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Basler Kunstlerlarven sind Masken die zur Basler Fasnacht von aktiven Teilnehmern getragen werden Im Sprachgebrauch der Basler Fasnacht bezeichnet die Larve das was im Deutschen als Maske bezeichnet wird wahrend unter der Maske die ganze Erscheinung verstanden wird also die kostumierte und maskierte Person Waggis als Pfeiferlarven Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Anfange der Larventradition 1 2 Vom Importprodukt zur Kunstlerlarve 1 3 Kunst in Serie 1 4 Eigenstandiges Kunsthandwerk 2 Herstellung der Fasnachtslarven 2 1 Modell und Form 2 2 Kaschieren und Zuschnitt 2 3 Bemalung und Fertigstellung 2 4 Andere Verfahren 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenAnfange der Larventradition Bearbeiten Die Anfange der Basler Fasnacht reichen laut bekannten Quellen bis ins 14 Jahrhundert zuruck Bose Fasnacht 1376 Einem Erlass des Regierungsrats von 1564 ist zu entnehmen dass sie bereits vor der Reformation im Jahr 1529 drei Tage dauerte und jeweils nach dem ersten Fastensonntag stattfand Die erhaltenen Aufzeichnungen uber Fasnachtsspiele durch mehrere Autoren und aktenkundige Vorkommnisse zeigen dass dabei derber Witz vorherrschte und die Behorden mehrmals versuchten durch Sittenmandate zugelnd einzugreifen Larven werden in dieser Zeit nicht erwahnt wohl aber vermummte Gestalten Larfenspiler genannt die als Hexen Teufel Narren Bauern Konige oder Mohren auftraten Dabei wurde das Gesicht beraemet mit Russ oder Kohle beschmiert Obwohl dies wiederholt durch die Obrigkeit untersagt wurde hielt sich dieser Brauch bis ins 19 Jahrhundert Die vermutlich alteste Darstellung von kostumierten und maskierten Darstellern in Basel stammt aus dem spaten 16 Jahrhundert Sie zeigt vier maskierte Personen mit dunkel gefarbten Larven Solche Larven aus Holz seltener Metall blieben Ausnahmen 1 S 18 Im 19 Jahrhundert kamen einfache Larven aus Metallblech vergipster Draht oder Textilgaze gewachster Leinwand und kaschiertem Papier auf 2 Sie stammten aus Italien Frankreich und Thuringen Insbesondere Mannebach sowie Ohrdruf und Sonneberg im strukturell armen Thuringer Wald lieferten jahrzehntelang Wachs und Papierlarven nach Basel Diese waren zumeist nach Vorbildern der italienischen Commedia dell arte geformt es wurden auch lokale Wunsche berucksichtigt In einem Katalog von 1925 bot die Maskenfabrik Carl Hanf in Ohrdruf explizit eine Waggis Larve an der Waggis als Parodie des elsassischen Gemusebauern ist eine spezifisch baslerische Fasnachtsfigur 3 Vom Importprodukt zur Kunstlerlarve Bearbeiten nbsp Plakat von Robert Stocklin 1926Die importierten Larven waren zum grossen Teil Billigprodukte und genugten oft nicht um ein Sujet plakativ darzustellen Unter dem Sujet wird das Thema verstanden das eine Fasnachtsformation ausspielt also am Umzug zeigt ein wesentlicher Aspekt der Basler Fasnacht die nicht zuletzt ein satirischer Jahresruckblick ist So kam es 1921 eher zufallig zur Erfindung der Basler Kunstlerlarve Die Fasnachtsgesellschaft Olympia gab sich das Sujet Moderne Kunst fand aber keine Larve die dazu gepasst hatte Der Zugchef der Fasnachtsgesellschaft Olympia setzte sich mit dem Buhnenbildner des Stadttheaters Paul Rudin in Verbindung Dieser fertigte eine Gipsform an in welche anschliessend mit Zeitungspapier einigermassen taugliche Larven kaschiert wurden Diese eigentliche Urlarve fiel dem Inhaber der Basler Firma Metraux amp Cie auf Er handelte unter anderem mit Fasnachtsartikeln und stellte in der Folge bereits 1922 unter Mithilfe von Paul Rudin Versuche mit kaschierten Larven an Die weitere Entwicklung ging schnell 1925 schrieb der Kunstkredit