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Das Arbeitserziehungslager Hirzenhain war eine der Massnahmen zur Beschaffung von Arbeitskraften in der letzten Phase des Zweiten Weltkrieges zwischen Mitte 1943 und Kriegsende 1945 fur die Rustungsindustrie der auf Kriegsokonomie ausgerichteten Deutschen Volkswirtschaft Gedenkstein am Ort des Massenmordes an 87 Gefangenen durch ein Kommando der SSDas Arbeitserziehungslager war eine Aussenstelle des von der Gestapo betriebenen Arbeitserziehungslagers Heddernheim Das Arbeitslager versorgte die Breuer Werke AG eine Tochter der Buderus AG aus Wetzlar mit Strafgefangenen und Zwangsarbeitern als Arbeitssklaven Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung 2 Rekrutierung der Zwangsarbeiter 2 1 Rodgaulager fur Kriegsgefangene ab 1943 2 2 Lager fur auslandische Zwangsarbeiter ab 1944 2 3 Arbeitserziehungslager fur Frauen ab 1944 3 Produktion 4 Massenmord an den Gefangenen 1945 5 Entschadigung 6 Literatur 7 EinzelnachweiseEntstehung BearbeitenDie damals 600 Einwohner zahlende dem Landkreis Budingen angehorigen Gemeinde Hirzenhain liegt am Niddertal am Rande des Vogelsberges Hirzenhain als Standort der Buderusschen Fabrikanlagen schien den Rustungskommandos und Betriebsdirektoren der Breuer Werke in Frankfurt Hochst aufgrund seiner in einem engen Tal zwischen zwei bewaldeten Hugeln geschutzten Lage und der vorhandenen Infrastruktur eine geeignete Ausweichstatte um der standigen Gefahr der Luftangriffe auf das Rhein Main Gebiet auszuweichen Bis dato stellte das Werk eiserne Ofen und Badewannen her Zum 30 Juni 1943 stellte die Buderusschen Eisenwerke GmbH ihren Betrieb offiziell ein die Breuer Werke meldeten sich zum 1 Juli 1943 als Wehrrustungsbetrieb in Hirzenhain an Die vorhandenen Werksanlagen wurden grundlegend modernisiert und auf die besonderen Verhaltnisse der Zwangsarbeit umgestellt Das Werksgelande vergrosserte sich um die Barackenlager der Zwangsarbeiter Die Einwohnerzahl Hirzenhains verdoppelte sich durch Breuer und Evakuierte so bis Kriegsende Hinzu kamen hunderte Fremdarbeiter Strafgefangene und Schutzhaftlinge Rekrutierung der Zwangsarbeiter BearbeitenIm Jahr 1942 wurde der nationalsozialistischen Fuhrung Deutschlands zunehmend klar dass der materialintensive Zweifrontenkrieg die weitere Erschliessung von Produktionskapazitaten fur die Rustungsindustrie erforderte Zu diesem Zweck wurden weite Teile der deutschen Volkswirtschaft unter staatlicher Fuhrung und Aufsicht auf Kriegsokonomie umgestellt Mit der Dauer des Krieges wurde es zunehmend schwierig die im Kriegseinsatz befindlichen deutschen Manner in allen Bereichen der Wirtschaft zu ersetzen Zu diesem Zweck griff der Staat auf Zwangsarbeiter vor allem aus der besetzten Sowjetunion sowie Teilen Polens zuruck Verantwortlich zeichnete das Reichsarbeitsministerium unter der Leitung des Generalbevollmachtigten fur den Arbeitseinsatz GBA Fritz Sauckel Zudem waren die Zwangsarbeiter fur die Unternehmen billiger und der Staat konnte Einnahmen aus Verleihgebuhren und Auslandersonderabgaben erzielen ein fur beide Seiten vorteilhaftes Geschaft Die geplanten Produktionslinien der Breuer Werke waren insbesondere fur den ab 1942 in Serie gehenden Panzerkampfwagen VI Tiger vorgesehen und damit von besonderem staatlichen Interesse Die Sklavenarbeiter der Breuer Werke in Hirzenhain wurden aus drei unterschiedlichen Quellen requiriert und in getrennten Lagerbereichen untergebracht die sich nordlich an das Werk anschlossen Rodgaulager fur Kriegsgefangene ab 1943 Bearbeiten Das Strafgefangenenlager Rodgau Dieburg Stammlager I existierte seit 1938 und diente ausdrucklich zur Arbeitskraftverwertung von Strafgefangenen die von Oberlandesgerichten deutscher Ostgebiete und den ins Deutsche Reich eingegliederten Teilen des besetzten Polens verurteilt und dem Generalstaatsanwalt in Darmstadt zugewiesen worden waren Untergebracht waren dort nur aussenarbeitsfahige Gefangene Deren Zahl