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Wirtschaftliche Angelegenheiten ist ein Rechtsbegriff aus dem deutschen Betriebsverfassungsrecht Er beschreibt einen Themenbereich unternehmerischen Handelns in dem es einzelne Beteiligungsrechte des Betriebsrats gibt Die wirtschaftlichen Angelegenheiten sind in den 106 bis 113 BetrVG geregelt In diesem Zusammenhang sieht das Gesetz auch weitere Pflichten des Unternehmers die nicht gegenuber dem Betriebsrat sondern gegenuber der Belegschaft oder einzelnen Arbeitnehmern bestehen vor Inhaltsverzeichnis 1 Die einzelnen Beteiligungsrechte in wirtschaftlichen Angelegenheiten 2 Weitere Pflichten des Unternehmers in diesem Bereich 3 Die Bedeutung der wirtschaftlichen Angelegenheiten im Betriebsverfassungsrecht 4 Zustandiger Betriebsrat 5 Zur Geschichte der Beteiligung in wirtschaftlichen Angelegenheiten 6 Vergleich mit ahnlichen Beteiligungsrechten im Personalvertretungsrecht 7 EinzelnachweiseDie einzelnen Beteiligungsrechte in wirtschaftlichen Angelegenheiten BearbeitenZu den Beteiligungsrechten in wirtschaftlichen Angelegenheiten im Sinne der 106 ff BetrVG gehoren Der Wirtschaftsausschuss 106 bis 109 BetrVG Der Interessenausgleich nach 112 Abs 1 BetrVG Der Sozialplan 112 112a BetrVG Interessenausgleich und Sozialplan setzen eine Betriebsanderung voraus die in 111 BetrVG naher beschrieben ist Weitere Pflichten des Unternehmers in diesem Bereich BearbeitenIn diesen thematischen Zusammenhang gehoren auch zwei weitere Rechte die aber keine Beteiligungsrechte im engeren Sinne sind da sie Anspruche der Belegschaft bzw einzelner Arbeitnehmer gegenuber dem Arbeitgeber und Unternehmer betreffen Die Pflicht des Unternehmers die Belegschaft regelmassig uber die wirtschaftliche Lage und Entwicklung zu unterrichten 110 BetrVG Der Nachteilsausgleich nach 113 BetrVG Die Bedeutung der wirtschaftlichen Angelegenheiten im Betriebsverfassungsrecht BearbeitenDie wirtschaftlichen Angelegenheiten gehoren zu den vier Themenbereichen in denen dem Betriebsrat nach dem BetrVG Beteiligungsrechte zustehen Die weiteren Themenbereiche sind die Sozialen Angelegenheiten 87 bis 89 BetrVG die Rechte unter dem Titel Gestaltung von Arbeitsplatz Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung 90 91 BetrVG und die personellen Angelegenheiten 92 bis 105 BetrVG Die personellen Angelegenheiten werden nochmals untergliedert in die Allgemeinen personellen Angelegenheiten 92 bis 95 BetrVG sowie die Personellen Einzelmassnahmen wie zum Beispiel Versetzung 95 BetrVG oder Kundigung 102 BetrVG Die Beteiligung des Betriebsrats in wirtschaftlichen Angelegenheiten weist uber das angestammte Arbeitsgebiet der Betriebsrate hinaus Regelungsmacht in innerbetrieblichen Angelegenheiten Durch den Wirtschaftsausschuss gelangt der Betriebsrat an Informationen die der Unternehmer zur Fuhrung seines Unternehmens und nicht nur seines Betriebes benotigt und er hat uber das Instrument des Interessenausgleichs sogar die Moglichkeit auf die Willensbildung im Kernbereich unternehmerischen Handelns Einfluss zu nehmen Die Beteiligungsrechte in wirtschaftlichen Angelegenheiten weisen damit thematische Ahnlichkeiten mit Arbeitnehmerbeteiligungsrechten in unternehmerischen Angelegenheiten nach dem Drittelbeteiligungsgesetz oder dem Mitbestimmungsgesetz auf Aufgrund dieser Besonderheit wird der Gesprachspartner des Betriebsrats im Gesetz hier als Unternehmer und nicht als Arbeitgeber wie im ubrigen Betriebsverfassungsrecht bezeichnet Zustandiger Betriebsrat BearbeitenEine weitere Folge dieses Bezugs auf den Unternehmer zeigt sich in Unternehmen die mehrere Betriebe fuhren Denn in diesem Fall kann der Wirtschaftsausschuss nur vom Gesamtbetriebsrat 47 BetrVG bestellt werden da es um das Unternehmen als Ganzes geht und nicht um einzelne