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Als Indigenenbewegung in Ecuador spanisch Movimiento Indigena bezeichnet man die gemeinsame politische und gesellschaftliche Meinungs und Forderungsartikulierung und Interessenverfolgung indigener Volksgruppen und Nationalitaten in Ecuador Die indigene Bewegung Ecuadors gilt als die am besten organisierte indigene Bewegung Lateinamerikas Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung und Entwicklung 1 1 Landarbeiterbewegungen 1 2 Grundung von ECUARUNARI und Shuar Zentren 1 3 Bildung nationaler Dachorganisationen 1 4 Zunehmendes politisches Selbstbewusstsein 1 5 Die Verfassung von 1998 1 6 Politische Krise 1997 2006 2 Organisationen 3 Ziele 4 Literatur 5 WeblinksEntstehung und Entwicklung BearbeitenLandarbeiterbewegungen Bearbeiten Die indigene Bewegung in Ecuador hat ihren Ursprung in den 1920er Jahren In dieser Zeit gab es erste von weiss mestizischen Intellektuellen initiierte Bestrebungen die Lebensbedingungen auch indigener Hacienda Arbeiter zu verbessern Die erste uberregionale indigene Organisation Federacion Ecuatoriana de Indios FEI die sich 1944 konstituierte kampfte in Verbindung mit der kommunistischen Partei bis in die 1970er Jahre fur eine Landreform und die damit einhergehende Uberfuhrung von Landereien an Kleinbauern und kooperativ bearbeitete Betriebe Die Probleme der indigenen Bevolkerung wurden dabei jedoch auf das Kleinbauernproblem reduziert Auf politischer Ebene waren die indigenen Volksgruppen nicht vertreten Grundung von ECUARUNARI und Shuar Zentren Bearbeiten In den 1960er Jahren kam es haufig mit Unterstutzung von Vertretern progressiver Kreise in der katholischen Kirche zur Grundung von Organisationen auf lokaler Ebene die vor allem als Interessensvertreter im Rahmen des Landreformprozesses auftraten Die Landreform von 1964 fuhrte jedoch weder die erhoffte Verbesserung der Lebensbedingungen der Hacienda Arbeiter noch der indigenen Bevolkerung herbei Die lokalen Organisationen verbanden sich mehr und mehr auf regionaler Ebene so dass im Juni 1972 die Dachorganisation ECUARUNARI Kichwa Ecuador Runakunapak rikcharimuy dt Das Erwachen des ecuadorianischen Indigenen fur die Angehorigen der Kichwa Volker des Andenhochlandes entstand In der Andenregion kam es auch dem unter Druck der in der Ecuarunari zusammengeschlossenen Indigenaorganisationen 1973 zu einer zweiten Landreform die jedoch erneut die Zielsetzung nicht erfullte Auch im Amazonasbecken hatten derweil die Shuar eine Vereinigung gebildet die als Bund der Shuar Zentren 1964 die auf lokaler Ebene entstandenen Vereinigungen in Form einer Dachorganisation verband Parallel zu den Landreformen fand ein massiver Ausbau des landlichen Schulwesens seitens des ecuadorianischen Staates und verschiedener indigener Gruppen statt Der Staat verfolgte dabei das Ziel die indigenen Bevolkerungsgruppen zu integrieren bzw zu entindigenisieren die indigenen Gruppen sahen eine Chance ihre Lebenssituation verbessern zu konnen An der Spitze besonders der ECUARUNARI standen indigene Manner und Frauen die einen relativ hohen Bildungsstand erreicht hatten und feststellen mussten dass wirkliche Integration auf Grund rassischer Diskriminierung kaum moglich war Ihr Ziel wurde es ein Umdenken der Gesellschaft zu erreichen und die eigene indigene Identitat zu bewahren Bildung nationaler Dachorganisationen Bearbeiten Der Prozess der Organisationsbildung setzte sich fort die Verflechtung auf regionaler und nationaler Ebene nahm zu ECUARUNARI richtete mit den Dachorganisationen der Indigenen im Amazonasbecken CONFENIAE und in der Kustenregion COICE in Quito ein gemeinsames nationales Koordinationsburo ein das den Namen Consejo Nacional de Nacionalidades Indigenas del Ecuador CONACNIE dt Nationalrat der Indigenen Nationalitaten Ecuadors erhielt Dieser Nationalrat wurde 1986 durch die CONAIE Confederacion de Nacionalidades Indigenas del Ecuador abgelost Sie ist die erste nationale Organisation Ecuadors die eine eigene politische Alternative entwickelt hat und ohne direkten politischen oder kirchlichen Einfluss entstanden ist Bereits 1980 war auf Initiative