Basel Stadt auf Veranlassung von Metraux amp Cie einen Wettbewerb fur Larvenentwurfe aus Vorlaufig wurden die Larven noch uberwiegend aus geleimter Leinwand hergestellt auch mit ungewohnlich anmutenden Materialien wurde experimentiert Neben dem gewachsten Tuch das warm in Formen eingelegt wurde kamen Massen aus Holzschliff Ton Kreide und Leim versuchsweise zur Anwendung Dazu wurde die Kaschiertechnik mit verschiedensten Papierqualitaten ausgetestet Letztlich setzte sich diese Technik durch verwendet wurde und wird ein Papier wie es Flachmaler als Bodenabdeckung benutzen 1 S 40 45 Kunst in Serie Bearbeiten Massgeblich fur die weitere Entwicklung war Adolf Tschudin der ab 1925 sein Larvenatelier Tschudin fur die Herstellung von Einzelmasken aufbaute 4 Er erkannte das Potenzial der in Basel zahlreich vorhandenen Kunstler und arbeitete von Anfang an mit diesen zusammen Darunter waren viele Mitglieder der Gruppe 33 Otto Abt Louis Leon Weber Irene Zurkinden Faustina Iselin Rose Marie Joray Lotti Krauss oder Max Wilke waren bei Tschudin tatig Diese Zusammenarbeit wurde zum Vorbild Modelle fur Larvenateliers sind auch bekannt von Otto Plattner Max Bucherer und Max Varin Eine so enge Verbindung zwischen Kunstlerszene und Fasnacht ist in ihrer Art einzig und beschrankte sich nicht auf Auftragsarbeiten Jean Tinguely schuf jahrelang Kostume und Larven fur eine Basler Fasnachtsclique Meret Oppenheim griff das Thema der Larve in Einzelarbeiten auf die sie auch selber getragen hat Niklaus Stoecklin Charles Hindenlang und zahlreiche andere malten beim Publikum beliebte Fasnachtshelgen Genrebegriff fur Fasnachtsbilder 1 S 43 46 Gleichzeitig brachten die ausfuhrenden Kunstler laufend aktuelle Tendenzen der Malerei in die Larvenateliers und sorgten umgekehrt fur die Ausstrahlung des Phanomens ins Umland aus dem sie oft stammten etwa der Liestaler Otto Plattner Von 1956 bis 1958 war Thomas Keller Atelierchef und Larvenbauer Verschiedene Kunstler grundeten zudem eigene Ateliers und stellten dort einzelne Larven oder kleine Serien her beispielsweise Heiri Strub im Atelier Nase 5 Eigenstandiges Kunsthandwerk Bearbeiten nbsp Tambourmajorenlarve Der Trager blickt aus dem Hals der Figur Die technische Ausfuhrung der Basler Kunstlerlarven wurde laufend verfeinert Fruhe Modelle waren meist nur Gesichtslarven Sie reichten vom Kinn bis uber die Stirn und waren schlichte Formen mit wenig Hinterschneidungen Getragen wurden sie in ihrer einfachsten Form mit einem Band wie eine venezianische Maske spater kam das Gupfi dazu eine kaschierte Halbschale in Kopfgrosse helmartig getragen an der die Larve seitlich mit Kartonstreifen befestigt wurde Dieser Schritt erlaubte grossere und damit schwerere Larven am deutlichsten an der Figur des Waggis abzulesen dessen charakteristische Nase heute um ein Vielfaches grosser ist 1 S 147 152 Mit der technischen Erfahrung der Larvenmacher nahmen auch Experimentierfreude und Fahigkeiten zur Umsetzung zu Es entstanden immer komplexere auch mehrteilige Formen sowie Larven mit ankaschierten Teilen beispielsweise Ohren oder Horner und nicht zuletzt die unubersehbaren Tambourmajoren Diese uberdimensionierten Einzelkopfe sind meterhoch und grosser In neuerer Zeit wurde das eher schmale Repertoire der klassischen Figuren um verschiedenste Charaktere erweitert die oft auch Filmen oder der Comicliteratur entlehnt werden In jungster Zeit seit der Jahrtausendwende werden auch Kunstharze fur Applikationen eingesetzt oder als hauptsachliches Baumaterial verwendet siehe Andere Verfahren was Effekte erlaubt die mit reiner Kaschiertechnik undenkbar sind Gleiches gilt fur die Perucken wo Sisalfaser und Naturbast einer