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Alphonse Bertillon 22 April 1853 in Paris 13 Februar 1914 ebenda war ein franzosischer Kriminalist und Anthropologe Das von ihm entwickelte anthropometrische System zur Personenidentifizierung wurde zu seinen Ehren spater Bertillonage genannt Selbstportrat von Alphonse Bertillon 1900 Selbstportrat von Alphonse Bertillon 1912 Inhaltsverzeichnis 1 Leben und Wirken 2 Rolle in der Dreyfus Affare 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseLeben und Wirken BearbeitenAlphonse Bertillon wurde am 22 April 1853 als zweiter Sohn des damals bekannten Arztes Statistikers und Vizeprasidenten der Anthropologischen Gesellschaft von Paris Dr Louis Adolphe Bertillon in Paris geboren Sein Bruder Jacques Bertillon war Statistiker und Demograph Ihr Grossvater war der Naturforscher und Mathematiker Achille Guillard Seine Jugend verbrachte Bertillon in Paris Die Schule musste er aufgrund mangelnder Leistungen und seines Verhaltens vorzeitig abbrechen Bertillon galt als Choleriker und Pedant Daruber hinaus war er oft krank und litt unter starker Migrane Durch diese Umstande wurde er fruh zum Einzelganger und war zeit seines Lebens kontaktarm und verschlossen Dank der Fursprache seines weithin angesehenen Vaters wurde er im Marz 1879 als Hilfsschreiber bei der Pariser Polizei Prafektur angestellt In dieser Funktion musste er hauptsachlich Beschreibungen straffallig gewordener Verbrecher auf Karteikarten ubertragen Der Nutzen dieser Karteikarten war in vielerlei Hinsicht zweifelhaft Bertillon erinnerte sich der Arbeiten seines Vaters und stiess dabei auf die anthropologischen Untersuchungen Adolphe Quetelets Dieser war im Laufe seiner Untersuchungen zu der Schlussfolgerung gelangt dass es keine zwei Menschen mit den gleichen Korpermassen gebe Auf Basis dieser Erkenntnis entwickelte Bertillon in den Jahren 1879 bis 1880 das erste geschlossene System zur Personenidentifizierung und leistete damit einen entscheidenden Beitrag zur wissenschaftlichen Kriminalistik Seine ersten Versuche fuhrte Bertillon an den eingelieferten Untersuchungshaftlingen der Pariser Polizei durch Die Messergebnisse hielt er auf Karteikarten fest Diese Arbeit brachte ihm mehr als einmal den Spott seiner Kollegen in der Prafektur ein Auch der damalige Polizeiprafekt von Paris legte Bertillons Bericht zunachst zu den Akten und drohte ihm anschliessend sogar mit einer fristlosen Kundigung falls er ihn noch einmal mit seinen Ideen belastigen sollte Bertillons Vater war zunachst nicht minder entrustet erkannte dann jedoch das Potential der Arbeit seines Sohnes Mit seiner Unterstutzung und nach einem Wechsel an der Spitze der Prafektur durfte Bertillon seine Arbeiten fortsetzen Bertillon hatte festgestellt dass die Identifizierung mit steigender Zahl der Korpermasse genauer wurde Bei der Abnahme von 11 Korpermassen betrug das Risiko einer Verwechslung 4 191 304 zu 1 Er hielt dies fur ausreichend und schlug daher die Verwendung folgender 11 Korpermasse vor Korperlange Armspannweite Sitzhohe Kopflange Kopfbreite Lange des rechten Ohres Breite des rechten Ohres spater Jochbeinbreite Lange des linken Fusses Lange des linken Mittel und Kleinfingers und Lange des linken Unterarmes Der erste grossere Versuch begann im November 1882 Bertillon bekam die Erlaubnis sein Verfahren fur 3 Monate zu testen Er erhielt zu diesem Zweck einen eigenen Raum und zwei Mitarbeiter zugeteilt Im Februar 1883 hatte er bereits 1 800 Karteikarten erstellt Diese waren nicht alphabetisch sondern nach den entsprechenden Korpermassen unterteilt Der Testlauf endete im Februar 1883 Kurz zuvor gelang ihm was seine Kritiker fur unmoglich hielten die Identifizierung eines ruckfalligen Straftaters auf