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Der sogenannte Bostoner Thron englisch Boston Throne ist ein Kunstwerk das oft als Gegenstuck zum Ludovisischen Thron bezeichnet wird Seine Echtheit ist umstritten Tubinger Gipsabguss des Bostoner Throns von linksTubinger Gipsgabguss des Bostoner Throns von rechts Inhaltsverzeichnis 1 Beschreibung 2 Geschichte 3 Echtheitsfrage 3 1 Erika Simons Deutung 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseBeschreibung BearbeitenDer Bostoner Thron ist eine Marmorschranke deren drei Aussenseiten mit Reliefs geschmuckt sind Die Langsseite ist etwa 1 60 m lang die rechte Schmalseite 73 cm und die linke Schmalseite 55 cm Das Hauptrelief auf der Langsseite zeigt einen unbekleideten geflugelten Knaben der lachelnd zwischen zwei sitzenden Frauengestalten steht Die linke Hand hat er in die Hufte gestemmt mit der rechten hielt er ursprunglich eine Waage die aber nicht erhalten geblieben ist Nur die Marmorgewichte in Gestalt zweier mannlicher Figuren sind noch vorhanden Die Waage war wohl nicht im Gleichgewicht Die beiden Frauen sind jeweils mit Chiton und Peplos bekleidet Wahrend aber die vom Betrachter aus links sitzende Frau lachelnd und relativ lassig auf einem dicken gefalteten Polster sitzt und mit der linken Hand zu der Mittelfigur hin gestikuliert hat die rechte sich in ihre Gewander gehullt und den Kopf in die Hand gestutzt Worauf sie sitzt ist im Gegensatz zu der gegenuber befindlichen Figur nicht zu erkennen Erika Simon vermutete sie konne trauernd auf einer Turschwelle sitzen wie Penelope nachdem sie erfahren hat dass ihr Sohn Telemachos sich auf eine gefahrliche Reise begeben hat um seinen Vater Odysseus zu suchen 1 Die Sitzgelegenheiten der beiden Frauengestalten sind in die Voluten eingepasst mit denen das Relief nach unten abschliesst Auch die beiden Seitenfiguren sitzen jeweils in bzw auf dem ornamentalen unteren Abschluss ihres Reliefs Die rechte Nebenseite des Bostoner Throns zeigt einen leierspielenden nackten Jungling mit kurzen Haaren kraftiger Muskulatur und weichen Sandalen an den Fussen der auf einem ahnlichen gefalteten Polster sitzt wie die eine Randfigur des Hauptreliefs auf der linken Nebenseite ist eine hagere alte Frau zu sehen die zusammengekauert ohne Polster dasitzt und wahrscheinlich mit Wollarbeit oder etwas Ahnlichem beschaftigt ist Im Bereich der Hande ist dieses Relief relativ stark beschadigt Geschichte BearbeitenDas Kunstwerk wurde angeblich im Herbst 1894 in Rom gefunden Wenige Tage spater schrieb der Archaologe und Kunsthandler Paul Hartwig einen Brief an Carl Jacobsen in Kopenhagen Seine Hauptsorge galt offenbar der illegalen Entfernung des Stuckes aus Italien denn ein Permess werde wohl kaum zu erhalten sein 2 Tatsachlich wurde das Stuck zwei Jahre spater ausgefuhrt allerdings gelangte es nicht in die Ny Carlsberg Glyptotek sondern in die Hande von Edward P Warren der es fur das Museum von Boston erwarb Nach diesem Standort an dem es sich seit 1908 befindet 3 ist das Kunstwerk seitdem auch benannt Schon fruh wurde die Echtheit des Stucks bezweifelt Dass der Ludovisische Thron nur wenige Jahre vor dem Bostoner Thron 1887 bei illegalen Ausgrabungen entdeckt worden war und dass sein Pendant so kurz darauf aufgetaucht sein sollte sollte allein noch keinen Verdacht erregen Doch die beiden Museen die unmittelbar nach der angeblichen Entdeckung des Bostoner Throns kontaktiert wurden hatten sich beide schon bei der Entdeckung des Ludovisischen Throns ungemein interessiert gezeigt Es hatte aber keine Chance fur sie bestanden dieses erste Kunstwerk zu erwerben Es wurde daher geargwohnt dass Kunsthandler das angebliche Gegenstuck zum Ludovisischen Thron herstellen liessen um es zu einem hohen Preis an eines der beiden Museen zu verkaufen Ulrich Sinn der den Weg des Kunstwerks von Italien uber England in die USA