestalteten Marienplatzes 17 Literatur BearbeitenWerner Skrentny Rolf Schwenker Sybille Weitz Ulrich Weitz Stuttgart zu Fuss 20 Stadtteil Streifzuge durch Geschichte und Gegenwart Silberburg Verlag 2008 ISBN 978 3 87407 813 9 Jorg Esefeld Herausgeber Werner Lorke Herausgeber Autor Bunkerbiotop 1 Auflage edition esefeld amp traub 2006 ISBN 978 3 9809887 2 8 Oliver Kobold Wolfgang Koeppens Treibhaus und das Stuttgarter Bunkerhotel 1 Auflage Deutsche Schillerges 2008 ISBN 978 3 937384 40 5 Einzelnachweise Bearbeiten Forschungsgruppe Untertage e V Bunkerhotels in Stuttgart Karl Baedeker III Stuttgart und Umgebung Ein neuer Fuhrer Verlag Karl Baedeker und Franckh sche Verlagshandlung Leipzig und Hamburg 1949 14 Tiefbunker in Stuttgart sind noch erhalten Nutzung von 4 Skrentny S 35 Marktplatzbunker Werner Lorke BUNKERbiotop Lange Nacht der Museen von zeit zu zeit de Als Kind in den Stuttgarter Bombennachten Memento vom 4 Marz 2016 im Internet Archive Ein Bunker nicht nur zum Schutz stadtanzeiger im netz de Eppli will Bunker beleben Memento vom 13 August 2014 im Internet Archive regio tv de Schimmel im Bunkerhotel Memento vom 22 Juni 2013 im Internet Archive Wilhelmsplatz Bilder zur Errichtung sowie den Bunkerraumlichkeiten Geschichte und Geschichten Leonhardsbunker BW 12 Diakonissenplatz Rosensteinbunker Geschichte und Geschichten Marienplatz Deutsches Architektur Forum Neugestaltung des Marienplatzes Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Bunkerhotels in Stuttgart amp oldid 231711017