Basis seiner Korpermasse Die Probefrist wurde daraufhin verlangert und Bertillon bekam weiteres Personal zugeteilt Bis zum Ende des Jahres 1882 konnte er 49 Identifizierungen nachweisen Am 1 Februar 1888 wurde Bertillon zum Leiter des polizeilichen Erkennungsdienstes befordert nbsp Auszug aus Bertillons Identification anthropometrique 1893 mit grafischen Darstellungen der VermessungenObwohl das bertillonsche System daraufhin in vielen anderen Landern eingesetzt wurde blieb es doch stetiger Kritik von Seiten der Kriminalpolizei ausgesetzt Den meisten Untersuchungsbeamten war es zu komplex und die Vielzahl der Daten konnte nur mit Hilfe der entsprechenden Karteikarten verwendet werden Bertillon entwickelte daraufhin ein DKV genanntes Fahndungsbuch mit den Beschreibungen gesuchter oder des Landes verwiesener Personen 1893 wurde Bertillon in Anerkennung seiner Dienste das rote Band der Ehrenlegion verliehen Spater wurden die anthropometrischen Masse noch durch zweiteilige Taterphotographien und gegen Bertillons Widerstand schliesslich auch durch Fingerabdrucke erganzt Bertillon war ein Gegner der Daktyloskopie die er fur ungenau hielt Trotzdem gelang ihm selbst 1902 die erste Identifizierung eines Morders in Europa anhand eines Fingerabdrucks Der Erfolg konnte Bertillon jedoch nicht umstimmen der die Daktyloskopie weiterhin ablehnte und in der Folgezeit nur ungern uber diesen Fall sprach Anlasslich der Weltausstellung in Luttich gab der Pariser Polizeiprafekt bekannt dass in Paris bislang 12 614 ruckfallige Straftater durch das von Bertillon entwickelte System identifiziert wurden Der Diebstahl der Mona Lisa aus dem Louvre im Jahre 1911 offenbarte schliesslich die Fehler der Bertillonage Der erst 1913 verhaftete Dieb Vincenzo Peruggia hatte sowohl auf einer Glasscheibe als auch auf einer Turklinke seine Fingerabdrucke hinterlassen Diese waren bereits seit 1909 registriert konnten jedoch in den Tausenden nach Korpermassen sortierten Karteikasten nicht gefunden werden Mit Bekanntwerden dieses Schwachpunktes war das Ende von Bertillons System besiegelt Alphonse Bertillon erkrankte 1913 schwer und starb am 13 Februar 1914 in Paris 1 In seinen letzten Lebensmonaten war er fast vollig erblindet Die Verleihung der Rosette zum Band der Ehrenlegion scheiterte an seiner starrkopfigen Haltung Bertillon war nicht bereit den eigenen Irrtum beim Schriftgutachten in der Dreyfus Affare zuzugeben Schon kurz nach seinem Tod loste die Daktyloskopie auch in Frankreich die Bertillonage ab da deren Fehler wie die ubermassige Komplexitat die Moglichkeit von Verwechslungen und die Abhangigkeit von der Genauigkeit der Messungen immer offenkundiger wurden Einige Elemente seines Systems sind jedoch bis heute im kriminalpolizeilichen Erkennungsdienst erhalten geblieben etwa die Portrait und Profilaufnahmen nach einer Verhaftung mug shot Sowohl die Bertillonage als auch die Daktyloskopie sind jeweils ein Biometrisches Erkennungsverfahren Rolle in der Dreyfus Affare Bearbeiten nbsp Das von Bertillon untersuchte SchriftstuckIn dem Hochverratsprozess gegen den judischen Offizier Alfred Dreyfus trat Bertillon ohne entsprechende Erfahrung als graphologischer Gutachter auf um den Beweis zu erbringen dass Dreyfus der Verfasser der Geheimkorrespondenz mit der deutschen Botschaft in Paris gewesen sei 2 Bezuglich der Unterschiede zwischen Dreyfus Handschrift und jener auf dem fraglichen Bordereau beharrte er sowohl im ersten Prozess 1894 als auch in der Revisionsverhandlung 1899 darauf dass Dreyfus seine eigene Handschrift gefalscht habe indem er sie in einer Weise verstellte wie es jemand tun wurde der seine Dreyfus Handschrift nachahmt 3 4 Als immer grossere Zweifel an seiner Expertise und der Logik seiner