nachgezeichnet hat stellt fest dass die Theorie der Falschung genauso wenig zu erharten ist wie die Annahme es handle sich wirklich um ein Kunstwerk des funften vorchristlichen Jahrhunderts Die wissenschaftliche Argumentation sei so Sinn von personlichen Abneigungen und Zweifeln an der Integritat der Kollegen uberlagert die mit der Bekanntmachung und dem Verkauf des Kunstwerkes zu tun gehabt hatten Ausserdem gerate eine Wissenschaft die mit dem Kriterium der ikonographischen Formel der Typologie und des stilistischen Vergleichs arbeitet notgedrungen ins Schlingern wenn sie sich mit singularen sich mit singularen Gestaltungsformen konfrontiert sieht 4 und genau dies ist bei den beiden Thronen der Fall Echtheitsfrage BearbeitenBei den Versuchen die Echtheit des Bostoner Throns zu beurteilen wurde einerseits das Motiv der Kerostasie oder Psychostasie herangezogen das auf dem Hauptrelief dargestellt ist andererseits die architektonische Rahmenornamentik Die Volute die sich aus der Ecke erhebt und mit einer Palmette bekront wird ist als Verzierung griechischer Altare nicht selten anzutreffen Laut Ulrich Sinn wurden aber mit einer einzigen Ausnahme einem Exemplar aus Epidauros samtliche bekannten Altarverzierungen dieser Art erst nach dem Ludovisischen und dem Bostoner Thron bekannt so dass ein Falscher des 19 Jahrhunderts sich schwerlich daran orientieren konnte Dies schliesst allerdings nicht aus dass ein Falscher der den Ludovisischen Thron kannte das Motiv fur den Bostoner Thron ubernahm Auch die Deutung der Reliefs sowohl des Ludovisischen als auch des Bostoner Thrones fuhrte zu keinem sicheren Ergebnis Zwar kann man sich durch das Bild der Seelenwagung an christliche Kontexte erinnert fuhlen was fur eine Falschung sprache genauso gut aber kann man sich auf antike Uberlieferungen berufen die eine Echtheit der Reliefs immerhin moglich erscheinen lassen 5 Erika Simons Deutung Bearbeiten Erika Simon die die Streitigkeiten um die Echtheit der Reliefs verfolgt hatte legte 1959 eine Arbeit mit dem Titel Die Geburt der Aphrodite vor in der sie sich ausfuhrlich sowohl mit dem Bostoner als auch mit dem Ludovisischen Thron beschaftigte Sie geht davon aus dass die beiden Kunstwerke zwar von verschiedenen Kunstlern geschaffen wurden aber ursprunglich wahrscheinlich als Akrotere eines gemeinsamen Ensembles zusammengehorten Die Echtheit des Bostoner Thrones halt sie zumindest nicht fur ausgeschlossen Simon untersuchte zunachst die Beziehungen des Figurenbestands auf dem Bostoner zu dem des Ludovisischen Thrones Der nackte leierspielende Jungling des rechten Seitenreliefs korrespondiert mit der Flotenblaserin auf dem Ludovisischen Relief Er habe so Simon ursprunglich vermutlich einen aus Bronze gefertigten Kranz getragen und sitze auf einem halb geleerten Weinschlauch Simon weist auf einen Satyrn des Brygos Malers hin der sich ebenfalls halb liegend und musizierend einen solchen Askos als weiche Unterlage gewahlt hat Auch fur die Greisin des anderen Schmalseitenreliefs suchte Simon nach Entsprechungen in der Vasenmalerei und fand sie in einer Darstellung der Geropso die auf einem Gefass des Pistoxenos Malers den jugendlichen Herakles zur Lyrastunde begleitet Allerdings sei Geropso unedel dargestellt wohingegen die alte Frau auf dem Bostoner Relief eher wie eine in Ehren ergraute Amme wirke Auch sei ja deren Zogling der Leierspieler durchaus kultivierter als Herakles der seinen Musiklehrer kurzerhand totschlug Auch sei nicht anzunehmen dass die Frau auf dem Relief wie jene Geropso einen krummen Stock in ihren Handen halte Simon deutet vielmehr die amorphe Masse 6 mit der die Alte hantiert als Wolle oder Flachs auf einem Spinnrocken Dies stellt fur Simon wieder eine Verbindung zwischen den beiden Thronen her da sich die Kunstler bei beiden Werken um die Charakterisierung des Stofflichen bemuht hatten 