seiner Betriebe Auch bei dem Interessenausgleich ist der Gesamtbetriebsrat immer dann zustandig wenn es sich um eine Veranderung handelt mit der das gesamte Unternehmen und nicht nur einzelne Betriebe neu aufgestellt werden sollen unternehmenseinheitliches Konzept 1 Beim Sozialplan ist die Rechtsprechung dagegen mit der Zuweisung der Zustandigkeit an den Gesamtbetriebsrat eher zuruckhaltend man sagt das angestrebte gerechte Mass des Ausgleichs oder der Milderung der Nachteile fur die Verlierer der Betriebsanderung habe viele regionale oder ortliche Bezuge und musse daher im Regelfall vor Ort mit dem fur den Betrieb zustandigen Betriebsrat geklart werden 2 Zur Geschichte der Beteiligung in wirtschaftlichen Angelegenheiten BearbeitenDie Anfange der Beteiligung des Betriebsrats in wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmers gehen auf das Betriebsrategesetz 1920 BRG zuruck die Beteiligung war damals freilich auf eine Unterrichtung beschrankt Der Arbeitgeber musste vierteljahrlich einen Bericht uber die Lage und den Gang des Unternehmens und uber den zu erwartenden Arbeitskraftebedarf 71 BRG abgeben In grosseren Betrieben ab 300 Arbeitnehmer musste er zusatzlich dem Betriebsrat eine Betriebsbilanz sowie eine Gewinn und Verlustrechnung fur seinen Betrieb vorlegen und erlautern Die heutige Betriebsanderung nach 111 BetrVG hatte ihren Vorlaufer in 74 BRG Nach dieser Vorschrift musste sich der Arbeitgeber bei Erweiterung Einschrankung oder Stilllegung des Betriebes sowie bei der Einfuhrung neuer Techniken oder Arbeitsmethoden mit dem Betriebsrat ins Benehmen setzen hierbei konnten auch Massnahmen zur Vermeidung von Harten bei Entlassungen entspricht dem heutigen Sozialplan vereinbart werden An diese Tradition anknupfend entstand nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bundesrepublik 1952 das Betriebsverfassungsgesetz BetrVG 1952 Hier spricht das Gesetz erstmals von dem Wirtschaftsausschuss der aber als ein paritatisch durch Arbeitgeber und Betriebsrat besetzter gemeinsamer Ausschuss konzipiert ist Der Ausschuss diente lediglich der Unterrichtung und nicht wie heute auch der Beratung In 72 BetrVG 1952 wurde das Instrument des Interessenausgleichs geschaffen und 74 BetrVG 1952 sah bereits den Nachteilsausgleich beim Abweichen vom Interessenausgleich vor heute 113 BetrVG Die Regelungen zur Vermeidung von Harten bei Massenentlassungen heute Sozialplan wurde als personelle Massnahme begriffen und war in 66 BetrVG 1952 erfasst Das 1972 grundlegend novellierte Betriebsverfassungsgesetz das mit spateren Anderungen auch heute noch gilt hat an dem System der Beteiligung in wirtschaftlichen Angelegenheiten nichts geandert hat jedoch einige Veranderungen im Detail hervorgebracht So ist nunmehr der Wirtschaftsausschuss kein gemeinsamer Ausschuss mehr sondern er wird vollstandig vom Betriebsrat besetzt 107 BetrVG Der Unternehmer ist nunmehr auch zur Beratung im Wirtschaftsausschuss verpflichtet 106 Abs 1 BetrVG Ausserdem gibt es zur Vermeidung von Unklarheiten einen Katalog von Angelegenheiten die der Gesetzgeber ausdrucklich aber nicht abschliessend als wirtschaftliche Angelegenheit uber die unterrichtet und beraten werden muss bezeichnet 106 Abs 3 BetrVG Im Bereich der Betriebsanderungen Sozialplan Interessenausgleich Nachteilsausgleich ist das Gesetz jetzt klarer formuliert und der Sozialplan gehort nunmehr zum Bereich der uber die Einigungsstelle erzwingbaren Mitbestimmung Weitere kleinere Veranderungen hat dann erst wieder das Betriebsverfassungsreformgesetz vom 23 Juli 2001 3 bewirkt Der Katalog der Beratungspflichten im Wirtschaftsausschuss bezieht sich nunmehr auch auf den betrieblichen Umweltschutz 106 Abs 3 Nr 5a BetrVG und in Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern kann der