Ausfuhrungen 5 laut wurden versuchte er seine Position zu retten indem er behauptete das Dokument musse von Dreyfus sein gerade weil nicht zu beweisen sei dass es von ihm ist Die fehlende Nachweisbarkeit lasse auf ein perfekt ausgedachtes Verteidigungssystem schliessen das wiederum die perfekte Schuld beweise 6 Einen Fehler wollte er auch nach Dreyfus vollstandiger Rehabilitierung nicht eingestehen selbst dann nicht als der tatsachliche Verfasser Ferdinand Walsin Esterhazy seine Urheberschaft in Presseinterviews einraumte Noch kurz vor seinem Tod verzichtete Bertillon auf einen Orden weil dessen Verleihung an die Bedingung geknupft war dass er seinen Irrtum in der Dreyfus Affare einraume 6 Obwohl Bertillons Ruf unter dieser Affare betrachtlich litt hatte sein schwerwiegender Irrtum kaum berufliche Konsequenzen Er blieb weiterhin Direktor des Erkennungsdienstes Lediglich die Kontrolle uber die graphologische Abteilung wurde ihm entzogen und er durfte seine Plane eines kriminaltechnischen Labors nicht verwirklichen das erste dieser Art wurde spater von seinem Schuler Edmond Locard eingerichtet 7 Literatur BearbeitenHenry Rhodes Alphonse Bertillon Father of Scientific Detection Abelard Schuman New York 1956 Gerhard Feix Das grosse Ohr von Paris Falle der Surete Verlag Das Neue Berlin Berlin 1975 S 146 194 Dietmar Kammerer Welches Gesicht hat das Verbrechen Die bestimmte Individualitat von Alphonse Bertillons Verbrecherfotografie in Nils Zurawski Hg Sicherheitsdiskurse Angst Kontrolle und Sicherheit in einer gefahrlichen Welt Frankfurt Main Peter Lang 2007 27 38 Nicolas Quinche Crime Science et Identite Anthologie des textes fondateurs de la criminalistique europeenne 1860 1930 Geneve Slatkine 2006 368p passim Allan Sekula Der Korper und das Archiv in Herta Wolf Hg Diskurse der Fotografie Fotokritik am Ende des fotografischen Zeitalters Frankfurt Main 2003 S 269 334 George R Whyte Die Dreyfus Affare Ubersetzung aus dem Englischen von Oliver Mallick Vorwort von Sir Martin Gilbert Lang Frankfurt am Main 2010 ISBN 978 3 631 60218 8 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Alphonse Bertillon Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Sabine Mann 13 02 1914 Todestag von Alphonse Bertillon WDR ZeitZeichen vom 13 Februar 2014 Podcast Einzelnachweise Bearbeiten Todesanzeige Faire part de deces d Alphonse Bertillon decede le 13 fevrier 1914 en son domicile avenue du Trocadero n 5 Maison Rapide 72 rue de la Pompe Paris Laurent Rollet Autour de l affaire Dreyfus Henri Poincare et l action politique Seminaire de l Institut de Recherche sur les Enjeux et les Fondements des Sciences et des Techniques Strasbourg 1997 S 6 13 Abgerufen am 4 Mai 2014 PDF 354 kB Jim Fisher Alphonse Bertillon The Father of Criminal Identification Memento des Originals vom 4 Mai 2014 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot jimfisher edinboro edu Abgerufen am 4 Mai 2014 G W Steevens The Tragedy of Dreyfus Harper amp Brothers 1899 S 220 ff G W Steevens The Tragedy of Dreyfus Harper amp Brothers 1899 S 224 a b Sabine Mann ZeitZeichen 13 Februar 1914 Der Todestag des Kriminalisten Alphonse Bertillon Memento vom 5 Mai 2014 im Internet Archive MP3 Audiodatei 13 MB Criminocorpus Alphonse Bertillon and the Identification of Persons 1880 1914 Memento vom 4 Mai 2014 im Internet Archive englisch Normdaten Person GND 117589543 lobid OGND AKS LCCN no95019784 VIAF 2605773 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Bertillon AlphonseKURZBESCHREIBUNG franzosischer Kriminalist und AnthropologeGEBURTSDATUM 22 April 1853GEBURTSORT Paris FrankreichSTERBEDATUM 13 Februar 1914STERBEORT Paris Frankreich Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Alphonse Bertillon amp oldid 226531848