Bezalel Joel Smotrich (hebräisch בצלאל סמוטריץ', [ˈsmɔtritʃ]; * 27. Februar 1980 in Chispin auf den Golanhöhen) ist ein israelischer Jurist und Politiker. Seit Januar 2019 ist er Vorsitzender der rechts-religiösen Partei HaTzionut HaDatit („der Religiöse Zionismus“), bis Januar 2021 bekannt als Tkuma („Wiedergeburt“). Von Juni 2019 bis Mai 2020 war er Verkehrsminister im Kabinett Netanjahu IV und ist seit 29. Dezember 2022 im Kabinett Netanjahu VI Finanzminister.
Leben Bearbeiten
Smotrich wurde 1980 in dem israelischen Moschaw Chispin auf den von Israel 1981 annektierten Golanhöhen geboren, wuchs in der israelischen Siedlung Bet El im besetzten Westjordanland auf und besuchte die Merkas HaRaw Kook; er studierte an der Hochschule Jaschlaz und an der Jeschiwa Kedumim.
Als Mitglied der religiös-zionistischen Partei Tkuma („Wiedergeburt“) wurde Smotrich 2015 in die Knesset gewählt. Im Januar 2019 forderte er den bisherigen Parteivorsitzenden der Tkuma, Uri Ariel, heraus und gewann die Wahl mit 82 zu 40 Stimmen. Der mangels Parlamentsmehrheit nur geschäftsführende Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ernannte Smotrich im Juni 2019 zum Verkehrsminister Israels. Dieses Amt hatte er bis zum Antritt einer neuen Regierung im Juni 2020 inne.
Smotrich ist orthodoxer Jude, verheiratet, hat sieben Kinder und wohnt mit seiner Familie in der israelischen Siedlung Kedumim im Westjordanland. Er ist der Enkel eines Holocaust-Überlebenden.
Politische Ansichten und Kontroversen Bearbeiten
Smotrich setzt sich für die Ausweitung israelischer Siedlungen im Westjordanland, für eine weitere Stärkung der jüdisch-religiösen Identität Israels sowie für konservative religiöse Werte und Positionen ein.
Smotrich vertritt die Meinung, dass es kein palästinensisches Volk gäbe und daher kein Grund bestehe, einen palästinensischen Staat zu errichten. Somit ist er der Meinung, dass so etwas wie das Volk der Palästinenser gar nicht gibt: „Ich würde Sie gerne fragen, welche Sprache die Palästinenser sprechen? Gab es irgendwann in der Geschichte eine palästinensische Münze? Gibt es eine palästinensische Geschichte oder eine palästinensische Kultur? Es gibt keine. So etwas wie ein palästinensisches Volk gibt es nicht.“ Rafael Seligmann kritisierte in der Jüdischen Allgemeinen diese Auffassung mit den Argumenten: „ein Volk ist ein Volk, wenn es sich als solches empfindet. Die Araber Palästinas kämpfen seit einem Jahrhundert für ihre Unabhängigkeit gegen Juden und Israelis. Dieser Kampf hat bei ihnen ein Nationalbewusstsein entstehen lassen.“
Im Mai 2017 stellte Smotrich einen Plan vor, den er „Unterwerfungsplan“ nannte. Sein Ziel ist es, „jegliche nationale Hoffnung der Palästinenser auszulöschen“. Nach dem Plan haben die Palästinenser drei Wahlmöglichkeiten: das Land zu verlassen; mit dem Status von „Ausländern“ (גר תושב) in Israel zu leben; oder Widerstand zu leisten, „und dann wird die Israelische Armee schon wissen, was zu tun ist“. Zu dem Status als „Ausländer“ bemerkte Smotrich: „Nach dem jüdischen Gesetz muss immer eine gewisse Minderwertigkeit bestehen.“ Zu der Möglichkeit des Widerstandes, und auf die Frage, ob er beabsichtige, ganze Familien samt Frauen und Kindern auszurotten, sagte Smotrich: „Krieg ist Krieg.“ Als Quelle seiner Bemerkungen führte Smotrich das Buch Josua an. In der israelischen Presse wurde sein Plan z. T. dahingehend interpretiert, dass er die Palästinenser vor die Wahl zwischen „Transfer“ (ethnischer Säuberung), Apartheid oder Völkermord stelle.