breiten Palette von Kunstbast und eigens angefertigten Kunsthaarperucken gewichen sind die spezielle und kostenintensive Anfertigung ist notig weil die Hutgrosse einer Larve im Endeffekt eine massive Ubergrosse darstellt Herstellung der Fasnachtslarven BearbeitenGrundsatzlich wird je nach Aktivitat der Trager zwischen Pfeifer Tambouren Guggen und Wagenlarven unterschieden Das gilt auch fur Einzellarven und hat starken Einfluss auf Grosse und Formgebung der Larve Pfeiferlarven bedecken das Gesicht nur bis zur Oberlippe und seitlich bis an den Unterkiefer der Mund ist aber frei Tambourenlarven nicht zwingend dieselbe Form bedecken dagegen auch das Kinn Die Larven der Guggenmusiken sind grosser als Pfeiferlarven und bedecken das ganze Gesicht mussen aber so modelliert werden dass alle Instrumente spielbar sind Das Gesamtgewicht kann ein weiteres Kriterium sein da Guggen normalerweise zu Fuss unterwegs sind Die ausladendsten und expressivsten Formen sind bei Wagenlarven moglich da hier keine Einschrankung gilt Diese Einteilung ist allerdings nicht zwingend Der Kreativitat sind bei Basler Fasnachtslarven und Kostumen kaum Grenzen gesetzt Modell und Form Bearbeiten nbsp Grundformen von oben links im UZS Pfeifer Tambouren Guggen und WagenlarveUnabhangig vom weiteren Vorgehen steht am Anfang ein Tonpositiv der Larve Dieses wird so modelliert dass die Tragbarkeit gewahrleistet ist Wahrend des Modellierens wird darauf geachtet wo spater Offnungen fur die Augen den Mund und Instrumente angebracht werden konnen Typischerweise und anders als bei venezianischen Masken befinden sich die Sehoffnungen in den Nasenlochern oder Wangenfalten der Larve wahrend die vermeintlichen Augen spater aufgemalt werden Fur diesen Modellaufbau werden einfache Lehren und Erfahrungswerte verwendet Danach wird ein Gipsnegativ vom Tonmodell abgegossen Ist die Form mehrteilig werden vor dem Guss Trennnahte aus Blech oder Kunststoff ins Tonmodell gesteckt Die Gipsform wird getrocknet und innen lackiert vor dem Kaschieren wird ein Trennmittel Bohnerwachs Vaseline dunn aufgetragen Tambourmajorenlarven werden als Einzelstucke aus mehreren Teilen zusammengesetzt die oft ohne Negativform direkt vom Tonpositiv abkaschiert werden Kaschieren und Zuschnitt Bearbeiten Zum Kaschieren wird das erwahnte Abdeckpapier dickes Recyclingpapier in Kleister eingelegt Das Vorgehen variiert teils werden vorgerissene Stucke erst gewassert und anschliessend bekleistert teils ganze Bogen in Kleister eingelegt Eine erste Schicht Papierstuckchen wird ziegelartig in die Form gelegt danach erfolgt eine Zwischenleimung und eine zweite allenfalls noch eine dritte Schicht Geubte Larvenmacher konnen bei diesem Arbeitsgang das Gewicht der Larve steuern grossere Larven werden gewohnlich schwerer und damit stabiler gefertigt Bei mehrteiligen Formen wird jedes Formteil einzeln auskaschiert anschliessend die Gesamtform zusammengesetzt und die Naht von innen durch eine weitere Reihe Papierstucke verklebt Ist die kaschierte Larve innen angetrocknet wird sie aus der Form gehoben Da die Larve jetzt noch feucht und damit flexibel ist konnen auch Formen mit Hinterschneidungen Nasenflugel Ohren leicht herausgelost werden Die Oberflache wird mit Kleister eingestrichen geglattet und verleimt Bei mehrteiligen Formen wird zusatzlich die aussere Naht verklebt Nach dem Trocknen wird der Rohling zugeschnitten und gegebenenfalls der Rand verstarkt Ist er vollig durchgetrocknet wird er innen mit Schellack ausgestrichen um die Larve vor der Atemfeuchtigkeit des Tragers zu schutzen Bemalung und Fertigstellung Bearbeiten Sind die Augen und Mundoffnungen angebracht wird die Larve individuell angepasst