evangelischer Kirchen die Federacion Ecuatoriana de Indigenas Evangelicos FEINE gegrundet worden Aus den gewerkschaftlich landarbeiterorientierten Organisationen war Mitte der 1960er Jahre die Federacion Nacional de Organizaciones Campesinas FENOC entstanden die 1987 ihren Namen um Indigenas zu FENOC I erweiterte und sich seit 1999 Confederacion Nacional de Organizaciones Campesinas Indigenas y Negras FENOCIN nennt Auch die 1944 gegrundete FEI existiert noch immer Zunehmendes politisches Selbstbewusstsein Bearbeiten Eine der ersten grossen Erfolge der Indigenabewegung auf politischer Ebene war 1989 die Verabschiedung eines Gesetzes zur interkulturellen zweisprachigen Erziehung an Landschulen mit dessen Organisation und Durchfuhrung die CONAIE beauftragt wurde die ursprungliche Forderung hatte sich auf alle Schulen bezogen Seit dem Aufstand 1990 mit dem die CONAIE verstarkt ins Licht der Offentlichkeit ruckte wurden von der indigenen Bewegung immer wieder nationale Aufstande unterstutzt und vorangetrieben durch die bis heute viele Rechte und Zugestandnisse unter anderem in folgenden Bereichen durchgesetzt werden konnten Legalisierung von Grundstucken und Landereien Bewahrung des Gemeindelandes sofern vorhanden in der Kustenregion Anspruch auf gemeinschaftlich genutzte Territorien politische Mitbestimmung die Blockade der wirtschaftlichen Anpassungsmassnahmen und der neoliberalen Reformgesetze und Korruptionsbekampfung Um grosseren direkten Einfluss auf die nationale Politik ausuben zu konnen wurde aus dem Kreis der CONAIE 1995 mit Blick auf die Prasidentschafts und Parlamentswahlen vom Mai 1996 das Movimiento de Unidad Plurinacional Pachakutik Nuevo Pais kurz Pachakutik offiziell MUPP NP gegrundet Der Nationalkongress hatte zuvor ein Gesetz erlassen das sozialen Bewegungen jenseits der Parteien die Teilnahme an Wahlen ermoglichte Wichtig in diesem Zusammenhang war ausserdem dass seit 1979 auch Analphabeten wahlberechtigt sind Bei den Wahlen 1996 erhielt Pachakutik acht der 80 Sitze im ecuadorianischen Nationalkongress von denen vier mit Indigenen besetzt wurden darunter Luis Macas der einer der zwolf auf nationaler Ebene gewahlten Abgeordneten war die vier statt zwei Jahre amtierten Bei den Parlamentswahlen von 1998 errang man sieben von 121 Sitzen 2002 elf von 100 und bei den bisher letzten Wahlen 2006 sechs der 100 Sitze Die Verfassung von 1998 Bearbeiten Von grosser Bedeutung war die Verabschiedung einer neuen Verfassung 1998 in deren Artikel 1 Ecuador als sozialer Rechtsstaat souveran einheitlich unabhangig demokratisch plurikulturell und multiethnisch definiert wird und zahlreiche Rechte fur die indigenen Volksgruppen und die ethnische Minderheit der Afroecuadorianer festgehalten werden Ebenfalls 1998 ratifizierte Ecuador das Ubereinkommen uber eingeborene und in Stammen lebende Volker in unabhangigen Landern ILO 169 von 1989 In diesem Zusammenhang wurde eine staatliche Behorde der Rat fur die Entwicklung der Nationalitaten und Volker Ecuadors span Consejo de Desarrollo de las Nacionalidades y Pueblos del Ecuador CODENPE eingerichtet die sich speziell fur die Belange der indigenen Volker in der politischen Praxis und der Verwaltung einsetzt Politische Krise 1997 2006 Bearbeiten Zwischen 1997 und 2006 erlebte Ecuador den Sturz dreier demokratisch gewahlter Regierungen Die sich darin zeigende politische Krise ging an der indigenen Bewegung nicht spurlos voruber und diese war an ihr nicht unbeteiligt Indigene Organisationen beteiligten sich inner sowie ausserparlamentarisch am Geschehen 2000 unterstutzte die CONAIE die Strassenproteste gegen die Regierung Jamil Mahuads die schliesslich in einem Militarputsch mundeten an dessen Ende der Vizeprasident Gustavo Noboa die Nachfolge Mahuads antrat wahrend die Putschisten unter ihnen federfuhrend der spatere Prasident Lucio Gutierrez inhaftiert aber bald begnadigt wurden Noboa ernannte den in der Indigenabewegung aktiven Luis Maldonado zum Minister fur Soziale Wohlfahrt Er war damit der erste Angehorige einer indigenen Volksgruppe der ein nicht ausschliesslich fur Angelegenheiten der indigenen Bevolkerung