6 Auf einem attischen Grabrelief des 4 Jahrhunderts ist solche Wollarbeit auch deutlich erkennbar dargestellt Vor den Fussen der arbeitenden alten Frau musse man sich ausserdem wahrscheinlich einen Kalathos als Wollkorb vorstellen 6 Andere Versuche das Seitenrelief mit der Greisin zu erganzen halt Simon nicht fur uberzeugend Das Baumchen etwa das Franz Studniczka vorgeschlagen habe sehe aus als sei es aus Gummi 7 Das Verhaltnis zwischen dem jungen kraftigen Leierspieler und der alten gekrummten Frauenfigur ist laut Simon genauso antithetisch wie das zwischen der flotespielenden Hetare und der Braut auf den beiden Seitenreliefs des Ludovisischen Thrones Diese wiederum zeigten in einer antistrophischen Aussage uber Wesen und Art weiblicher Hingabe 8 eine Verbindung zum Aphroditemotiv des Hauptreliefs Daraus schliesst Simon In ahnlicher Weise musste auch das Thema der beiden Bostoner Seitenflugel das den Glanz der Jugend und das Dunkel des Greisenalters umspannt im Mittelfeld des Triptychons auf gottlicher Ebene verwandelt wiederkehren 8 Den geflugelten Waagenhalter der der heiteren Frauenfigur zulachelt bezeichnet Simon als Schelm 8 und interpretiert ihn als Eros Ahnlichkeit habe er vor allem mit den Eroten auf einem Stamnos des Hermonax in Munchen 9 Er lachelt der heiteren Frau zu seiner Rechten zu gleichzeitig aber senkt sich die Waagschale die dieser Frau zugewandt ist und die Schale die offenbar in Beziehung zu der anderen Frau die zu trauern scheint steht hebt sich Die kleinen mannlichen Figuren die wie Gewichte in diesen Waagschalen stehen benehmen sich auch entsprechend Die sinkende Figur steht gelassen die steigende scheint zu zappeln 8 Zur Ornamentik unterhalb der Reliefs gehoren Granatapfel und Fische Simon halt diese Elemente weil sie sehr naturalistisch dargestellt sind fur bedeutsamer als Palmetten und Rosetten und meint dass ihr gemeinsames Auftreten auf die meergeborene Aphrodite Urania hinweist Diese ist die Hauptfigur des Ludovisischen Thrones Simon sieht sich damit von der Pflicht entbunden diese Attribute unbedingt als Deutungshinweise fur die Zusammengehorigkeit einzelner Figuren des Bostoner Thrones sehen zu mussen und schlagt eine sozusagen chiastische Verbindung der Figuren vor Diese seien einander nach ihren Sitzgelegenheiten zuzuordnen die heitere Frau gehore also eher zum leierspielenden Jungling und die trauernde Frau zur kauernden Greisin Eros nun erscheine mit der Schicksalswaage die eigentlich ursprunglich Zeus zuzuordnen sei der damit die Todeslose die Keren beispielsweise fur Achilleus und Hektor auswiege Seit spatarchaischer Zeit so Simon ist die Schicksalswaage in der bildenden Kunst aber ein Attribut des Hermes Warum also halt auf dem Bostoner Relief Eros die Waage Und warum lachelt ausgerechnet die Frau auf deren Seite die Waagschale nach unten sinkt Diese Eigenheiten seien als Fehler und damit als Argumente gegen die Echtheit des Reliefs angesehen worden so Simon 10 Aber Die Figuren in den Waagschalen sind unkriegerisch es handelt sich ganz offensichtlich nicht um eine Situation wie die zwischen Achill und Hektor im Troianischen Krieg Simons Interpretation lautet Unabhangig von einer bestimmten zeitlich festlegbaren Situation scheint die Waage fur jeden von beiden uber Leben und Tod an sich zu bestimmen das heisst uber Sterblichkeit oder Unsterblichkeit 11 Dieses Wagen aber sei ein gottliches Recht und Eros handle hier zweifellos im Auftrag des Zeus Es handle sich hier um eine Neuerung die aber eher im Sinne eines griechischen Kunstlers des 5 Jahrhunderts sei als einem Bildhauer der Kaiserzeit oder gar einem Falscher zuzutrauen sei zumal sich das archaische Bild der Seelenwagung um die Mitte des 5 Jahrhunderts v Chr gewandelt habe Die beiden sitzenden Frauenfiguren stellen laut Simon Gottinnen dar die sich jeweils mit sterblichen Mannern verbunden haben