dies ist vor allem bei Pfeifer und Guggenlarven aus Komfortgrunden notig Dabei wird sie mit der Tragvorrichtung fruher das Gupfi heute meist ein Bauhelm mit weggeschnittenem Schild fest verbunden Danach wird sie nachbearbeitet grundiert und bemalt Anhand des Malstils ist fur Kenner ersichtlich aus welcher Werkstatt und welchem Zeitabschnitt eine Larve stammt gelegentlich verwenden Kunstler auch ein erkennbares Detail als Signatur Meist werden die Larven von Hand bemalt seltener mit Airbrush Zum Schluss werden Perucken Hute und andere Dekorationen angebracht Die Verwendungsdauer einer Basler Kunstlerlarve variiert Viele Pfeifer und Tambourencliquen Guggen sowie Wagen schaffen jedes Jahr neue Sujetlarven an An Vorfasnachtsveranstaltungen sowie am Morgestraich kommen alte Larven zum Einsatz was im Charivari gehen genannt wird die Sujetlarve wird erst am Montagsumzug getragen 6 Nur in Basel nicht im Baselbiet ist es ublich dass Guggen und Cliquen dazu die Stammlarve haben die jedes Jahr mit dem Stammkostum jeweils am Dienstag getragen wird Gebrauchte Larven werden oft als Einzellarven abgegeben und tauchen noch lange Zeit auf besonders am Dienstag wenn die Gassen den individuellen Masken gehoren Nicht selten haben aktive Fasnachtler eine Auswahl von alten Larven die sie abwechselnd tragen und gelegentlich umarbeiten lassen Aus den Teilnehmerzahlen der Basler Fasnacht wird aber ersichtlich dass Jahr fur Jahr Tausende neue Larven eigens fur diese drei Tage angefertigt werden 7 Herstellung der Larven nbsp Eine Gipsnegativform fur das Kaschieren nbsp Innen lackierter und weiss grundierter Larvenrohling nbsp Fertig bemalte und montierte Larve einer Alti Dante Alte Tante Andere Verfahren Bearbeiten Neben dem traditionellen und heute noch gebrauchlichen Kaschierverfahren gibt es zwei weitere Verfahren zur Herstellung von Larvenserien Fur Larven aus Kunstharz wird statt eines Gipsnegativs eine Silikonform des Tonmodells angefertigt und mit Kunstharz ausgestrichen Larven aus Polystyrol werden als Thermoformen aus Platten hergestellt Literatur BearbeitenBeat Trachsler Vom Narr zum Ueli Tradition und Wandel von Basler Fasnachtsfiguren GS Verlag Basel 2004 ISBN 3 7185 0194 5 Dominik Wunderlin Hrsg Fasnacht Fasnet Carnaval im Dreiland Schwabe Verlag Basel 2005 ISBN 3 7965 2130 4 Weblinks BearbeitenWie die Fasnacht zur Kunstlerlarve kam Auf TagesWoche vom 28 Februar 2012 Abgerufen am 31 Mai 2014 Die Basler Kunstlerlarve Auf Basel Insider Website Christian Rieder Abgerufen am 31 Mai 2014 Allgemein Auf der Website des Fasnachts Comites Abgerufen am 31 Mai 2014 Sammlung Basler Kunstlerlarven Im Ortsmuseum Binningen Basler Fasnacht In Basler Stadtbuch Sammlung von Ruth Eidenbenz Tschudin 2017Einzelnachweise Bearbeiten a b c d Beat Trachsler Vom Narr zum Ueli ISBN 3 7185 0194 5 Basler Fasnachtslarven Gluckseligkeit aus Papier fur die drey scheenschte Daag auf narren spiegel de Abgerufen am 25 Februar 2014 Ein Elsasser ist kein Waggis auf Das Webjournal von Jurg Peter Lienhard Abgerufen am 26 Februar 2014 Corina Christen Ruth Eidenbenz Tschudin Kunst fur die Fasnacht ein Stuck Kulturgeschichte Basler Zeitung 3 Januar 1991 abgerufen am 28 Juni 2019 Zum Tod des Basler Kunstlers Heiri Strub Memento des Originals vom 2 April 2015 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www tageswoche ch Nachruf der Basler Tageswoche vom 30 April 2014 Abgerufen am 31 Mai 2014 D Wunderlin Fasnacht Fasnet Carnaval im Dreiland ISBN 3 7965 2130 4 Dennis L Rhein Die Basler Fasnacht in Zahlen In fasnacht ch 23 Februar 2014 abgerufen am 31 Mai 2014 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Basler Kunstlerlarve amp oldid 232346638