Betriebsrat bei den Verhandlungen zu einer Betriebsanderung einen externen honorarberechtigten Berater hinzuziehen 111 Satz 2 BetrVG Eine weitere kleine aber praktisch bedeutende Anderung hat 111 Satz 1 BetrVG durch das Betriebsverfassungsreformgesetz 2001 erfahren Dort war bisher geregelt dass die Beteiligungsrechte bei Betriebsanderungen Sozialplan Interessenausgleich und daran anknupfend der Nachteilsausgleich nach 113 BetrVG nur fur Betriebe mit mehr als 20 Arbeitnehmern gelten sollten Durch die Anknupfung an den Betrieb kam es insbesondere im Einzelhandel dazu dass grosse deutschlandweit operierende Unternehmen die ihre Produkte uber kleine selbstandig gefuhrte Filialen vertreiben bei Betriebsanderungen zum Beispiel bei der Schliessung oder Verlegung einzelner Filialen der Sozialplanpflicht entgehen konnten Denn je nach Ausgestaltung der Selbstandigkeit der Filiale kann es sein dass jede Filiale einen eigenen Betrieb darstellt Diese Betriebe sind jedoch in vielen Fallen so klein dass der notwendige Schwellenwert von mehr als 20 Arbeitnehmern nicht erreicht wird Als Reaktion auf diese Entwicklung der betrieblichen Praxis bezieht sich der Schwellenwert des 111 Satz 1 BetrVG seit 2001 nicht mehr auf den Betrieb sondern auf das Unternehmen Damit werden die Arbeitnehmer aller Betriebe eines Unternehmens bei der Berechnung des Schwellenwertes zusammen betrachtet Vergleich mit ahnlichen Beteiligungsrechten im Personalvertretungsrecht BearbeitenIm Personalvertretungsrecht des Bundes gibt es keine direkte Entsprechung zu der Beteiligung des Betriebsrats in wirtschaftlichen Angelegenheiten Insbesondere gibt es keine dem Wirtschaftsausschuss entsprechende Berichtspflicht des offentlichen Dienstherrn Es gibt aber einzelne verstreute Beteiligungsrechte die Ahnlichkeiten zu den wirtschaftlichen Angelegenheiten aufweisen So wirkt der Personalrat nach 84 BPersVG bei der Auflosung Einschrankung Verlegung oder Zusammenlegung Aufspaltung oder Ausgliederung von Dienststellen oder wesentlichen Teilen von ihnen mit Dieses Beteiligungsrecht wird aber traditionell auf die Gestaltung der Folgen solcher Veranderungen bezogen Umsetzungsplanung und nicht wie beim Interessenausgleich im Betriebsverfassungsrecht auch auf die Frage ob man die Veranderungen uberhaupt vollziehen soll Zielplanung Die Voraussetzungen fur einen Sozialplan sind ganzlich anders als im Betriebsverfassungsrecht geregelt Wahrend im Betriebsverfassungsrecht der Sozialplan mit dem Begriff der Betriebsanderung nach 111 BetrVG verknupft ist ist er nach 79 Abs 1 Nr 5 BPersVG mit dem Begriff der Rationalisierungsmassnahme verknupft Eine Rationalisierungsmassnahme setzt im Kern einen Produktivitatsgewinn voraus so dass der blosse Personalabbau oder gar die Schliessung einer Dienststelle nicht darunter fallen Ist allerdings eine Rationalisierung gegeben sind keine Schwellenwerte zu beachten ein Sozialplan kann auch dann abgeschlossen werden wenn es nur um den Ausgleich oder die Milderung des Nachteils fur einen einzigen betroffenen Beschaftigten geht 4 Das Personalvertretungsrecht der Bundeslander versucht in diesem Bereich teilweise eigene Wege zu gehen der Spielraum fur personalratsfreundlichere Regelungen ist jedoch angesichts der verfassungsrechtlich verburgten umfassenden Verantwortung der Regierungen gegenuber den Parlamenten in der Sache deutlich geringer als im Betriebsverfassungsrecht Einzelnachweise Bearbeiten Bundesarbeitsgericht 11 Dezember 2001 1 AZR 193 01 BAGE 100 60 AP Nr 22 zu 50 BetrVG 1972 DB 2002 1276 NZA 2002 688 BAG 3 Mai 2006 1 ABR 15 05 AP Nr 29 zu 50 BetrVG 1972 BGBl I S 1852 Bundesverwaltungsgericht Beschluss vom 1 Marz 1993 6 PB 12 92 PersR 1993 315 Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Wirtschaftliche Angelegenheiten amp oldid 216111148