Im Januar 2018 sagte Smotrich in einem Interview mit dem Radiosender der israelischen Armee über die Palästinenser: „Das ist das Problem, wenn man es mit Mücken zu tun hat. Wenn man Mücken erschlägt, erwischt man vielleicht 99 von ihnen, aber die hundertste Mücke, die du nicht getötet hast, tötet dich. Die echte Lösung ist es, den Sumpf trockenzulegen.“
Im April 2018 erklärte Smotrich über den Nachrichtendienst Twitter, die 17-jährige Palästinenserin Ahed Tamimi, die wegen Ohrfeigens eines israelischen Soldaten zu einer achtmonatigen Haftstrafe verurteilt worden war, habe „eine Kugel verdient – mindestens in die Kniescheibe“. Twitter sperrte ihn darauf für die Dauer von zwölf Stunden.
Im Jahr 2016 löste Smotrich eine Kontroverse in Israel aus, als er sich für die Trennung von jüdischen und arabischen Müttern in Entbindungsstationen aussprach. Er schrieb auf Twitter: „Es ist nur natürlich, dass meine Frau nicht neben jemandem liegen will, der gerade ein Baby zur Welt gebracht hat, das ihr Baby in 20 Jahren ermorden könnte.“ Außerdem verkündete er: „Meine Frau ist wirklich nicht rassistisch, aber sie möchte sich, nachdem sie entbunden hat, ausruhen, und nicht Party feiern, wie das bei arabischen Müttern nach der Geburt üblich ist.“ Mehrere Knesset-Abgeordnete aus verschiedenen Parteien kritisierten Smotrichs Position. Auch Naftali Bennett, der damalige Vorsitzende der national-religiösen Partei „Jüdisches Heim“, widersprach seinem Parteikollegen, indem er aus der hebräischen Bibel zitierte: „Geliebt wird der Mensch, denn er wurde nach dem Ebenbild Gottes geschaffen.“ Bennett fügte hinzu: „Jude oder Araber.“
Smotrich tritt für „traditionelle Familienwerte“ ein, lehnt die gleichgeschlechtliche Ehe ab und äußerte sich mehrmals homophob. Im Jahr 2015 bezeichnete er LGBT-Personen als „abnormal“ und erklärte: „Zu Hause kann jeder abnormal sein, und Menschen können die Form des Zusammenlebens wählen, die sie wollen. Aber sie haben keine Forderungen an mich, den Staat, zu stellen.“ In derselben Debatte bekannte er sich dazu, „ein stolzer Homophober“ zu sein.
Im Juli 2015, nach dem Messerangriff des ultra-orthodoxen Extremisten Yishai Schlissel auf die Gay Pride Parade in Jerusalem, nannte Smotrich die Veranstaltung eine „abartige Parade“ und weigerte sich, sich für seine Äußerungen zu entschuldigen.
Im August 2015 warf Smotrich LGBT-Organisationen vor, die Medien zu kontrollieren, und behauptete, dass diese Organisationen Konservative wie ihn zum Schweigen bringen wollten.
Smotrich befürwortet die Todesstrafe für Terroristen.
Im Jahr 2019 verlangte Smotrich für sich das Justizministerium und erklärte, dass sich das israelische Rechtssystem an den religiösen jüdischen Gesetzen orientieren und Israel wie „zur Zeit von König David“ regiert werden solle: „Wir wollen das Justizministerium, denn wir wollen das Rechtssystem der Torah wiederherstellen.“
Im August 2019 kritisierte Smotrich eine Gerichts-Entscheidung, die die geplante Geschlechtertrennung bei einem Konzert für ultra-orthodoxe Juden in Afula untersagte. Er bezeichnete das Verbot als „säkularen Zwang“ und rief die religiösen Parteien dazu auf, sich für eine Gesetzesänderung einzusetzen, welche die Geschlechtertrennung im öffentlichen Raum erlauben würde. Religiöse Gemeinschaften müssten das Recht haben, nach ihrem Glauben zu leben.