zustandiges Ministerium leitete Innerhalb der Bewegung wurde Maldonados Regierungsbeteiligung heftig diskutiert unter anderem deshalb weil er vor Annahme der Berufung die CONAIE Gremien nicht konsultiert hatte Pachakutik verhalf dem ehemaligen Putschisten Gutierrez 2002 in einem Bundnis mit dessen Partei zum Sieg bei den Prasidentschaftswahlen Pachakutik stellte in der Regierung Gutierrez die Aussenministerin Nina Pacari und den Landwirtschaftsminister Luis Macas Als sich jedoch zeigte dass der Prasident einen wirtschaftspolitischen Kurs einschlug der dem Grundsatzprogramm der Partei und den vor der Regierungsbildung getroffenen Absprachen widersprach verliess der Pachakutik die Regierung Besonders von Seiten der Basis bildete sich manifester Widerstand gegen den Prasidenten Forderungen wurden laut sich aus der Politik zuruckzuziehen und die Auseinandersetzung auf die Strasse zu verlagern Im Dezember 2003 forderten die CONAIE und andere Verbande der Indigenen den Rucktritt des Prasidenten Kurz darauf wurde der ECUARUNARI Vorsitzende Humberto Cholango wegen prasidentenkritischer Ausserungen einige Stunden in Polizeigewahrsam genommen Am 1 April 2004 wurden der CONAIE Vorsitzende Leonidas Iza und seine Familie Opfer eines Anschlages mit Feuerwaffen bei dem Izas Bruder seine Ehefrau und sein Sohn verletzt wurden CONAIE Vertreter brachten die Attentater in Zusammenhang mit der Regierung was jedoch nie bewiesen wurde Die Opposition der Indigena Bewegung verstarkte sich was zum letztlichen Sturz von Gutierrez beitrug Die Abgeordneten des Pachakutik stimmten bei einer Sondersitzung fur die Absetzung des Prasidenten Zu den Prasidentschaftswahlen 2006 nominierte der Pachakutik mit Luis Macas erstmals einen eigenen indigenen Prasidentschaftskandidaten Heute gibt es immer wieder Demonstrationen mit Beteiligung der indigenen Bewegung insbesondere bezuglich der geplanten Freihandelszone FTAA ALCA bzw von Freihandelsabkommen span Tratado de Libre Comercio TLC Ecuadors mit den USA Organisationen BearbeitenDie indigene Bevolkerung Ecuadors lebt seit vielen Jahrhunderten vor allem in landlichen Dorfgemeinschaften die im Rahmen des kolonialen Wirtschaftssystems erhalten blieben und auch durch die Grundung der Republik Ecuador kaum verandert wurden Diese Gemeinschaften wurden nach einem Gesetz uber gemeinschaftliche Organisation und Betriebsweise von 1937 vielfach als comunas anerkannt Diese Gemeinschaften bilden noch heute das Ruckgrat der Indigenaorganisationen auf allen Ebenen Es gibt heute schatzungsweise 2 500 indigene Organisationen in Ecuador die seit den 1980er Jahren zunehmend auf Kantons Provinz und nationaler Ebene vernetzt sind Etwa 75 aller Organisationen sind in der CONAIE organisiert wahrend die ubrigen der evangelischen FEINE oder gewerkschaftlichen Organisationen wie der FENOCIN der FEI und der FENACLE Federacion Nacional de Campesinos Libres del Ecuador dt Nationaler Bund der freien Bauern Ecuadors angehoren Die CONAIE als grosste und bedeutendste der genannten Dachverbande zahlt in ihren Mitgliedsorganisationen mehr als drei Millionen Mitglieder Unter ihrem Dach befinden sich drei Regionaldachverbande die entsprechend den drei Grossregionen des Landes organisiert sind im Hochland ECUARUNARI an der Kuste die COICE Coordinadora de Organizaciones de la Costa Ecuatoriana und im Amazonasbecken die CONFENIAE Confederacion de Nacionalidades Indigenas de la Amazonia Ecuatoriana Da die Andenregion den grossten Teil der indigenen Bevolkerung stellt ist ECUARUNARI unter den Einheiten in der CONAIE die grosste Die CONAIE bietet unter anderem Rechtsberatung und steht im Dialog mit der Regierung sowie privaten und offentlichen Institutionen Sie formuliert politische und wirtschaftspolitische Ziele plant Entwicklungsprogramme und bietet auch kleinere Aus und Weiterbildungen in administrativen Aufgaben an Ausserdem betreibt sie gemeinsam mit dem Bildungsministerium ein Programm zur bilingualen interkulturellen Erziehung Insbesondere die CONAIE mit ihrem hohen Mobilisierungspotential verwendet als Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele immer wieder auch Demonstrationen