was die Anwesenheit des Eros als Waagenhalter erklart Derartige Liebesbeziehungen sind aber von zwei Problemen gepragt Erstens konnen die Gotter eifersuchtig reagieren und die sterblichen Liebhaber vorzeitig toten zweitens sind diese ja auch nicht alterslos wohingegen die Gottinnen mit ewiger Jugend gesegnet sind Letzteres ist so Simon wohl die Schwierigkeit in der Beziehung des einen Paares Die Gottin trauert weil ihr menschlicher Partner zwar die Unsterblichkeit aber nicht die Alterslosigkeit zugemessen bekommt Es handle sich also um Eos und Tithonos 12 Mimnermos habe in Worte gefasst was wohl die Seele des zum Sterben Verurteilten zum ruhigen Verharren in der Waagschale und seiner gefassten Haltung bewegt Das Alter sei schrecklicher als der Tod 13 Ebenso beruft sich Simon auf Mimnermos wenn sie die zweite Gottin als Aphrodite identifiziert und zwar vor allem auf die Fragmente 1 und 2 Mimnermos halt es fur besser zu sterben sobald die goldene Jugend vorbei ist mit der Aphrodite eng verbunden ist Auch ein Werk der Sappho passe dazu in dem ebenfalls an das traurige Los der Eos erinnert wird und deutlich gemacht wird dass der Mensch eben nicht unsterblich und alterslos ist 14 Die Geste der frohlichen Frau auf dem Bostoner Relief scheine das verstandig resignierende Was soll ich machen des Sappho Gedichts auszudrucken In der Waagschale auf der Seite der Aphrodite aber stehe Anchises von dem sie den Sohn Aeneas bekommen habe nachdem sie ihn so in Wallung gebracht habe dass er bereit gewesen sei vom Beilager sofort ins Haus des Hades einzugehen Diese Geschichte wird unter anderem im funften Homerischen Hymnus erzahlt den Simon in enger thematischer Beziehung mit dem Bildmaterial des Bostoner Thrones sieht Simon zieht die Schlussfolgerung Die Reliefs im Thermenmuseum und in Boston sind beide der Aphrodite geweiht In dem einen ist ihre Geburt in dem anderen ihr Schicksal dargestellt Die Verbindung zwischen den zwei Werken ist so fein gefugt dass jeweils in der Komposition des einen das Thema des anderen anklingt 15 Die Ubereinstimmung zwischen Hymnen und Thronen ist so gross dass sie nicht auf Zufall beruhen kann Die gemeinsame Wurzel liegt im Kult Die Hymnen wurden wohl im Zusammenhang mit dem Kult der Gottin gesungen die Reliefs haben eines ihrer Heiligtumer geschmuckt 16 Die beiden Werke sind als Akrotere aufzufassen 17 Simon geht davon aus dass diese Akrotere zu einem Heiligtum der Urania in Grossgriechenland vielleicht in Lokroi oder auf dem Berg Eryx gehorten Der Fundort mindestens des Ludovisischen vielleicht auch des Bostoner Thrones in oder bei den Horti Sallustiani deute darauf hin dass sie dort fur einen Tempel der Venus Erucina genutzt worden seien Sie seien wahrscheinlich im Augusteischen Zeitalter nach Rom uberfuhrt worden 18 Literatur BearbeitenErika Simon Die Geburt der Aphrodite Berlin 1959Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Bostoner Thron Sammlung von Bildern Videos und AudiodateienEinzelnachweise Bearbeiten Simon 1959 S 67 Ulrich Sinn Einfuhrung in die klassische Archaologie C H Beck 2000 ISBN 978 3 406 45401 1 S 98 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Simon 1959 S 56 Ulrich Sinn Einfuhrung in die klassische Archaologie C H Beck 2000 ISBN 978 3 406 45401 1 S 99 f eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Ulrich Sinn Einfuhrung in die klassische Archaologie C H Beck 2000 ISBN 978 3 406 45401 1 S 100 103 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche a b c Simon 1959 S 64 Simon 1959 S 60 a b c d Simon 1959 S 65 Simon 1959 S 72 Simon 1959 S 76 Simon 1959 S 78 Simon 1959 S 82 Mimnermos Fr 4 Diehl Zitiert bei Simon 1959 S 83 Sappho Fr 58 Lobel zitiert in Simon 1959 S 85 Simon 1959 S 93 Simon 1959 S 94 Simon 1959 S 95 Simon 1959 S 98 ff Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Bostoner Thron amp oldid 239132236