Im Oktober 2019 sagte Smotrich, dass die Juden die „Grundbesitzer des Landes Israel“ seien, und erklärte: „Wer immer die Existenz des Staates Israel als einen jüdischen Staat leugnet, hat keinen Platz hier, Punkt Schluss. Auch nicht in der Knesset.“
Im April 2021 schrieb Smotrich auf Twitter, gerichtet an den Knesset-Abgeordneten Ahmad Tibi: „Ein echter Muslim muss wissen, dass das Land Israel dem Volk Israel gehört, und mit der Zeit werden Araber wie Sie, die das nicht erkennen, nicht hier bleiben … dafür werden wir sorgen.“
Im November 2022 hielt Smotrich einen Vortrag bei einer Konferenz in der Knesset unter dem Titel „Menschenrechtsorganisationen, die von der Hamas betrieben werden“. Die Veranstaltung wurde von der rechtsextremen Aktivistengruppe Ad Kan (hebräisch עד כאן) organisiert. In seiner Rede bezeichnete Smotrich Menschenrechtsorganisationen als eine „existenzbedrohende Gefahr“ für Israel; die Regierung müsse ihre Gelder beschlagnahmen und mit Sicherheits- und juristischen Maßnahmen gegen sie vorgehen. Genannt wurden unter anderem die Organisationen New Israel Fund, Schovrim Schtika und Schalom Achschaw.
Im Februar 2023 wurden zwei junge israelische Siedler aus Har Bracha bei Nablus in dem nahegelegenen palästinensischen Dorf Huwwara (Ḥuwwārah حُوّارة) ermordet. Kurz darauf gab es schwere Ausschreitungen israelischer Siedler in Huwwara, bei denen Hunderte Palästinenser verletzt wurden und dutzende Häuser, Läden und Autos in Brand gesteckt wurden. Einige Kommentatoren, darunter Abraham Foxman und ein israelischer General, bezeichneten die Ausschreitungen als „Pogrom“. Smotrich meinte hingegen: „Ich denke, das Dorf Huwara muss ausradiert werden.“ Der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, sagte dazu: „Diese Bemerkungen waren unverantwortlich. Sie waren abscheulich, sie waren ekelhaft.“
Im Jahr 2023 erteilten die USA Smotrich ein Einreisevisum. Mehr als hundert jüdische Führungspersönlichkeiten in den USA (darunter Peter Alter, Lawrence Bender, Lester Crown, Dan Glickman, Steve Grossman, Mel Levine, Richard Ravitch und Barry Schwartz) unterzeichneten eine Erklärung, in der sie Smotrich als rassistisch und homophob bezeichneten und gegen seine Einreise in die USA protestierten, und eine Reihe jüdischer Organisationen (darunter die Union of Reform Judaism, die United Synagogue of Conservative Judaism und Americans for Peace Now) kündigte an, Smotrich während seines Besuches zu meiden.
Weblinks Bearbeiten
Einzelnachweise Bearbeiten
- Who’s who in Netanyahu’s government. In: JNS Jewish News Syndicate, 29. Dezember 2022.
- Jacob Magid: Hardliner Smotrich wins race to lead influential Jewish Home sub-faction. In: The Times of Israel, 14. Januar 2019.
- Jacques Ungar: In: tachles. Yves Kugelmann (Hrsg.), 18. Juni 2019, archiviert vom am 18. Juni 2019; abgerufen am 19. Juni 2019.
- Amotz Asa-El: Small following, big mouth. In: The Jerusalem Post. 29. August 2019, abgerufen am 10. September 2023.
- Avi Lewis: Jewish Home faction Tekumah selects Knesset candidates. In: The Times of Israel, 12. Januar 2015.
- ↑ Jacques Ungar: In: tachles. Yves Kugelmann (Hrsg.), 15. Oktober 2015, archiviert vom am 30. Oktober 2019; abgerufen am 30. Oktober 2019.
- https://www.timesofisrael.com/how-bezalel-smotrich-rode-unfiltered-radicalism-and-unforgiving-politics-to-power/
- David Israel: Watch Bezalel Smotrich Teaching Arab MKs About the ‘Palestinian Invention’. In: Jewish Press. 7. Mai 2020, abgerufen am 7. Mai 2020.