betrug Ende Marz 1942 2611 Haftlinge Am 30 April 1942 fand in dem der Staatsanwaltschaft Darmstadt unterstehenden Lager eine Besprechung uber die zukunftige Verwendung der Haftlinge in der Rustungsproduktion statt Im Dezember 1942 schlossen der Vorstand des Gefangenenlagers und die Breuer Werke in Frankfurt Hochst einen Vertrag uber die Zurverfugungstellung von 320 weiblichen polnischen Strafgefangenen fur deren Aussenstelle in Hirzenhain ab Die Polinnen waren in einem abgegrenzten und geschlossenen Barackenbereich untergebracht Die Zahlen erhohten sich weiter so dass am 11 November 1943 239 und am 30 Oktober 1944 391 Gefangene im Lager Hirzenhain untergebracht waren Lager fur auslandische Zwangsarbeiter ab 1944 Bearbeiten Im Arbeitseinsatz in den Breuer Werken befanden sich ab 1944 auch viele Zwangsarbeiter die aus ihrer Heimat als Ersatz fur die im Krieg befindlichen deutschen Manner geworben oder verschleppt wurden Im Gegensatz zu den anderen Arbeitern in den Lagern konnten die Zwangsarbeiter das Lager verlassen und sich vereinzelt in der Gemeinde Hirzenhain ein Zubrot verdienen Das Lager wurde durch Breuer selbst betrieben Im Januar 1944 kamen dort 236 Personen zum Einsatz davon 181 russische und polnische Frauen Bis 1944 war die Zahl der Zwangsarbeiter auf 467 angewachsen davon 72 Polen 382 Ostarbeiter funf Niederlander 26 Flamen ein Italiener und vier Staatenlose Im Januar 1945 war das Lager mit 938 Personen belegt davon 564 Ostarbeiter 166 Italiener 127 Ukrainer 53 Polen 17 Belgier und zehn Niederlander Arbeitserziehungslager fur Frauen ab 1944 Bearbeiten Das Arbeitserziehungslager fur Frauen wurde im Sommer 1944 als eigenstandiges Frauenarbeitserziehungslager eingerichtet und unterstand der Gestapo Frankfurt Das Lager war fur 250 bis 300 Frauen vorgesehen Im Lager waren mehr als 100 polnische Frauen untergebracht die nach Abgeltung ihrer Haftstrafe den Breuer Werken als eingearbeitete Krafte erhalten bleiben sollten Arbeitserziehungslager HeddernheimProduktion Bearbeiten nbsp Der erste Tiger der den Alliierten in die Hande fiel 1943 nahe Tunis Die Breuer Werke produzierten wahrend ihres Bestehens in Hirzenhain Zylinderguss Kurbelgehause Zylinderkopfe Saugrohre Zylinderguss fur den eigenen Motorenbau Stromerzeugungsaggregate fur das Funkmess Programm sowie die Panzertruppe schnelle Truppen und fur Trager Frequenz Sternpumpen fur hydraulische Steuerungen der Panzer Tiger und Panther 1 Massenmord an den Gefangenen 1945 BearbeitenAm 23 Marz 1945 standen Truppen der 3 US Armee vor Wiesbaden und Mainz Am 24 Marz erreichten sie Darmstadt und am 25 Marz die sudlichen Stadtteile Frankfurts Seit Anfang Marz wurden die Ruckzugsplane fur den sogenannten Alarmfall vorbereitet nach denen sich der Befehlshaber der Sipo und des SD Rheinland Westmark in Wiesbaden der SS Oberfuhrer und Oberst der Polizei Hans Trummler mit seinem 50 60 Personen umfassenden Stab in das Arbeitserziehungslager Hirzenhain zuruckziehen sollten Ein 13 bis 16 Mann starkes Vorauskommando unter Befehl des SS Hauptscharfuhrers Emil Fritsch traf am 15 Marz im Lager Hirzenhain ein Das Lager war zu diesem Zeitpunkt noch nicht geraumt Am 19 Marz gab die vorgesetzte Dienststelle der Gestapo in Frankfurt am Main dem Lagerleiter SS Hauptsturmfuhrer und Polizei Inspektor Karl Ludwig Weimar den Befehl zur Teilraumung Sogenannte leichte Falle insbesondere deutsche Frauen wurden daraufhin entlassen Die aufgrund eines Schutzhaftbefehls des Reichssicherheitshauptamtes fur die Einweisung in ein KZ vorgesehenen Frauen wurden in einem Evakuierungsmarsch nach Harmerz bei Fulda verschleppt Am 22 Marz erhielt der Chef der Frankfurter Gestapo Reinhard Breder von SS Oberfuhrer Hans Trummler den Befehl das Lager innerhalb von 24 Stunden zu raumen damit er es mit seinem Stab belegen konnte Trummlers Adjutant SS Hauptsturmfuhrer und Kriminalkommissar Anton Wrede reiste am 23 Marz abends in Hirzenhain an und ubernahm das Kommando des ehemaligen