um eine breite Offentlichkeit zu erreichen Enge Verbindungen bestehen zwischen der CONAIE und der an Wahlen teilnehmenden Partei Movimiento de Unidad Pluricultural Pachakutik Nuevo Pais die 1995 aus der CONAIE hervorgegangenen ist und heute indigene und soziale Interessen im Parlament vertritt Obwohl ihre Fuhrungspersonlichkeiten von Pachakutik bis heute die Benennung als Partei ablehnen um sich gegenuber dem traditionellen Parteiensystem abzugrenzen bildet Pachakutik mittlerweile einen Teil der Legislative und findet auch innerhalb der nicht indigenen Bevolkerung Zuspruch Neben dem Pachakutik existiert auch ein politischer Arm der FEINE Amauta Jatari Dieser stellte 2002 mit dem ehemaligen CONAIE Prasidenten Antonio Vargas erstmals einen indigenen Prasidentschaftskandidaten auf der aber ohne breiten Ruckhalt in der indigenen Bewegung weniger als 1 der Stimmen erhielt Ziele BearbeitenDie indigenen Organisationen verfolgen sowohl regional als auch landesweit vielfaltige Ziele meist auf politischer und gesellschaftlicher Ebene Zu den wichtigsten gemeinsamen Zielen gehoren die Schaffung eines plurinationalen Staates und einer interkulturellen Gesellschaft unter anderem durch die Verankerung mehrsprachig interkultureller Erziehung in Schulen die offizielle Anerkennung von Landrechten und indigenen Sprachen und Kulturen der Schutz der naturlichen Ressourcen verbesserte politische Partizipation mehr Autonomie und Selbstbestimmung sowie die verfassungsmassig zugesicherte Anerkennung der indigenen Rechtssysteme auch in der Praxis Daneben wandelte sich die CONAIE von einem Vertreter uberwiegend ethnischer Interessen zu einem Reprasentanten der gesamten armen Bevolkerung Als allgemeine Ziele im Sinne der Reprasentanz aller sozial benachteiligten Bevolkerungsgruppen wird eine Kurskorrektur der als neoliberal abgelehnten Sozial und Wirtschaftspolitik in Form von Privatisierungen und dem Abbau staatlicher Leistungen gefordert wie sie der derzeitigen und vorherigen Regierungen attestiert werden Identitatsstiftend wirkt auch der gemeinsame Kampf gegen Eingriffe externer Akteure IWF USA in die ecuadorianische Politik und gegen die US Politik gegenuber dem Andenraum siehe unter anderem War on Drugs bzw Plan Colombia Literatur BearbeitenJorge E Uquillas Martien Van Niewkoop Social Capital as a Factor in Indigenous Peoples Development in Ecuador The World Bank Latin American and Caribbean Region Sustainable Development Working Paper No 15 August 2003 online hier Fernando Garcia Serrano De movimiento social a partido politico el caso del Movimiento de Unidad Plurinacional Pachakutik Ecuador Vortragtext Sao Paulo 2005 online hier PDF Allen Gerlach Indians oil and politics A recent history of Ecuador Wilmington Scholarly Resources 2002 ISBN 978 0842051088 Magnus Lembke In the land of oligarchs Ethno Politics and the Struggle for Social Justice in the Indigenous Peasant Movements of Guatemala and Ecuador Stockholm Stockholm University 2006 Theodore Jr Mcdonald Ecuador s Indian Movement Pawn in a short game or agent in state reconfiguration In David Maybury Lewis Hg The politics of ethnicity Indigenous peoples in Latin American States Cambridge Harvard University Press 2002 ISBN 0674009649 Melina Selverston Scher Ethnopolitics in Ecuador Indigenous Rights and the strengthening of democracy Corral Gables North South Center Press at the University of Miami 2001 ISBN 978 1574540918 Zeljko Crncic Die indigene Bewegung Ecuadors CONAIE Strategien der Nutzung des Framing und der politischen Gelegenheitsstrukturen Munster LIT Verlag 2012 ISBN 978 3643115973 Philipp Altmann Die Indigenenbewegung in Ecuador Diskurs und Dekolonialitat Bielefeld transcript 2013 ISBN 978 3837625707 Weblinks BearbeitenWebsite der CONAIE spanisch Website von Ecuarunari spanisch Website der CONFENIAE spanisch Website von Pachakutik spanisch Webseite uber Pachakutik spanisch Website der FEINE spanisch Website CODENPE spanisch Ecuador Indigena Special von BBC World uber die Indigenas im Norden Ecuadors spanisch Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Indigenenbewegung in Ecuador amp oldid 238143917