In der Analysis ist die absolute Stetigkeit einer Funktion eine Verschärfung der Eigenschaft der Stetigkeit. Der Begriff wurde 1905 von Giuseppe Vitali eingeführt und erlaubt eine Charakterisierung von Lebesgue-Integralen.
Definition Bearbeiten
Es sei ein endliches reelles Intervall und eine komplexwertige Funktion auf .
Die Funktion heißt absolut stetig, falls es für jedes ein gibt, welches derart klein ist, dass für jede endliche Folge paarweise disjunkter Teilintervalle von , deren Gesamtlänge ist, gilt
Beziehung zu anderen Stetigkeitsbegriffen Bearbeiten
Absolut stetige Funktionen sind gleichmäßig stetig und damit insbesondere stetig. Die Umkehrung gilt nicht, so ist die Cantor-Funktion stetig, aber nicht absolut stetig. Andererseits ist jede Lipschitz-stetige Funktion auch absolut stetig.
Absolute Stetigkeit von Maßen Bearbeiten
Von besonderer Bedeutung für die Maßtheorie sind die reellwertigen absolut stetigen Funktionen. Es bezeichne das Lebesgue-Maß. Für monoton steigende reellwertige Funktionen sind folgende Eigenschaften äquivalent:
- Die Funktion ist absolut stetig auf .
- Die Funktion bildet -Nullmengen wieder auf Nullmengen ab, d. h. für alle messbare Mengen gilt .
- Die Funktion ist -fast überall differenzierbar, die Ableitungsfunktion ist integrierbar und für alle gilt .
Daraus folgt ein enger Zusammenhang zwischen den absolut stetigen Funktionen und den absolut stetigen Maßen, dieser wird durch die Verteilungsfunktionen vermittelt.
Zwei Maße nennt man äquivalent, wenn beide absolut stetig bezüglich einander sind
Lebesgue-Integrale Bearbeiten
Die absolut stetigen Funktionen finden auch Anwendung in der Integrationstheorie, sie dienen dort dazu den Fundamentalsatz der Analysis auf Lebesgue-Integrale auszudehnen. Jenseits der obigen Äquivalenz sind nämlich auch nicht-monotone absolut stetige Funktionen fast überall differenzierbar und es gilt . Außerdem ist schwach differenzierbar und die schwache Ableitung stimmt (fast überall) mit überein. Dies liefert tatsächlich eine Charakterisierung der Lebesgue-Integrierbarkeit, denn die folgende Umkehrung gilt ebenfalls für beliebige Funktionen:
Optimale Steuerung Bearbeiten
In der Theorie der optimalen Steuerungen wird gefordert, dass die Lösungstrajektorien absolut stetig sind.
Literatur Bearbeiten
- Jürgen Elstrodt: Maß- und Integrationstheorie. 4., korrigierte Auflage. Springer, Berlin 2005, ISBN 3-540-21390-2.
- Walter Rudin: Real and Complex Analysis. 3. Auflage. McGraw-Hill, New York 1987 (englisch).
Einzelnachweise Bearbeiten
- Giuseppe Vitali: Opere sull'analisi reale e complessa. Edizioni Cremonese, Bologna 1984
- Jürgen Elstrodt: Maß- und Integrationstheorie. 4., korrigierte Auflage. Springer, Berlin 2005, ISBN 3-540-21390-2, S. 281.