- Julio Segador: Israel kippt Gesetz zur Siedlungsräumung. Tagesschau, 21. März 2023, abgerufen am 9. September 2023.
- Rafael Seligmann: Gibt es ein palästinensisches Volk? In: Jüdische Allgemeine. 23. März 2023, abgerufen am 19. Oktober 2023.
- Tomer Persico: ההכרעה של סמוטריץ'. In: Haaretz, 16. Mai 2016;
Amira Hass: דור פלסטיני חדש. In: Haaretz, 17. Mai 2017. - Dahlia Scheindlin: For Years, Israel's Leaders Have Cultivated Ethnic Hatred. This Is on Them. In: Newsweek, 13. Mai 2021.
- Michael Bachner: MK back on Twitter after saying Palestinian teen deserved to be shot. In: The Times of Israel, 24. April 2018, abgerufen am 23. Oktober 2018.
- Jonathan Lis: Israeli Lawmaker: My Wife Wouldn't Want to Give Birth Next to an Arab Woman. In: Haaretz. 5. April 2016, abgerufen am 10. September 2023.
- Smotrich sees himself on the frontlines of a battle for Israel’s future. 15. März 2019, abgerufen am 8. November 2023 (amerikanisches Englisch).
- Tamar Pileggi: Jewish Home hopeful boasts of being ‘proud homophobe’. In: The Times of Israel. 23. Februar 2015, abgerufen am 10. September 2023.
- Lahav Harkov: Smotrich: LGBT community attacks, slanders anyone who thinks differently from them. In: The Jerusalem Times. 3. August 2015, abgerufen am 10. September 2023.
- Yuval Karni: Bayit Yehudi MK: Gays control the media. In: Ynetnews. 15. August 2015, abgerufen am 10. September 2023.
- ToI Staff: Smotrich says he wants to be justice minister so Israel can follow Torah law. Abgerufen am 8. November 2023 (amerikanisches Englisch).
- Hezki Baruch: Smotrich slams ruling barring separate seating at haredi concert. Israel National News, 11. August 2019, abgerufen am 10. September 2023.
- Netanyahu’s Far-right Ally: Israel Belongs to the Jews. Arabs Who Don’t Recognize That Won’t Stay Here. In: Haaretz, 7. April 2021; Anshel Pfeffer: They’re Israel’s Far Right, Pro-ethnic Cleansing Nationalists. But Don’t Call Them ‘Nazis’. In: Haaretz, 8. April 2021.
- Noa Shpigel: Israel Must Deal With Human Rights Orgs as an Existential Threat, Netanyahu Ally Says. In: Haaretz, 21. November 2022.
- Redaktion: Victims of shooting attack named as brothers from Har Bracha. In: The Times of Israel, 26. Februar 2023.
- Redaktion: Settler extremists are sowing terror, Huwara riot was a ‘pogrom’, top general says. In: The Times of Israel, 26. Februar 2023; Andrew Silow-Carroll: Pogrom? Terrorism? What do we call what happened in Huwara?, JTA, Orly Noi: חוק ההכחדה שיחה מקומית 27. Februar 2023; Haggai Matar: Why there are no two sides to the Huwara pogrom. In: +972 Magazine.
- Redaktion: USA verurteilen Forderung nach "Ausradierung" eines Dorfs. Tagesschau, 2. März 2023, abgerufen am 10. September 2023.
- Chris McGreal: Biden administration grants US visa to extremist Israeli minister. In: The Guardian, 10. März 2023; Statement from American Jewish Leaders: Smotrich Should Not Be Given a Platform in Our Community, Israel Policy Forum, 3. März 2023; American Jewish Organizations and Allies Call to Shun Bezalel Smotrich Progressive Israel Network.
Personendaten | |
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NAME | Smotrich, Bezalel |
ALTERNATIVNAMEN | Smotrich, Bezalel Joel |
KURZBESCHREIBUNG | israelischer Politiker |
GEBURTSDATUM | 27. Februar 1980 |
GEBURTSORT | Israel |