Arbeitserziehungslagers In der Nacht vom 23 auf den 24 Marz wurden 49 weibliche Gestapo Haftlinge aus Frankfurt mit der Bahn nach Hirzenhain transportiert wo sie noch in der Nacht ankamen Es handelte sich um namentlich bekannte Frauen im Alter von 20 bis 40 Jahren aus Polen der Sowjetunion Frankreich Luxemburg und Deutschland Wahrend des Transportes flohen funf der Frauen trotz der Aufsicht zweier Polizeibeamter Das Lager war langst nicht mehr fur die Aufnahme von Haftlingen vorgesehen so dass es am Abend des 24 Marz zwischen Anton Wrede und dem vorubergehend anwesenden Reinhard Breder zu einer Entscheidung uber den Verbleib der Neuankommlinge und der noch im Lager befindlichen Frauen gekommen sein muss Am Nachmittag des 25 Marz wahlten Wrede aus den 49 Frankfurter Haftlingen und die Lagerleitung des Gestapolagers nach Aktenlage aus den verbliebenen AEL Haftlingen zwei Gruppen aus die angeblich am nachsten Morgen dem Arbeitsamt Budingen uberstellt werden sollten Am gleichen Nachmittag hob eine Gruppe mannlicher Haftlinge unter Aufsicht der SS Manner des Vorauskommandos etwa 800 m vom Lager entfernt eine Grube aus Auf Nachfrage einer Aufseherin uber die Grosse der Grube erklarte SS Hauptscharfuhrer Fritsch Das wird ein Benzinlager Auch den sonst von den Aufseherinnen begleiteten Entlassungstransport nach Budingen werde er mit seinen Mannern erledigen Die Arbeiten blieben der Bevolkerung nicht verborgen Die zwei Gruppen die Frauen aus dem Frankfurter Gestapolager zuerst und nach funf Uhr die aus dem Lager ausgewahlten Haftlinge vermutlich marschunfahige wurden aus dem Lager von SS Mannern in Richtung Glashutten gefuhrt Die Gruppen warteten im Wald wahrend jeweils zwei Haftlinge aus dem Wald gezerrt und in die nachmittags eigens dafur ausgehobene Grube gestossen wurden Dort schossen Emil Fritsch und junge volksdeutsche SS Manner mit Maschinenpistolen auf die Haftlinge Wrede meldete spater seinem Vorgesetzten Trummler bei dessen Eintreffen Die Angelegenheit mit den Russenweibern ist erledigt Ermordet wurden 81 Frauen und sechs Manner nbsp Offnung des Grabes nbsp Geoffnetes MassengrabEntschadigung BearbeitenIm Jahre 2000 trat die Buderus AG der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft zur Entschadigung von NS Zwangsarbeitern bei die mit 10 Milliarden Deutsche Mark die Halfte der Stiftung Erinnerung Verantwortung und Zukunft finanzierte um ehemalige Zwangsarbeiter des NS Regimes zu entschadigen Literatur BearbeitenMichael Keller Das mit den Russenweibern ist erledigt Rustungsproduktion Zwangsarbeit Gestapo KZ Massenmord einer SS Kampfgruppe und die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit am Tatort in Hirzenhain wie auf dem Kriegsgraberfriedhof im Kloster Arnsburg 1943 1996 2 durchges und stark erw Aufl Bindernagel Friedberg 2000 ISBN 3 87076 087 7 Wetterauer Geschichtsblatter 47 Klaus D Rack Monica Kingreen Dirk Richhardt Fern der Heimat unter Zwang der Einsatz fremdlandischer Arbeitskrafte wahrend des Zweiten Weltkriegs in der Wetterau Geschichtsverein fur Butzbach und Umgebung Butzbach 2004 ISBN 3 9802328 8 3 S 112 114 LG Giessen 1 Marz 1951 In Justiz und NS Verbrechen Sammlung deutscher Strafurteile wegen nationalsozialistischer Totungsverbrechen 1945 1966 Bd VIII bearbeitet von Adelheid L Ruter Ehlermann H H Fuchs C F Ruter Amsterdam University Press 1972 Nr 268 S 219 245 Erschiessung von 81 weiblichen und 6 mannlichen Haftlingen des AEL und des Erweiterten Frauengefangnisses Hirzenhain bei der Raumung des Lagers unmittelbar vor Einmarsch der Amerikaner auch LG Giessen 13 November 1953Einzelnachweise BearbeitenSo weit nicht anders belegt aus Keller Michael Das mit den Russenweibern ist erledigt siehe Literatur Schreiben des Chefs des Wirtschaftsverwaltungshauptamtes der SS anlasslich eines Besuchs am 31 Januar 1944 Buderus Werksarchiv 179 2 51 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Arbeitserziehungslager Hirzenhain amp oldid 230502885